Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Anforderungen an den Stresstest zu Stuttgart 21 waren im [[Übersicht anhand des Schlichterspruchs|Schlichterspruch]] klar formuliert worden. Nach Prüfung erscheint '''keine der Anforderungen durch den Stresstest erfüllt''' zu werden.
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Im Schlichterspruch zum Stresstest war die Anwendung "'''anerkannter Standards des Bahnverkehrs'''" gefordert worden. Eine solche weiter gefasste Prüfung der Prämissen des Stresstests auch im Vergleich zu internationalen Standards fand nicht statt. Es wiegt deshalb besonders schwer, dass sich in den Details der Durchführung des Stresstests zu Stuttgart 21 sogar eine Reihe von '''Verstößen gegen Bahn-Richtlinien''' finden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Richtlinie 405 "Fahrwegkapazität" zu. Selbst diese Richtlinie ist argumentativ nicht geschlossen, da sie an vielen Stellen auf die Unter-Richtlinie 405.0105 "Theoretische Grundlagen" verweist, die noch nicht vorliegt.
  
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Es wird eine Fülle von Richtlinienverstößen gezählt, aktuell allein '''{{Gescheitert|AnzahlRiLi}} KO-Kriterien''' (Stand {{Gescheitert|Stand}}), von denen jedes für sich genommen den Stresstest ungültig macht. Es stellt sich die Frage, wie das passieren konnte und ob es fahrlässig möglich war. Die Bahn selbst hatte offenbar schon früh sich darum gesorgt, das Ergebnis des Stresstests sicherzustellen:
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:''"{{hl|Während SMA die Prämissen gleich zu Anfang festzurren wollte, wollte die Bahn diese im Prozess anpassen, damit der Stresstest für den Tiefbahnhof mit 49 Zügen auch bestanden werde}}."'' (Stuttgarter Zeitung, 21.06.2011)<ref name="2011-06-21 StZ Vorgaben irreal">21.06.2011, [http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stresstest-fuer-stuttgart-21-bahn-haelt-die-vorgaben-fuer-irreal.328936c0-b605-42c4-b434-c455f620db27.html stuttgarter-zeitung.de], "Bahn hält die Vorgaben für »irreal«"</ref>
  
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Es war also von der Bahn dargestellt worden, dass die Prämissen (die weitgehend von Richtlinien festgelegt sind) auf das gewünschte Stresstest-Ergebnis hin "angepasst" werden würden. Ein Zusammenhang mit den zahlreichen Richtlinienverstößen liegt somit nahe.
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{{NoGo|10}} – schwerer Mangel oder Nachteil<br />
 
{{NoGo|10}} – schwerer Mangel oder Nachteil<br />
 
{{NoGo}} – KO-Kriterium<br />
 
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{{NoGo}} {{Ex}} – KO-Kriterium im öffentlichen Fokus<br /><br />
 
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<big><big><u>Nicht erfüllte Anforderungen</u></big></big><br />
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<big><big><u>Richtlinien-Verstöße</u></big></big><br />
 
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{{Seitenstatus|Baustelle}}
 
{{Seitenstatus|Baustelle}}
  
==30 Prozent Leistungsplus==
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==RICHTLINIENVERSTÖSSE, METHODE==
  
===Kapazität des heutigen Kopfbahnhofs bei rund 50 Zügen pro Stunde===
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==Regelwidrige Ermittlung der Betriebsqualität==
  
[[Datei:Züge Sommer 1969 Stuttgart Hbf Stunde 7.png|340px|thumb|rechts|Fahrplan Stuttgart Hbf, Winter 1969, 7:00 bis 8:00 Uhr. Im Sommer wurde Zug Nr. 3221 zusätzlich abgefertigt = 46 Züge.]][[Datei:2011 Stuttgart Hbf, Züge pro Stunde gegen 7 Uhr.png|thumb|380px|links|In der Stunde von 6:50 bis 7:49 Uhr fertigt der Kopfbahnhof 39,5 Züge ab.]]Die Ausgangsbasis, die heutige Fahrplanleistung von K20 mit 37 Zügen, entspricht nicht der Kapazität des heutigen Kopfbahnhofs, diese wäre deutlich höher anzusetzen. Schon im aktuellen Fahrplan werden von 6:50 Uhr bis 7:49 Uhr 39,5 Züge abgefertigt. <br style="clear:left;">
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===Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest===
  
'''1969 fuhren 46 Züge''' im Stuttgarter Kopfbahnhof in der Spitzenstunde von 7-8 Uhr (siehe Auswertung rechts).<ref name="ZügeSommer1969">Auswertung Andreas Heide. Der gleisgenaue Aushangfahrplan für Winter 1969 ([http://bilder.gtvier.de/dsc_1178.jpg Bild 1], [http://bilder.gtvier.de/dsc_1179.jpg Bild 2], [http://bilder.gtvier.de/dsc_1180.jpg Bild 3]) wurde ergänzt um den im Sommerfahrplan laut Kursbuch zusätzlich verkehrenden Zug 3221. In einer früheren Auswertung (07.2011, [http://www.bahn-fuer-alle.de/pages/pressemitteilungen/2011/stuttgart-21-effizienzdebatte/fahrplan-im-jahr-1969-7-8-uhr.php bahn-fuer-alle.de], "Fahrplan in Stuttgart Hbf. im Jahr 1969, 7-8 Uhr".) waren vom selben Bahnsteig mit neuer Zugnummer zurückfahrende Züge zweimal gezählt worden, hier werden sie entsprechend der auf WikiReal angewandten Systematik einmal als "durchgebunden" gezählt.</ref> Für die aktuelle Infrastruktur hat die NVBW das Gutachten der Vieregg-Rössler GmbH bestätigt (unter der Voraussetzung, dass die DB AG keine detaillierteren Infrastrukturdaten zur Verfügung stellt), dass als '''Kapazität heute 50 Züge pro Stunde''' anzunehmen sind.<ref>27.10.2011, [http://www.stern.de/wirtschaft/geld/kopfbahnhof-versus-stuttgart-21-das-alte-schlaegt-die-moderne-1744185.html stern.de]. "Das Alte schlägt die Moderne"</ref><ref>27.10.2011, [http://www.vr-transport.de/vr/indxf.html vr-transport.de], "Studie zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs in seiner heutigen Gleiskonfiguration" ([http://www.vr-transport.de/archiv/VR-Kopfbf-Bericht-27-10-11.pdf Text], [http://www.vr-transport.de/archiv/VR-Kopfbf-Abbildungen-27-10-11.pdf Abbildungen])</ref><ref>21.11.2011, "Prüfung der Untersuchung 'Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs in seiner heutigen Gleiskonfiguration' der Vieregg-Rössler GmbH" ([http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/104632/Pruefung%20der%20Untersuchung%20Vieregg-Roessler.pdf?command=downloadContent&filename=Pruefung%20der%20Untersuchung%20Vieregg-Roessler.pdf mvi.baden-wuerttemberg.de])</ref><ref>22.11.2011, Verkehrsministerium Baden-Württemberg, "Kopfbahnhof könnte heute schon mehr Züge abwickeln als S 21" ([http://www.mvi.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/104632/ mvi.baden-wuerttemberg.de])</ref> Und mit geringfügigen Ausbauten wären 56 Züge pro Stunde erreichbar (wobei allein neue Blocksignale noch nicht ausreichen). 54 Züge pro Stunde hatte auch schon Egon Hopfenzitz, der ehemalige Vorsteher des Stuttgarter Hauptbahnhofs, in der Stresstest-Präsentation als Kapazität bei geringfügigen Ausbauten abgeschätzt.<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 11:20 Uhr, Egon Hopfenzitz. [http://www.phoenix.de/sixcms/media.php/54/3Hopfenzitz-Naumann-EngelhardtPraemissen110729.pdf "Präsentation Egon Hopfenzitz"], Bl. 1-3</ref>
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[[Datei:Doku. Teil 1 23, falsch.png|thumb|600px|rechts|Falsch zugeordnete Minutengrenzen in der neuen Definition der Betriebsqualität im Stresstest. Im Ergebnis eine weitere Stufe weniger anspruchsvoll. (Doku. Teil 1 S. 23) (Quelle: Bahn, Hervorhebungen: WikiReal).]]{{NoGo}} {{Ex}} Im Stresstest wurde vollkommen freihändig und verfälschend eine '''neue Qualitätseinstufung als Collage aus Versatzstücken der Richtlinie''' zusammengesetzt. Dabei wurden die tatsächlichen quantitativen Grenzen '''um eine Stufe verschoben''' und teils fälschlich auf den ganzen Auswerteraum bezogen.
  
{{NoGo}} Wenn es darum geht, dass die "Kapazität" des heutigen Bahnhofs nicht ausreicht, müsste für Stuttgart 21 die Forderung gestellt werden, die Kapazität des Kopfbahnhofs um eine zukunftssichere Spanne zu übertreffen. Einerseits hat der Kopfbahnhof also noch Reserven von 33 % bis 50 %, so dass aktuell kein Neubau erforderlich ist, und andererseits wäre ein Neubau erst zu rechtfertigen, wenn er die tatsächliche Kapazität des heutigen Bahnhofs deutlich überträfe. Tatsächlich zeigt der Stresstest, in dem die 48,5 Züge nur unter zahlreichen Regelverstößen erreicht werden, dass die realistische Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 deutlich unter der Kapazität des heutigen Bahnhofs liegt, also ein Rückbau der Infrastruktur stattfindet.
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In der im Stresstest gegebenen Definition für die Betriebsqualität (Abbildung rechts, Doku. Teil 1 S. 23) wurden zwei unterschiedliche Passagen der Richtlinie 405 zusammenkopiert. Dies erfolgte aber unter Auslassung wesentlicher Festlegungen und indem ein falscher Bezug hergestellt wurde. Tatsächlich reicht der "wirtschaftlich optimale" Bereich nicht bis 1,0 Minuten Verspätungsaufbau, sondern nur bis 0,0 Minuten Verspätungsaufbau. Bis 1,0 Minuten folgt der "risikobehaftete" Qualitätsbereich. Diese Einstufung gilt außerdem nur für Teilstrecken nicht für das Gesamtnetz oder Mittelwerte von Strecken.
  
===Keine Zukunftsreserven===
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Die unzutreffende Qualitäts-Definition wurde in der Abschluss-Dokumentation des Stresstests auch auf Seite 18 gebraucht, mit der definitv falschen Aussage, der "optimale" Leistungsbereich reiche bis zu einer Minute Verspätungsaufbau (Doku. Teil 1 S. 18). Es stellt sich die Frage, wie ein Projekt fortgeführt werden kann, das mit derart unzutreffenden Aussagen gerechtfertigt wurde.
  
[[Datei:Leistungsfähigkeiten Stuttgart.png|560px|rechts|thumb|Gegenüberstellung der Angaben zur Leistungsfähigkeit des Hbf Stuttgart. Sämtliche zwischenzeitlich überhöhten Kapazitätsaussagen zu S21 hatten keinen Bestand. Die WikiReal-Kritik entspricht den Plausibilitätsabschätzungen und den ursprünglichen Berechnungen der Projektbetreiber. Während S21 einen Kapazitätsrückbau bedeutet ist allein der Kopfbahnhof den zukünftigen Anforderungen gewachsen.]]
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[[Datei:Doku. S. 18 Qualität, falsch.png|thumb|450px|links|Falsche Definition der "optimalen" Betriebsqualität (Doku. Teil 1 S. 18) (Quelle: Bahn, Hervorhebungen: WikiReal).]]<br style="clear:right" />
Der Zielwert, das Plus von 30% ggü. heutigem Fahrplan, die 49 Züge sind bei weitem nicht zukunftssicher. Wichtige Prognosen (z.B. EU-Weißbuch) sehen für die kommenden Jahrzehnte weit höhere Steigerungen des Personenverkehrs voraus.<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#17:39 17:39 Uhr], Karl-Peter Naumann. Foliensatz Naumann in Datei [http://www.phoenix.de/sixcms/media.php/54/3Hopfenzitz-Naumann-EngelhardtPraemissen110729.pdf "Präsentation Egon Hopfenzitz"], Bl. 4-10</ref> So rechnet bspw. die EU-Kommission mit 35 % bis 100 % Verkehrszuwachs auf der Schiene schon bis 2050.<ref>28.03.2011, Weißbuch Verkehr der Europäischen Kommission, (PDF [http://ec.europa.eu/transport/strategies/doc/2011_white_paper/white_paper_2011_ia_full_en.pdf ec.europa.eu]), S. 57</ref> Die Bahn selbst geht allein bis 2025 von einem Plus im Personenverkehr von 25,6 % aus.<ref>11.02.2009, Vortrag Dr. Volker Kefer, DB Netze, vor Unterausschuss des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin.</ref> Würde Deutschland im Marktanteil des Bahnverkehrs an der Personenbeförderung auf Schweizer Niveau aufschließen, dann würde dies eine Steigerung von 86 % bedeuten.<ref>2010, EU energy and transport in figures, Statistical pocketbook 2010, EU-Kommission, S. 119 (PDF [http://ec.europa.eu/energy/publications/statistics/doc/2010_energy_transport_figures.pdf ec.europa.eu])</ref>
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{{NoGo}} Frühere Leistungsversprechen der Projektbetreiber sahen eine Verdoppelung der Bahnhofsleistung durch Stuttgart 21 vor, d.h. ein Leistungsplus von +100 %, dabei sollte der Bahnhof für die Zukunft ausbaubar sein.<ref>10.2007, [http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/de-DE/download/200710_DB_FragenAntworten_Verkehrskonzept_StuttgartRegion.pdf bahnprojekt-stuttgart-ulm.de], "Fragen und Antworten zum neuen Verkehrskonzept für Stuttgart und die Region", S. 3, ähnlich auch S. 4.</ref><ref>05.2007, [http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/de-DE/download/200705_DB_Neubauprojekt_Stuttgart_Ulm.pdf bahnprojekt-stuttgart-ulm.de], "Neubauprojekt Stuttgart-Ulm", S. 3.</ref> Jetzt werden auf dem Papier nur noch magere 30 % vermeintlich mit dem Stresstest knapp erreicht, Reserven für die Zukunft bestehen keine mehr. Es ist also abzusehen, dass der Bahnhof Stuttgart 21, selbst wenn er die 49 Züge leisten könnte, schon in absehbarer Zeit nicht mehr im Stande wäre, die geforderte Verkehrsleistung zu erbringen. Aufgrund seiner Bauweise ist er aber dann nicht mehr erweiterbar, es sei denn unter horrenden Kosten.
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Dass sich also der Verspätungsabbau von 8 und 9 Sekunden auf den Zu- und Ablaufstrecken in der Grundversion mit einer Verspätungsgrenze von 1 Minute für das Ende des "wirtschaftlich optimalen" Bereichs vergleicht (mit viel Spielraum für die "Sensitivitäten"), hat bspw. auch der Projektleiter bei der Bahn in den Prämissengesprächen erläutert.<ref>19.07.2011, 3. Prämissengespräch, Thorsten Schaer, DB Netz AG. In der Diskussion im Anschluss an Frage 48 (wirtschaftlich optimale Qualität) erläuterte beim Vergleich der Sensitivität zur Qualität in der Spitzenstunde von 7 bis 8 Uhr mit der Grundsimulation, dass die wirtschaftlich optimale Betriebsqualität "nach oben bis zu 1 Minute Verspätungsaufbau" reiche (Protokoll).</ref> Die SMA hat dies auch so verstanden (Audit SI-08 S. 14 / Bl. 199) und auch z.B. Boris Palmer<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#14:58 14:58 Uhr], Boris Palmer</ref>.<br style="clear:both" />
  
Es stellt sich die Frage, welchen Nutzen bringt Stuttgart 21? Tatsächlich sind die 48,5 Züge des Stresstests eine absolut unerreichbare Obergrenze für die Kapazitätsabschätzung aufgrund der Unzahl von leistungserhöhenden Verstößen gegen Richtlinien, gegen beschlossene Anforderungen und gegen realitätsnahe Parameter in dieser Simulation. Der Stresstest liefert derart den Beweis, dass nach den vielen notwendigen Korrekturen nur eine [[Stuttgart 21/Stresstest/Quantifizierung|deutlich niedrigere Zugzahl]] unter Praxisbedingungen erreichbar ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man am Ende nahe den 32 Zügen pro Stunde landet, die ein [[Stuttgart_21/Stresstest/Plausibilisierung|Praxisvergleich als plausiblen Wert ermittelte]], nahe den 31 Zügen, die eine Abschätzung aus dem Belegungsgrad ergibt.
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Für die großen räumlichen Einheiten des Auswerteraums oder der Mittelwerte der Zu- bzw. Ablaufstrecken, ist die Vorgabe der Richtlinie rein qualitativ (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94, Hervorhebungen durch WikiReal):
  
Heute gehört der Stuttgarter Kopfbahnhof regelmäßig zu den pünktlichsten Großbahnhöfen Deutschlands.<ref>09.2011, [http://www.test.de/filestore/4271931_t201109078.pdf?path=/protected/d4/41/df833797-79a8-441e-949a-e8a0043b8a3d-protectedfile.pdf&key=3184F5621CED28E3BF5485E5B7B037E6661BAA8A test.de], Stiftung Warentest, "Pünktlichkeit der Bahn: Die Bilanz eines Jahres"</ref><ref>02.2011, [http://www.test.de/themen/freizeit-reise/test/Unpuenktlichkeit-bei-der-Bahn-Fast-70-Prozent-zu-spaet-4200668-4200674/ test.de], "Unpünktlichkeit bei der Bahn: Fast 70 Prozent zu spät"</ref><ref name="2008-02 Warentest" />. Die von der Bahn im Stresstest angestrebte "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität lässt einen Verspätungsaufbau von bis zu einer Minute pro Zug zu, der in den Simulationen schon knapp zur Hälfte erreicht wurde, wenn allein in den Sensitivitäten einzelne Parameter realistisch eingestellt worden waren. Aus den Zu- und Abläufen gemeinsam ergäbe sich der doppelte Verspätungsaufbau im Bahnknoten. Der vermeintliche hohe Verspätungsabbau während der Halte im Durchgangsbahnhof [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Haltezeitverkürzung überlagert die Betriebsqualität|verfälscht hingegen laut Richtlinie das Ergebnis]] und ist außerdem durch fehlerhafte Ansätze in den Mindesthaltezeiten bzw. Abfertigungszeiten derart verfälscht, dass er [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Verspätungsabbau in der Praxis weniger als halb so groß|um mehr als einen Faktor 2 größer ausfällt]], als in der Praxis erreichbar. Hinsichtlich der Betriebsqualität bestehen somit große Zweifel.
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{| class="wikitable" style="margin:0em 0em 1em 1.5em; caption-side:bottom; font-style:italic"
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! Summe Folgeverspätungen / Verspätungsveränderung
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! Bewertungsstufen der Betriebsqualität
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| nur geringe Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten); Sofern Zeitreserven'''{{rd|*}}''' zur Verfügung stehen können diese genutzt werden, so dass sich die Gesamtsumme der Verspätungen zwischen Einbruch und Ausbruch deutlich verringert (Verspätungsabbau{{rd|*}}).
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| Premiumqualität
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| Summe der Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten) <u>noch akzeptabel</u>. Sofern Zeitreserven{{rd|*}} zur Verfügung stehen, können die Folgeverspätungen im Mittel kompensiert werden, die Gesamtsumme der Verspätungen bleibt annähernd gleich bzw. ändert sich nicht signifikant.{{rd|*}}
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| wirtschaftlich optimal
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|-
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| Summe der Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten) steigt erheblich, Im Falle vorhandener Zeitreserven{{rd|*}} reichen diese nicht aus, die Folgeverspätungen zu kompensieren. Die Summe der Verspätungen steigt zwischen Einbruch und Ausbruch deutlich an(Verspätungszuwachs).
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| risikobehaftet
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|-
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|Verspätungssumme steigt zwischen Einbruch und Ausbruch stark an
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|mangelhaft<br />(nicht marktgerecht)
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|-
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|+ style="text-align:left; font-weight:normal; background-color:#f8f8f8"|{{rd|* Hierbei wird angenommen, dass entsprechend den Bedingungen in der Praxis ein Teil der in der Regel erforderlichen planmäßigen Wartezeiten und der bei der Fahrplanerstellung üblicherweise eingearbeiteten Zeitzuschläge zum Verspätungsabbau genutzt werden kann.}} <span style="font-style:normal">(Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94; Hervorhebungen durch WikiReal)</span>''
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Die Darstellung der Stresstest-Dokumentation basiert im Grundgerüst auf dieser Definition. Die rot hinterlegte wiederholte entscheidende Einschränkung durch die Fußnote, dass '''nur ein Teil der Wartezeiten und Zeitzuschläge''' verwendet werden kann, fehlt jedoch. Und gerade hier beging die Bahn einen [[#Fahrzeitüberschüsse nur teilweise für Verspätungsabbau|weiteren Regelverstoß bezüglich der Fahrzeitüberschüsse]].
  
Wo ist also der bahnverkehrliche Nutzen dieses milliardenteuren Rückbaus von Bahninfrastruktur? Das Alternativkonzept "Kopfbahnhof für Stuttgart" sieht bei einem Bruchteil der Kosten von Stuttgart 21 einen Ausbau der Kopfbahnhof-Kapazität auf 72 Züge pro Stunde vor.<ref>24.08.2011, [http://www.vr-transport.de/vr/indxf.html vr-transport.de], "Kopfbahnhof für Stuttgart"</ref> Damit wäre der Bahnhof fit für einen echten und auch erwarteten Zuwachs des Schienenpersonenverkehrs. Ist es vernünftig, sich den Rückbau der Bahnhofskapazität von 50-56 Zügen auf 32-35 Züge pro Stunde ohne Erweiterungsmöglichkeit 4,5 bis 7 Milliarden kosten zu lassen?
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Die Stresstest-Definition wurde um einen quantitativen Zusatz mit Minutengrenzen ergänzt. Er stammt aus der Erläuterung der Kenngröße Verspätungsveränderung (Richtlinie 405.0104 S. 21 / Bl. 109, Hervorhebungen durch WikiReal):
  
==Gute Betriebsqualität==
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{| class="wikitable" style="margin:0em 0em 1em 1.5em; caption-side:bottom; font-style:italic"
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|''{{rd|Für den Verspätungszuwachs gilt vorläufig folgender Rahmen (für Personenverkehr auf Mischbetriebsstrecken)}}<br />{{rd|• Als Optimum gilt:}}<br />{{rd|zul t}}<sub>{{rd|Vz}}</sub>{{rd| &#x3D; 0,0 [min] im Mittel über alle SPV-Züge. D.h. Die mittlere Verspätung soll im Untersuchungsbereich (Auswerteraum) möglichst nicht ansteigen. Ein Verspätungsaufbau kann auf Abschnitten ggf. dann zugelassen werden, wenn entsprechende Abbaumöglichkeiten in den benachbarten Netzelementen bestehen.}}<br />• Als <u>noch akzeptabel</u> gilt eine mittlere Verspätungsveränderung (Zuwachs) von:<br />zul t<sub>Vz</sub> = 1,0 [min] im Mittel über alle SPV-Züge auf einer Folge von Netzelementen (Strecke, Teilnetz),<br />zul t<sub>Vz</sub> = 0,5 [min] im Mittel über alle SPV-Züge in Bahnhofsköpfen. {{rd|Diese Werte liegen somit an der Grenze zum mangelhaften Bereich.}}''
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|}
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Wieder bezeichnen die rot hinterlegten Passagen die Auslassungen bei der Übernahme in die Definition der Betriebsqualität des Stresstests. Das Zusammenstückeln der beiden Richtlinien-Texte ist '''sinnentstellend''' und im Ergebnis werden die Qualitätsstufen der Betriebsqualität um eine Stufe verschoben für eine erleichterte Zielerreichung im Stresstest. Dabei wird mit Auslassung und äußerst trickreich mit falschen Bezügen gearbeitet:
  
===Gute Betriebsqualität heißt Verspätungsabbau===
 
 
{{Betriebsqualitäten}}
 
{{Betriebsqualitäten}}
Der Schlichterspruch forderte klar "gute Betriebsqualität" während der Spitzenstunde. Die Bahn lieferte in der Stresstest-Dokumentation eine neue Definition der Betriebsqualität in Anlehnung an die aktuell gültige Richtlinie mit den Stufen "wirtschaftlich optimal" und "Premium". Angestrebt wird jetzt die "wirtschaftlich optimale" Qualität. Sowohl die Bahn als auch die SMA unterschlugen, dass bis 2008 sehr wohl die "gute Betriebsqualität" in der entsprechenden Richtlinie definiert war und genau der heutigen sogenannten "Premium"-Qualität entspricht. Was heute "wirtschaftlich optimal" heißt, war zuvor nur "befriedigend" und entspricht einer verspätungserhaltenden Qualität.
+
* In der Stresstest-Dokumentation wurde insbesondere nicht der letzte Zusatz zitiert, dass die angeführten Werte schon die '''Grenze zum "mangelhaften" Qualitätsbereich''' markieren. Das ist zwei Stufen schlechter als "wirtschaftlich optimal", noch schlechter als "risikobehaftet" (siehe oben).
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* In der Stresstest-Dokumentation wurde der erste Punkt nicht mitzitiert (rot), d.h. dass die Grenze für "Optimum" bei "0,0" Minuten im gesamten Auswerteraum liegt. Nachdem im Folgepunkt nur eine weitere Grenze definiert wurde, an der "somit" der mangelhafte Bereich beginnt, lässt dies nur den Schluss zu, dass die '''0,0 Minuten die Obergrenze für '''"'''wirtschaftlich optimal'''" darstellen. Diese Einstufung ist mit der vorausgehenden qualitativen Einstufung verträglich, da ja "Premium" einen "deutlichen" Verspätungsabbau bedeuten soll. D.h. die "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität '''verlangt Verspätungsabbau''', der jedoch nicht "deutlich" ausfallen muss, maximal ist Verspätungserhaltung zulässig.
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* Hier ist zu beachten, dass die Bahn suggestiv und unzulässigerweise den zweimal auftauchenden Begriff '''"noch akzeptabel"''' in Beziehung gesetzt hat. Das erste "noch akzeptabel" aus der qualitativen Definition bezeichnet jedoch die "Summe der Folgeverspätungen", die aber im Mittel (zwischen Einbruch und Ausbruch) vom Verspätungsabbau kompensiert werden sollen. Das zweite "noch akzeptabel" aus der Detaildefinition bezeichnet jedoch die Werte, bevor der "mangelhafte" Bereich beginnt.
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* In der Stresstest-Dokumentation wurde insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass diese Werte eben '''nicht für eine Mittelung''' über alle Zulauf- oder alle Ablaufstrecken sowie nicht für den gesamten Untersuchungsbereich gelten, insbesondere nicht für Zulaufstrecke plus Bahnhof mit Halt plus Ablaufstrecke. Die Grenzwerte gelten ausdrücklich nur für Teilstrecken und Bahnhofsköpfe. Auch an anderer Stelle macht die Richtlinie klar, dass einzelne Kennwerte für einen ganzen Bahnknoten nicht "aussagekräftig" sind (Richtlinie 405.0401 S. 7 Bl. 345).
 +
* Dass die Bahn und auch SMA wiederholt die Sekundenwerte dieser Strecken-Mittelwerte mit der Minutengrenze der Qualitätsdefinition in Beziehung setzte ist unzulässig und führte die Öffentlichkeit in die Irre. In den Grafiken hätte '''per Fußnote''' darauf hingewiesen werden müssen, dass bspw. die 8 bis 9 Sekunden Verspätungsabbau nichts mit dem Qualitätsprädikat und der Qualitätsgrenze von 30 oder 60 Sekunden zu tun haben.
 +
* Allenfalls hätte eine Aussage dargestellt werden dürfen, dass '''X % der Zulaufstrecken''', betreffend Y % der Züge, im Zulauf "wirtschaftlich optimal" erhalten, etc. Tatsächlich hat die Bahn aber auch in der Qualitäts-Bewertung der einzelnen Strecken unsauber gearbeitet, indem bei kritischen Strecken das Prädikat nur für den Abschnitt erteilt wurde, der noch "optimal" ausfiel, die Gesamtstrecke, die "mangelhaft" ergeben hätte, wurde nicht bewertet ([[#Betriebsqualitäten aus gekappten Streckenauswertungen|Folgeabsatz]]).
 +
* Diese Teilelemente des Systems wären dann (den Beispiel-Auswertungen der Richtlinie folgend) in einer graphischen Auswertung entsprechend ihrer Qualität '''einzeln farblich zu kennzeichnen''' (Richtlinie 405.0205A01 S. 5 / Bl. 235).
 +
* In der Qualitätsdefinition der Stresstest-Dokumentation ist zwar die Formulierung "'''in Bahnhofsköpfen'''" korrekt übernommen worden (Doku. Teil 1 S. 23). Dennoch wurde nie, insbesondere bei dem verschiedentlichen Bezug auf die 30 Sekunden-Verspätungsgrenze in den "freiwilligen" Zusatzprüfungen eine Prüfung der tatsächlichen Bahnhofsköpfe vorgenommen, sondern vielmehr der Untersuchungsraum auf den "S21-Knoten" ausgeweitet (Doku. Teil 1 S. 22, Teil 2 S. 63, 68, 85, 91, 113, 133 / Bl. 2, 7, 24, 30, 52, 72) und ein großer Anteil Alt-Zulaufstrecke zum Abpuffern der Verspätungen genutzt.
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* Die tatsächliche Auswertung der Bahnhofsköpfe hätte weit unvorteilhaftere Werte für den Verspätungsaufbau geliefert, z.B. von +24 Sek. für die Züge aus Horb nach Stuttgart (Doku Teil 2 S. 89 / Bl. 28), nahe der Grenze zu "mangelhaft" bei +30 Sek. – und das schon in der viel zu optimistischen Grundvariante. Ein Wert deutlich verschieden von den 8 Sek., dem Mittelwert, den die Bahn für die Zuläufe angibt.
  
