Stuttgart 21/Gleisneigung

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Version vom 1. März 2012, 11:28 Uhr von SOK (Diskussion) (15 Promille Gleisgefälle statt den 2,5 Promille aus der Vorschrift)

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15 Promille Gleisgefälle statt den 2,5 Promille aus der Vorschrift

Bahnsteiggleisgefälle aus „21 Gute Gründe für Stuttgart 21“[1]
Bei Stuttgart 21 soll der Tiefbahnhof ein Bahnsteiggleisgefälle von 15,143 Promille (‰) aufweisen. Obwohl sogar 30 ‰ Längsneigung bei Bahnsteigen zulässig sind[2], soll nach der EBO bei Neubauten die Längsneigung 2,5 ‰ nicht überschreiten, d.h. man plant mehr als das sechsfache Gefälle dieser Sollvorschrift. Dies entspricht laut Bahn in etwa dem Gefälle der Königsstraße in Stuttgart.[3] Kein Bahnhof in Europa hat mehr als 2,5 ‰ Neigung.[4]

Bedeutung für die Fahrgäste

Auf 25 Promille verschärftes Gefälle durch Querneigung

Damit die Trolleys, Rollstühle und Kinderwagen nicht auf die Gleise rollen, ist eine zusätzliche Bahnsteig-Neigung von 10 bis 20 ‰ quer zum Bahnsteig geplant (in Richtung Bahnsteigmitte).[3]

  1. Gesamt-Gefälle bis 25 ‰: Durch die Addition von Längs- und Quergefälle entsteht somit eine weiter verschärfte Gesamt-Neigung (diagonal) von bis zu 25 ‰. (Ab dieser Steigung gelten Eisenbahnstrecken als Gebirgsbahn – aber hier geht es ja um die Fahrgäste.)
  2. Steigung über Grenzwert für barrierefreies Bauen: Diese Steigung liegt fast beim Doppelten der Königstraße und auch über dem Quergefälle-Grenzwert von 20 ‰ für barrierefreies Bauen in öffentlichen Gebäuden.[5] Die Trolleys und Kinderwägen, die bei 15 ‰ noch nicht losrollten, die schaffen es jetzt.
  3. Hindernisrennen: Die Bahn will in Bewegung gekommenes Gepäck oder Personen durch Bänke und "Mülltonnen" in dieser Abroll-Rinne stoppen.[3] Dies erscheint als eine verhältnismäßig unelegante Maßnahme für einen so modernen Bahnhof. Das Gefälle ist auf die Hindernisse in Form von Bänken und Mülltonnen gerichtet. D.h. der Reisende, der üblicherweise dem Gefälle folgt, wird auf die Hindernisse gelenkt und muss beim Ausweichen unbequem quer zu einem Gefälle von 25 ‰ laufen.

Lärm und Komforteinbußen durch rollhemmenden Belag

Ein rollhemmender Belag, eine Art Kopfsteinpflaster, soll das Wegrollen behindern.[6]

  1. Großrädrige Gefährte: Der rollhemmende Belag versagt bei großrädrigen Gefährten.
  2. Lärmbelastung: Der rollhemmende Belag führt zu einer erheblichen Lärmbelastung. Die meisten Bahnhöfe haben glatten Asphalt oder polierten Steinboden. Eine Art Kopfsteinpflaster erhöht den Lärm der Trolleys und Gepäckwagen beträchtlich, wie man leicht selbst auf entsprechendem Pflaster nachvollziehen kann. Dieser Lärm vervielfacht von hunderten Reisenden führt zu einer enormen Lärmkulisse, die durch die (im Vergleich zu anderen Bahnhöfen) sehr niedrigen Decken (im Randbereich des Bahnhofs sogar gebündelt) verstärkt wird, wozu der normale Bahnhofslärm (quietschende Bremsen) noch hinzukommt. Die Akustik des Tiefbahnhofs erscheint tatsächlich als ein noch ungeprüftes sehr kritisches Feld des Projektes.
  3. Kraftaufwand: Es bedeutet eine erhebliche Anstrengung, einen Rollkoffer gegen das Gefälle und den Widerstand des rollhemmenden Belags zu befördern. Wenn der Belag das Gepäck bei 25 ‰ Neigung bremst, dann muss der Bergaufgehende für seinen Trolley etwa gefühlte 50 ‰ überwinden (bei dieser Steigung beginnt die Bahn mit Zahnradantrieb[7]). Das entspricht einem mit 5 % unangenehm steilen Anstieg.