[[Datei:Martin Betriebsqualität.png|thumb|460px|rechts|"Bewertungsstufen der Betriebsqualität" im Gutachten von Martin et al.<ref name="Martin2005" />, praktisch gleichlautend mit der Definition in der bis 2007 gültigen Richtlinie 405 der Deutschen Bahn AG.]]{{#ev:youtube|O-jXohw4T4Q#t=2m19s|320|right|ZDF heutejournal, Prof. Martin: Gute Betriebsqualität bedeutet Verspätungsabbau ([http://www.youtube.com/watch?v=O-jXohw4T4Q#t=2m19s youtube])}}<div class="tright" style="clear:none">[[Datei:2006 Heister Eisenbahnbetriebstechnologie Titel.jpg|thumb|160px|links|"Eisenbahnbetriebstechnologie",<ref name="Heister2006" /> Co-Autor Stresstest-Projektleiter Thorsten Schaer]]</div>Die "gute bis sehr gute Betriebsqualität" im Unterschied zur "befriedigenden" und "mangelhaften" Betriebsqualität war der Maßstab (Schwanhäußer 1997 III<ref>Univ. Prof. Dr.-Ing. Wulf Schwanhäußer, "Stuttgart 21 Ergänzende betriebliche Untersuchungen, Teil III, Leistungsverhalten und Bemessung des geplanten Stuttgarter Hauptbahnhofes und seiner Zulaufstre-cken", Verkehrswissenschaftliches Institut der RWTH Aachen, 20.07.1997</ref>  S. 19, 20), an dem das Projekt Stuttgart 21 vor dem VGH gemessen wurde.<ref>VGH Baden-Württemberg, Aktenzeichen 5 S 848/05, Randn. 59 ([http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE060000132&psml=bsbawueprod.psml&max=true landesrecht-bw.de])</ref> Und diese Betriebsqualität wurde seinerzeit für Stuttgart 21 im "Betriebsszenario A" errreicht. S21 war außerdem ein "optimaler Leistungsbereich" bis 50 Züge pro Stunde (Rn. 72) bescheinigt worden, gestützt auf das Gutachten von Prof. Martin vom VWI Stuttgart. In dieser Arbeit war eine klare Definition der Betriebsqualität abhängig von den Verspätungen gegeben worden, auf deren Basis S21 als "gut" und K21 als "mangelhaft" eingestuft wurde (Martin<ref name="Martin2005">Prof. Dr. Ing. Ullrich Martin et al. (VWI Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart GmbH), "Vergleich der Leistungsfähigkeiten und des Leistungsverhaltens des neuen Durchgangsbahnhofes (S21) und einer Variante umgestalteter Kopfbahnhof (K21) im Rahmen der Neugestaltung des Stuttgarter Haupt-bahnhofes (Abschlussbericht)." Veröffentlicht in: Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart 21 – Diskurs, Stuttgart 2007, S. 2287–2369 ([http://www.das-neue-herz-europas.de/de-DE/download/2007_LHS_Stuttgart21-Diskurs-Textsammlung.pdf pdf])</ref> 2005, S. 31):
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<span id="Betriebsqualität falsch und richtig"></span>[[Datei:Betriebsqualität falsch und richtig.png|thumb|rechts|583px|Gegenüberstellung der falschen Zuordnung der Betriebsqualität im Stresstest mit der Zuordnung entsprechend der Richtlinie anhand von Beispielwerten.]]Die Hauptproblematik aus der verfälschten Definition der Betriebsqualität wird in der nebenstehenden Grafik illustriert. Die erste farbige Säule gibt die unzulässig verschobenen Qualitätsstufen wieder. Die Grenze zu Premium hatte die Bahn in den Prämissengesprächen mit -5 Sekunden angegeben.<ref>19.07.2011, 3. Prämissengespräch, Thorsten Schaer, DB Netz. Herr Schaer sagte laut dem Protokoll, dass laut Regelwerk ab 1 Sek. Verspätungsabbau Premiumqualität vorliegt, die DB aber erst ab 5 Sekunden Premium vergibt. Dabei ist unklar, wie die 1 Sek. laut Regelwerk dem dort geforderten "deutlichen" Verspätungsabbau entsprechen soll.</ref> Die Bahn hatte aber nicht nur die Stufen falsch festgelegt, sondern auch unzulässigerweise den mittleren Verspätungsaufbau im Durchschnitt aller Zuläufe oder Abläufe hiermit verglichen. Die Richtlinie lässt eine solche Mittelung nicht zu, sondern schreibt eine Bewertung von Teilstrecken (Folge von Netzelementen) vor, zumindest wenn es um die Anwendung der Minutengrenzen geht. Es hätten also die Einzelstrecken bewertet werden müssen.
  
Dass die gute Betriebsqualität tatsächlich einen Verspätungsabbau bedeutet, erläutert Prof. Ullrich Martin auch noch zur Zeit des Stresstests:<ref>04.07.2011, ZDF heutejournal "Bahnprojekt Stuttgart 21 im Stresstest" ([http://www.youtube.com/watch?v=O-jXohw4T4Q#t=2m19s youtube], Min. 2:19)</ref>
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Dort wo die Einzelstrecken bewertet werden, in der sogenannten freiwilligen Zusatzprüfung, hatte die Bahn in der Darstellung des Verspätungsaufbaus nach Linien in mehreren Fällen nicht die ganze Strecke bewertet, sondern die Strecke exakt nur soweit betrachtet, solange sie noch "wirtschaftlich optimal" erschien ([[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Betriebsqualitäten aus gekappten Streckenauswertungen|siehe Folgeabsatz]]), wie in den mittleren Säulen dargestellt. Diese Willkür wird weder von der Bahn noch vom Auditor SMA begründet und es ist nicht zu erkennen, wie sie gerechtfertigt werden könnte. Werden die Strecken bis zum Ende bewertet, reichen sie teilweise weit in den "risikobehafteten" (entspr. den Stresstest-Qualitätsstufen) Bereich. Tatsächlich reichen sie aufgrund der unzulässig verschobenen Qualitätsskala weit in den "mangelhaften" Bereich.
:''"Aus dem Verhältnis dieser Verspätungen kann man dann ablesen, ob innerhalb dieses Untersuchungsbereiches {{hl|Verspätung im Allgemeinen durchschnittlich abgebaut}} wird, dann haben wir eine {{hl|gute Betriebsqualität}}. Wird dagegen die Verspätung innerhalb des Untersuchungsraumes größer, dann haben wir eine unbefriedigende Betriebsqualität."''
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Dies war der Informationsstand der Öffentlichkeit und des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Die "gute Betriebsqualität" des Schlichterspruchs wurde in der Stresstest-Präsentation von Boris Palmer als "Zitat" genau dieser Definition des Gutachtens von Prof. Martin dargestellt.<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://www.schlichtung-s21.de/fileadmin/schlichtungs21/Redaktion/pdf/110729/Protokoll29072011.pdf Stenogr. Protokoll], S. 77, Boris Palmer</ref>
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Entsprechend der Richtlinie müssen Bahnhofsköpfe strenger bewertet werden. Hier beginnt der mangelhafte Bereich schon bei 30 Sekunden. Es wurden die Auswertungen des Schienenpersonenverkehrs aus der Dokumentation S. 69 bis 84 (Teil 2 Bl. 8 bis 23) herangezogen, um die mittlere Verspätungsveränderung beim Zulauf in die Bahnhofsköpfe zu ermitteln. Dabei wurde mit den Zugzahlen gewichtet und der Rückstau in vorangehende Netzelemente berücksichtigt. Der nordöstliche Bahnhofskopf wirkt für den Zulauf aus Obertürkheim verspätungsabbauend. Die anderen Bahnhofsköpfe liegen sämtlich deutlich im risikobehafteten Bereich. Dies sind alles Daten der "Grundversion" der Simulation mit durchgehend zu optimistischen Parametern und selbst hier erscheint der Bahnhof als klar überlastet.
  
In der dem Stresstest zugrunde gelegten Richtlinie 405 war die "gute Betriebsqualität" bis 2007 praktisch wortgleich definiert.<ref>Richtlinie 405.0103 S. 5 (Ausgabe 01.04.2002). Siehe auch: 14.07.2011, NVBW, Vermerk "Fachliche Bewertung der DB-Unterlagen »Stresstest S21, Fahrplanrobustheitsprüfung« vom 30.06.2011"</ref> Nach dieser Definition entspricht die "gute Betriebsqualität" in der ab 01.2008 gültigen Ausgabe der Richtlinie dem neuen Begriff der "Premiumqualität".<ref>Richtlinie 405.0104 S. 6 (Ausgabe 01.01.2008)</ref> Die Bahn-Richtlinie 405 "Fahrwegkapazität" ist nur in wenigen Bibliotheken deutschlandweit einsehbar und in der Regel nicht entleihbar. Ihr Erwerb wurde dem Verband "Pro Bahn" verwehrt mit dem Hinweis auf den "Geheimcharakter" der Richtlinie.<ref>01.2007, [http://www.pro-bahn-bw.de/rvregionstuttgart/stgt21/kein_geld.pdf pro-bahn-bw.de], "Der Fahrgast" 1/2007, S. 27 f, "Kein Geld für »Stuttgart 21«?"</ref> Somit konnte der Öffentlichkeit der neu eingeführte Begriff "Premium" nicht geläufig sein. Auch in dem vom Stresstest-Projektleiter Dr. Thorsten Schaer mitverfassten Fachbuch "Eisenbahnbetriebstechnologie" ist die "gute Betriebsqualität" in dieser Form definiert:<ref name="Heister2006" />
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Die SMA übernahm die falsche Grenzwert-Festlegung für die Betriebsqualität [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Auslassungen und übersehene Punkte|offenbar ohne kritische Prüfung]] inklusive aller Fehler (Audit SI-07 S. 2 / Bl. 176, SI-08 S. 14 / Bl. 199). Durch die Aufklärung dieser Fehlinterpretation von "wirtschaftlich optimal" ist nun klar, dass diese Qualitätsstufe oberhalb des "deutlichen" Verspätungsabbaus der "Premium"-Qualität anzusetzen ist und bis zu verspätungserhaltendem Verhalten reicht. Auch der '''Internationale Eisenbahnverband''' sieht bei Verspätungserhaltung (Verspätungsänderung ≈ 0,0 Min.) die Obergrenze des akzeptablen Bereichs.<ref name="Capman">12.2004, [http://www.uic.org/IMG/pdf/2004_Capman_3_Summary.pdf uic.org], "Capacity Management (Capman Phase 3), Summary Report": "If time supplements are available for reducing delays, the value of punctuality will be acceptable, which means the difference between entrance and exit delay of the line section is equal to zero."<br />26.10.2005, [http://www.uic.org/html/infrastructure/cd_sem_peco/docs/2-jeudi27/dalton.pdf uic.org], Gerard Dalton, Director, UIC Infrastructure Department, "UIC Capacity Management Project": "Acceptable punctuality (delta delay near 0)."</ref> Nur so macht es Sinn, dass die Bahn "wirtschaftlich optimale" Strecken anstrebt. Würden diese alle bis zu 1 Minute Verspätungen aufbauen (wir erinnern uns, Sekundenveränderungen wiegen hier schon schwer), würde das Netz kollabieren. Dass die Richtlinie für den "deutlichen Verspätungsabbau" als Grenze zum Premiumbereich keine quantitative Grenze vorgibt, lässt erkennen, dass die <u>Vermeidung</u> von Premium-Qualität offenbar nicht den Stellenwert hat, den die Projekt-Befürworter in der Stresstest-Präsentation nahelegen wollten.
:''"Bei guter Qualität dagegen können Züge {{hl|Verspätungen reduzieren}}, bei befriedigender Qualität bleiben eingebrachte Verspätungen auf gleichem Stand. Grundsätzlich {{hl|strebt man bei der DB Netz AG eine gute Betriebsqualität an}}." (Heister, "Eisenbahnbetriebstechnologie", Bahn Fachverlag, 2006)<ref name="Heister2006">Gert Heister, "Eisenbahnbetriebstechnologie", Bahn Fachverlag, 2006, S. 271 ([http://books.google.de/books?id=C5jopxcdkeUC&pg=PA271&dq=%22gute%20betriebsqualität%22 GBS])</ref>
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Es ist bemerkenswert, dass einer der pünktlichsten Großbahnhöfe Deutschlands mit einer Milliarden-Investition in einen (auch noch unterdimensionierten) nur noch "wirtschaftlich optimalen" (verspätungserhaltenden) Bahnhof umgebaut werden soll. Aber es ist noch schlimmer, denn tatsächlich hat die Bahn im Stresstest [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest|die Qualitätsstufen falsch zugeordnet]] und Stuttgart 21 müsste demnach als "'''risikobehaftet'''", d.h. als verspätungsaufbauend bezeichnet werden. Einige Strecken erhalten sogar die Stufe "'''mangelhaft'''". Der neue Bahnhof würde eine nicht mehr verantwortbare Betriebsqualität aufweisen (und das schon bevor die vielen weiteren Fehler in den Prämissen berücksichtigt sind) und außerdem an der Leistungsgrenze operieren, während der alte noch [[Stuttgart 21/Stresstest/Anforderungen#Kapazität des heutigen Kopfbahnhofs bei rund 50 Zügen pro Stunde|viel Luft nach oben hätte]].
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{{NoGo}} {{Ex}} Die schlichtweg falschen Ergebnis-Darstellungen (deutlicher Verspätungsaufbau bis 1 Minute ist nicht wirtschaftlich optimal) (Doku. S. 67, 112, 132, Audit Bl. 183, Bl. 195, Doku. FS S. 5) wurden durch Auslassungen und Fehlbezüge (Doku. Teil 1 S. 23) sinnentstellend zusammenkopiert. Direkte Fehlinformationen (Prämissengespräche) halfen diese Fehldarstellung zu verdecken. Wichtige Fußnoten, die die Annahmen für den Verspätungsabbau einschränken, wurden weggelassen, die Qualitätsgrenzen falsch zugeordnet und die beiden Qualitätsbezugsräume Auswerteraum und Teilstrecke wurden unzulässig vermischt. '''Nach den Buchstaben der gültigen Richtlinie ist der Stuttgart 21-Bahnknoten in der Grundversion sowie in allen Sensitivitäten inklusive der "finalen Simulation" als "risikobehaftet" bis "mangelhaft" einzustufen.''' Eine Simulation, die [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation|sämtliche Korrekturen beinhalten würde]], wäre sicher nicht mehr fahrbar.  
  
{{NoGo}} {{Ex}} Es ist untragbar, dass die Bahn in einem Prozess, in dem sie schon die Zusagen der [[Stuttgart 21/Stresstest/Glaubwürdigkeit#Beteiligung der Kritiker|Beteiligung der Kritiker]] und der [[Stuttgart 21/Stresstest/Glaubwürdigkeit#Information über Eingangsdaten des Stresstests|Information der Öffentlichkeit]] gebrochen hatte, einseitig auch noch die Vorgabe des Schlichterspruchs umdefiniert. Wenn die Investition in Stuttgart 21 Sinn machen sollte, und da die Bahn im Schlichterspruch dieser Prämisse zugestimmt hatte und dies nie öffentlich revidierte, müsste wenigstens "Premium"-Qualität angestrebt werden.
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Fahrlässigkeit in dem Vorgehen scheint aufgrund der Systematik und dem Widerspruch zu eisenbahnerischen Grundregeln undwahrscheinlich. Es könnte als Indiz gewertet werden, dass die Bahn sich bei der Diskussion zu Betriebsqualität und Verspätungsabbau in der Stresstest-Präsentation so bedeckt hielt, während sich stundenlage fruchtlose Diskussionen um dieses Thema drehten. Es stellt sich die Frage, ob die Bahn auch noch andere verspätungsaufbauende Projekte mit ähnlicher Argumentation rechtfertigte. Es bleibt die beruhigende Erkenntnis, dass die Bahn, sofern sie ihren Richtlinien und internationalen Standards folgt, nicht die Republik mit verspätungsaufbauenden Projekten überziehen kann.
  
Die SMA führt hier ganz entgegen ihrer Rolle als unabhängiger Gutachter [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Gute Betriebsqualität nicht definiert|allein das Verständnis der Bahn]] ins Feld.
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====Argumentation der Bahn zur Definition der Betriebsqualität====
  
===Regelwidrige Ermittlung der Betriebsqualität===
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[[Datei:Richtlinie 405, Bl. 123 Leistungsbereich.png|thumb|500px|rechts|Richtlinie 405.0104A01 S. 3, Bl. 123. Abbildung zum "wirtschaftlich optimalen <u>Leistungsbereich</u>". Er umfasst die "wirtschaftlich optimale" und die "risikobehaftete" <u>Betriebsqualität</u>.]]Die Deutsche Bahn AG argumentiert zu dem Vorwurf, die Betriebsqualität gegenüber der Definition in der Richtlinie umdefiniert zu haben, wie folgt<ref name="2011-11-17 Bahn Stellungnahme">17.11.2011, Sachliche Stellungnahme der Bahn ([http://www.stuttgarter-zeitung.de/media.pdffile.52fbdc18-63cc-4f9c-b8dc-358d710e3856.original.media stuttgarter-zeitung.de])</ref> (<span style="background-color:#eee;">Zitate hellgrau hinterlegt.</span> Die Entgegnung von WikiReal wird direkt im Anschlus an die Teilaussagen gebracht). Statt die Kritik von WikiReal an der umdefinierten Betriebsqualität auszuräumen, hat die Bahn Falschdarstellung im wesentlichen eingeräumt und darüber hinaus mehrere neue unzutreffende Behauptungen aufgestellt.
  
Unter [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße|Richtlinienverstöße]] wird im Detail dargelegt, dass zu allem Überfluss auch noch die Betriebsqualität aus der Verspätungsveränderung unter mehrfachem Verstoß gegen die Vorgaben der Richtlinie 405 ermittelt wurde:
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# {{BGgr|''"Die Deutsche Bahn hat sich exakt an das Regelwerk für eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchungen gehalten. Dagegen wird behauptet, dass die DB im Stresstest "freihändig und verfälschend" eine neue Qualitätsstufe als Collage aus Versatzstücken der Richtlinie zusammengesetzt habe. Dieses ist falsch, wie auch vom Gutachter bestätigt wurde:''}}
# Die [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest|Minutengrenzen für die Qualitätsstufe "wirtschaftlich optimal"]] im Verspätungsabbau wurden entgegen der Vorgaben um eine Stufe verringert festgelegt. Tatsächlich liegen die angeblich "wirtschaftlich optimalen" Ergebnisse im Bereich "risikobehaftet" bis "mangelhaft".
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#:{{BGgr|''»Die vom Schlichter geforderten anerkannten Standards des Eisenbahnwesens sind eingehalten.« (SMA-Abschlussbericht, Einführung, S. 7)"''}}
# Die Qualitätsgrenzen für "wirtschaftlich optimal" wurden [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest|unzulässigerweise auf den gesamten Auswertungsraum]] bzw. Mittelwerte der Zu- und Ablaufstrecken angewandt, obwohl sie nur für einzelne Teilstrecken bzw. Bahnhofsköpfe definiert sind.
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#* Wie im folgenden Punkt gezeigt wird, hat die Bahn in zumindest einem Aspekt die Abweichung von der Richtlinie schon eingestanden, damit ist diese erste Aussage der Bahn {{red|'''unzutreffend'''}}. In diesem Fall gilt, wie bei einigen anderen Richtlinienverstößen auch, dass der [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Auslassungen und übersehene Punkte|Auditor SMA den Richtlinienverstoß übersah]], das '''Testat der SMA''' entlastet die Bahn also nicht, da es '''schlicht fehlerhaft''' ist.
# Entgegen der Richtlinie wurde die Verspätungsveränderung unter [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Verspätungsabbau durch Haltezeitverkürzung verfälscht|voller Einbeziehung des Verspätungsabbaus durch die Haltezeitverkürzungen]] im Hauptbahnhof ermittelt.
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# {{BGgr|''"Zur Erklärung: Der wirtschaftlich optimale Leistungsbereich umfasst (an seiner Grenze zur mangelhaften Betriebsqualität) auch den Bereich der risikobehafteten Betriebsqualität. Liegt ein Verspätungsanstieg größer eine Minute vor, so herrscht unstrittig eine mangelhafte Betriebsqualität."''}}
# Entgegen dem Beschluss im Lenkungskreis wurde die Verspätungsveränderung unter Einbeziehung der [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung am Einbruchsort|Haltezeitverkürzung in der Einbruchsbetriebsstelle]] ermittelt, und beschlusswidrig die Verspätungsveränderung ab Ankunft bestimmt.
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#* Dies ist das {{red|'''Eingeständnis'''}}, dass die Darstellungen in der Stresstest-Dokumentation und im Audit-Bericht der SMA nicht zutreffend sind. Dort wurde eindeutig 1,0 Min. als Ende des Bereichs der "wirtschaftlich optimalen" <u>Betriebsqualität</u> angeführt, an den der "risikobehaftete" Qualitätsbereich anschließt.
# Hinzu kommt ein von der Richtlinie nicht abgedeckter Fehler: [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau|Die Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau.]] Die Haltezeitverlängerungen bilden zu einem Großteil die Urverspätungen ab, die eigentlich die Züge erst auf der Strecke betreffen. Die Abfahrt ist um diesen Anteil verspätet, der Verspätungsabbau erscheint um diesen Betrag reduziert und die Haltezeitverlängerung erscheint um diesen Betrag geringer.
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# {{BGgr|''"Das Optimum innerhalb des wirtschaftlich optimalen Bereichs wird dabei erreicht, wenn die mittlere Verspätung in den Auswerteraum einfahrender Züge exakt der Verspätung beim Ausbruch aus dem Auswerteraum entspricht (Richtlinie 405 "Fahrwegkapazität Modul 405.0104, Abschnitt 3.6). Die beiden folgenden Abbildungen verdeutlichen den Zusammenhang."''}}
# Entgegen der Richtlinie wurde [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Nicht allein Verspätungsabbau für Infrastrukturbewertung|allein der Verspätungsabbau für die Ermittlung der Betriebsqualität]] herangezogen, dabei hätten andere Größen und Betrachtungen zusätzlich herangezogen werden müssen.
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#* Zu diesem Punkt gibt es aufgrund der unnötigen Unklarheit der Richtlinie bezüglich "Optimum" und "wirtschaftlich optimal" zwei Argumentationspfade, die weiter unten ausgeführt werden ([[#Gegen-Argumentation 1: Wirtschaftlich optimal endet bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau|1. "wirtschaftlich optimal" bei 0,0 Min.]] / [[#Gegen-Argumentation 2: Optimum bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau|2. "Optimum" bei 0,0 Min.]]). In jedem Fall bleibt nach der Richtlinie als Grundlage für die Auslegung eines Bahnhofs ein {{red|'''Verspätungsaufbau nicht akzeptabel'''}}.
# Insbesondere wurde [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Belegungsgrade wurden nicht dargestellt|nicht wie vorgeschrieben der Belegungsgrad ermittelt]], eine der wichtigsten Kenngrößen in der Kapazitätsplanung. Der Belegungsgrad für Stuttgart 21 nimmt Werte an von [[Stuttgart 21/Stresstest/Plausibilisierung#Stresstest-Belegungsgrad katastrophal|"unfahrbar" bis "katastrophal"]]. Es ist vorstellbar, dass dies die Motivation dafür war, den Wert nicht auszuweisen.
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# {{BGgr|''"Das Gesamtergebnis des Stresstests ist dabei besser als das Optimum des wirtschaftlich optimalen Bereichs: Im Mittel werden 33 Sekunden Verspätung zwischen dem Einbruch und dem Ausbruch von Zügen im Betrachtungsraum abgebaut."''}}
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#* Diese Argumentation ist {{red|'''unzulässig und unrichtig'''}}. Der Verspätungsaufbau durch die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof ist [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Haltezeitverkürzung überlagert die Betriebsqualität|laut Richtlinie verfälschend]]. In diesem Fall muss die Betriebsqualität über andere Kenngrößen verifiziert werden, was [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Betriebsqualität allein aus Verspätungsveränderung|im Stresstest versäumt wurde]]. Außerdem ist die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof mehr als [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Verspätungsabbau in der Praxis weniger als halb so groß|doppelt so hoch angesetzt]], wie realistisch für die Haltezeiten bei Stuttgart 21 erwartet werden darf.
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#* Das Gesamtergebnis des Stresstests ist schon vor Korrektur der unrealistischen Haltezeitverkürzung ein Verspätungsaufbau, wie SMA-Chef Stohler in der Stresstest-Präsentation klargestellt hatte:<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#17:02 17:02 Uhr], Werner Stohler: ''"Warum haben wir "wirtschaftlich optimal" vergeben? [...] Es ist so, dass sich in den Zuläufen, von wo auch immer, und in den Abläufen Verspätungen sich aufbauen. Also es gibt eine Anzahl Fahrgäste, die eben z. B. im Zulauf in der Morgenspitzenstunde tendenziell mit einer gewissen verspäteten Ankunft rechnen müssen. Für Leute, die durch den Bahnhof hindurchfahren, baut sich diese Verspätung dank der längeren Standzeiten ab."'' Siehe auch:<br />29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://www.schlichtung-s21.de/fileadmin/schlichtungs21/Redaktion/pdf/110729/Protokoll29072011.pdf Stenografisches Protokoll] S. 136, Winfried Hermann</ref> Dadurch, dass nur 10 % bis 20 % der Fahrgäste durch Stuttgart hindurchfahren, kommt nur dieser kleine Teil in den Genuss des Verspätungsabbaus durch Haltezeitverkürzung, die anderen Fahrgäste erleiden die Verspätungen auf den Zulauf- oder Ablaufstrecken. Die Rechnung liefert selbst bei den allergünstigsten Annahmen zugunsten S21 noch einen Verspätungsaufbau, der unter realistischen Annahmen weit in den "risikobehafteten" Qualitätsbereich fallen würde.<ref>Finaler Simulationslauf: 0,8 × 9,5 Sek. (vorsichtig geschätzt nur 80 % ein/aus/umsteigende Fahrgäste sowie mittlerer Verspätungsaufbau in den Zu- bzw. Ablaufstrecken in der optimistischsten Grundvariante) 0,2 × -33 Sek. (volle Haltezeitverkürzung angesetzt, realistisch würden hier nur 19-20 Sek., also -1 Sek. Verspätungsabbau verbleiben) = <u>1 Sekunde</u> Verspätungsaufbau. In der Grundvariante mit lauter unrealistisch optimistisch gewählten Parametern: 0,8 × 8,5 Sek. + 0,2 × -29 Sek.  = <u>0,2 Sekunden</u> Verspätungsaufbau.<br />Dieselbe Rechnung allein für die Sensitivität zum Auswertezeitraum 7-8 Uhr und mit der Berücksichtigung von realistisch nur 20 Sek. zu erwartendem Verspätungsabbau im Hauptbahnhof ergibt 0,8 × (42/2) Sek. + 0,2 * (42-20) Sek. = <u>21 Sekunden</u> Verspätungsaufbau. Und dies ist immer noch optimistisch, weil die anderen Korrekturen (andere Sensitivitäten und Fehler im Stresstest) noch nicht berücksichtigt sind.</ref> D.h., es wurde schon unter optimistischsten Annahmen ein Verpätungsaufbau testiert.
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# {{BGgr|''"Die Feststellung von SMA, dass eine wirtschaftlich optimale Betriebsqualität vorliegt, ist somit vollumfänglich zutreffend."''}}
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#* Wenn an dieser Stelle anknüpfend an den vorausgehenden Satz argumentiert wird, dass erst mit der Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof "wirtschaftlich optimal" erreicht wird, ist dies ein weiteres {{red|'''Eingeständnis'''}} der Umdefinition der Betriebsqualität. Da die SMA ausdrücklich "wirtschaftlich optimal" mit einem Verspätungsaufbau begründete, ist es eben nicht zutreffend, dass ein Netto-Verspätungsabbau (inkl. Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof) das SMA-Testat begründet.
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#* Nachdem zuvor ausgeführt wurde, dass unter halbwegs realistischen Annahmen sogar ein sehr deutlicher Verspätugnsaufbau vorliegt, ist die Aussage sicher {{red|'''nicht zutreffend'''}}.
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# {{BGgr|''"Die erreichte Betriebsqualität weist dabei sogar eher eine Tendenz zur Premiumqualität als zur mangelhaften Betriebsqualität auf."''}}
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#* Diese Aussage ist {{red|'''ohne Logik'''}} und {{red|'''unrichtig'''}}. Die ermittelten mittleren Verspätungen als Grundlage der Einstufung der Betriebsqualität ergeben sich aus der Simulation ohne irgendeine Tendenz. (Es wurde ein Mittelwert ohne einen Gradienten oder etwas ähnliches ermittelt.)
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#* Betrachtet man gegenüber der Grundvariante die durchgeführten Sensitivitäten, ergibt sich dann aber doch eine Tendenz, nämlich die, dass bei weniger optimistischer Werten sich in allen Fällen eine Verschlechterung der Betriebsqualität ergibt, d.h. die Tendenz geht eindeutig in die andere Richtung (siehe oben).
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# {{BGgr|''"Im Mittel liegt der Verspätungsanstieg über alle Zulaufstrecken in allen untersuchten Varianten (inklusive Sensititvitätsbetrachtungen) sogar deutlich unter 30 Sekunden!"''}}
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#* Dieses Argument geht {{red|'''vollkommen fehl'''}}. Da die untersuchten Varianten ja keine Varianten sind, sondern die Sensitivitäten [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation|nur stichprobenartig einzelne Parameter]] auf realistische Werte einstellen. Bildet man die Summe aus dem Verspätungsaufbau im Zulauf der Grundversion von 8 Sek. plus den Werten, um die die Sensitivitäten diesen Wert übersteigen, ergeben sich 39 Sekunden, die im Groben allein bei gleichzeitiger Umsetzung der Korrekturen aus den Sensitivitäten zu erwarten wären.<ref> Es wird die Summe gebildet aus der Verspätung der Grundversion und den Beiträgen, um die der Verspätungsaufbau in den Zuläufen bei den Sensitivitäten über diesem Wert liegt: 8 ("Grundvariante") plus 17-8 = 9 (Zusatzversp. bei "75 % Fahrzeitüberschüssen") plus 22-8 = 14 (Zusatzversp. bei "Auswertezeitraum 7-8 Uhr") plus 11-8 = 3 ("Datenmodell 15. Juli") plus 13-8 = 5 ("Finaler Simulationslauf") ergibt 39 Sekunden.</ref> Ganz ohne die ähnlich groß abzuschätzenden Effekte der [[Stuttgart 21/Stresstest/Quantifizierung|weiteren Fehler]], für die noch keine Sensitivität vorliegt.
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#* Laut Richtlinie gilt der Grenzwert von 30 Sekunden nur für Bahnhofsköpfe, nicht für den gesamten Zulauf im Betrachtungsraum. Das heißt die hier von der Bahn vorgenommene Anwendung der 30 Sekunden-Grenze auf den gesamten Zulauf ist {{red|'''unzulässig'''}}. Die Zuläufe sind eine Teilstrecke und müssen den Grenzwert von 1 Minute erfüllen. Aber es ist absolut klar, dass ein so hoher Verspätungsaufbau nicht mehr "wirtschaftlich optimal" ist.[[Datei:Verspätungsaufbau_Zuläufe_mit_Haltezeitverkürzung.png|thumb|360px|rechts|Verspätungsaufbau durch die neu gebaute Infrastruktur bei Stuttgart 21 in der Grundvariante der Stresstest-Simulation. Beiträge in Sekunden zum Gesamt-Mittelwert des Verspätungsaufbaus im Zulauf. (Bildquelle für die Kartendarstellung: bahnprojekt-stuttgart-ulm.de)]]
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# {{BGgr|''"Nennenswerte Verspätungen entstehen dabei ausschließlich im Bestandsnetz, das mit den zu Grunde gelegten gestiegenen Zugzahlen deutlich stärker belastet wird."''}}
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#* Diese Aussage ist {{red|'''unrichtig'''}}. Das genaue Gegenteil ist der Fall, wie ein Blick auf die Auswertung des [[Stuttgart 21/Stresstest/Interpretation#Verspätungsaufbau durch S21-Infrastruktur|Verspätungsaufbaus im Zulauf]] auf den bei Stuttgart 21 neu gebauten bzw. neu genutzten Strecken zeigt (Abb. rechts). Tatsächlich führen die Neubauten bei Stuttgart 21 schon in der optimistischsten Grundvariante der Simulation zu gravierendem Verspätungsaufbau. Allein der Rückstau bei Einfahrt in den Hauptbahnhof aus den verschiedenen Richtungen beträgt im Mittel 7,3 Sek. pro Zug, nahe dem Mittelwert von 8 Sekunden für den gesamten Untersuchungsraum (Doku. S. 67 / Teil 2 Bl. 6). Die [[Stuttgart 21/Stresstest/Interpretation#Verspätungsaufbau durch S21-Infrastruktur|Detailauswertung]] ergibt, dass die Neustruktur inklusive des neugebauten Flughafenbahnhofs und der neu genutzten Filderstrecke im Mittel 7,2 Sekunden Verspätungen aufbaut, mehr als das Dreifache der Altstruktur, die auf im Mittel 2,3 Sekunden Verspätungsaufbau kommt. Die Aussage der Bahn ist somit grob unzutreffend.
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{{NoGo}} Es bleibt festzuhalten, dass die Bahn den Verstoß gegen die Richtlinie im Wesentlichen einräumt. Die weitere Argumentation der Bahn sticht dabei in keinem der angeführten Teilargumente. Zu Punkt 3 muss dabei aufgrund der Rest-Unklarheit in den Formulierungen der Richtlinie auf zwei Wegen argumentiert werden (folgende Abschnitte).
  
{{NoGo}} {{Ex}} Im Stresstest wurde nicht nur die angestrebte Qualität freihändig um eine Stufe von "Premium" auf "wirtschaftlich optimal" herabgesetzt (siehe oben), die falsche Zuordnung der Minutengrenzen verschiebt die Qualitätsstufe weiter, so dass die Ergebnisse bei "risikobehaftet" liegen. Abgesehen von unzähligen weiteren Fehlern in der Ermittlung der Betriebsqualität. Allein in fünf Punkten wird gegen die Richtlinie verstoßen, zweifach gegen Lenkungskreisbeschlüsse, hinzu kommt ein weiterer systematischer Fehler. Allein beim Thema Betriebsqualität wird überdeutlich, wie hoffnungslos überfordert Stuttgart 21 ist, die geforderte Leistung in vernünftiger Qualität erbringen zu können.
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<span id="Gegen-Argumentation 1: Wirtschaftlich optimal endet bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau"></span>'''Gegen-Argumentation 1: Wirtschaftlich optimal endet bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau'''
  
==Anforderungen des Landes an Fahrplan unerfüllt==
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[[Datei:Richtlinie 405.0104 S. 6, 21.png|thumb|583px|rechts|Richtlinie 405.0104A01 S. 6 und S. 21 / Bl. 94, 109. Eins–zu-eins Zuordnung der Minutengrenzen zu den Qualitäts&shy;stufen. Durch den Copy-Paste-Trick erscheint als "wirtschaftlich optimal" was eigentlich "risikobehaftet" wäre. Die hellgrau unterlegten Passagen wurden sowohl von der Bahn als auch vom Auditor nicht dargestellt.]]
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# Die Richtlinie 405 macht bei der allgemeinen Definition der Betriebsqualität (Abbildung rechts, linke Hälfte, S. 6 der Richtlinie) klar, dass in dem zweiten Abschnitt (rechte Hälfte, S. 21) "die Maßstäbe" für die "Zuordnung" der "Stufen der Betriebsqualität" gegeben werden. Insofern erwartet der Anwender zu Recht, dass die dort angegebenen Werte die Grenzen zwischen den Stufen beschreiben.
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# Tatsächlich findet sich eine eins-zu-eins-Entsprechung in den jeweiligen qualitativen Formulierungen.
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# Für die laut der Diskussion in der Stresstest-Präsentation vermeintlich so dringend zu vermeidende "Premiumqualität" gibt die Richtlinie keine Grenze an ("keine Qualitätsmaßstab erforderlich". Die Vermeidung von Premium ist tatsächlich offenbar weniger vordringlich als in der Stresstest-Präsentation dargestellt.
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# Es folgt die einzige Uneindeutigkeit in dieser Definition. Statt "wirtschaftlich optimal" wird ein "Optimum" definiert. Sollte dies tatsächlich ein frei gewählter Punkt in dem "wirtschaftlich optimalen" plus "risikobehafteten" Betriebsqualitätsbereich sein, greift Argumentation 2 (siehe unten). Wäre dies die Intention der Richtlinie, müsste sie an dieser Stelle klarstellen, dass eben nicht die angekündigte Einordnung in die Qualitätsstufen erfolgt.
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# Tatsächlich wird für dieses Optimum aber eine Bereichsgrenze angegeben, indem "zul t<sub>vz</sub> = 0,0 [min]" angegeben wird. Der Begriff "zulässig" muss dabei als Bereichsobergrenze gedeutet werden.
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# Der zu dieser Grenze gehörige Bereich wird auch noch einmal qualitativ beschrieben in gleicher Weise wie in der allgemeinen Definition. Es wird in äquivalenter Formulierung wie für "wirtschaftlich optimal" klargestellt, dass für "Optimum" einzelne Fälle von Verspätungsaufbau wieder kompensiert werden müssen (Summe <= 0).
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# Um die von der Bahn bei Neubauten angestrebte "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität nachweisen zu können, wird im Minimum die Obergrenze dieses Bereichs benötigt, also der Grenzwert von 0,0 Min.
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# Als "noch akzeptabel" und als Grenze zu "mangelhaft" werden die Grenzwerte von 1 Min. (Teilstrecken) und 0,5 Min. (Bahnhofsköpfe) angegeben. Dieser Grenzwert ist unstrittig.
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Die Argumentation, dass für Teilstrecken der "risikobehaftete" Bereich der Betriebsqualität von 0,0 bis 1,0 Minuten reicht, ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Richtlinie macht absolut deutlich, dass zur Erreichung des "Optimum" die Verspätungen <= 0,0 Minuten liegen müssen.
  
5 Kriterien
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<span id="Gegen-Argumentation 2: Optimum bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau"></span>'''Gegen-Argumentation 2: Optimum bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau'''
  
{{Hinweis|Baustelle|Im Einzelnen zu überprüfen, welche Anforderungen des Landes im finalen Simulationslauf abgedeckt sind und ob erneut gleichzeitig auch die früheren Korrekturen, die Landesforderungen betreffen, abgebildet wurden.}}
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Die Bahn argumentiert mit einem "Optimum" bei 0,0 Minuten, das irgendwo in dem kombinierten <u>Leistungsbereich</u> der "wirtschaftlich optimalen" und "risikobehafteten" <u>Betriebsqualität</u> liegt.
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# Die weiter oben gezeigte schematische Grafik zum "wirtschaftlich optimalen Leistungsbereich" von Bl. 123 der Richtlinie, die auch die Bahn in ihrer Stellungnahme anführt, identifiziert das Optimum der Betriebsqualität mit der "<u>Nennleistung</u>".
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# Die Richtlinie gibt diese Definition: Die Nennleistung entspricht der sogenannten optimalen Zugzahl, also der ''"Zugzahl bei einer definierten optimalen Qualität"'' (Richtlinie 405.0102 S. 13 / Bl. 23), was dem dargestellten Optimum entspricht.
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# Die Richtlinie definiert darüber hinaus die Reservekapazität als die Differenz zwischen Nennleistung und Leistungsanforderung (Richtlinie 405.0102 S. 16 / Bl. 26). Daraus ergibt sich, '''wenn eine Anlage ohne Überlast betrieben werden soll''', so muss ihre Leistung unterhalb oder gleich der Nennleistung liegen, die Betriebsqualität muss besser oder gleich dem Optimum sein, '''die Verspätungen müssen <= 0,0 Minuten liegen'''.
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# Die Nennleistung ist außerdem nach der Richtlinie definitiv <u>nicht anwendbar</u> für Bahnknoten, lediglich für Teilstrecken (Richtlinie 405.0104 S. 12 / Bl. 100). D.h. die Unzulässigkeit der Argumentation der Bahn mit einer Verspätungsveränderung inkl. dem Verspätungsabbau im Hauptbahnhof wird auch hier deutlich gemacht. (Siehe auch Richtlinie 405.0202A01 S. 3 / Bl. 173: Nennleistung in Simulation nur ermittelbar über Variantenvergleich.) Die Nennleistung ist die Zugzahl im Optimum der Betriebsqualität, um das es im Stresstest geht.
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# Selbst wenn das "Optimum" nicht als der Grenzwert zwischen den Betriebsqualitätsstufen angesehen wird, ergibt sich keine andere Intrepretation, als dass maximal Verspätungserhaltung bei der Auslegung einer Infrastruktur zulässig ist.
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# Der Richtlinie folgend kann unmöglich der Bereich bis zu 1,0 Minuten Verspätungsaufbau als Auslegungsbereich einer neuen Infrastruktur herangezogen werden.
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Auch mit der Interpretation eines "Optimum"-Punktes bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau erhält man kein anderes Planungsziel, als das, Verspätungsaufbau zu vermeiden. Und selbst dann hätte der Bahnhof schon keine Reserven mehr.
  
==Unrealistische Spitzenstunde==
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{{NoGo}} Daraus folgt, dass ein signifikanter Verspätungsaufbau in den Zu- und Ablaufstrecken kein Planungsziel sein kann. Insbesondere nicht in der Höhe, wie er im Stresstest festgestellt wird, sobald die Werte etwas realistischer eingestellt werden.
  
===Zu wenig Züge im Vor- und Nachlauf===
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====Plausibilitätscheck, Verspätungsaufbau zulässig?====
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{{#ev:youtube|a0zii7xsfVo#t=5m54s|290|right|21.06.2011, Sprecherbüro "Wie wird der Stresstest für Stuttgart 21 durchgeführt?" Thorsten Schaer: Optimal Verspätungserhaltung, dann Verspätungsaufbau, dann starker Verspätungsaufbau (mangelhaft) ([http://www.youtube.com/watch?v=a0zii7xsfVo#t=5m54s youtube], Min. 5:54)}}<div class="tright" style="clear:none; margin-left:1em">[[Datei:2006 Heister Eisenbahnbetriebstechnologie Titel.jpg|thumb|160px|links|"Eisenbahnbetriebstechnologie",<ref name="Heister2006" /> Co-Autor Stresstest-Projektleiter Thorsten Schaer: Planungsziel: Verspätungsabbau.]]</div>{{#ev:youtube|O-jXohw4T4Q#t=2m19s|290|right|04.07.2011, ZDF heutejournal "Bahnprojekt Stuttgart 21 im Stresstest". Prof. Martin: Verspätungsabbau ist gute Betriebsqualität ([http://www.youtube.com/watch?v=O-jXohw4T4Q&feature=youtu.be youtube], Min. 2:19)}}Die Bahn hatte, vom Auditor SMA bestätigt, einen Verspätungsaufbau bis 1 Min. pro Zug als Planungsziel dargestellt und dem Stresstest zugrunde gelegt. Ein solcher Verspätungsaufbau ist nicht mehr verspätungserhaltend. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet die Kronzeugen der Projektbefürworter ebenfalls Kronzeugen sind für die Aussage, dass ein solch hoher Verspätungsaufbau schwerlich Planungsziel sein kann:
  
[[Datei:Lastkurve Stresstest.png|thumb|360px|rechts|Im Stresstest fehlen 24 Züge im Vorlauf und der Hauptverkehrszeit gegenüber einer realistischen Lastkurve.]]Die Lastkurve des Stresstests sieht eine alleinstehende erhöhte Spitzenstunde mit 49 Zügen pro Stunde vor, zuvor und danach fällt die Leistung auf das Grundtakt-Niveau von 32 bzw. 26 Zügen (zweistündig alternierend) zurück. Im Vorlauf bis 6 Uhr findet weniger als die Hälfte des üblichen Verkehrs statt. '''Gegenüber einer realistischen Lastkurve fehlen so in Vor- und Nachlauf der Spitzenstunde 24 Züge.'''
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'''Dr. Thorsten Schaer''', Arbeitsgebietsleiter Eisenbahnbetriebswissenschaft Ost/Mitte/Südwest, DB Netz AG, der Projektleiter des Stresstests zu Stuttgart 21 bei der Bahn erläutert in einem Video des Sprecherbüros die Stufen der Betriebsqualität:
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:''"Und liegen diese Simulationsläufe und die Auswertungen vor, dann kann man anhand des Verspätungsanstiegs oder -abbaus einschätzen, ob eine Premiumqualität, d.h. ein Verspätungsabbau, vorliegt, oder ob die {{hl|Verspätung konstant bleibt, dann spricht man von optimaler Betriebsqualität}} oder guter Betriebsqualität, oder ob ein Verspätungsanstieg vorliegt. Und wenn das ein sehr starker Anstieg ist, dann spricht man sogar von einer mangelhaften Betriebsqualität und dann besteht Handlungsbedarf."''
  
Richtlinie 405 schreibt nicht umsonst die Berücksichtigung des "Vor- und Nachlaufs" vor:
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Herr Schaer unterscheidet in der <u>Betriebsqualität</u> deutlich den verspätungserhaltenden "wirtschaftlich optimalen" Bereich vom verspätungsaufbauenden ["risikobehafteten"] und vom stark verspätungsaufbauenden "mangelhaften" Qualitätsbereich.
:''"Als Richtwert für die meisten Aufgaben kann gelten, dass der Untersuchungszeitraum etwa {{hl|2 h vor dem Auswertezeitraum}} beginnen und 2 h nach ihm enden sollte."'' (Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 163)
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Die fehlenden Züge in der Vorlaufzeit entlasten die erste Stunde des Auswertezeitraums von Folgeverspätungen. Insbesondere in der Stunde ab 5 Uhr fährt nur knapp die Hälfte der Züge, die der heutigen Lastkurve entsprächen. Und selbst heute fahren schon 14,5 Züge in dieser Stunde verglichen mit den 10 Zügen im Stresstest. Bei einer solch drastischen Reduktion sind Folgeverspätungen in der ersten Auswertestunde nicht mehr zu erwarten. Der zweite große Beitrag zur Entlastung des Stresstests sind die fehlenden 12 Züge von 8 bis 10 Uhr. Die in diesen beiden (besonders kritischen, siehe unten) Stunden um 17 % reduzierte Bahnhofsleistung erleichtert den Abbau von Verspätungen erheblich.
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Dr. Schaer ist auch Koautor eines Lehrbuchs zur "Eisenbahnbetriebstechnologie",<ref name="Heister2006">Gert Heister, Thorsten Schaer u.a., "Eisenbahnbetriebstechnologie", DB-Fachbuch (2006) ([http://books.google.de/books?id=C5jopxcdkeUC GBS])</ref> erschienen 2006, in dem der Verspätungsabbau als damaliges Planungsziel klar dargestellt wird:
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:''"Eine mangelhafte Betriebsqualität bedeutet, dass Züge, die pünktlich oder verspätet in einen Streckenabschnitt eingefahren sind, diesen mit (noch höherer) Verspätung verlassen. Bei {{hl|guter Qualität dagegen können Züge Verspätungen reduzieren}}, bei befriedigender Qualität bleiben Verspätungen auf gleichem Stand. {{hl|Grundsätzlich strebt man bei der DB Netz AG eine gute Betriebsqualität an}} [...]"''
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Mit der Neufassung der Richtlinie 405 von 2008 wurde "wirtschaftlich optimal" als Planungsziel, maximal verspätungserhaltend, angegeben. Ein substantieller Verspätungsaufbau (bis zu 1 Min. pro Zug) wurde bisher in keiner Veröffentlichung als hinnehmbar bezeichnet.
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Noch zur Zeit des Stresstests erläutert der S21-Gutachter '''Prof. Ullrich Martin''', dass jeglicher Verspätungsaufbau eine "unbefriedigende" Qualität bedeutet, Verspätungsabbau dagegen liefert eine "gute Betriebsqualität" (Video rechts).
  