NoGo.png Das Gefälle ist für die Fahrgäste schon im Blick auf die bestehenden Grenzwerte für barrierefreies Bauen bedenklich, ganz abgesehen von der Gefahrensituation im Bahnhof. Der Notbehelf mit einem rollhemmenden Belag versagt bei großrädrigen Gefährten und führt zu erheblichen Komfort-Einbußen. Die Kombination Gefälle, Querneigung und rollhemmender Belag widersprechen den Schutzzielen der EBO.

Bedeutung für den Bahnbetrieb

Keine technische Sicherung gegen Wegrollen

Bis zur Faktenschlichtung war die Bahn offenbar davon ausgegangen, dass der Lokführer (der vielleicht gerade auf der Bahnhofstoilette sitzt oder evtl. bewusstlos ist) im Falle des Losrollens den Fahrtregler in die Rollrichtung stellt, denn sonst bremst das Signal den Zug nicht.[8] Auch war offenbar nicht bekannt, dass der "Totmannknopf" erst im bewegten Zug aktiv und nach 28 Sekunden wirksam wird[9] (dann ist das Unglück schon passiert) und selbst wenn die Feststellbremse betätigt würde, reicht sie nicht für die 15‰.[10].

Bisher hat die Bahn tatsächlich noch kein Konzept für rückwärtsrollende Züge, die in den Weichenbereich, also in den laufenden Verkehr, oder auf andere Züge bei "Doppelbelegung" rollen. [Zum Vergleich: Auf Rangierbahnhöfen, in denen die abgekoppelten Waggons alleine leicht bergab in ihre Bestimmungsgleise rollen, gibt es nach Ende des sogenannten „Abrollbergs“ zum Zwecke des selbsttätigen Weiterrollens ein Gefälle von ca. 10 ‰[11]. D.h. wir müssen im Tiefbahnhof von einer beschleunigten Bewegung ausgehen.]

Bei der Diskussion zu diesem Thema konnten die Vertreter der Bahn grundsätzlich nicht eine einzige konkrete zwangsläufige Sicherungseinrichtung nennen, die einen losgerollten Zug wieder stoppt. Es hieß nur, dass eine "Frage zu beantworten" ist, ob "ausreichend Sicherheitseinrichtungen" vorhanden sind. Die Antwort auf diese Frage wurde nicht gegeben.[12] Eine Frage als Antwort der Bahn auf eine gravierende Sicherheitsfrage? Der Sicherheitsbeauftragte der Bahn, Klaus-Jürgen Bieger, sagte zum Thema:[13]

"Auch bei geringeren Neigungsverhältnissen, auch bei 1,5 ‰ oder 2,5 ‰ kann der Zug ins Rollen kommen. Aber dann hätten auch alle diese Sicherheitsmechanismen verta... nicht gepasst und dann wäre das nicht gut zum Ein- und Aussteigen. Die Frage ist: Ob dann könnte einzelnen Personen selbstverständlich etwas passieren. Aber das ist egal. Auch bei geringerer Neigung könnte es losrollen."

Hr. Bieger meinte sicher nicht, dass es egal ist, wenn einzelnen Personen etwas passiert. Aber auch er konnte nur auf "alle diese Sicherheitsmechanismen" verweisen, ohne nennen zu können, "wie man dieses Problem technisch wirklich idiotensicher lösen kann", wie es Dr. Geißler gefordert hatte.[14] Solange die Bahn noch nicht weiß, wie sie rollende Züge stoppen will, müssen wir auf die irgendwie abstrakten Kräfte aus den "Schutzzielen" der EBO (siehe unten) hoffen, oder wir vertrauen auf die ebenso abstrakte "Abwägung" beim Eisenbahn-Bundesamt, die uns nach Meinung des Bahnvorstands Dr. Volker Kefer die Sicherheit bringen soll.[15] Im Schlussplädoyer räumte Dr. Kefer ein, dass die Sicherheit im geneigten Bahnhof und in den Tunnels wohl erst in "weiteren Diskussionen" nachgewiesen werden könne.[16] Es erstaunt, dass bevor hier Lösungen vorliegen, der Bau begonnen werden kann.

Auch Schlichter Heiner Geißler war das Gefälle des Bahnhofs nicht geheuer, er sagte dazu:

Etwas verkürzt: "Es braucht nur ein Kind ums Leben kommen, dann ist ihr ganzer schöner Bahnhof Schall und Rauch." [17] Und: "Man kann das als theoretisches Problem bezeichnen, aber möglicherweise alles, was zum ersten Mal passiert, ist vorher immer als theoretisch unmöglich bezeichnet worden." [18]
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Es fehlt hier noch die Auswertung des Sicherheitskonzepts, das im Rahmen der Stresstest-Präsentation vorgestellt wurde.

Keine Richtlinie für Doppelbelegung bei Gefälle

→ siehe Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Keine Richtlinie für Doppelbelegung bei Neigung

Das Gefälle von 15 ‰ (ab 25 ‰ spricht man von Gebirgsbahnen) bewirkt bei dem Eisenbahnbetrieb deutlich erhöhte (bergab) oder auch erniedrigte (bergauf) Bremswege. Die verlängerten Bremswege sind insbesondere kritisch, wenn es um den Betrieb mit Doppelbelegungen geht. Stuttgart 21 würde mit 13 Doppelbelegungen in der Spitzenstunde den absoluten Rekord in dieser Betriebsart halten. Jeder zweite Zug würde als Doppelbelegung abgefertigt werden. Dennoch existiert keine Richtlinie, die insbesondere die zulässigen Einfahrgeschwindigkeiten bzw. die anzunehmende Bremskurve für den Betrieb regelt.

Aufgrund der Einzigartigkeit dieser Betriebsart (bisher existiert kein Bahnhof in Europa mit einer solchen Neigung) wären überdies technische Sicherungsmaßnahmen vorzusehen, die bei menschlichem Versagen eingreifen. Die Sicherheit kann hier nicht allein dem Erinnerungsvermögen der Lokführer überlassen werden, die teilweise auch aus dem Ausland kommen und mit dieser Sondersituation vollkommen unvertraut sein können.

Dass für diese Fälle vorgebeugt werden muss, zeigen bspw. zahlreiche Vorfälle an dem Haltepunkt Haan zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Solingen Hbf. Hier liegt ein Gefälle von "nur" 6,6 ‰ vor, und dennoch kam es in der Vergangenheit immer wieder vor, dass sich der Lokführer verbremste und über den Bahnsteig hinausrutschte. An einem Haltepunkt liegen aber keine Weichen, die in anderen Verkehr einmünden. Schon dies wäre bei Stuttgart 21 eine Gefahr selbst ohne den Betrieb mit Doppelbelegungen. Bei Doppelbelegung aber sind die Anforderungen weit höher. Der Bremsweg am Bahnsteig ist auf die Hälfte verkürzt und es muss ziemlich nah an den stehenden Zug herangefahren werden. Ein Lokführer, der hier erst am Anfang des Bahnsteigs erkennt, dass schon ein Zug in der hinteren Hälfte steht, kann kaum noch bremsen.

Die fehlende Regelung dieses Betriebs durch eine Richtlinie unter Berücksichtigung der verlängerten Bremswege und die fehlende Einrichtung technischer Sicherungen zur zuverlässigen Verhinderung des Auflaufens der Züge scheinen die bestehende Ausnahmegenehmigung in Frage zu stellen. Auch das Problem des möglichen Wegrollens der Züge und damit ein Auffahren bei Doppelbelegung ist in der Ausnahmegenehmigung bisher allein dadurch adressiert, dass der Wille einer Verordnung die Unglücke irgendwie verhindern möge (siehe unten).