Der Auditor hat diese gravierende Abweichung von einem realistischen Betriebsprogramm [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Fehlende Flanken der Spitzenstunde|nicht angesprochen]]. Dabei hatte die SMA selbst die Anforderung und die nicht erfüllte Realisierung im Auditbericht auf zwei aufeinander folgenden Seiten dargestellt (Audit SI-02 S. 2 / Bl. 142 f). Ob sie eine Prüfung der von ihr selbst dargestellten Anforderungen versäumte, oder aber das Ergebnis dieser Prüfung nicht darstellte, kann nicht gesagt werden.
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Auch der '''Internationale Eisenbahnverband''' sieht bei Verspätungserhaltung (Verspätungsänderung = 0) die Obergrenze des akzeptablen Bereichs.<ref name="Capman" />
  
{{NoGo}} Die '''unrealistisch alleinstehende Spitzenstunde''' ist ein weiterer Taschenspielertrick, um den Stresstest signifikant zu entlasten. Die Simulation eines derartig künstlichen Lastverlaufs ist ohne Aussagekraft, ob Stuttgart 21 die 49 Züge in der Spitzenstunde in der ermittelten Qualität erbringen kann. Die Bahn hatte auch jegliche Information über die Modellierung der so wichtigen Flanken vor und nach der Spitzenstunde aus ihrer Dokumentation herausgehalten, obwohl diese Stunden in die Qualitätsermittlung eingingen. Das spricht dafür, dass die Bahn bemüht war, diese Manipulation zu verdecken. Auf die Frage in den Prämissengesprächen nach den Zügen außerhalb der Spitzenstunde [[Stuttgart 21/Stresstest/Glaubwürdigkeit#Prämissengespräche, Haltezeitverkürzung und Lastkurve|antwortete die Bahn nur ausweichend]] und die Nachfrage wollte Schlichter Geißler nicht zulassen, bis der Gutachter SMA schließlich diese Daten offenbarte, sie aber inkonsequenterweise [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Fehlende Flanken der Spitzenstunde|nicht bewertete]]. Die unrealistische Lastkurve ist genau genommen auch ein Richtlinienverstoß, da sie nicht die [[Stuttgart_21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Kein_Stress_im_Test|Forderung nach realistischen und der Aufgabe angepassten Parametern]] in der Simulation erfüllt.
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Es erscheint schwer vorstellbar, wie der Bahnverkehr in Deutschland stabil ablaufen sollte, wenn für die einzelnen Bahnknoten ein substanzieller Verspätungsaufbau von bis zu 1 Min. (bzw. 2 Min. aus Zulauf- und Ablaufstrecken) pro Zug als Planungsprämisse gelten würde. – Der '''Kollaps des Bahnverkehrs''' wäre die sichere Folge.<br style="clear:both" />
  
Auf den von der Richtlinie vorgeschriebenen Vorlauf und die Hauptverkehrszeit bezogen bedeuten die fehlenden 24 Züge eine Reduktion der Bahnhofsleistung um 12 %. Den selben Wert erhalten wir, wenn wir die Stunde ab 4 Uhr außen vor lassen. Allein die fehlenden 12 Züge in der Hauptverkehrszeit von 6 bis 10 Uhr bedeuten für diese vier Stunden eine Reduktion um 8 %. Der reduzierte Verkehr im Vorlauf wirkt sich nur indirekt auf den Auswertezeitraum aus, es wird geschätzt, dass dies rund 1 % Entlastung in der Hauptverkehrszeit von 6-10 Uhr ausmacht, in Summe 9 %.
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===Betriebsqualitäten aus gekappten Streckenauswertungen===
  
Auf die Hauptverkehrszeit von 6 bis 10 Uhr wirken sich die fehlenden Züge deutlich aus. Im Schlichterspruch war jedoch nur die Betriebsqualität der Spitzenstunde gefragt. Die Entlastung der Spitzenstunde ist von dem reduzierten Verkehr der Folgestunden unabhängig und erhält nur Einfluss aus dem reduzierten Vorlauf bis 6 Uhr. Hier schätzen wir mit 0,5 % eine deutlich geringere Entlastungswirkung ab. D.h. dieser Fehler macht sich in vollem Umfang erst durch den zweiten Fehler der Mittelung der Betriebsqualität bemerkbar:
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[[Datei:Gekappte Streckenauswertung.png|thumb|432px|rechts|Die Seiten 92 und 93 aus der Stresstest-Dokumentation der Bahn.]]Die Bahn hat über die Umdefinition der Betriebsqualität hinaus auch in der Qualitäts-Bewertung der einzelnen Strecken unsauber gearbeitet, indem bei kritischen Strecken das Prädikat nur für den Abschnitt erteilt wurde, der noch "optimal" ausfiel (bei korrekter [[#Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest|Anwendung der Verspätungsgrenzwerte]] jedoch "risikobehaftet"), die Gesamtstrecke, die "mangelhaft" ergeben hätte, wurde nicht bewertet. In der Gegenrichtung wurde jedoch im Gegensatz dazu die Gesamtstrecke bewertet, um bspw. das "Premium"-Prädikat möglichst deutlich zu erreichen (Doku. Teil 2 S. 92-93, 96-101, 106-109 / Bl. 31-32, 35-40, 45-48). Tatsächlich hätten einige Strecken als "mangelhaft" bewertet und ausgewiesen werden müssen und im Gesamtergebnis hätte ein entsprechender Anteil an "mangelhaften" Strecken dargestellt werden müssen.
  
===Mittelung der Betriebsqualität über 4 Stunden===
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Im Beispiel rechts, der Linie L1/11 von Horb nach Schwäbisch-Hall-Hessental, wurde die Auswertung ab Stuttgart Hauptbahnhof nur bis Murrhardt geführt, exakt der Station, bis zu der noch das Kriterium "wirtschaftlich optimal" erfüllt ist mit einem Verspätungsaufbau von 48 Sekunden. Der tatsächliche Verspätungsaufbau bis zum Ende des Betrachtungsraums in Horb hätte aber 3 Minuten und 8 Sekunden betragen. Selbst in der falschen Stresstest-Definition würde das weit in den "risikobehafteten" Bereich wenn nicht darüber hinaus reichen. Tatsächlich müsste nach der Richtlinie (siehe zuvor) die Verspätung über 1 Minute als mangelhaft und der gut 3-fache Wert wahrscheinlich als unfahrbar angesehen werden. In der Gegenrichtung wird jedoch bereitwillig die ganze Strecke ausgewertet und es wird so ein deutliches "Premium"-Prädikat erlangt. Hätte man analog zur anderen Richtung erst ab Murrhardt bewertet, hätte die Strecke mit 2 Sekunden Verspätungsabbau nur ein "wirtschaftlich optimal" erhalten (siehe zuvor, erst ab -5 Sekunden wird angeblich "Premium" vergeben).
  
[[Datei:2008-02 Stiftung Warentest, Verspätungen nach Uhrzeit.png|thumb|rechts|352px|Verspätungsgrad pro Stunde. Quelle: Stiftung Warentest 02/2008<ref name="2008-02 Warentest" />]]Im Stresstest wurde die Qualität über die gesamte Hauptverkehrszeit von 6 bis 10 Uhr ermittelt und nicht wie im Schlichterspruch gefordert allein die der Spitzenstunde. Der Stress der Spitzenstunde verursacht in den Folgestunden sogar noch höhere Verspätungswerte, allein die Stunde vor der Spitzenstunde ist deutlich weniger belastet.
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{{NoGo}} Es ist '''nicht durch die Richtlinie gedeckt''' und wurde auch '''nicht von der Bahn oder dem Auditor in irgendeiner Weise gerechtfertigt''', dass die Daten nach dem gewünschten Ergebnis "wirtschaftlich optimal" zusammengestellt werden. Dass in der Argumentation für das Projekt Stuttgart 21 selbst auf solche Maßnahmen zurückgegriffen wird, ist entlarvend.<!-- <br style="clear:both" />-->
  
Die erhöhten Verspätungswerte nach der Spitzenstunde sind wohl auch der Hintergrund für die Anmerkung der SMA, dass sie die Betrachtung des längeren Zeitraums für sinnvoller erachtet:
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===Betriebsqualität allein aus Verspätungsveränderung===
:''"Eine Sensitivitätsanalyse eines eingeengten Auswertezeitraums nur von 7 bis 8 Uhr wird ebenfalls durchgeführt (siehe "Steckbrief SI-07 Schlussbericht DB Netz AG"), auch wenn dies {{hl|fachlich fragwürdig}} erscheint."'' (Audit SI-02 S. 4 / Bl. 144)
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Sicherlich muss eine Simulation auch den Folgezeitraum prüfen, um sicher zu gehen, dass nicht der eigentliche Kollaps des Systems übersehen wird. Aber die Mittelung gerade über die unbelastete erste Stunde ist stark stressmindernd und damit ergebnisverfälschend, wenn man die Forderung des Schlichterspruchs betrachtet. Außer dem reinen Mittelungseffekt kommt außerdem noch der größere Beitrag durch die unrealistische Modellierung der Hauptverkehrszeit und des Vorlaufs hinzu, – aber dazu später. Insofern ist die Sensitivitätsanalyse nicht "fachlich fragwürdig" sondern gibt uns wenigstens einen Anhalt für die Größe dieses Fehlers im Stresstest. Ob die SMA dies bemerkt hatte und nun mit dieser Anmerkung von dem Effekt ablenkt oder ob der SMA dieser Zusammenhang entgangen war, lässt sich nicht entscheiden.
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''→ siehe auch [[Stuttgart 21/Stresstest/Interpretation#Verspätungsabbau und Betriebsqualität]]''
  
Die Stiftung Warentest ermittelte folgende Verspätungsgrade der Stunden 6 bis 9: 21, 29, 30, 30 %.<ref name="2008-02 Warentest">02.2008, [http://www.test.de/themen/auto-verkehr/test/Deutsche-Bahn-Wie-puenktlich-fahren-die-Zuege-wirklich-1617492-1616772/ test.de], "Wie pünktlich fahren die Züge wirklich?", Heft 2, 2008, S. 81</ref> Der Mittelwert von 6-10 Uhr liegt bei 27,5 %, d.h. 5 % unter dem Wert der Spitzenstunde.
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Richtlinie 405 stellt anspruchsvolle Anforderungen an die Entscheidungsbasis für die Ermittlung der Betriebsqualität in einer Infrastruktur:
  
{{NoGo}} Bemerkenswert ist, dass im Blick auf die von der Stiftung Warentest ausgewerteten Verspätungen die '''eigentliche Herausforderung die Spitzenstunden am Abend''' darstellen. Insofern ist der Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 erst dann erbracht, wenn in der Simulation auch die Abendstunden (mit entsprechend höheren Startverspätungen vor allem im Fernverkehr) simuliert werden.
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:''"Um einen {{hl|Qualitätsnachweis}} zu führen, sind die an den Messpunkten (vgl. Abs. (9)) gewonnenen Qualitätskenngrößen {{hl|mit Qualitätsmaßstäben zu vergleichen}}, die i.d.R. aufgrund von Erfahrungswerten und zusätzlichen theoretischen Überlegungen gewonnen wurden."'' (Richtlinie 405.0104 S. 5 / Bl. 93)
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:''"Fundierte Entscheidungen sind in der Regel nur auf der Grundlage der {{hl|komplexen Betrachtung mehrerer Kenngrößen}} ggf. unter Angabe möglicher Bandbreiten bzw. Wertebereiche zu treffen."'' (Richtlinie 405.0104 S. 7 / Bl. 95)
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:''"Aussagen zur Kapazität der Infrastruktur sollten sich nicht nur auf ein einziges Betriebsprogramm bzw. eine einzige Struktur der Leistungsanforderungen und einen einzigen daraus resultierenden Leistungswert stützen. Vielmehr ist es erforderlich, bei solchen Untersuchungen auf Bandbreiten, die sich z.B. aus unterschiedlichen möglichen Entwicklungen der Leistungsanforderungen ergeben können, hinzuweisen. Dazu ist die Berechnung {{hl|mehrerer Kenngrößen bzw. gleicher Kenngrößen unter unterschiedlichen Randbedingungen}} sowie von geeigneten Eckwerten sinnvoll"'' (Richtlinie 405.0104 S. 10 / Bl. 98)
  
Bleiben wir bei der morgendlichen Spitzenstunde. Allein die vor allem von Folgeverspätungen wenig belastete Stunde vor der Spitzenstunde lässt das Verspätungsmittel über die 4 Stunden der Hauptverkehrszeit rund 5 % niedriger ausfallen als für die Spitzenstunde allein betrachtet. Aber erst bei dieser Mittelung kommt der zweite Fehler, die zuvor genannte unrealistische Modellierung der Hauptverkehrszeit, voll zum tragen. Die zu gering gewählten Zugzahlen des Vorlaufs und der Stunden 8 und 9 also die 9 % kommen zum Mittelungseffekt noch hinzu. Wir nehmen dabei implizit an, dass prozentuale Unterschiede im Verspätungsgrad prozentualen Unterschieden in der Kapazität etwa gleichwertig sind. Dies ist tatsächlich grob gegeben, wenn man sich nahe dem Maximum der [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Sensitivitäten und Nichtlinearität|Beförderungsenergie]] befindet.
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Im Stresstest wurde die Betriebsqualität regelwidrig allein anhand der Kenngröße Verspätungsveränderung ermittelt. Insbesondere bei merklichem Verspätungsabbau (wie durch die hohen Haltezeitverkürzungen im Tiefbahnhof) sowie speziell für die bei Stuttgart 21 geforderte Infrastrukturbewertung sollen laut Richtlinie andere Größen zur Qualitätsbestimmung hinzugezogen werden:
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:''"Für infrastrukturbezogene Aufgabenstellungen ist sie [die Kenngröße Verspätungsveränderung] jedoch nur bedingt geeignet, da ggf. {{hl|Verspätungsabbau das Leistungsverhalten von Netzelementen überlagern}} kann. In diesen Fällen sind weitere Kenngrößen (z.B. infrastrukturbezogene Behinderungen bzw. Wartezeiten) heranzuziehen."'' (Richtlinie 405.0104 S. 20 / Bl. 108)
  
'''Abschätzung der Äquivalenz zwischen Kapazität und Verspätungsaufbau'''<br />
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{{NoGo}} D.h. die '''Beschränkung der Qualitätsbetrachtung auf die eine Größe Verspätungsabbau''' durch die Bahn im Stresstest zu Stuttgart 21 (Doku. Teil 1 S. 23, Teil 2 S. 67, 112, 132 / Bl. 6, 51, 71) '''ist nicht richtlinienkonform'''. Besonders schwerwiegend erscheint die regelwerkswidrige [[#Belegungsgrade sind nicht angegeben|Unterschlagung der Kenngröße Belegungsgrad]]. Dass entgegen der Forderung der Richtlinie bei hohem Verspätungsabbau und im Falle von Infrastrukturbewertung andere Kenngrößen wie "infrastrukturbezogene Behinderungen" bzw. "Wartezeiten" nicht herangezogen wurden, folgt mutmaßlich der gleichen Motivation, wie die Unterschlagung der Belegungsgrade: Die Inkonsistenz der Darstellung würde zu offensichtlich werden.
Diese Größen dürfen nicht einfach addiert werden. Multiplikation der Kapazitätsfaktoren (siehe [[Stuttgart 21/Stresstest/Quantifizierung|Quantifizierung]]) liefert in Summe rund 13,5 %. Dieser Wert erlaubt uns eine Eichung der Umrechung von Verspätungsaufbau in Kapazitätsreduktion. Die "Sensitivität mit Einengung des Auswertezeitraums" (Audit SI-07 S. 9 / Bl. 183) betrachtete, um wieviel die Verspätungen zunehmen, wenn allein die Spitzenstunde betrachtet wird. Für diesen Fall hatten wir eine Entlastung von 0,5 % durch die fehlenden Züge im Vorlauf abgeschätzt, so dass als relativer Unterschied der Betrachtung Spitzenstunde gegenüber der Hauptverkehrszeit von 6 bis 10 Uhr 13 % verbleiben. Diese '''13 % Kapazitätsentlastung''' entsprechen also den um '''25 Sekunden gestiegenen Verspätungen''' im Zu- und Ablauf gegenüber der Grundversion. 4 Sekunden Verspätungsaufbau entsprechen 2 % Kapazitätswirkung, d.h. einem Zug pro Stunde weniger.  
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<center>
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===Haltezeitverkürzung überlagert die Betriebsqualität===
Daumenregel für den Stresstest:
+
  
<span style="border:2px solid #000; padding: 0.3em"><big><big>4 Sekunden mehr Verspätungsaufbau (in den Zu-/Abläufen) 2 % weniger Kapazität ≈ 1 Zug weniger</big></big>
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Im Stresstest wurde die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof extrem zum Verspätungsabbau genutzt. Im letzten Richtlinienzitat des vorausgehenden Absatzes (Richtlinie 405.0104 S. 20 / Bl. 108) wurde klar, dass ein solch ausgeprägter Verspätungsabbau "das Leistungsverhalten von Netzelementen überlagert", d.h. verfälscht. Damit sind die Ergebnisgrafiken in der Abschlussdokumentation der Bahn (Doku. Teil 2 S. 67, 112, 132 / Bl. 6, 51, 71), die in der Summe über die Zulaufstrecken, die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof und die Ablaufstrecken eine Premium-Qualität nahelegen, unzulässig, zumindest solange keine Fußnote belegt, dass das Prädikat auch aus anderen Gründen erteilt werden kann. Siehe hierzu auch das Verbot, eine Nennleistung für einen ganzen Bahnknoten zu ermitteln (Richtlinie 405.0104 S. 12 / Bl. 100).
</span>
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</center>
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Diese Verhältnisse helfen, die Kapazitätswirkung anderer Korrekturen abzuschätzen.
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An einer weiteren Stelle stellt die Richtlinie klar, dass ein solches Vorgehen nicht zielführend ist:
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:''"Für die Einzelelemente des Fahrstraßenknotens werden gesonderte Ergebnisse ermittelt. Je nach Komplexität des Knotens und der sich hieraus ergebenden Mischung aus Ausschlüssen und parallelen Fahrmöglichkeiten ist es nicht sinnvoll, hierfür eine einzelne Kenngröße (z.B. Nennleistung) anzugeben. Sie wäre zu wenig aussagekräftig für die Praxis und an zu viele Eingangsgrößen des Betriebsprogramms geknüpft."'' (Richtlinie 405.0401 S. 7 Bl. 345)
  
{{NoGo}} {{Ex}} Die Mittelung über die gesamte Hauptverkehrszeit bewirkt im Zusammenspiel mit der erniedrigten Belastung in den Flanken vor und nach der Spitzenstunde die '''quantitativ größte Verfälschung des Stresstest-Ergebnisses'''. Grob geschätzt würde bei gleicher Betriebsqualität aber realistischer Lastkurve nur eine 13,5 % verringerte Zugzahl in der Spitzenstunde abgefertigt werden könnte. Allein die Korrektur dieses Fehlers würde die Leistungsfähigkeit von 49 Zügen auf '''nur noch 42 Züge''' reduzieren.
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Dies könnte auch erklären, warum die Bahn im Abschlussbericht keine entsprechende textliche Schlussbeurteilung in ihren Bericht aufnahm, und ist wohl auch der Hintergrund der Äußerung eines Bahnvertreters in der Prämissen-Sitzung vom 19.07.2011, dass die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof "nicht entscheidungsrelevant" sein könne.<ref>19.07.2011, 3. Prämissengespräch im Stuttgarter Rathaus, Protokoll. Thorsten Schaer, DB Netz, sinngemäß zu Chart 67 der Abschlussdokumentation: Die Haltezeitverkürzung von 2,77 auf 2,0 Minuten kann kein Entscheidungskriterium für den Verspätungsabbau sein.</ref> Hier kommt natürlich hinzu, dass in Stuttgart der Fahrgastwechsel 80 bis 90 % beträgt. So kommt die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof [[Stuttgart 21/Stresstest/Interpretation#Keine Premium-Qualität testiert|nur dem kleineren Teil der 10 bis 20 % durchfahrenden Passagiere zugute]]. Die Bahn hielt sich in der Stresstest-Präsentation in dieser Frage auffällig zurück und überließ den Laien-Vertretern der Befürworterseite die Argumentation, dass ja die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof die Premium-Qualität begründen würde (.... Quelle).
  
==Anerkannte Standards?==
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{{NoGo}} In den Ergebnis-Darstellungen wird überdeutlich, dass der Verspätungsabbau von dem anerkanntermaßen hohen Verspätungsabbau durch die Haltezeitverkürzungen im Hauptbahnhof wesentlich bestimmt wird. Die Richtlinie stellt klar, dass '''dies die ermittelte Betriebsqualität der Netzelemente "überlagert" also verfälscht'''. Damit sind die Stresstest-Ergebnisse nicht belastbar, insbesondere wenn sie allein aus Verspätungsveränderungen begründet werden.
  
Die Dokumentation des Stresstests durch die Deutsche Bahn AG wie auch im Audit durch die SMA wurde nicht der Versuch unternommen, "anerkannte Standards" für die eisenbahnbetriebswissenschaftliche Simulation heranzuziehen. Der Stresstest selbst verletzt durch die zahlreichen [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße|Richtlinienverstöße]] mehr bahn-interne Standards als er einhält, so dass nicht einmal hier von der Anwendung anerkannter Standards gesprochen werden kann. Die SMA stellt dies im Schlussbericht des Audits noch in Aussicht:
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==Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation==
:''"Jeder Steckbrief beinhaltet eine Diskussion des Objektes bezüglich {{hl|vorhandener Regeln}}, Verordnungen (soweit vorhanden) oder eine eigene (eventuell durch Literatur oder {{hl|benchmarking-gestützte}}) Beurteilung." (Audit Schlussber. S. 4 / Bl. 10)
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Solche Bezüge finden sich jedoch nur höchst vereinzelt und nur in Fällen, in denen die Position der Bahn damit gestützt werden kann.
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In den sogenannten "'''Sensitivitäten'''" wie auch dem "'''finalen Simulationslauf'''" werden nur einzelne Parameter auf ein realistisches Niveau gesetzt, während die Richtlinie vorschreibt sämtliche Parameter auf ein möglichst realistische und der Aufgabe entsprechende Werte zu setzen.
# Die wenigen Beispiele von '''Referenzen''' im Audit auf Quellen außerhalb der Deutschen Bahn AG:
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#* Anforderung von 100 oder weniger Simulationsläufen in anderen europäischen Ländern (Audit SI-03 S. 2 / Bl. 148)
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#* ....
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# '''Benchmarking''' wurde lediglich in Bezug auf die .... unternommen
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#* Streckenbezogener Verspätungsaufbau auf Basis von LeiDis-Daten (Audit SI-05 S. 5 / Bl. 160 ff)
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#*: Hier werden jedoch gar nicht die selbstgestellte Aufgaben abgearbeitet
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#* ....
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Die SMA unternimmt keinen Versuch, sämtliche entscheidenden und leistungsbestimmenden Eingangsgrößen der von ihr angekündigten Plausibilisierung zu unterziehen. Solcherart mangelt es eigentlich an der Basis für ein Testat. Es fehlen insbesondere:
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Für den finalen Simulationslauf liegen die folgenden Dokumente vor, auf die in der in Klammern angegebenen Kurz-Zitierung referenziert wird:
# Überprüfung der Statistik der Einbruchsverspätungen
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* 10.10.2011, [http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/de-DE/download/Stresstest_Stuttgart21_Abschlussbericht.pdf bahnprojekt-stuttgart-ulm.de], Bahn: Stesstest Stuttgart 21 Abschlussbericht (Doku. FS)
# Haltezeitverlängerungen (hier hat die SMA die Kappung der Verspätungsspitzen vollkommen übergangen)
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* 10.10.2011, [http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/de-DE/download/Audit_S21_finaler_Simulationslauf_1-00_.pdf bahnprojekt-stuttgart-ulm.de], SMA: Audit Finaler Simulationslauf (Audit FS)
# Den Annahmen zum Verspätungsabbau
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* 10.10.2011, [http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/de-DE/download/SI-09_Anpassungen_f%C3%BCr_finalen_Simulationslauf_1-00.pdf bahnprojekt-stuttgart-ulm.de], SMA: Anpassungen für finalen Simulationslauf (Anpassungen FS)
# ....
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==Unrealistischer Betrieb==
+
Sensitivitäten, in denen nur einzelne Parameter verändert werden, sind hilfreich für den Bediener des Modells, um ein Gefühl für die Auswirkung einzelner Parameter-Änderungen etwa auf das Gesamtergebnis zu bekommen oder um Fehler im Modell aufzuspüren. Sensitivitäten könnten beispielsweise helfen zu identifizieren, welche Parameterveränderung in der Realität die deutlichste Steigerung der Leistungsfähigkeit versprechen würde.
  
Nur einer der in simulierten Zeitraum aus Richtung Stuttgart über die Geislinger Steige verkehrenden Güterzüge ist mit Zwischenhalt in Geislingen/West vermerkt<ref>30.06.2011 [http://www.kopfbahnhof-21.de/fileadmin/downloads/Stresstest/DB-Netz-STRESSTEST-Stuttgart21-1.pdf], "Fahrplanrobustheitsprüfung, S. 45"</ref>. Alle weiteren Güterzüge fahren durch und - logischerweise - müssen deswegen die Geislinger Steige ohne Schublok bewältigen. Dieses ist aber nur im realen Betrieb nur mit leichten Güterzügen unter etwa 900 Tonnen möglich. Daher stellt sich die Frage ob im Strestest ein realistischer Güterverkehr simuliert wurde. Bei leichten Güterzügen wird der Betrieb natürlich robuster da a) der Zwischenhalt in Geislingen/West entfällt und b) leichte Güterzüge bei Überholzwischenhalten natürlich schneller beschleunigen.
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{{NoGo}} {{Ex}} Sensitivitäten sind jedoch '''nicht in Richtlinie 405 vorgesehen''', schon gar nicht als Ersatz für eine Vollsimulation. Die Richtlinie erlaubt nicht, stichprobenartig nur einzelne Parameter auf realistischere Werte zu setzen. Eine Simulation muss '''durchgehend mit realistischen Parametern''' (deren Realitätsnähe einzeln geprüft und nachgewiesen sein muss) durchgeführt werden, um eine belastbare Aussage zu erhalten. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, wie die SMA verschiedentlich "Sensitivitäten" zu einzelnen Mängeln als Abschluss der Untersuchung empfiehlt, die sie dann auch noch [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Sensitivitäten liefern keinerlei Nachweis|irrational und inkonsequent bewertet]].
  