Die Argumentation der Bahn, dass dieser Fall für die allgemeinen Regeln im Gefälle abgedeckt sein (.... Quelle), verfängt nicht, da eben bisher jeder Lokführer sicher damit rechnen konnte, in einen ebenen Bahnhof einzufahren.

NoGo.png Es erscheint im Blick auf die Sicherheit des Bahnhofs schlichtweg unmöglich, auch nur die Planung des Neubaus fortzusetzen, solange der international einzigartige Betrieb im geneigten Bahnhof inklusive der Anforderungen im Falle von Doppelbelegungen noch nicht sicherheitstechnisch geregelt ist.

Ausnahmegenehmigung

Für die sechsfache Bahnsteigneigung wurde (.... durch das EBA?) eine Ausnahmegenehmigung erteilt[19]:

"Zum anderen wird hinsichtlich des Wegrollens der Züge auf die Schutzziele der einschlägigen EBO verwiesen, die vor allem ein selbstständiges in Bewegung setzen von abgestellten Eisenbahnfahrzeugen (Wagen und Züge) zuverlässig verhindern wolle."
"Im neuen Stuttgarter Hauptbahnhof sieht das Betriebsprogramm nur ein Halten zum Aus- und Einsteigen der Reisenden vor, wobei bei diesen Halten die Zuggarnituren immer gebremst werden. Auch werden in der Regel bei durchgehenden Zügen keine Bremsproben erforderlich, Diese Funktionen werden in den jeweiligen Wartungsbahnhöfen erfüllt. "

NoGo.png Damit ist ein 'Kopfmachen' (fahrplanmäßig oder bei Störungen in den Tunnels) oder ein Lokwechsel (bei Defekt) in praxi ausgeschlossen.

Kein Haltepunkt

Stuttgart 21 ist kein Haltepunkt, es schließen sich Weichen direkt an die Bahnsteige an, die Gefahrensituation ist die eines Bahnhofs.

Keine Zwangslage

[Evtl. den "Zwangslage" durch korrekten Begriff ersetzen.]

Stuttgart 21 ist keine Zwangslage, sondern es sollen die Kosten gespart werden, wie die frühere Landesverkehrsministerin Tanja Gönner jüngst in einem Interview klarstellte:[20]

  1. "Ein weiteres Thema ist das Gefälle auf dem Bahnsteig, das per se zwar kein Problem darstellt, das man aber ändern kann. Das würde allerdings ziemlich viel Geld in Anspruch nehmen."

NoGo.png Stuttgart 21 ist kein Haltepunkt, sondern ein Bahnhof, auf dem wegrollende Züge im anschließenden Weichenbereich unmittelbar Gefahrensituationen erzeugen. Stuttgart 21 könnte für mehr Geld eben gebaut werden, d.h. es wird an der Sicherheit gespart. Es bleibt unklar, wie der "Wille" der in der EBO niedergeschriebenen "Schutzziele", – einen Zug stoppt, der sich in Bewegung gesetzt hat. Eine technische Sicherung für diesen Fall steht aus.

Längsneigung in der TSI Infrastruktur der EU

Per Entscheidung der Europäischen Kommission vom 26.04.2011, veröffentlicht am 14.05.2011, wurde die "TSI Infrastruktur"[21] erlassen (TSI - Technische Spezifikation für die Interoperabilität), die im Unterschied zu früheren Entwürfen Stuttgart 21 von der Gleisneigungs-Beschränkung für Bahnhöfe ausnimmt. Stuttgart 21 fällt demnach in die Streckenklasse IV-P ("Neue TEN-Strecke des Kernnetzes", Blatt 14 der pdf-Datei / S. L126/66). Für diese Streckenklasse gilt für die Längsneigung (Blatt 18 / S. L126/70, "4.2.4.3. Maximale Längsneigungen"):

"Die Längsneigung von Gleisen an Fahrgastbahnsteigen darf 2,5 mm/m nicht überschreiten, wenn dort regelmäßig Personenwagen angehängt oder abgekuppelt werden sollen."

Das heißt die 2,5 ‰-Grenze für das Bahnsteiggleisgefälle aus der EBO und aus früheren Entwürfen der TSI-Infrastruktur ist für Stuttgart 21 durch die EU-Richtlinie aufgehoben (die "TSI Infrastruktur" ist eine Spezifikation zu Richtlinie 2008/57/EG vom 17.06.2008[22]), da im neuen Tiefbahnhof zumindest 'in der Regel' keine Waggons umgehängt werden sollen. Es stellt sich die Frage, ob die EU-Richtlinie im Vergleich zum Entwurf nicht eine 'Lex Stuttgart 21' darstellt.

Die Modifizierung der EU-Vorschrift TSI Infrastruktur HGV fand nach dem 28.01.2005 bis Ende 2007 statt. Sie wurde im EU-Amtsblatt vom 19.03.2008 verkündet, war mithin zum Zeitpunkt der Geißlerschen Schlichtung 2 1/2 Jahre später bekannt. Dr. Geißler und auch der Gutachter Dipl.-Ing. Happe, wussten zum Zeitpunkt des 6. Schlichtungstages in Nov 2010, als der Detailpunkt Bahnsteiggleisneigung aufgerufen wurde, nach eigenem Bekunden hiervon noch nichts. Die Verantwortlichen der DB Netz AG, in ihrer Spitze Dr.Kefer, wussten hiervon sehr wohl, haben hierzu aber geschwiegen, weil die Aufarbeitung dieses Themas in aller Öffentlichkeit allen Beteiligten vor Augen geführt hätte, dass es nirgendwo in der Welt einen Bahnhof mit einem solch hohen Gefälle gibt.

Dot.pngNoGo.pngDot.png Die Frage verlagert sich damit wieder darauf, wie die Deutsche Bahn über Betriebsanweisungen oder technische Sicherungen die ggf. im Störungsfall nötigen Anhänge- oder Abkupplungsvorgänge so absichert, dass Gefahren für den Bahnbetrieb ausgeschlossen werden können. Auch stellt sich die Frage, ob allein ein gewähltes Betriebsprogramm für die Einordnung gemäß der TSI hinreicht.

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Zu klären, welche Bedeutung diese EU-Einordnung in Bezug auf die Definitionen von Haltepunkt und Bahnhof hat. Welche Folgen hätte es, wenn Stuttgart 21 kein Bahnhof mehr wäre?

Inhalt des Schreibens von Sven Andersen an EU-Kommissar Sim Kallas

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ENTWURF


Die EU-Kommission hat in die TSI Infrastruktur für den transeuropäischen HGV-Verkehr gültig ab 19.03.2008 folgendes aufgenommen:

„Die Neigung von Gleisen an Fahrgastbahnsteigen darf 2,5 mm/m nicht überschreiten“, während es in der deutschen EBO weniger streng heißt: "soll nicht überschreiten".

Da die Vorschrift zwingend ist, was für den sicheren Betriebsablauf beim Fahrgastwechsel eines haltenden Zuges richtig ist, sind nachträgliche Ausnahmegenehmigungen grundsätzlich nicht mehr möglich. Bestehende Ausnahmeregelungen hätten schon bei Verkündigung der modifizierten Vorschrift am 19.03.2008 unter Abschnitt 7.3 Sonderfälle auf Seite L 77/50 unter Punkt 7.3.1 ‚Besonderheiten des deutschen Netzes’ genannt werden müssen. Dies ist offensichtlich seitens Deutschlands für den Fall der abweichenden Bahnsteiggleisneigung im geplanten Stuttgarter Tiefbahnhof von 15,143‰ aus gutem Grund unterlassen worden. Die Höhe der Abweichung übersteigt den zulässigen Regelwert (2,5‰) gleich um das Sechsfache (!!) des gemeinschaftlich festgelegten Sicherheitskriteriums. Eine Organisation, die ein solches Vorgehen von einem Mitgliedstaat duldet, stellt die gesamte Regelung infrage!