Weiterhin sind die Fahrten der Schiebeloks von Geislingen nach Geislingen/West vor Schubeinsatz sowie die Rückkehr als Leerfahrt aus Amstetten nach Geislingen nicht abgebildet. Der Einfluß hier auf das Ergebnis des Stresstestes ist aber gering da die Leerfahrten sich in die Fahrplanlücken legen lassen.
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{{Ex}} ''Zunächst wurde an dieser Stelle auch kritisiert, den Sensitivitäten fehle die '''statistische Basis'''. Dieser Verdacht rührte aus missverständlichen Formulierungen in der Stresstest-Präsentation<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#14:28 14:28 Uhr], Hr. Stohler: "Die Kollegen von der Simulation haben dann nochmals <u>einen Simulationsdurchlauf</u> gemacht aufgrund unserer Wünsche nach Korrekturen, und daraus ergab sich eben dieser sogenannte Sensitivitätstest."<br />
 +
29.07.2011,  Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#16:41 16:41 Uhr], Dr. Geißler: "Und zur Bestätigung des Gesamtresultats einen weiteren Simulationsdurchlauf."<br />
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29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#16:40 16:40 Uhr], Dr. Kefer: "Der Simulationslauf als solches ist kein Thema. Das Modell liegt vor. Ich weise explizit darauf hin, dass das kein weiterer Stresstest ist, [...]"</ref> und aus einer missverstandenen Formulierung im Audit zum finalen Simulationslauf. <ref>30.09.2011, SMA und Partner AG, "[http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/de-DE/download/Audit_S21_finaler_Simulationslauf_1-00_.pdf Überprüfung des finalen Simulationslaufes]", S. 7: "Mit den drei ausgewerteten Gesamtläufen ergibt sich ein stabiles Bild für die Verspätungsentwicklung." Gemeint sind die Gesamtläufe vom 06.2011, 07.2011, 09.2011.</ref> Mit der glaubwürdigen Versicherung der SMA vom 15.12.2012, dass auch alle Sensitivitäten mit 100 Simulationsläufen, d.h. simulierten Tagen, durchgeführt worden wären, hat sich dieser Punkt erledigt. Der viel schwerwiegendere Kritikpunkt, dass in den Sensitivitäten jeweils nur einzelne Parameter auf realistische Werte gesetzt wurden, wurde bisher weder von der Bahn, noch von der SMA oder der Bundesregierung angesprochen.''
  
==Unrealistische Infrastruktur==
+
===Sensitivitäten und Nichtlinearität===  
  
Es erscheint problematisch, dass im Stresstest einige Kostenblöcke unterstellt sind, die nicht in der Kostenplanung des Projektes Stuttgart 21 geführt werden. Sofern es sich um Maßnahmen handelte, die in den kommenden Jahren in der Peripherie von Stuttgart ohnehin durchzuführen wären, wäre das zulässig. Beispielsweise jedoch die neue Signalisierung der S-Bahn ist eine explizite Folge und Bedingung des Projektes, deren Kosten den Projektkosten hinzuzurechnen wären und deren Finanzierung geklärt werden müsste.
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[[Datei:Nichtlinearität.png|rechts|thumb|360px|Prinzipskizze zur Nichtlinearität der Bahnhofs-Leistungsfähigkeit. Eine Parameter-Verschlechterung wird noch verkraftet, die zweite nicht mehr.]]Sensitivitäten haben einerseits keine Aussagekraft wegen der nicht ausreichenden statistischen Basis. Andererseits wurden im Stresstest und auf Anforderung von SMA nur einzelne oder wenige Einzelparameter verändert, die jeweils kleinere und noch 'verkraftbare' Verschlechterungen des Systems verursachten. Wenn einzelne Korrekturen verkraftet werden, heißt das nicht, dass sie auch noch in Summe verkraftet werden, da sie sich gegenseitig verstärken.
  
===Nicht geplante Infrastruktur: Neue S-Bahn Signalisierung===
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Die Leistungsfähigkeit eines Bahnhofs ist ein hoch-nichtlineares Problem. Das heißt nichts anderes, als dass beispielsweise bei hoher Belastung die Qualität des Bahnhofs immer schneller zurückgeht, da die Verspätungen sich gegenseitig verstärken. Dies wird in der nebenstehenden Abbildung schematisch gezeigt, angelehnt an die unten folgende Berechnung von Prof. Martin zu Stuttgart 21. Dargestellt ist auf der x-Achse die Leistung bzw. Auslastung des Bahnhofs in Zügen pro Stunde und rechts dieser Wert multipliziert mit der mittleren Geschwindigkeit der Züge, einem Maß für die Qualität (Verspätungen), dies ergibt die sogenannte Beförderungsenergie.
  
Eine gravierende Folge des neu gebauten Tiefbahnhofs ist die neue Signalisierung auf der seit 1978 bestehenden S-Bahn-Stammstrecke: Aufgrund einer Unachtsamkeit in der Planung zum Umbau der S-Bahn-Tunnelrampe erlosch 2010 die Ausnahmegenehmigung zur "Einfahrt auf Sicht" per ''Vorsichtsignal Zs7'' im Stuttgarter S-Bahntunnel <ref name="Zs7">Eurailpress: ''Stuttgart 21: S-Bahnchaos durch Bauarbeiten / Aufgrund von Bauarbeiten lässt sich der Betrieb der S-Bahn in Stuttgart nicht mehr planmäßig durchführen.''. Hamburg, 01.07.2010 (http://www.eurailpress.de/article/view/27/stuttgart-21-s-bahnchaos-durch-bauarbeiten.html)</ref>, was die Zugfolgezeiten verkürzen und somit einen stabilen 2,5-Minuten-Takt ermöglichen konnte. Bis zum erneuten Umbau der Signalanlagen konnten aus Kapazitätsgründen einzelne Verstärkerlinien den S-Bahn-Tunnel nicht anfahren.
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Die maximale Leistung bei noch vertretbarer Qualität finden wir im Maximum oder etwas rechts davon. Sollen hier noch ein paar Züge mehr im Bahnhof abgefertigt werden, sinkt die Qualität, anfangs in einem evtl. noch vertretbaren Maße, etwa während einer kurzen Belastungsspitze. Wer von der prozentualen geringen Qualitätseinbuße schließt, dass auch noch ein zweites Paket von Zusatzzügen verkraftet werden könnte, irrt. Der Bahnhof ist bei dieser Belastung schon komplett zusammengebrochen. Das ist das Problem der Nichtlinearität, Belastungsfaktoren können nicht addiert werden.
  
Ferner existieren Ende 2011 nur noch drei der ursprünglich vier Gleise im Bereich der S-Bahn-Tunnelrampe am Hauptbahnhof:
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[[Datei:Beförderungsenergie korrigiert 33 Züge.png|rechts|thumb|360px|Schematische Darstellung der durch zunehmend realistischere Parameter korrigierten Bahnhofsleistungskurve.]]Verschärfen wir die Parameter, die der Bahnhofsleistungskurve zugrunde liegen und halten die gewünschte Zugleistung konstant, dann zieht sich die Kurve nach links unten zurück. Hier würde die erste Parameterverschlechterung unseren Zielpunkt sinken lassen, die zweite hätte ihm ebenso beschleunigt wie im vorigen Fall den Boden unter den Füßen entzogen.
  
<table frame="box" rules="none" cellspacing=5 cellpadding=5 align="left" valign="top">
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Konkret auf den Stresstest bezogen stellt sich die Situation wie folgt dar. Die am weitesten nach rechts reichende Kurve ist die Originalkurve aus dem Gutachten von Prof. Martin<ref>U. Martin et al., "Vergleich der Leistungsfähigkeiten und des Leistungsverhaltens des neuen Durchgangsbahnhofes (S21) und einer Variante umgestalteter Kopfbahnhof (K21)". In: Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart 21 – Diskurs, Stuttgart 2007, S. 2287–2369 ([http://www.das-neue-herz-europas.de/de-DE/download/2007_LHS_Stuttgart21-Diskurs-Textsammlung.pdf das-neue-herz-europas.de], PDF).</ref>, mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof "nachgewiesen" wurde<ref>06.04.2006, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 5. Senat, Aktenzeichen 5 S 848/05 ([http://www.landesrecht-bw.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE060000132&psml=bsbawueprod.psml&max=true landesrecht-bw.de])</ref>, "der achtgleisige Durchgangsbahnhof sei ausreichend und zukunftssicher bemessen". Das Gutachten von Prof. Martin ist aus heutiger Sicht zu optimistisch, da es nicht die Zu- und Ablaufstrecken voll berücksichtigte und bspw. im Regionalverkehr mit Mindesthaltezeiten von 1 Minute arbeitete.
  <tr>
+
    <td valign="top">'''Gleisnutzung ab 1978'''</td>
+
    <td valign="top">'''Gleisnutzung Ende 2011'''</td>
+
  </tr>
+
  <tr>
+
    <td valign="top">von Bad Cannstatt</td>
+
    <td valign="top">-/- (abgebaut!)</td>
+
  </tr>
+
  <tr>
+
    <td valign="top">von Zuffenhausen</td>
+
    <td valign="top">von Bad Cannstatt</td>
+
  </tr>
+
  <tr>
+
    <td valign="top">nach Zuffenhausen</td>
+
    <td valign="top">von Zuffenhausen</td>
+
  </tr>
+
  <tr>
+
    <td valign="top">nach Bad Cannstatt</td>
+
    <td valign="top">nach Bad Cannstatt '''und''' nach Zuffenhausen</td>
+
  </tr>
+
</table>
+
<br><br><br><br><br><br><br><br><br><br>
+
Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund rückgebauter Gleiswechsel zwischen Tunnelrampe und S-Bahnsteig Hauptbahnhof die S-Bahnen aus Zuffenhausen – immerhin jede zweite – vor dem S-Bahnsteig Hauptbahnhof kurz das Gegengleis (alle S-Bahnen nach Bad Cannstatt und Zuffenhausen!) nutzen muss und sich dort '''aktuell 75% aller S-Bahnen gegenseitig blockieren'''; dieser aktuelle Umstand ist '''absolut inakzeptabel''' für einen dichten S-Bahnverkehr!
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Es erscheint unredlich, wenn die Planung für Stuttgart 21 derart gravierende und teure Maßnahmen im Umfeld auslöst...
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Die Kurve für die Parameter der Grundversion des Stresstets müsste etwas geschrumpft angenommen werden. Die Sensitivitäten zeigen, dass jede Parameterverschlechterung schon eine deutliche Verschlechterung der Qualität bringt, so dass die 49 Züge sich auf dem Abhang rechts vom Maximum befinden müssen. Grob geschätzt haben wir durch die Verschärfung der Parameter im Stresstest gegenüber der Simulation von Prof. Martin eine Leistungseinbuße von etwa 12 % angenommen. Die 57 Züge, auf die die Bahnhofsleistung im Falle des S-Bahn-Notfallkonzepts steigt, befinden sich schon in einem äußerst kritischen Teil des Graphen, in dem kein fahrbarer Betrieb mehr anzunehmen ist.
  
S-Bahn kritisch laut SMA-Audit ....
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Mit jeder Parameter-Verschlechterung zieht sich die Kurve weiter nach links unten zurück. Immer schneller wird den angepeilten 49 Zügen der Boden unter den Füßen entzogen. Für ein besseres Verständnis soll versucht werden, den Vorgang in einer bildhaften Sprache zu beschreiben: Die einzelnen Sensitivitäten entsprechen immer wieder einem vorsichtigen Schritt von der Bergkuppe hangabwärts. Die Berücksichtigung aller Korrekturen würde mehrere Schritte bedeuten und damit den Absturz.
  
===Nicht geplante Infrastruktur: Bahnhöfe Murrbahn===
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Wenden wir nun für das Beispiel die Korrektur einer ganzen Reihe von Parametern des Stresstests auf realistische Werte an, in Summe etwa um 33 % (zu vergleichen mit der abgeschätzten aktuellen [[Stuttgart 21/Stresstest/Quantifizierung|Leistungsreduktion bei Korrektur der Fehler]] im Stresstest von {{Quantifizierung|Prozent}} %, Stand {{Quantifizierung|Stand}}), erhalten wir eine maximale Leistung des Bahnhofs von 33 Zügen. Die 49 Züge sind schon lange nicht mehr fahrbar.
  
[Noch zu klären: Welche Zuggarnituren sind im Stresstest unterstellt, werden diese ohnehin bis 2020 angeschafft?]
+
Wegen der hohen Nichtlinearität ist es eben nicht seriös, zu argumentieren, dass die eine Korrektur nur geringfügig ausfallen würde und die andere auch, und dass hier nur eine Sekunde fehlt und dort nur ein Prozent. Die Qualitätseinbußen verstärken sich gegenseitig, so dass mehrere kleine Korrekturen nicht mehr tolerierbar sind, sondern vielmehr schon längst den Kollaps des Gesamtsystems herbeigeführt haben können.
  
===Nicht geplante Infrastruktur: Fehlende Blockstelle===
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{{NoGo}} {{Ex}} Wegen der notwendigen Berücksichtigung der Wechselwirkung aller Parameter ist jede Argumentation aufgrund einer "Sensitivität" (ob eine bestimmte Parameter-Verschlechterung noch verkraftet wird) '''ohne jede Beweiskraft'''. Aus diesem Grund schreibt die Richtlinie die Vollsimulation mit allen auf realistische Werte eingestellten Parametern vor. Nichts anderes könnte einen "Nachweis" erbringen.
  
....
+
Auch der '''[[#Finaler Simulationslauf liefert keinen Nachweis|finale Simulationslauf]]''' könnte nur bei Korrektur aller Parameter, nicht nur der von SMA erkannten Fehler, sondern nach Korrektur sämtlicher unrealistischer Größen einen "Nachweis" erbringen.
  
===Nicht geplante/vorhandene Infrastruktur: Verbindung Filstalbahn > NBS bei Beimerstetten===
+
===Sensitivitäten und Teilkorrekturen===
  
[[Datei:Gleisplan Ulm Beimerstetten.png|thumb|400px|mitte|Im roten Kreis die in Realität nicht vorhanden Gleisverbindung auf Höhe Beimerstetten]]
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Aufgrund der Nichtlinearität des Problems ist die Korrektur von Einzelparametern ohne Aussage für das Gesamtergebnis. Die Sensititäten adressierten aber jeweils nur einzelne Parameter, die Parameteränderungen anderer Sensitivitäten bleiben außen vor (siehe auch die [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Sensitivitäten liefern keinerlei Nachweis|kommentierte Übersicht der Sensitivitäten]]):
  
 +
{| class="wikitable centered" style="caption-side:bottom;"
 +
!style="text-align:left"|Sensitivitätsberechnungen:<br />/ Realistischere<br />Parameterwerte:
 +
!style="width:5em;"|Grund-<br />version<br />
 +
!style="width:5em;"|75% der<br />Fahrzeit-<br />übersch.
 +
!style="width:5em;"|ohne<br />Güter-<br />verkehr
 +
!style="width:5em;"|Auswerte-<br />zeitraum<br />7-8 Uhr
 +
!style="width:5em;"|Daten-<br />modell<br />15. Juli
 +
!style="width:5em;"|Finaler<br />Simula-<br />tionslauf
 +
!style="width:5em; border-left:2px solid #AA9"|Nachweis<br />
 +
|-
 +
|style="text-align:right"|
 +
|style="text-align:center"|(Doku.<br />S. 67)||style="text-align:center"|(Doku.<br />S. 112)||style="text-align:center"|(Doku.<br />S. 132)||style="text-align:center"|(Audit<br />Bl. 183)||style="text-align:center"|(Audit<br />Bl. 195)||style="text-align:center"|(Doku. FS<br />S. 5)||style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|
 +
|-
 +
|style="text-align:right"|
 +
|style="text-align:center" colspan="4"|Datenmodell vom 21.06.2011 ||style="text-align:center"|15.07.2011||style="text-align:center"|08.09.2011||style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|
 +
|-
 +
||75 % Fahrzeitüberschüsse
 +
|{{fehlt}} ||  {{ok}}  ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Auswertezeitraum
 +
|{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||  {{ok}}  ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Abfertigungszeiten
 +
|{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||  {{ok}}  ||{{fehlt}} || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Verläng. S-Bahn Haltez.
 +
|{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||  {{ok}}  ||{{fehlt}} || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Haltez., Takte, Verknüpf. etc.
 +
|{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||  {{ok}}  || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Realistische Spitzenstunde
 +
|{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Realist. Verspätungsspitzen
 +
|{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Sonstige Korrekturen
 +
|{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} ||{{fehlt}} || style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|[[Datei:Ok.png]]
 +
|-
 +
||Verspätungsänd. Zu-/Ablauf
 +
|style="text-align:center"|—||style="text-align:center"|+11 Sek.||style="text-align:center"|-25 Sek.||style="text-align:center"|+25 Sek.||style="text-align:center"|+3 Sek.||style="text-align:center"|+2 Sek.||style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|
 +
|-
 +
||'''Zugzahl''' bzw. Differenz*
 +
|style="text-align:center"|'''49'''||style="text-align:center"|-2,8||style="text-align:center"|(sinnlos)||style="text-align:center"|-6,4||style="text-align:center"|-0,8||style="text-align:center"|-0,5||style="text-align:center; border-left:2px solid #AA9"|'''32 (?)'''
 +
|-
 +
|+ style="font-weight:normal; line-height: 10pt; text-align:left"|<small>Übersicht, welche Parameter-Korrekturen von den einzelnen Sensitivitäten berücksichtigt werden. Es wurde der grundlegende Fehler begangen, dass jeweils die anderen Parameter unkorrigiert blieben. Ein Nachweis der Leistungsfähigkeit würde die Korrektur aller Parameter voraussetzen.<br />* Aus dem mittleren Verspätungsabbau in den Zu- und Abläufen [[Stuttgart 21/Stresstest/Anforderungen#Unrealistische Spitzenstunde|lässt sich abschätzen]], um wieviel weniger<br />&nbsp;&nbsp;Züge der Bahnhof bei Korrektur dieses Fehlers verkraften würde, wenn er dieselbe Qualität erreichen soll.</small>
 +
|}
  
Der Gleisplan der Filstalstrecke Stuttgart - Geislingen - Ulm zeigt auf den Stresstestfolien der Bahn (Fahrplanrobustheitsprüfung, S45, Graphik oben) in Höhe Beimerstetten eine Verzweigung von der Altstrecke auf das Richtungsgleis Ulm-Stuttgart. Eine solche Verzweigung existiert nicht und ist auch nicht geplant. Eine Auswirkung auf den Stresstest ist möglich allerdings mit geringem positiven Einfluss (Alternativroute Güterzüge ??).
+
Die Tabelle gibt eine Übersicht über die durchgeführten Sensitivitätsrechnungen und welche Parameter jeweils in Richtung realistischerer Werte korrigiert wurden. Dabei erreichte die Korrektur häufig nicht einmal ganz das realistische Niveau. Es wird der grundlegende Fehler begangen, dass jeweils die anderen Parameter unkorrigiert bleiben. Ein Nachweis einer Leistungsfähigkeit könnte aber nur bei Korrektur aller Parameter auf ein möglichst realistisches Niveau erbracht werden.
  
 +
Der mittlere Verspätungsabbau in den Zu- und Abläufen [[Stuttgart 21/Stresstest/Anforderungen#Unrealistische Spitzenstunde|liefert eine Abschätzung]], um wieviel weniger Züge der Bahnhof bei Korrektur dieses Fehlers verkraften würde, wenn er dieselbe Qualität erreichen soll. Die Eichung dieser Entsprechung wurde mit der Sensitivität zum eingeschränkten Auswertezeitraum von 7-8 Uhr vorgenommen. In dieser Sensitivität liegt der Verspätungsaufbau um 25 Sekunden pro Zug über dem der Grundversion. Dort ist die Belastung aufgrund der schwach verspäteten Stunde am 6 Uhr und aufgrund dessen, dass im Stresstest auch ab 8 Uhr viel zu wenig Züge angenommen wurden, um rund 13 % geringer. Diese geringere Last entspricht 6,4 Zügen gemessen an den 49 Zügen des Stresstests.
  
....
+
{{NoGo}} {{Ex}} Es mag die Urheber des Stresstests und des Audits überrascht haben, dass hierzu nicht früher fundamentale Kritik geübt wurde. Sie setzten wiederholt nur einzelne Parameter auf (dann auch nur annähernd) realistische Werte und stellten dabei oft schon gravierende Verschlechterungen fest. Dennoch wurde geschlossen, dass das System bei Korrektur aller Werte wohl noch stabil bliebe!?
 +
 