Die Einhaltung einer Bahnsteiggleisneigung von 2,5‰ stellt ein wichtiges Kriterium für die Abwicklung des Fahrgastwechsels in Personenbahnhöfen dar. Im Zusammenspiel hiermit werden Triebfahrzeugführer befähigt, eine genaue Zielpunktbremsung durchzuführen. Bei einem geneigten Bahnsteig von 15,143‰ ist ein sicherer Fahrgastwechsel zwingend nicht mehr gewährleistet. Hier wird die Verantwortung für einen sicheren Fahrgastwechsel allein dem Triebfahrzeugführer aufgebürdet.

Die Lobbyisten für das Projekt Stuttgart 21 haben deshalb zu keinem Zeitpunkt, weder von 04/1994 bis heute, einen Längsschnitt durch den neuen Stuttgarter Tiefbahnhof dargestellt und darin das Bahnsteiggefälle von 15,143 ‰ angegeben. Als Beweis füge ich die Anlage 2 (???) an. Der Öffentlichkeit in Stuttgart sollte die Gefälle-Problematik nicht ins Bewusstsein gerückt werden.

Beim Vergleich der beiden TSI-Ausgaben vom 12.09.2002 bzw 19.03.2008 stellt ein Fachmann fest, dass die Einteilung der Streckenkategorien neu gefasst wurde. Drei Punkte fallen in der modifizierten Ausgabe vom 19.03.2008 auf:

  1. die Neuaufnahme des Kriteriums „Die Neigung von Gleisen an Fahrgastbahnsteigen darf 2,5 mm/m nicht überschreiten.“
  2. die Zuordnung des neu aufgenommenen Kriteriums ausschließlich zur Streckenkategorie I (eigens für Hochgeschwindigkeitszüge gebaute Strecken, die für Geschwindigkeiten von im Allgemeinen mindestens 250 km/h ausgelegt sind), nicht hingegen aber bei den Streckenkategorien II (eigens für Hochgeschwindigkeitszüge ausgebaute Strecken, die für Geschwindigkeiten von rund 200 km/h ausgelegt sind) und III (eigens für Hochgeschwindigkeitszüge gebaute oder ausgebaute Strecken, die aufgrund der sich aus der Topografie, dem Umweltschutz, der Oberflächengestalt oder der städtischen Umgebung ergebenden Zwänge von spezifischer Beschaffenheit sind und deren Geschwindigkeit im Einzelfall angepasst werden muss)
  3. während man in der alten TSI von 2002 zwischen den für den HGV-Verkehr gebauten, ausgebauten und ausgebauten Strecken von spezifischer Beschaffenheit unterscheidet, werden in der TSI Infrastruktur von 2008 bei letzterer Kategorie das Wort „gebaute“ zusätzlich genannt.

Geht man hierzu den Dingen auf den Grund, so wird klar, dass die modifizierte Richtlinie vom 19.03.2008 auf das Projekt Stuttgart 21 zugeschnitten ist. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert::

  1. das Interview der früheren Landesverkehrsministerin Tanja Gönner in der Pforzheimer Zeitung vom 18.11.2010 (Anlage 3). Ihre Behauptung „dass das Gefälle auf dem Bahnsteig per se kein Problem darstellt“, stellt eine eklatante Verharmlosung der Gefälleproblematik dar. Ihre weitere Aussage hierzu: „dass man dieses Problem aber ändern kann. Das würde allerdings ziemlich viel Geld in Anspruch nehmen.“ ist entwaffnend. Mit dieser Aussage werden die in Streckenkategorie III genannten „ergebenden Zwänge aus der städtischen Umgebung“ entkräftet. Indirekt gibt Frau Gönner zu, dass auf Kosten der Sicherheit bei dem Projekt Stuttgart 21 gespart werden soll, da es sonst ökonomisch nicht mehr vertretbar sei.
  2. die DB Netz AG gibt zu erkennen, dass sie das Projekt Stuttgart 21 im Rahmen der TSI Infrastruktur für den HGV-Verkehr der Streckenkategorie III zuordnet (Anlage 4??).
  3. Es ist Unsinn, zwischen der Einteilung in Streckenkategorien und der Gleisneigung an Fahrgastbahnsteigen in Bahnhöfen eine Beziehung herzustellen.

Es kommt entscheidend darauf an, dass die TSI Infrastruktur für den transeuropäischen HGV-Verkehr für das Bahnprojekt Stuttgart 21 richtig angewandt wird. Aus dieser Entscheidung darf die EU-Kommission sich nicht zurückziehen.

Der Bahnhof Stuttgart Hbf tief liegt an einer Neubaustrecke, die in Stg-Feuerbach beginnt und über Stuttgart Hbf tief – Abzweig zum Flughafen – Abzweig Wendlinger Kurve nach Ulm führt. Sie ist deshalb der Streckenkategorie I zuzuordnen, da sie auf ganzer Länge eine neu gebaute Strecke darstellt. Damit sind die Gleise an den Fahrgastbahnsteigen mit einer Neigung von höchstens 2,5 ‰ zu planen.

Die unter der Streckenkategorie III genannten Zwänge aus der städtischen Umgebung sind nach der Aussage von Frau Gönner nicht unabwendbar. Sie können im Fall des Projektes Stuttgart 21 deshalb nicht herangezogen werden.


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Fazit

Quellenangaben

  1. 12.2010, „21 Gute Gründe für Stuttgart 21“, 4. Auflage, S. 21, (bahnprojekt-stuttgart-ulm.de)
  2. RIL 813.0201A02 Bahnsteige mit erhöhter Längsneigung ([1])
  3. a b c 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, ab 14:20 Uhr, Dr. Volker Kefer
  4. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 16:47 Uhr, Eberhard Happe, früherer Leiter der Zugförderung Hamburg
  5. Dachverband Integratives Bauen, "Checklisten für die Neuplanung", S. 3 (dipb.org). Der Grenzwert stammt offenbar aus Din 18024-2.
  6. 08.11.2010, spiegel.de, „Schiefe Bahn“
  7. wikipedia.org Gefälle von Eisenbahnstrecken
  8. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, ??:?? Uhr, Rafael Ryssel: Die Signalbremsung greift nur, wenn der Zug in Richtung der Einstellung des Fahrtreglers losrollt.
  9. .... Faktenschlichtung (Beleg noch heraussuchen!)
  10. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, [2] 16:31-16:47 Uhr, Dr. Volker Kefer, Hr. Ryssel, Eberhard Happe
  11. .... Quelle heraussuchen.
  12. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 16:16-16:17 Uhr, Dr. Volker Kefer
  13. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, [3] 17:11 Uhr, Klaus-Jürgen Bieger
  14. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:15 Uhr, Dr. Heiner Geißler
  15. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:10 Uhr, Dr. Volker Kefer
  16. 30.11.2010, 9. Tag der Faktenschlichtung, 10:30 Uhr, Dr. Volker Kefer
  17. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:19 Uhr, Dr. Heiner Geißler
  18. 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:16 Uhr, Dr. Heiner Geißler
  19. 28.01.2005, Auszug Planfeststellungsbeschluss "PFA 1.1: Talquerung der Innenstadt mit Hauptbahnhof" vom 28.01.2005, Seite 373 (bahnprojekt-stuttgart-ulm.de). Siehe auch: ice-treff.de
  20. 18.11.2010, Pforzheimer Zeitung, "Ich sehe meine Zukunft im Land" S. 3. (17.11.2010, pz-news.de)
  21. 14.05.2011, "TSI Infrastruktur" nach Beschluss der Europäischen Kommission vom 26.04.2011: Technische Spezifikation für die Interoperabilität, Teilsystem "Infrastruktur" des konventionellen Eisenbahnsystems (pdf eur-lex.europa.eu)
  22. 18.07.2008, Richtlinie 2008/57/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems (pdf eur-lex.europa.eu)