 +
Das Argumentationsmuster erinnert an die Faktenschlichtung beim Thema '''Fahrbarkeit der Fildertrasse'''.<ref>29.10.2010, 2. Tag der Faktenschlichtung, [http://stuttgart21.wikiwam.de/index.php/Wortprotokoll_der_Schlichtung_29.10.2010#Vortrag_Ingulf_Leuschel_.E2.80.93_Zwangspunkte_und_Engp.C3.A4sse_im_Bahnknoten ab 15:18 Uhr], Ingulf Leuschel</ref> Dort findet sich eine einzigartige Ballung von sechs schwerwiegenden Engpässen. Dass dies beherrschbar sei, wurde mit dem Verweis auf ähnliche Zwangspunkte an anderen Stellen Mitteleuropas begründet. Ist denn zu glauben, dass das, was einzeln woanders (noch) beherrscht wird, hier in sechsfacher Vervielfachung noch fahrbar ist? Sogar das Eisenbahnbundesamt hält diese Planung für "extrem grenzwertig" und für so "auf keinen Fall fahr- und planbar".<ref>12.03.2011, [http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-bundesamt-haelt-fildertrasse-fuer-grenzwertig.2a92216c-609a-49fa-ae89-10c476b27aad.html stuttgarter-zeitung.de], "Bundesamt hält Fildertrasse für grenzwertig"</ref> Die gleiche Situation liegt beim Stresstest mit den einzelnen Sensitivitäten vor.
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<br style="clear:both"/>
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<span id="Ein anschaulicher Vergleich zur Verdeutlichung"></span>
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[[Datei:Titanic-Lifeboat.jpg|thumb|290px|rechts|Überlebende in einem Rettungsboot (Quelle: Wikipedia)]]'''Ein anschauliches Bild zur Verdeutlichung'''
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Man stelle sich vor, die Kapazität der '''Rettungsboote''' eines Passagierschiffs soll durch den Eigner nachgewiesen werden. Jedes dieser Boote soll 49 Personen aufnehmen können, tatsächlich trägt es aber nur 32. Der Eigner muss sich einem Test unterziehen, also befüllt er die Boote mit 49 Kindern, der Test wird bestanden. Der Auditor bemängelt, dass die Kinder nicht ausgewachsenen Personen entsprechen. Also werden zwei von den Kinder durch Erwachsene ersetzt. Das Boot fängt an gefährlich zu schwanken und nimmt schon etwas Wasser auf. Der Auditor ist zufrieden und testiert, es können 49 Personen gerettet werden – Erwachsene und Kinder.
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Der Stresstest wurde nur mit unrealistischen Parametern durchgeführt. Bei den einzelnen Sensitivitäten wurden dann nur einzelne Parameter auf realistische Werte gesetzt (die anderen aber nicht). Das Rettungsboot würde seine Tragkraft erst mit 49 Erwachsenen beweisen, dann ginge es aber unter. – Und Stuttgart 21 würde kollabieren, würden alle Parameter realistisch gewählt.
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===Finaler Simulationslauf liefert keinen Nachweis===
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Die SMA beendet ihren Schlussbericht mit der folgenden Empfehlung:
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:''"Weiter empfehlen wir, die in den Steckbriefen beschriebenen Unstimmigkeiten und kleineren Fehler zu beheben und zur Bestätigung des Gesamtresultates einen {{hl|weiteren Simulationslauf}} durchzuführen und zu veröffentlichen."'' (Audit Schlussber. S. 10 / Bl. 16)
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Dr. Kefer sagte einen solchen zusätzlichen Simulationslauf zu, aber nur für die von SMA benannten verbliebenen Fehler. Die Ergebnisse sollen im Internet veröffentlicht werden.<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#16:40 16:40 Uhr], Dr. Volker Kefer</ref>
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Die Bahn gibt zum finalen Simulationslauf noch deutlich weniger Informationen als zur Grundsimulation. Eigentlich nur eine finale Ergebnisgrafik und die Behauptung, die geforderten Kriterien wären eingearbeitet. Es gibt aber keinerlei Nachweis, keinen finalen Fahrplan, der eine Überprüfung ermöglichen würde, keine Auswertungen des Verspätungsabbaus. Diese Ergebnisdokumentation ist ein Schlag ins Gesicht der Öffentlichkeit. Es ist nicht klar, welche Annahmen für die anderen Parameter der Simulation gemacht wurden.
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Aufgrund des Problems der Nichtlinearität, da sich die Verschlechterung mehrerer Parameter gegenseitig verstärkt, ist es überhaupt nicht hinreichend, allein eine erneute Sensitivität für die bisher unberücksichtigten Fehler zu rechnen. Es müssten alle Parameter gleichzeitig auf realistische Werte gesetzt werden. D.h. es müssten nur 75 % der Fahrzeitüberschüsse für den Verspätungsabbau zugelassen werden, es müsste wie im Schlichterspruch gefordert die Spitzenstunde ausgewertet werden und auch die Korrekturen an den Abfertigungszeiten und S-Bahn-Haltezeiten umgesetzt werden. Dass dies nicht geschat und im Wesentlichen allein die finalen Korrekturen umgesetzt wurden, macht den finalen Simulationslauf zur Makulatur.
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{{NoGo}} {{Ex}} Der finale Simulationslauf liefert genausowenig einen Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 wie die anderen vorausgehenden Sensitivitätsrechnungen. Dass die Simulation aufgrund der paar korrigierten Haltezeiten, Takte und Verknüpfungen sich ein bisschen im Ergebnis verändert ist eine Information ohne echten Erkenntniswert. Für den Nachweis der Leistungsfähigkeit müssen sämtliche Korrekturen berücksichtigt werden. Einerseits die aus früheren Sensitivitätsrechnungen, meist sogar verschärft, da die Annahmen noch zu optimistsch waren. Andererseits aber auch die vielen noch gar nicht berücksichtigten Fehler im Stresstest, wie die unrealistische Spitzenstunde, die fehlenden Verspätungsspitzen in den Haltezeitverlängerungen etc. abgebildet werden. Dies würde aber zum sicheren Kollaps des Bahnhofs führen.
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==Simulation nur im Vergleich aussagefähig==
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Eine Computersimulation hängt entscheidend von den Eingangsparametern ab. Weil es hier so schwierig ist, absolut realistische Methoden und Parameter zu modellieren, werden Simulationen in der Regel im Vergleich von Alternativen durchgeführt. Auf diesem Weg wirken sich die Falschannahmen in beiden Fällen ähnlich aus, so dass der relative Unterschied der Alternativen das belastbarere Ergebnis liefert.
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Richtline 405 weist unter dem Punkt ''"Kenngrößenproblematik"'' auf folgendes hin:
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:''"Mit den Methoden und Tools lassen sich eine Vielzahl von Kenngrößen ermitteln (vgl. 405.0104). Den Kenngrößen stehen jedoch nur z.T. anerkannte Qualitätsmaßstäbe als Vergleichsgrößen gegenüber. Zur Bewertung bedarf es zum einen der Erfahrung des Bearbeiters, zum anderen ist vielfach die {{hl|Untersuchung mehrerer Varianten}} erforderlich, um über einen {{hl|Variantenvergleich zu einer Bewertung}} zu gelangen."'' (Richtlinie 405.0202 S. 1 / Bl. 151)
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Die Richtlinie gibt genau aus diesem Grund die Grenzen des Simulationsverfahrens an:
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<div style="margin-left:1.5em">
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*''"• Ermittlung von Leistungsfähigkeitskenngrößen nur aufwändig über {{hl|Variantengleich}} oder Iteration<br />• Bemessung nur über {{hl|Variantenvergleich}}" (Richtlinie 405.0202A01 S. 5 / Bl. 175)
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*''"Für die Eichung der mit Simulationstools ermittelten Kenngrößen ist die {{hl|Untersuchung des Ist-Zustandes als Vergleichsmaßstab}} hilfreich und deshalb zu empfehlen, da Qualitätsmaßstäbe noch nicht voll abgesichert sind bzw. sich noch in Entwicklung befinden."'' (Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 163)
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*Die Nennleistung ist in einer Simulation nur ermittelbar über Variantenvergleich. Die Nennleistung ist die Zugzahl im Optimum der Betriebsqualität, genau die Größe, die laut Bahn im Stresstest ermittelt werden soll. (Richtlinie 405.0202A01 S. 3 / Bl. 173)</div>
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Bei dem Thema "Auftragsklärung" nimmt die Vorbereitung der Betrachtung des Istzustands bzw. Bezugsfalls, sowie Varianten mit 2 von 3 Abschnitten sogar den breitesten Raum ein:
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<div style="margin-left:0.5em">
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#''Grundsätzlich mit dem Auftraggeber zu klärende Themen''
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#''Erforderliche Infrastrukturunterlagen für {{hl|Istzustand bzw. Bezugsfall sowie Variante(n) bzw. Planfälle}}''
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#''Erforderliche Daten und Unterlagen zum Betriebsprogramm für {{hl|Istzustand bzw. Bezugsfall sowie Variante(n) bzw. Planfälle}}'' (Richtlinie 405.0201A01, S. 2 ff. / Bl. 143 f.)</div>
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{{NoGo}} Das heißt, die einzige Methode, den vielen unvermeidlichen '''systematischen Fehlern''' des Stresstests (die sicherlich auch nach Korrektur der gröbsten Fehler verbleiben) zu begegnen, ist die '''Simulation einer echten Alternative'''. Hierfür kommt vor allem der Kopfbahnhof in Betracht, da die S21-Investition sich ja durch den Vorteil gegenüber diesem rechtfertigen soll.
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Allerdings ist abzusehen, dass die Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs unter gleichen Annahmen (z.B. den verkürzten Blockabständen von Zuffenhausen zum Bahnhof, den Pufferzeitverletzungen, den dramatisch reduzierten Verspätungsniveaus, etc.) regelrecht explodieren würde. Und damit erklärt sich auch, dass die Bahn sich so vehement gegen diese Forderung der Kritiker zur Wehr setzt (die jedoch auch vom Regelwerk und dem wissenschaftlichen Prinzip geboten wäre). Dass dieses Grundprinzip der Computersimulationen von der SMA nicht angesprochen wurde (trotz dem Hinweis in der Richtlinie) ist als weiteres schweres Versäumnis zu werten.
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An fehlenden Infrastrukturdaten des Kopfbahnhofs würde das Projekt nicht scheitern, da diese sämtlich schon im System vorhanden sind. Dies wurde während der Prämissen-Gespräche deutlich, als am 14.07.2011 beim Ortstermin bei DB-Netz dargestellt wurde, dass die Bauzustände am Kopfbahnhof schon zu Zeiten des Stresstests mit RailSys simuliert wurden<ref>14.07.2011, Ortstermin bei DB Netz in Stuttgart, knapp 3 Stunden ab 15 Uhr, Teilnehmer: Klaus Arnoldi und 4 weitere Experten des Aktionsbündnisses, Christian Becker und 4 Fachleute der DB Netz AG. [[Stuttgart_21/Stresstest/Glaubwürdigkeit#Prämissengespräche,_Einsicht_Computermodell|Zustandekommen und Informationsfluss]] dieses Termins gestalteten sich schwierig.</ref>.
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Die Begründungen, die Dr. Kefer in der Stresstest-Präsentation dafür gab, dass der Kopfbahnhof nicht im Vergleich simuliert wurde, sind angesichts der klaren Vorgaben der Richtlinie als unrichtig anzusehen:
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:''"Die simple Antwort lautet: Wir tun das deswegen nicht, weil zu dem damaligen Zeitpunkt eine Aufgabe definiert wurde, die da lautete, dass nachzuweisen sei, dass der {{hl|Durchgangsbahnhof eine bestimmte Kapazität}} hat. Und die ist so definiert worden, wie wir sie heute besprechen. Die Aufgabe lautete damals {{hl|nicht, einen Vergleich zu machen}}, welcher der Bahnhöfe denn jetzt eine höhere Kapazität hatte."'' <ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Präsentation/Wortprotokoll .... Uhr] (vormittags), Dr. Volker Kefer</ref>
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:''"Ich möchte noch ein Weiteres klarstellen. Wir werden keinen weiteren Stresstest für K 20 machen, weil es nicht unsere Aufgabe ist, einen Nachweis zu führen, was K 20, K 19 oder K 21 kann, sondern die Aufgabe war klipp und klar der Nachweis, was S 21 kann."'' <ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Präsentation/Wortprotokoll .... Uhr] (vormittags), Dr. Volker Kefer</ref>
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Die Kapazität des Durchgangsbahnhofs ist eine Frage seiner Bemessung. Damit irrt Dr. Kefer in seiner Ablehnung des Vergleichs. Die Richtlinie schreibt gerade für die Kapazitätsfrage den Vergleich vor, da sonst die systematischen Fehler das Ergebnis unkontrollierbar verfälschen. Gerade zum Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 ist die vergleichende Simulation des Kopfbahnhofs die Voraussetzung, unabhängig von der Formulierung des Auftrags.
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==Abschlussdokumentation nicht nachvollziehbar==
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Die Abschlussdokumentation des Stresstests '''entspricht nicht den Anforderungen''':
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:''"Alle Ergebnisse sind so aufzubereiten, dass die sich ergebenden Schlussfolgerungen {{hl|nachvollziehbar}} sind."'' (Richtlinie 405.0205 S. 1 / Bl. 227)
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Dies erscheint als die wichtigste verletzte Anforderung der Richtlinie. Aber auch die Detailanforderungen der Richtlinie sind nicht erfüllt:
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:''"Bei der Darstellung von Ergebnissen sind folgende Grundsätze zu beachten:<br />- Übersichtliche und komprimierte Darstellung von Zahlen möglichst in Tabellen oder in grafischer Form (Histogramme, Diagramme)<br />- {{hl|Darstellung im Kontext mit den Ausgangsbedingungen bzw. mit den Prämissen}} für die Gültigkeit<br />- Hervorheben der für die Ableitung der Schlussfolgerungen aussagekräftigsten Kennwerte<br />- Beschränkung auf möglichst wenige Kenngrößen<br />- {{hl|Abzuleitende Aussagen}} in verbaler Form direkt neben oder unter der entsprechenden bildlichen oder tabellarischen Darstellung platzieren<br />- Grenzwerte bzw. Maßstäbe in die Darstellungen möglichst optisch wirksam einarbeiten (z.B. farbige Darstellung, wenn bestimmte Grenzen über- oder unterschritten werden<br />- Bildliche Darstellungen und Diagramme {{hl|mit Legenden versehen}}"'' (Richtlinie 405.0205 S. 4 / Bl. 230)
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Hinsichtlich der "Beschränkung auf möglichst wenige Kenngrößen", darf natürlich nicht der Fehlschluss gezogen werden, dass dies die Unterschlagung von den nach der Richtlinie vorgeschriebenen Kenngrößen legitimieren würde. Wesentliche "abzuleitende Aussagen" werden gerade in den Ergebnisdarstellungen nur durch Zahlenwerte oder Schlagworte, ohne echte Begründung und Einordnung wiedergegeben, auch die aussagefähige Legenden fehlen zumeist. Die Ergebnisdarstellung ist in höchstem Maße unvollständig, unrichtig, unübersichtlich, unerläutert und irreführend:
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# Insbesondere die '''Prämissen sind äußerst unvollständig dargestellt''', so dass hier auch nach drei Tagen der in der Folge stattfindenden Prämissengespräche noch keine vollständige Klarheit herrschte.
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# '''Verschobene Stufen der Betriebsqualität''': Durch eine sinnentstellende Collage aus Versatzstücken der Richtlinie wurde eine neue Definition [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest|unrichtig festgelegt]].
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#* Tatsächlich wurden durch diese unzulässige Verschiebung die Qualitätsgrenzen in der Verspätungsveränderung um eine Stufe zu wenig anspruchsvoll festgelegt. Außerdem ist die Anwendung dieser Minutengrenzen auf die Mittelwerte unterschiedlicher Strecken unzulässig.
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# '''Strecken-Auswertungen''': In den Auswertungen des Verspätungsaufbaus auf einzelnen Strecken, wurden unzulässig teilweise [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Betriebsqualitäten aus gekappten Streckenauswertungen|nur verkürzte Teilstrecken bewertet]], um überall ein "optimal"-Prädikat zu erhalten.
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#* Dies verdeckte, dass tatsächlich ein großer Teil der Strecken ein "risikobehaftet" und (bei korrigierter Skala, siehe zuvor) mehrere Strecken ein "mangelhaft"-Prädikat erhalten.
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# '''Premium-Qualität aus Haltezeitverkürzungen''': Die Ermittlung einer "Premium" Qualität unter Abzug der Haltezeitverkürzungen im Hauptbahnhof erfolgte suggestiv und ohne Hinweis, dass dies [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Haltezeitverkürzung überlagert die Betriebsqualität|nach der Richtlinie als verfälschend]] angesehen wird. Die Richtlinie fordert in diesem Fall eine differenzierte Betrachtung weiterer Kenngrößen, was in der Dokumentation fehlt. (Tatsächlich fallen die Haltezeitverkürzungen im Stresstest [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung unrealistisch mehr als doppelt so hoch]] aus, als in der Praxis erzielbar. Sie sind also unplausibel und mutmaßlich verfälschend.)
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# '''Abweichungen von den Vorgaben des Landes''': Sind nicht dargestellt.
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#* So musste der Leser den Eindruck gewinnen, die Vorgaben des Landes (Doku. Teil 1 S. 11) wären eingehalten worden, [[Stuttgart 21/Stresstest/Anforderungen#Anforderungen des Landes an Fahrplan unerfüllt|was jedoch nicht der Fall war]].
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# '''Annahmen zum Verspätungsaufbau''': Sind ohne Darstellung der [[#Gekappte Haltezeitverlängerungen|erheblichen Kappung der Verspätungs-Maximalwerte]] falsch dargestellt.
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#* Die Verspätungen erreichen aufgrund der Kappung nicht die in der Dokumentation dargestellten Mittelwerte, die somit unzutreffend dargestellt sind. Dies erscheint als grobe Täuschung, insbesondere, da auch auf gezielte Nachfrage die Bahn diese Information [[#Gekappte Haltezeitverlängerungen|nicht preisgab]].
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# '''Betriebsqualität von 6 bis 10 Uhr gemittelt''': Aber die [[Stuttgart 21/Stresstest/Anforderungen#Unrealistische Spitzenstunde|Zugzahlen außerhalb der Spitzenstunde]] wurden nicht genannt. Es wurde keine Ankunfts- und Abfahrtstafel für den Hauptbahnhof gegeben. Die mit der Abschlussdokumentation mitgelieferte Netzgrafik beinhaltete nur Grundtakt und Spitzenstunde und war unverbindlich, da zahlreiche Abweichungen nicht dokumentiert waren (roter Vermerk oben in der Grafik).
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#* Genau in den Zugzahlen außerhalb der Spitzenstunde fand eine der quantitativ größten Verfälschungen der Stresstest-Parameter statt. Auch hier war die Bahn [[Stuttgart 21/Stresstest/Glaubwürdigkeit#Prämissengespräche, Haltezeitverkürzung und Lastkurve|der gezielten Frage ausgewichen]].
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# '''Zahlreiche Prämissen undokumentiert''': Tatsächlich wurden die entscheidenden Eingangsgrößen des Stresstests, die Prämissen, zum größten Teil überhaupt nicht dokumentiert, etwa die Annahmen zum '''Verspätungsabbau''' sind überhaupt nicht angegeben (aber auch Abweichungen von Landesforderungen, Falschdarstellung Verspätungsaufbau, etc. ...).
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#* Es ist eine unverzeihliche Lücke, wenn in der Stresstest-Dokumentation nur der Aufbau von Verspätungen (wenn auch unvollständig und falsch) dargestellt wird, aber die Möglichkeiten im Modell zum Verspätungsabbau überhaupt nicht dargestellt werden. Hier befinden sich mit der [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Fahrzeitüberschüsse voll im Verspätungsabbau|vollen Nutzung der Fahrzeitreserven]], der [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Keine erhöhte Haltezeitverlängerung zur Spitzenstunde|fehlenden Haltezeitverlängerung zur Hauptverkehrszeit]], dem [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter|unzulässigen Verspätungsabbau am Einbruchsbahnhof]] und dem [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau|Abzug der Urverspätungen vom Verspätungsaufbau]] einige der großen Fehler im Stresstest.
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# '''Fehlende Prüfung der Realitätsnähe''': Es hätte geprüft werden müssen, ob für die Verspätungsannahmen die Näherungswerte (Richtlinie 405.0204A03 S. 1 / Bl. 225 f) oder Ist-Verspätungswerte oder Modifizierungen anzunehmen wären (Richtlinie 405.0204 S. 12 / Bl. 210). Eine solche Prüfung ist nicht dargestellt.
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#* Jede dieser Überprüfungen hätte die unrealistischen Annahmen in der Verspätungsstatistik ([[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Unterdurchschnittliche Verspätungsannahmen|unrealistisch niedriges Verspätungsniveau]] und [[#Gekappte Haltezeitverlängerungen|gekappte Haltezeitverlängerungen]]) zu Tage gebracht
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# '''Belegungsgrade''': Sind entgegen der Vorschrift [[#Belegungsgrade sind nicht ermittelt|nicht angegeben]] (siehe Folgeabsatz, Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 162).
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#* Die Angabe der Belegungsgrade hätte offengelegt, dass diese [[Stuttgart 21/Stresstest/Plausibilisierung#Belegungsgrad|von "katastrophal" bis "unfahrbar" reichen]].
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# '''Weitere Kenngrößen fehlen''': Auch die weiteren nach der Richtlinie für Infrastrukturuntersuchungen und im Fall von deutlichem Verspätungsabbau vorgeschriebenen [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Betriebsqualität allein aus Verspätungsveränderung|weiteren Kenngrößen]] wie "infrastrukturbezogene Behinderungen" bzw. "Wartezeiten" werden aus mutmaßlich ähnlichem Grunde nicht angegeben.
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# '''Berücksichtigung von Urverspätungen''': Die Art der Berücksichtigung von Urverspätungen ist nicht angegeben. D.h. es wurde nicht dargestellt, dass die Haltezeitverlängerungen (Doku. Teil 1 S. 21) neben den echten Haltezeitverlängerungen in den Bahnhöfen im wesentlichen auch die auf der Strecke entstehenden Urverspätungen wiedergeben sollen.
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#* Die Klarstellung, dass die Haltezeitverlängerungen nicht allein die Haltezeitverlängerungen, sondern zu einem größeren Teil die auf der Strecke eintretenden Urverspätungen abbilden, hätte viel eher Zweifel aufkommen lassen an deren ausreichender Höhe und auch dem systematischen Fehler, dass dadurch [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau|der Verspätungsabbau geschönt]] dargestellt wird.
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# '''Keine Angabe der Modellzüge''': Seitenweise Zuglisten (Doku. Teil 1 S. 27-39) werden ohne Angabe der technischen Daten zu den Zügen dargestellt und sind somit praktisch ohne Aussage.
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#* Die Überprüfung der Zuglängen als Voraussetzung für die Doppelbelegungen und für die Beförderung der geplanten Fahrgastzahlen ist so unmöglich. Auch Bremskurven sind so nicht zuordenbar.
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# '''Belegungsgrafiken unvollständig''': Die Belegungsgrafiken (Doku. Teil 1 S. 40-48) sind unvollständig, insbesondere sind sie mangels Legende nicht selbsterklärend.
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#* Ohne eine ausreichend beschreibende Legende ist beispielsweise nicht ersichtlich, dass z.B. die Zuläufe aus Zuffenhausen nur dank der neuen Signaltechnik ETCS die gewünschte Zugzahl verarbeiten können. Aber ETCS wird bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 [[Stuttgart 21/Stresstest/Anforderungen#Nicht verfügbare Infrastruktur: ETCS|nicht zur Verfügung stehen]].
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# '''Keine Prämissen der Sensitivitätsanalysen''': Es wurde in keiner Weise spezifiziert, unter welchen Annahmen die Sensititvitätsanalysen (Doku Teil 2 S. 112, 132 / Bl. 51, 71) durchgeführt wurden, d.h. mit welchem Parametersatz (d.h. Verspätungswerten, war es ein guter oder ein schlechter Tag, wurde er zufällig ausgewählt), mit welcher Anzahl von Simulationsläufen (wie groß ist die Unsicherheit aufgrund mangelnder Statistik anzusetzen) etc.
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#* Damit sind die sogenannten Sensitivitäten ohne jede Nachvollziehbarkeit und Beweiskraft. Trotz dieses formalen Fehlers und dieser unprofessionellen Darstellung, sind die Sensitivitäten [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation|ohnehin ohne jede Beweiskraft]], da ihnen die nötige statistische Signifikanz und die gleichzeitige Berücksichtigung realistischer Werte in sämtlichen Parametern fehlt.
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#  '''Datenmodell vom 15. Juli undokumentiert''': Gleiches gilt für die Sensitivitätsrechnung zur Korrektur eines Teils der von SMA angemahnten Fehler, das Datenmodell vom 15. Juli (Audit SI-08 / Bl. 186 ff) für das es keinerlei Ergebnisdokumentation der Deutschen Bahn gibt.
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# '''Finaler Simulationslauf undokumentiert''': Die vorhandenen 7 Folien gehen nicht über die Behauptung eines Ergebnisses hinaus. Nicht einmal ein Fahrplan, geschweige denn Verspätungsverläufe oder alle weiteren Informationen, die zum Nachvollziehen der Ergebnisse nötig wären, liegen vor.
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#* Auf diese Weise haben diese Simulationsläufe nur die Qualität einer unbelegten Behauptung. Aber ihnen fehlt ohnehin die Beweiskraft wegen der [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation|grundsätzlichen Einschränkungen für Sensitivitäten]]. Ein "Nachweis" wurde so in keiner Weise geführt.
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# '''Infrastrukturoptionen ungeprüft''': In der Stresstest-Dokumentation wurde lediglich dargestellt, welche Infrastrukturoptionen nicht aktiviert wurden (Doku. Teil 1 S. 54-61). Es wurde aber nicht untersucht (bzw. zumindest nicht dargestellt), welche Verbesserung diese Optionen gebracht hätten, wie es der Vorgabe im Schlichterspruch und der [[#Stresstest-Simulation auf Basis ungültiger Prozessbeschreibung|gültigen Prozessbeschreibung]] entsprochen hätte.
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#* Auf diese Weise bleibt verborgen, wie gravierend sich die bestehenden Engpässe tatsächlich auswirken. Dies würde deutlich, wenn der deutliche Leistungs- und Qualitätsschub ermittelt würde, der bei Ausbau zur großen Wendlinger Kurve oder der P-Option bringen würde.
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Selbst die SMA attestiert:
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:''"Der Bericht 'Stresstest Stuttgart 21 – Fahrplanrobustheitsprüfung' der DB Netz AG vom 30. Juni {{hl|ist nicht selbsterklärend, weist teilweise inhaltliche Mängel auf und bietet keine vollständige Dokumentation der durchgeführten Arbeiten}}."'' (Audit SI-07 S. 10 / Bl. 184)
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Es ist nicht nachvollziehbar, wie die SMA nach einer solchen Aussage und auf der Basis einer solchen Ausgangsdatenlage überhaupt in der Lage war zu testieren. Es ist außerdem einem Audit nicht angemessen, dass die SMA einen solchen schweren Vorwurf nicht im Einzelnen mit den konkreten Mängeln belegt, dadurch [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Unvollständige Abschlussdokumentation|verdeckt sie mehr als sie kritisiert]].
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Wenn die SMA ausführt, dass weitergehende Informationen von der DB bilateral erhalten wurden (.... Quelle), so sind diese Informationen nicht hinreichend dokumentiert ....
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{{NoGo}} Ein solch umfassender Verstoß gegen die Richtlinie und gegen die Nachvollziehbarkeit durch die Öffentlichkeit ist als KO-Kriterium für den Stresstest zu sehen. Kein Wirtschaftsprüfer dürfte eine solch lückenhafte Bilanz akzeptieren.
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==Belegungsgrade wurden nicht dargestellt==
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Die Richtlinie schreibt für die Dokumentation der eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Simulation verbindlich vor:
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:''"{{hl|Generell werden ausgewiesen}}:<br />• Verspätungszuwachs bzw. Verspätungsveränderung zwischen zwei definierten Querschnitten, dieser Wert dient als Kenngröße und wird dem zugehörigen Bewertungsmaßstab verglichen.<br />• Verspätungsverlauf über den Fahrweg des Zuges (der Zugfamilie).<br />• {{hl|Einzelbelegungsgrade}} von Belegungselementen bzw. Kanten (Kenngröße)."'' (Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 162)
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{{NoGo}} Dies fand an keiner Stelle der Stresstest-Dokumentation statt. Dieser Verstoß wurde [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Auslassungen und übersehene Punkte|von der SMA trotz ihrer großen einschlägigen Expertise übersehen]] bzw. [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Unvollständige Abschlussdokumentation|nicht angesprochen]]. Die Belegungsgrade gehören zu den wichtigsten Kenngrößen in der Simulation einer Bahn-Infrastruktur mit stabilen Erfahrungswerten für fahrbare Auslegungen. So ergibt beispielsweise die Aktualisierung einer früheren Berechnung des Belegungsgrads von Stuttgart 21 mit den Daten des Stresstests einen [[Stuttgart 21/Stresstest/Plausibilisierung#Belegungsgrad|Belegungsgrad in der Spitzenstunde von 95 %]], '''das ist unfahrbar'''. Dies ist möglicherweise der Hintergrund für diesen Richtlinienverstoß.
  
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Es ist zu vermuten, dass auch die Belegungsgrade für andere Stellen der Infrastruktur bspw. die Zufahrt von Zuffenhausen, die Filderstrecke, Wendlinger Kurve ähnliche Warnsignale für die Überlastung der Stuttgart 21-Infrastruktur ergeben.
  
===Nicht geplante Infrastruktur: Zusätzliche Abstellkapazität außerhalb===
+
Der Belegungsgrad ist eine der wichtigsten Kenngrößen in der Kapazitätsplanung, wird auch von der Richtlinie als erster Wert zur Infrastrukturbewertung aufgeführt (Richtlinie 405.0104 S. 27 / Bl. 115), er ist Bestandteil der Standard-Ergebnisdarstellung (Richtlinie 405.0205A01 S. 2 / Bl. 232). Die Bahn hat die Belegungsgrade für die Stuttgart 21-Infrastruktur vorliegen. Schon in der Faktenschlichtung am 29.10.2010 wurden die Belegungsgrade für die Zufahrten der Flughafen-Bahnhöfe gezeigt, auch einen Bahnsteiggleis-Belegungsgrad.<ref>29.10.2011, Faktenschlichtung, Foliensatz Ingulf Leuschel ([http://www.schlichtung-s21.de/fileadmin/schlichtungs21/Redaktion/pdf/101029/2010-10-29_Leuschel_Verkehrliche_Konflikte_S21.pdf pdf]), S. 3, 4, 5</ref> Das im Stresstest verwendete Programm RailSys gibt die Werte für Belegungsgrade standardmäßig aus.<ref>Handbuch RailSys, S. 327 / Bl. 349 u.v.m.</ref><ref>[http://www.rmcon.de/de/rail-consulting/unser-leistungsspektrum/kapazitaetsuntersuchungen.html rmcon.de], "Kapazitätsuntersuchungen", abgefragt am 25.09.2011</ref>
  
Im Stresstest-Fahrplan, fahren vom Bedarf her nicht benötigte Züge nach dem Halt in Stuttgart weiter, teilweise bis nach Ulm, nur um nicht den Abstellbahnhof zu belasten.
+
{{Hinweis|Baustelle|Nach Möglichkeit könnten aus den vorhandenen Daten Berechnungen zu den Belegungsgraden weiterer Infrastrukturelemente angestellt werden und auf diesem Portal ergänzt werden.}}
  
Es ist absehbar, dass Abstellkapazitäten außerhalb Stuttgarts ausgebaut werden müssen, da der Abstellbahnhof in Untertürkheim die Spitzen in dem für Stuttgart ausgeprägten Quellverkehr nicht allein bewältigen kann (.... Quelle).
+
==Test des Fahrplans oder der Infrastruktur?==
  
 +
# Die Bahn verfuhr nach dem Prozess zur <u>Fahrplan</u>robustheitsprüfung ....
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# Die Vorschriften der RiLi 405 für Infrastrukturprüfungen sind nicht erfüllt ....
 +
# Auch die SMA spricht nur von der Untersuchung der "Robustheit des Fahrplans" nicht von der Robustheit der Infrastruktur bei hoher Belastung. (Audit SI-02 S. 4 / Bl. 144)
 
....
 
....
  
===Nicht genehmigte Infrastruktur: Mitbenutzung S-Bahnsteig Flughafen===
+
{{Hinweis|Baustelle|Bitte ausarbeiten!}}
  
Im Verspätungsfall wird der S-Bahnsteig am Flughafen-Regionalbahnhof von Regionalzügen mitbenutzt (.... Quelle). Hierfür existiert keine Genehmigung und eine Genehmigung erscheint auch nicht wahrscheinlich (.... Quelle).
+
==Keine modellzugspezifische Verspätungsveränderung==
  
===Nicht genehmigte Infrastruktur: ICE Mitbenutzung des S-Bahn-Tunnels===
+
Die Richtlinie schreibt eine etwas detailliertere Analyse der Simulationsergebnisse vor, als sie in der Stresstest-Dokumentation erfolgte:
 +
:''"In Simulationsmethoden werden bei allen Tools Verspätungszuwächse (nicht immer völlig identisch mit der Summe der Wartezeiten, je nachdem, ob Urverspätungen oder Verspätungsabbau mit enthalten ist) {{hl|modellzugspezifisch}} ermittelt."'' (Richtlinie 405.0202 S. 12 / Bl. 162)
  
Bezüglich der ICE-Mitbenutzung des S-Bahn-Tunnels oberhalb der Rohrer Kurve besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die aktuelle Ausnahmegenehmigung nicht lange Bestand hat (.... Quelle). In jedem Fall ist sie zeitlich beschränkt ....
+
{{NoGo|10}} Die Abschlussdokumentation liefert [[#Abschlussdokumentation nicht nachvollziehbar|keine klare Zuordnung]] der Modellzüge zu den Linien.
  
===Nicht verfügbare Infrastruktur: ETCS===
+
==Stresstest-Simulation auf Basis ungültiger Prozessbeschreibung==
  
ETCS-L2 ist nach der Ankündigung der Bundesregierung nicht bis 2020 verfügbar.<ref>02.07.2011, [http://www.neues-deutschland.de/artikel/201168.etcs-eine-europaeische-aber-teure-angelegenheit.html neues-deutschland.de], "ETCS – eine europäische, aber teure Angelegenheit"</ref><ref>18.07.2011, [http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article1961152/Bund-bremst-milliardenschweres-Signalsystem-aus.html abendblatt.de], "Bund bremst milliardenschweres Signalsystem aus"</ref> Diese Technik wird aber beispielsweise bei der Zufahrt von Zuffenhausen unterstellt (Z.B. Doku. Teil 1 S. 55/56<ref>Hier macht sich ETCS bei den rot markierten Fernzügen in den schmaleren Blockadestreifen bemerkbar verglichen mit den grün markierten Nahverkehrszügen</ref>).
+
[[Datei:Kopf_Richtlinie_LN34-07-01-03.png|rechts|thumb|488px|Kopf Prozessbeschreibung LN34-07.01.03, DB Netze]]Der Stresstest wurde nach einer noch nicht gültigen Prozessbeschreibung durchgeführt und dies wurde dennoch von der SMA testiert.
  
Die aktuelle Entwicklung von ETCS ist nicht absehbar, zumal die deutsche Bundesregierung im Sommer 2011 ankündigte, ETCS-Investitionen in das Netz einzufrieren und nur ausgewählte Fahrzeuge mit eigens entwickelten Lesegeräten auszurüsten. Faktisch bedeutet dies, dass Deutschland entgegen den zwingenden EU-Vorgaben keine weiteren Strecken mit ETCS ausrüstet, sondern nur ausgewählte ETCS-Fahrzeuge für Strecken ohne ETCS ausstattet. Damit werden nur diese einzelnen Fahrzeuge ETCS-fähig gemacht, auf den Transitstrecken bleibt aber alles wie bisher.
+
Die Bahn gab in ihrer Abschlussdokumentation vom 30.06.2011 an, beim Stresstest "gemäß Prozess »Fahrplanrobustheitsprüfung (FRP) durchführen« (LN34-07-01-03)" verfahren zu haben (Doku Teil 1 S. 2). Diese Prozessbeschreibung ist gültig seit 10.07.2011, d.h. sie konnte für die Durchführung des Stresstests keine Anwendung finden. Diesen Mangel übersieht die SMA und testiert einen Prozess, der auf einer nicht gültigen Verfahrensanweisung basiert. Dies ist überraschend, weil es zum Kern der Auditierung gehören müsste. Es ist die Frage, ob bzw. in welcher Form die noch nicht gültige Prozessbeschreibung der SMA überhaupt vorlag.
  
Ferner ist bei ETCS nach wie vor unklar, wie das künftig einzusetzende System genau spezifiziert wird; die nächste Spezifizierung soll erst 2012 ratifiziert werden, zum möglichen Inbetriebnahmezeitpunkt von S21 könnte diese aber schon wieder veraltet sein. ETCS ist aktuell für folgende Übertragungsarten ("Levels") spezifiziert:
+
[[Datei:Infrastrukturvarianten LN34-07-01-03.png|rechts|thumb|368px|Prozessbeschreibung LN34-07-01-03, gültig ab 10.07.2011, DB Netze. Ausriss zu den Infrastrukturvarianten]]<div class="tright" style="clear:none">[[Datei:Infrastrukturvarianten LN34-05-07.png|rechts|thumb|368px|Prozessbeschreibung LN34-05-07, gültig ab 16.02.2009, DB Netze. Ausriss zu den Infrastrukturvarianten]]</div>Für die Durchführung des Stresstests war eine frühere Fassung relevant, die Prozessbeschreibung LN34-05-07, gültig ab 16.02.2009. Es gibt womöglich mehrere Unterschiede zwischen beiden Verfahrensanweisungen. Ein entscheidender Unterschied liegt in dem Folgenden: In der älteren Prozessbeschreibung war die Berücksichtigung unterschiedlicher Infrastrukturvarianten an den Untersuchungsauftrag gebunden. In unserem Fall ist das der Schlichterspruch zum Stresstest, der ausdrücklich den Zusammenhang zwischen Simulation und Varianten darstellte:
* ETCS Level STM ermöglicht ETCS-Fahrzeugen, auch nationale Zugsicherungssysteme wie PZB/LZB lesen zu können.
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:''"{{hl|Welche der von mir vorgeschlagenen Baumaßnahmen}}, wie ich das eben getan habe, zur Verbesserung der Strecken bis zur Inbetriebnahme von S 21 realisiert werden, hängt von den Ergebnissen der Simulation ab."'' <ref>30.11.2010, Schlichterspruch Heiner Geißlers, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Wortprotokoll_der_Schlichtung_30.11.2010#17:22 17:22 Uhr]</ref>
* ETCS L1 (Level 1) entspricht weitgehend der konventionellen Signal- und Zugsicherungstechnik, nur mit ETCS-Zugbeeinflussungsanlagen anstatt nationaler Einrichtungen wie PZB.
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* Bei ETCS L2 (Level 2) wird die Fahrerlaubnis per GSM-R-Funk übertragen, womit ortsfeste Signale obsolet werden. Im Gegensatz zu ETCS L3 erfolgt bei ETCS L2 die Gleisfreimeldung noch wie bisher über gleisseitige Einrichtungen (z.B. Gleisstromkreise, Achszähler).
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* ETCS L3 (Level 3) würde bei fahrzeugseitiger Sicherstellung der automatischen Zugschlusserkennung ein Fahren im beweglichen Raumabstand und damit kürzeste Zugfolgezeiten ermöglichen; aufgrund des inhomogenen Wagenparks im Bestandsnetz der DB wird eine Diskussion zu ETCS L3 auf absehbare Zeit überflüssig bleiben.
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Die Betriebsarten ("Modes") sollen ab der Version 3.2.0, die vsl. Ende 2012 ratizifiert werden soll, neben einer vollständigen Fahrtüberwachung ("Full Supervision", Mode FS) auch eine an die bisherige Zugsicherungstechnik angelehnte frei definierbare teilweisen Fahrtüberwachung ("Limited Supervision", Mode LS) erlauben. Unabhängig davon ist bei ETCS nach wie vor unklar, wie die Lebenszyklen der technischen Komponenten und neue Technologiegenerationen berücksichtigt werden, da jede Änderung der Spezifikation einen mehrjährigen unberechenbaren Prozess durchlaufen muss und von allen EU-Mitgliedern diskutiert werden muss; individuelle Weiterentwicklungen würden die Interoperabilität konterkarieren.
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Die Behauptung der DB vom 19.07.2011 im Schlichtungsgespräch in Stuttgart, die Leistungsfähigkeit von GSM-R (Funksystem, das bei ETCS L2 auch die Fahrerlaubnis überträgt) könne von den DB-Planern beliebig dimensioniert werden, zeigt die Unkenntnis der Entscheidungsträger innerhalb der DB:
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D.h. es hätte bspw. auch zwingend zumindest der Verkehr bei Bau der großen Wendlinger Kurve simuliert werden müssen (da hier die Leistungsvorgabe klar nicht erfüllt wird). Aber angesichts der extremen Parameter im Tiefbahnhof mit vielen Pufferzeitverletzungen und Doppelbelegungen hätten auch 9. und 10. Gleis und P-Option geprüft werden müssen.
* GSM-R ist wie ETCS europaweit genormt.
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* Für GSM-R sind bestimmte Funkfrequenzen und Zeitmultiplexverfahren zur Nutzung gleicher Frequenzen durch mehrere Nutzer klar festgelegt.
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* Untersuchungen zu anderen Eisenbahnknoten wie Kopenhagen haben gezeigt, dass bei Nutzung von GSM-R auch für ETCS L2 (Anm.: ETCS L2 nur mit GSM-R möglich) dieses Funknetz seine Leistungsfähigkeit überschreiten kann; in solch einem Fall würden weitere Züge abgewiesen und könnten trotz freier Gleise nicht mehr in diese Funkzellen einfahren! (Anm.: Bei LZB wird die Fahrerlaubnis über Kabellinienleiter übertragen, womit dieses Problem obsolet ist; Nachteil: LZB kostet tendenziell mehr als GSM-R.)
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{{NoGo}} Die realistischere Annahme, hier mit den funktionierenden und jahrzehntelang erprobten Zugsicherungssystemen PZB/LZB und ohne ETCS zu arbeiten, würde mutmaßlich den Ausbau der Zufahrt von Zuffenhausen durch die sogenannte P-Option und damit dreistellige Millionenkosten auslösen. Auf den Transitgleisen könnte im Falle des Falles eine zusätzliche Ausrüstung mit ETCS zur Gewährleistung der Interoperabilität untersucht werden.
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==Keine Richtlinie für Doppelbelegung bei Neigung==
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Die neue Richtlinie, die möglicherweise eigens für den Stuttgart 21-Stresstest geändert wurde, galt aber nicht während seiner Durchführung. Allein sie würde es erlauben, von dem Untersuchungsauftrag durch einen gegebenenfalls enger gefassten Simulationsauftrag abzuweichen.
  
Der Tiefbahnhof von Stuttgart 21 wird eine Rekord-Neigung von 15 ‰ aufweisen. 6-fach höher als der von der Richtlinie vorgesehene Wert. Zum Vergleich, ab 25 ‰ spricht man bei der Eisenbahn von einer Gebirgsbahn. Ein solches Gefälle bewirkt bei der Eisenbahn deutlich erhöhte (bergab) oder auch erniedrigte (bergauf) Bremswege. Die verlängerten Bremswege sind insbesondere kritisch, wenn es um den Betrieb mit Doppelbelegungen geht. Stuttgart 21 würde mit 13 Doppelbelegungen in der Spitzenstunde den absoluten Rekord in dieser Betriebsart halten. Jeder zweite Zug würde als Doppelbelegung abgefertigt werden. Dennoch existiert keine Richtlinie, die insbesondere die zulässigen Einfahrgeschwindigkeiten bzw. die anzunehmende Bremskurve für den Betrieb regelt.
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{{NoGo|10}} D.h. gemäß der geltenden Prozessbeschreibung und dem Auftrag aus dem Schlichterspruch hätten im Stresstest die Varianten mit den Ausbauten Große Wendlinger Kurve, P-Option, etc. geprüft werden müssen, was nicht geschah, so dass der Stresstest die betreffende Vorschrift verletzt. Allein wegen dieses Regelverstoßes müsste der Stresstest noch einmal regelkonform wiederholt werden. Inzwischen – aber eben erst jetzt – wäre dann eine Abweichung vom Untersuchungsauftrag möglich. Allerdings müsste die Bahn dann bei der Veröffentlichung fairerweise auch den Simulationsauftrag offenlegen und Abweichungen vom Untersuchungsauftrag begründen. Dieses Vorgehen müsste dann auch vollständig vom Auditor geprüft und als sachgerecht eingestuft werden.
  
Aufgrund der Einzigartigkeit dieser Betriebsart (bisher existiert kein Bahnhof in Europa mit einer solchen Neigung) wären überdies technische Sicherungsmaßnahmen vorzusehen, die bei menschlichem Versagen eingreifen. Die Sicherheit kann hier nicht allein dem Erinnerungsvermögen der Lokführer überlassen werden, die teilweise auch aus dem Ausland kommen und mit dieser Sondersituation vollkommen unvertraut sein können.
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==RICHTLINIENVERSTÖSSE, PARAMETER==
  
Dass für diese Fälle vorgebeugt werden muss, zeigen bspw. zahlreiche Vorfälle an dem Haltepunkt Haan zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Solingen Hbf. Hier liegt ein ähnliches Gefälle vor und es kam in der Vergangenheit immer wieder vor, dass sich der Lokführer verbremste und über den Bahnstein hinausrutschte. An einem Haltepunkt liegen aber keine Weichen, die in anderen Verkehr einmünden. Schon dies wäre bei Stuttgart 21 eine Gefahr selbst ohne den Betrieb mit Doppelbelegungen. Bei Doppelbelegung aber sind die Anforderungen weit höher. Der Bremsweg am Bahnsteig ist auf die Hälfte verkürzt und es muss ziemlich nah an den stehenden Zug herangefahren werden. Ein Lokführer, der hier erst am Anfang des Bahnsteigs erkennt, dass schon ein Zug in der hinteren Hälfte steht, kann kaum noch bremsen.
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==Kein Stress im Test==
  
Die fehlende Regelung dieses Betriebs durch eine Richtlinie unter Berücksichtigung der verlängerten Bremswege und die fehlende Einrichtung technischer Sicherungen zur zuverlässigen Verhinderung des Auflaufens der Züge scheinen die bestehende Ausnahmegenehmigung in Frage zu stellen. Auch das Problem des möglichen Wegrollens der Züge und damit ein Auffahren bei Doppelbelegung ist in der Ausnahmegenehmigung bisher allein dadurch adressiert, dass der Geist einer Verordnung die Unglücke irgendwie verhindern möge:
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Es existiert offenbar bei der Bahn keine eigene Richtlinie für die Durchführung eines echten "Stresstests". Die hier immer wieder zitierte Richtlinie 405 macht Vorgaben für die Durchführung einer eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Simulation, die zu den verschiedensten Zwecken durchgeführt werden könnte. Klar ist aber der Untersuchungsauftrag im Schlichterspruch mit dem Begriff "'''Stresstest'''" formuliert worden.
:''"Zum anderen wird hinsichtlich des Wegrollens der Züge auf die Schutzziele der einschlägigen EBO verwiesen, die vor allem ein selbstständiges in Bewegung setzen von abgestellten Eisenbahnfahrzeugen (Wagen und Züge) zuverlässig verhindern wolle."'' <ref>28.01.2005, Auszug [http://www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/siteutilities/header/downloads/default.aspx Planfeststellungsbeschluss] "PFA 1.1: Talquerung der Innenstadt mit Hauptbahnhof", Seite 373. Siehe auch: [http://www.ice-treff.de/index.php?id=92775 ice-treff.de]</ref>.
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Die Argumentation der Bahn, dass dieser Fall für die allgemeinen Regeln im Gefälle abgedeckt sein (.... Quelle), verfängt nicht, da eben bisher jeder Lokführer sicher damit rechnen konnte, in einen ebenen Bahnhof einzufahren.
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Aufgabe eines Stresstests ist die Prüfung einer '''erhöhten Belastungssituation''', wie sie gerade im Falle von Stör- und Notfällen auftreten, insofern ist besondere Aufmerksamkeit auf die korrekte Abbildung dieser Betriebssituationen zu legen. Es existiert eine Prozessbeschreibung "[[#Stresstest-Simulation auf Basis ungültiger Prozessbeschreibung|Fahrplanrobustheitsprüfung durchführen]]" (bei der auch nicht die gültige Fassung vom Stresstest eingehalten wurde, siehe voriger Absatz), diese beschreibt aber lediglich den Ablauf, nicht die Parameter.
  
{{NoGo}} Es erscheint im Blick auf die Sicherheit des Bahnhofs schlichtweg unmöglich, auch nur die Planung des Neubaus fortzusetzen, solange der international einzigartige Betrieb im geneigten Bahnhof inklusive der Anforderungen im Falle von Doppelbelegungen noch nicht sicherheitstechnisch geregelt ist.
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Richtlinie 405 geht jedoch darauf ein, dass eine Simulation und die darin verwendeten Parameter der Aufgabe angepasst werden müssen:
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:Zu den Eingangsgrößen: ''"Direkt aus dem Istzustand ermittelte Kenngrößen spiegeln zwar die Realität gut wieder, entsprechen aber, sofern sie nicht {{hl|speziell für die aktuelle Aufgabe ermittelt}} wurden, nicht immer genau der geforderten Aussage."'' (Richtlinie 405.0205 S. 1 / Bl. 227)
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:''"Zur Abbildung der im Betriebsablauf zu erwartenden Folgeverspätungen bzw. außerplanmäßigen Wartezeiten werden die Züge mit • Einbruchsverspätungen (ggf. bei Güterzügen auch Einbruchsverfrühungen) und • {{hl|Urverspätungen}} ({{hl|aufgaben-}} und tool{{hl|spezifisch}}) belegt. Zu Quellen und Aufbereitung dieser Parameter siehe 405.0204 [Betriebsprogramm] und 405.0206 [Verspätungsanalyse]. Liegen Auswertungen nicht vor oder erscheint ihre Anwendung nicht sinnvoll (z.B. bei perspektivischen Untersuchungen), sind entsprechende Annahmen (siehe 405.0103A03) zu treffen."'' (Richtlinie 405.0201 S. 6 / Bl. 138)
  
==Taschenspieler-Trick-Züge==
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D.h. im Falle, dass die Simulation einen Stresstest darstellen soll, ist die Verwendung von Jahres- und Tages-Durchschnittswerten aus dem Alltagsbetrieb nicht zielführend. Es müssten Werte der untersuchten Belastungsspitze (im Stresstest die Spitzenstunde), für Tage besonderer Belastung (Winter, Suizid, etc.) eingesetzt werden. Statt Durchschnittswerten müssten also bspw. eigentlich die zur Stoßzeit spezifisch verlängerten Haltezeiten verwendet werden. Außerdem müssten typische Störungsszenarien, wie die rund zweistündige Sperrung von ein bis zwei Gleisen, oder die nicht so seltene zumindest halbstündige Blockade eines Zuges im Bahnhof durch eine technische Störung am Zug simuliert werden. Beide typische Stresssituationen kommen in der Simulation nicht vor.
  
===Doppelter IRE von Pforzheim===
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Dem Argument, dass die in der Simulation eingesetzte Verteilung auch einzelne Extremwerte liefert, muss entgegnet werden, dass diese gerade im Stresstest für Stuttgart 21 durch die spezifischen Einstellungen im Modell beschnitten wurden:
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# Die Störungswerte insbesondere des Fernverkehrs und der S-Bahn wurden [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Unterdurchschnittliche Verspätungsannahmen|extrem unterdurchschnittlich]] angesetzt.
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# Die [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Unkorrelierte Verspätungsstatistik|Streuung im Modell fällt nur rund halb so groß]] aus wie in der Realität beobachtet. D.h. die eigentlich kritischen Extremwerte fallen nur halb so gravierend aus.
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# Im Modell wurden aber darüber hinaus gerade die [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Gekappte Haltezeitverlängerungen|Maximalwerte beschnitten]], so dass genau der Anteil der Verspätungsstatistik, der Stör- und Notfälle abbilden sollte, aus der Simulation herausgenommen wurde. Dieser Eingriff ist einer der gravierendsten Fehler im Stresstest.
  
Von Pforzheim fahren zwei RE-Züge im Abstand von 5 Minuten und dann 50 Minuten kein Zug,<ref>Netzplan (Audit Bl. 126) ([http://www.bei-abriss-aufstand.de/wp-content/uploads/Grundtaktfahrplan_49_Zuege_2011-06-30.pdf pdf]), Grundtakt gerade Stunde zu Minute 27, Verstärker gerade Stunde Minute 32, Verstärker ungerade Stunde Minute 22.</ref> wie in der Stresstest-Präsentation von Boris Palmer angemerkt worden war.<ref name="PalmerTrickzüge">29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://www.schlichtung-s21.de/fileadmin/schlichtungs21/Redaktion/pdf/110729/Protokoll29072011.pdf Stenogr. Protokoll], S. 120,  [http://www.phoenix.de/sixcms/media.php/54/4PalmerBewertung110729.pdf Vortrag Boris Palmer] Folie 16, 17</ref> Dies ist in keinem Fall bedarfsgerecht und ist ein reiner Fahrplantrick, um durch den leichter abwickelbaren doppelten Zugverband einen weiteren Zug für die Zählung im Stresstest zu erzeugen.
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D.h. statt auf die korrekte Abbildung gerade der hohen Belastungsspitzen zu achten, wurde eine Simulation durchgeführt, die gegenüber durchschnittlichen Bedingungen noch deutlich weichgespült wurde, also definitiv eine '''Schönstwettersimulation''' statt einem Stresstest. Dabei gibt die Richtlinie explizit vor, dass die Simulation von Stör- und Notfällen durch das Gegenteil, nämlich die Erhöhung der Parameter simuliert werden soll:
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:''"Die Modellierung der Ausfälle oder Teilverfügbarkeiten von Infrastrukturelementen muss bisher ersatzweise durch Erhöhung der zugbezogenen Parameter für Urverspätungen erfolgen."'' (Richtlinie 405.0206 S. 11 / Bl. 251)
  
===2 ICEs durch Regionalzüge ersetzt===
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Eine solche spezifische Modellierung einer besonderen Verspätungssituation kann offenbar problemlos in das System integriert werden, wie am Beispiel der "Gesonderten Ur- und Einbruchsverspätungen" in Marbach und Bondorf geschehen (Audit SI-08 S. 9 / Bl. 194). In gleicher Weise könnten auch die für den achtgleisigen Tiefbahnhof so kritischen Szenarien "Suizid" und "Technische Störung am Zug" bspw. durch testweise auf 120 bzw. 30 Min. heraufgesetzte Haltezeitverlängerungen im Hauptbahnhof simuliert werden.
  
Zwei ICE des bisherigen Fahrplans wurden durch Regionalzüge ersetzt (Audit FP-06 S. 5 / Bl. 88).<ref name="PalmerTrickzüge" /> Diese lassen sich im Unterschied zum ICE in Doppelbelegung zusammen mit anderen Regionalzügen im Tiefbahnhof unterbringen und erhöhen so den Zähler für die Stresstest-Simulation. Dazu sagte der Landesverkehrsminister Winfried Hermann in der Stresstest-Präsentation:
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Der Auditor des Stresstests, die Schweizer Firma SMA '''distanzierte sich''' außerdem ausdrücklich davon, die "betriebswissenschaftliche Simulation" '''als "Stresstest" zu bezeichnen'''<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#13:51 13:51 Uhr] (s.a. [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Pr%C3%A4sentation/Wortprotokoll#14:04 14:04 Uhr]), Werner Stohler, CEO von SMA</ref>. Insofern stellt der Auditor klar, dass er lediglich eine Simulation und keinen Stresstest bewertet hat.
:''"Vorher haben wir über ICs gesprochen, die gestrichen und durch Nahverkehrszüge ersetzt werden. Das kann man machen. Aber es ist natürlich klar: Wenn Sie einen IC durch einen Nahverkehrszug ersetzen, dann ist der Nahverkehrszug kein IC mehr. Das ist ein anderer Zug, der auch eine andere Reichweite hat. Das ist auch so abgebildet. Das ist eine Verschlechterung der Qualität. Und außerdem schieben Sie die Kosten der Nahverkehrsgesellschaft beziehungsweise dem Land Baden-Württemberg zu weil es ein Nahverkehrszug ist, der bestellt werden muss. Vorher war es ein IC, der eigenwirtschaftlich gelaufen ist. Auch das sind natürlich einfach – ich will jetzt nicht "Tricks" sagen – Maßnahmen, die günstig sind, aber die nicht im Interesse des Landes sind."'' <ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Präsentation/Wortprotokoll#16:49 16:49 Uhr], Winfried Hermann</ref>
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{{NoGo}} Trotz aller beschönigenden Formulierungen müssen diese nicht bedarfsgerechten Manipulationen des Fahrplans mit dem einzigen Ziel, den '''Zähler im Stresstest um zwei Züge zu erhöhen''', als '''Taschenspieler-Tricks''' bezeichnet werden. Dass solche Maßnahmen nötig sind, um die geforderte Leistung zu erreichen, ist entlarvend. Dass mit solchen Maßnahmen eine Milliarden-Investition gerechtfertigt werden soll, ist beschämend für den Standort Deutschland.
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{{NoGo}} {{Ex}} Die Ausblendung von Stress im Stresstest sowohl durch eine vom Ansatz her schon wenig anspruchsvolle Verspätungsstatistik als auch durch die unverantwortliche und im Verborgenen durchgeführte [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Gekappte Haltezeitverlängerungen|Kappung der Haltezeitverlängerungen]] ist ein eklatanter Verstoß gegen die Anforderungen der Richtlinie, den Untersuchungsauftrag in der Simulation korrekt abzubilden. Die Bahn hat die Anforderung nach einem Stresstest nicht erfüllt und ja auch nie behauptet, einen Stresstest durchgeführt zu haben. Auch der Auditor stellt klar, dass er keinen Stresstest auditierte. Diese grundlegendste Anforderung ist also definitiv nicht erfüllt.
  
==S-Bahn Linientausch==
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===Mangelhafte Berücksichtigung von Urverspätungen===
  
[[Datei:S-Bahn_Linientausch.png|thumb|400px|mitte|Anstelle die S-Bahnlinien nach Verkehrsbedarf auszurichten werden jetzt S4-S6 auf die Filder bzw. nach Böblingen geführt]]
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Richtlinie 405 macht eine Reihe von Vorgaben für die Berücksichtigung von Urverspätungen als notwendigen Störungsparameter für eine eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung. Urverspätungen setzen sich zusammen aus Unterwegsverspätungen aufgrund von Störungen auf der Strecke (Gleis, Oberleitung, Signale, Personen oder Zug) sowie Haltezeitverlängerungen durch ähnliche Störungen in den Bahnhöfen. Im vorigen Absatz war schon ein Zitat der Richtlinie zur möglichst aufgabenspezifischen und realitätsnahen Berücksichtigun gegeben worden (Richtlinie 405.0201 S. 6 / Bl. 138), außerdem wird dies auch hier angemahnt:
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:''"Bei Simulationen ist zu berücksichtigen, dass bei großem Betrachtungsraum und ohne Einspielen zusätzlicher Urverspätungen durch Verspätungsabbau im Betriebsablauf u.U. ein unrealistisch niedriges Verspätungsniveau bei der Einfahrt in den Auswerteraum entstehen kann. In diesen Fällen ist der Betrachtungsraum zu reduzieren oder {{hl|es sind Urverspätungen einzuspielen}}."'' (Richtlinie 405.0203 S. 5 / Bl. 195)
  
[[Datei:S-Bahn_Zweige_ohne_Linientausch.png|thumb|300px|links|Bewertung S-Bahn-Liniennetz ohne Linientausch. Die Linien S1-S3 zeigen auf beiden Zweigen Mischverkehr. S21 kann mit dieser Situation nicht umgehen.]]
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Insbesondere für den Fernverkehr sind die Urverspätungen besonders relevant:
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:''"Liegen vor einem Knoten lange Streckenabschnitte, so führt der Abbau ggf. zu einem zu günstigen Verspätungsniveau beim Einbruch in den Knoten. Um diesen Nachteil zu vermeiden, muss von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, {{hl|Urverspätungen einzugeben}}."'' (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161)
  
[[Datei:S-Bahn_Zweige_mit_Linientausch.png|thumb|300px|links|Bewertung S-Bahn-Liniennetz mit Linientausch. Keine der Linien hat Mischbetrieb auf mehr als einem Zweig.]]
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Die Richtlinie erwartet in der Regel die spezifische Modellierung der Urverspätungen in der Simulation (.... Quelle), umfangreiche Daten hierfür sind bspw. aus den LEIDIS-Daten verfügbar (.... Quelle), die Richtlinie regelt die Auswertung der Ist-Daten für den Zweck (.... Quelle). Die Simulationssoftware RailSys erlaubt die umfassende Modellierung der streckenbezogenen Urverspätungen in der Simulation in Form von sogenannten "Fahrzeitverlängerungen".<ref>Handbuch RailSys S. 414 / Bl. 436</ref> Dabei achtet das Tool darauf, dass die Verfälschungen im ausgewerteten Verspätungsaufbau nicht auftreten, die im Stresstest im [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau|Hauptbahnhof]] und in den [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung am Einbruchsort|Einbruchsbahnhöfen]] zu beklagen sind. Dennoch weicht die Bahn in der Stresstest-Simulation auf die Behelfswerte aus.
  
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{{NoGo}} Es ist nicht zu erkennen, warum die Bahn nicht die vorgeschriebene Simulation der streckenbezogenen Urverspätungen vornimmt. Die Daten sind vorhanden und das Tool bietet alle Möglichkeiten hierzu. Dass ohne erkennbare Not auf die (veralteten) Behelfswerte aus der Richtlinie zurückgegriffen wird (und diese auch noch um die anspruchsvollen Spitzenwerte gekappt werden, siehe unten) könnte den Verdacht aufkommen lassen, dass dies evtl. vorteilhaft für die Erzielung eines 'besseren' Simulationsergebnisses ist. Auf diesem Weg fallen die Stresstest-Ergebnisse durch den den fehlerhaft bestimmten Verspätungsaufbau im [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau|Hauptbahnhof]] und in den [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung am Einbruchsort|Einbruchsbahnhöfen]] noch günstiger aus, aber auch unzutreffend.
  
Im Stresstest ist der Tausch der S-Bahn-Linien unterstellt. Im Detail bedeutet dies, dass die Linien S1-S3 an der Schwabstraße enden werden und stattdessen die Linien S4-S6 zum Flughafen und nach Vaihingen/Böblingen weitergeführt werden. Als Begründung dafür wird die Fahrzeitverlängerung von zwei Minuten angeführt, welche an der mit S21 zu bauenden Station Mittnachtstraße entsteht. Alle Züge erhalten dadurch eine systematische Verspätung und fallen dadurch – so die Begründung – bequem in die Fahrplantrasse des im alten System nachfolgenen Zuges.  
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{{NoGo|10}} In der Stresstest-Dokumentation werden allein "Haltezeitverlängerungen" dargestellt (Doku. Teil 1 S. 21). Diese unkommentierte Größe musste von der Öffentlichkeit als tatsächliche Verlängerungen der Haltezeit im Bahnhof aufgrund von kleineren Störungen im Bahnhof oder hohem Fahrgastwechsel angesehen werden und erschien so relativ anspruchsvoll gewählt. Erst der Auditor stellt klar, dass die Haltezeitverlängerungen auch (zum größeren Teil) die Urverspätungen auf der Strecke enthalten (Audit SI-05 S. 1 ff / Bl. 156). Die Bahn ist also zunächst der Verpflichtung gemäß der Richtinie nicht nachgekommen, in der Abschlussdokumentation die Abbildung der Prämissen zu den [[#Abschlussdokumentation nicht nachvollziehbar|Urverpätungen nachvollziehbar darzustellen]].
  
Eine genaue Bewertung des Linientausches zeigt aber dessen eigentliche Motivation. In den beiden Tabellen auf der linken Seite werden die S-Bahn-Liniennetze ohne Linientausch (also wie heute) und mit Linientausch auf die Wechselwirkung mit dem Regionalverkehr bei Annahme Verwirklichung S21 untersucht. Dabei wurde geprüft ob Mischverkehr auf den S-Bahnlinienzweigen vorliegt. '''Zweig 1''' sind alle nordöstlichen Außenäste Richtung Bad Cannstatt und Zuffenhausen, '''Zweig 2''' sind die südwestlichen Außenäste Richtung Stuttgart-Vaihingen.
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{{NoGo}} Darüber hinaus wurden jedoch diese Haltezeitverlängerungen, die die Urverspätungen enthalten sollen, [[Stuttgart_21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Gekappte_Haltezeitverlängerungen|unzulässig gekappt]] und es wurde der Verspätungsaufbau ohne den Beitrag der Urverspätungen sowohl in den [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung am Einbruchsort|Einbruchsbahnhöfen]] wie auch im [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau|Hauptbahnhof]] ermittelt. Diese schwerwiegenden Fehler in der Abbildung der Urverspätungen in der Simulation werden in den entsprechenden Abschnitten besprochen.
  
Dabei zeigt sich, dass bei Beibehaltung der S-Bahnlinienstruktur dreimal die Situation auftritt, dass das Regionalverkehrsnetz (Taktfahrplan, Durchbindungszwang im Tiefbahnhof) mit drei Linien des S-Bahnnetzes (Taktfahrplan, Durchbindungszwang auf der Stammstrecke) gleich zweimal in Gehege kommt. Zwei Systeme mit starrem Taktfahrplan und Durchbindungszwang lassen sich aber nur kombinieren, wenn man die Berührungspunkte minimiert. Daher kommt es zum Linientausch; die Linien S1-S3 würden bereits in der Wendeschleife Schwabstraße enden und somit nur auf einer Seite Stuttgarts Mischbetrieb aufweisen. Hintergrund ist, dass auf dem S-Bahn-Außenast zum Flughafen gemäß S21-Konzeption künftig auch Fern- und Regionalzüge fahren sollen und damit beide südwestlichen Außenäste (Richtung Herrenberg und neu Richtung Flughafen) Mischbetrieb zwischen S-Bahn und Fern-/Regionalbahn aufweisen sollen.
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Inwieweit sich bei der im Audit erwähnten Lenkungskreissitzung Stresstest in Karlsruhe am 05.05.2011 sich evtl. kaum eingearbeitete Vertreter der neuen Landesregierung sich bei dieser Festlegung evtl. über den Tisch haben ziehen lassen, lässt sich nicht sagen. Im Ergebnis werden die Urverspätungen jedoch gegen die Vorgaben der Richtlinie unzureichend bis gar nicht berücksichtigt.
  
Eine Festlegung, dass das Linienkonzept der Stuttgarter S-Bahn für den Stresstest geändert werden dürfe, ist nicht bekannt. Und mittlerweile ist der Linientausch der S-Bahnen auch in der Tat vom Verkehrsausschuss der Region Stuttgart abgelehnt worden.<ref>09.11.2011, [http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-mit-pro-stuttgart-21-manager-wir-wollen-eine-klare-mehrheit.dc0a911a-45b0-47de-9db4-75b1906e3439.html stuttgarter-zeitung.de], "Wir wollen eine klare Mehrheit"</ref><ref>http://www.region-stuttgart.org/vrs/main.jsp?navid=119&pi_action=view&pi_docid=2256</ref>
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==Gekappte Haltezeitverlängerungen==
  
{{NoGo}} Damit ist klar daß der Stresstest die Anforderungen einer realistischen Zielkonfiguration des Liniennetzes nicht erfüllt. Die tatsächliche Leistungszahl mit dem heutigen Stuttgart S-Bahnliniennetz ist a) mit hoher Wahrscheinlichkeit niedriger und b) nicht ermittelt. Der im Stresstest-Fahrplan unterstellte Linientausch der S-Bahn wurde von der Region Stuttgart abgelehnt, damit ist diese Grundprämisse des Stresstests entfallen und eine Wiederholung auf Basis einer kundengerechten Konfiguration der S-Bahn steht aus.
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===Verdeckung der Kappung===
  
Eine Quantifizierung des Effektes ist schwierig und hängt davon ob sich mit Linientausch überhaupt passende Trassen finden lassen. So kommt es beispielsweise bei einer Verschiebung der S2-Zeiten im Remstal sofort zu einer Verschiebung der REs mit ungeklärten Folgen für den Fahrplan im Tiefbahnhof. Daher kann eine Abschätzung der - theoretisch - möglichen Kapazität vermutlich nur über die Konstruktion eines entsprechenden Fahrplans erfolgen. Weiterhin ist ein starker Effekt auf die Verspätungen abzusehen da verspätete S-Bahnen auf den Fildern nicht mehr nur die S-Bahn beeinflussen sonderen Behinderungen auf dem anderen Zweig (nach Backnang, Schorndorf) wieder auf die Regionalzüge weitergeben. Auch hier ist eine Abschätzung schwierig und es muß auf eine Simulation verwiesen werden.
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[[Datei:2011-07-07 SMA, Ausgewählte Prämissen, S. 6.png|thumb|320px|rechts|SMA-Präsentation vom 07.07.2011, "Ausgewählte Prämissen", Folie 6 (am 07.07. nicht gezeigt, aber später an Aktionsbündnis übergeben). Es werden die Maximalwerte noch ohne Güterverkehr angegeben.]]<div class="tright" style="clear:none">[[Datei:Doku. Teil 1 21.png|thumb|320px|rechts|Seite 21 aus der Stresstest-Dokumentation vom 30.06.2011. Es wird kein Hinweis auf die Kappung der Verspätungs&shy;spitzen gegeben. Damit ist die Darstellung falsch, teils um den Faktor 2.]]</div>
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Eine der '''quantitativ größten Fehlannahmen im Stresstest''' mit der Wirkung der Erleichterung des Bestehens ist auch eine der zuletzt identifizierten: Die vollkommen unbegründete Kappung der Haltezeitverlängerungen auf vollkommen unzulässig niedrige Maximalwerte. Diese Maximalwerte wurden von der Bahn in der Stresstest-Dokumentation und den Prämissengesprächen '''unterschlagen'''.
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[[Datei:Audit Bl. 157 Haltezeitverlängerungen.png|thumb|320px|rechts|SMA-Audit vom 21.07.2011, SI-05 S. 2 / Bl. 157 Tabelle der Haltezeitverlängerungen. Erst hier werden die Maximalwerte auch für den Güterverkehr angegeben.]]<div class="tright" style="clear:none">[[Datei:Antwort DB Netz S. 3 Verspätungsstatistik.jpg|thumb|320px|rechts|Antwort der DB Netz vom 08.07.2011 auf die Fragen zur Verspätungsstatistik. Trotz gezielter Frage danach wird nicht auf Verspätungsspitzen eingegangen.]]</div>
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Die Bahn hatte in ihrer Abschlussdokumentation zum Stresstest die Annahmen für die unterstellten Verspätungsverteilungen dargestellt (Doku. S. 21), aber nicht angegeben um welche Verteilungsfunktion es sich handelte. Insbesondere wurde durch die Angabe von Mittelwerten und Wahrscheinlichkeiten suggeriert, dass eine unbeschnittene Verteilung angewandt wurde. Es gab keinerlei Hinweis auf die Beschneidung der maximalen Verspätungswerte.
  
{{Hinweis|Baustelle|Lässt sich abschätzen, wie groß der Effekt des Linientauschs auf die Leistungsfähigkeit ist ([[Stuttgart 21/Stresstest/Quantifizierung|Quantifizierung]])? Ist die Entflechtung der Mischverkehre etwa der Herausnahme des Güterverkehrs (Sensitivität) vergleichbar? Oder ist der Effekt grob der Zunahme der Mindesthaltezeit der S-Bahnen von 30 Sek. auf 48 Sek. vergleichbar? Lässt es sich anderweitig abschätzen?  Antwort auf Baustelle siehe oben - bessere Vorschläge sehr willkommen !!}}
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Und selbst der Auditor SMA hatte offenbar für die längste Zeit keine vollständige Kenntnis davon. Zumindest hatte er zum Zeitpunkt der Prämissengespräche am 07.07.2011 offenbar noch keine Kenntnis von der schwerwiegendsten der Kappungen, der im Güterverkehr. Dies belegt die Folie der SMA aus den Prämissengesprächen, die für den Güterverkehr keine Kappung ausweist und bei deren Präsentation auch nicht die Bedeutung und vor allem die Auswirkung der Kappungsgrößen bei Fern- und Nahverkehr sowie S-Bahn erläutert wurden.
  
Je größer die Differenz der Beförderungszeit zwischen S-Bahn und Regionalzug im ''"49er"-Grundtaktfahrplan für Stuttgart21'' ist, desto anfälliger ist der entsprechende Mischbetriebsabschnitt für Folgeverspätungen:
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In den Prämissengesprächen hatte das Aktionsbündnis detailliert zu der Ausgestaltung der Verspätungsverteilung nachgefragt: Nach der Funktion, nach den im Test für die einzelnen Züge verwendeten konkreten Verspätungswerten, dem Vergleich mit realen Verspätungsdaten und sogar schon nach der Höhe der "Ausreißer" in der Verteilung. Diese Fragen wurden schriftlich mit der mageren Information "negative Exponentialverteilung" beantwortet. In der mündlichen Nachfrage wurde keiner der weiteren Punkte beantwortet, aber es wurde immerhin zu den Einbruchsverspätungen die Information gegeben, dass die ''"DB Spielräume hat, welche Verteilung an welchem [Einbruch-]Punkt angenommen wird."'' (Prämissengespräch 19.07.2011) Aber auch hier wurde '''kein Hinweis''' auf die Kappung der Haltezeitverlängerungen gegeben.
  
<table frame="box" rules="none" cellspacing=5 cellpadding=1 align="left" valign="top">
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Am 19.07.2011 wurden noch einmal schriftlich die Daten der konkret auf die Züge einwirkenden Verspätungswerte nachgefragt und in der Folge mehrfach, aber ohne Erfolg angemahnt. Kurz vor der Stresstest-Präsentation hieß es dann, man habe die Frage nicht verstanden (.... Quelle).
  <tr>
+
 
    <td valign="top">'''Außenast'''</td>
+
Erst im Audit legte die SMA die Kappungen der Haltezeitverlängerungen offen, ohne allerdings auch [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Gekappte Haltezeitverlängerungen dargestellt aber nicht besprochen|nur mit einer Silbe auf diese Größen einzugehen]]. Selbst als die SMA in ihrer Tabelle den Grenzwert für den Güterverkehr eintrug, der das Maximum unterhalb des Mittelwerts festlegte, wurde sie nicht stutzig. Dafür reicht mutmaßlich nicht aus, nur auf einem Auge blind zu sein.
    <td valign="top">'''Mischbetriebsabschnitt'''</td>
+
 
    <td valign="top">'''Beförderungszeit'''</td>
+
===Wirkung der Kappung===
    <td valign="top"></td>
+
 
    <td valign="top"></td>
+
Es bestand wohl die Hoffnung, dass niemand verstehen würde, was diese Randnotiz in der Tabelle zu bedeuten hätte. Ohne jede Erläuterung ist das auch kaum möglich. Man muss in das Handbuch der verwendeten Simulationssoftware schauen, um diese Größen einordnen zu können:
    <td valign="top">Takt</td>
+
 
    <td valign="top">Anmerkungen</td>
+
{| class="wikitable float-right" style="caption-side:bottom;"
  </tr>
+
!Parameter!!style="width:5em; text-align:center"|Fern-<br />verkehr!!style="width:5em; text-align:center"|Nah-<br />verkehr!!style="width:5em; text-align:center"|S-Bahn!!style="width:5em; text-align:center"|Güter-<br />verkehr
  <tr>
+
|-
    <td valign="top">'''(Linie)'''</td>
+
|Wahrscheinlichkeit{{c}}10 %{{c}}10 %{{c}}10 %{{c}}10 %
    <td valign="top">'''von ...''' (Abfahrtszeit) '''bis ...''' (Ankunftszeit)</td>
+
|-
    <td valign="top">'''S-Bahn'''</td>
+
|Mittelwert der Verspätungen (nominal){{c}}2,0 Min.{{c}}1,0 Min.{{c}}0,5 Min.{{c}}5,0 Min.
    <td valign="top">'''Regionalzug'''</td>
+
|-
    <td valign="top">'''Differenz'''</td>
+
|Maximum der Verspätungen{{c}}5,0 Min.{{c}}3,0 Min.{{c}}1,0 Min.{{c}}3,0 Min.
    <td valign="top">(S-Bahn)</td>
+
|-
    <td valign="top"></td>
+
|Anteil der gekappten Verspät.{{c}}8 %{{c}}5 %{{c}}14%{{c}}55 %
  </tr>
+
|-
  <tr></tr>
+
|Mittelwert der Verspätungen (real){{c}}1,84 Min.{{c}}0,95 Min.{{c}}0,43 Min.{{c}}2,26 Min.
  <tr></tr>
+
|- style="color:red"
  <tr>
+
|style="color:black"|Reduktion des Mittelwertes{{c}}'''8 %'''{{c}}'''5 %'''{{c}}'''14 %'''{{c}}'''55 %'''
    <td valign="top">S1-Ost</td>
+
|-
    <td valign="top">'''von Wendlingen(N) bis Plochingen'''</td>
+
|+ style="font-weight:normal"|<small>Auswirkung der gekappten Haltezeitverlängerungen (hohes Belastungsniveau)</small>
    <td valign="top">5 Min.</td>
+
|}
    <td valign="top">5 Min.</td>
+
:''"Die negative Exponentialverteilung wird häufig zur Beschreibung einer Abfahrtszeitverlängerung genutzt. Die Wahrscheinlichkeit w<sub>p</sub>, dass eine Verspätung der Zufallszahl v auftritt ist definiert als:<br />Sei v € [0;1] und wenn v < w<sub>e</sub> / 100 (d.h. wenn die Zufallszahl v kleiner ist als der Anteil der verspäteten Züge, dann wird der Zug mit der folgenden Verteilung gestört.)<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;v<sub>sp</sub> = – p<sub>m</sub> × ln(1 – 100 v / w<sub>e</sub>)<br />Die Parameter haben dabei folgende Bedeutung<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;v<sub>sp</sub> = Verspätung in Minuten<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;p<sub>m</sub> = mittlere Verspätung der verspäteten Züge in Min.<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;w<sub>e</sub> = Anteil der verspäteten Züge (in %)<br />&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;p<sub>max</sub> = die {{hl|maximale Verspätung}} der verspäteten Züge in Min.: Wenn die zufällig gezogene Verspätung diesen Wert übersteigt, wird der entsprechende Wert auf p<sub>max</sub> reduziert."''<br />(Handbuch RailSys, S. 415, "Parameter der negativen Exponentialverteilung")
    <td valign="top">'''-0 Min.'''</td>
+
 
    <td valign="top">30 Min.</td>
+
[[Datei:Haltezeitverlängerung, Kappung.png|thumb|405px|rechts|Haltezeitverlängerungen in Minuten als Ergebnis des RailSys-Algorithmus. Die hohen Verspätungswerte werden auf wenig anspruchsvolle Werte gekappt. Die Kurven der Verkehrsarten wurden voreinander gelegt.]]
    <td valign="top"></td>
+
Erst mit der Kenntnis dieses Algorithmus wird die Bedeutung der Größen klar. Der Maximalwert kappt die Verspätungsspitzen auf diesen Wert. Die Simulation dieser Verteilung der Verspätungswerte liefert die in der nebenstehenden Tabelle und der Grafik dargestellten Werte.
  </tr>
+
 
  <tr>
+
Grundsätzlich ist die Anwendung solcher Maximalwerte in dem Algorithmus von RailSys keine unsinnige willkürliche Maßnahme. Die Formel kann in seltenen Fällen extrem hohe Verspätungswerte liefern, auch viele Stunden oder gar Tage, und es ist sinnvoll, diese zu begrenzen. Im Fall der Einbruchsverspätungen wird dies auch gemacht und hat keine merkbare grob verfälschende Wirkung. Im Falle der Haltezeitverlängerungen ist die Wirkung erheblich.
    <td valign="top">S1-Ost</td>
+
 
    <td valign="top">'''von Plochingen bis Wendlingen(N)'''</td>
+
Es wird der Großteil der Ereignisse, die alleine noch Stress in das System eintragen, nämlich die Verspätungsspitzen, auf harmlose Werte im Bereich der üblichen Pufferzeiten zurückgekürzt (zu den eigentlichen Pufferzeiten kommen die in Stuttgart Hbf teilweise besonders langen Haltezeiten). Es werden im Fern- und  Nahverkehr, bei S-Bahnen und Güterverkehr 5 %, 8 %, 14 % und sogar 55 % der Werte gekappt. Die Kappung verfälscht dabei die Mittelwerte erheblich. Es ist eine Eigentümlichkeit der Exponentialverteilung, dass diese um den gleichen Prozentsatz sinken und das, obwohl die Werte ja nicht auf Null zurückgesetzt werden, sondern auf den Maximalwert. Dies zeigt das hohe Gewicht der Verspätungsspitzen. Aufgrund der hohen Nichtlinearität des Problems der Bahnhofsleistungsfähigkeit ist die Wirkung der Spitzen erheblich höher, als dem Prozentbetrag entspricht, um den der Mittelwert sinkt. '''Es waren genau diese gekappten Verspätungsspitzen, die eigentlich den Stress abbildeten, und die jetzt herausgenommen wurden.'''
    <td valign="top">7 Min.</td>
+
 
    <td valign="top">5 Min.</td>
+
Im Falle des Güterverkehrs ist der Eingriff schwindelerregend, wenn die Bahn das Maximum fast bei der Hälfte des Mittelwerts ansetzt. Es kann nicht entschieden werden, ob diese Größe überhaupt und ob sie genau aus diesem Grund dem Auditor vorenthalten wurde. Möglicherweise ist der Auditor aus eigenem Antrieb zurückgescheut, diese Größe schon in den Prämissengesprächen zu offenbaren. In jedem Fall hätte die Darstellung eines Maximalwerts, der unter unter dem Mittelwert der Verpätungsverteilung liegt, erhebliche Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt.  
    <td valign="top">'''-2 Min.'''</td>
+
 
    <td valign="top">30 Min.</td>
+
Die umfassende Informationszurückhaltung, die definitive Falschdarstellung in der Abschlussdokumentation der Bahn und die unvollständige Darstellung durch den Auditor in den Prämissengesprächen, die Nicht-Beantwortung entsprechender Fragen, lassen den Verdacht einer absichtsvollen Täuschung der Öffentlichkeit in dieser Frage aufkommen. Es entsteht der Eindruck, als wurden (fast) alle Maßnahmen getroffen, um diesen Eingriff zu verdecken.
    <td valign="top"></td>
+
 
  </tr>
+
{{NoGo}} {{Ex}} Für die extreme Kappung der für die Simulation so enorm wichtigen Urverspätungen in Form der Haltezeitverlängerungen gibt es '''keine Rechtfertigung'''. Eine solche wurde auch an keiner Stelle von der Bahn oder der SMA gegeben. Die Richtlinie gibt an keiner Stelle Raum für einen solch umfassenden Eingriff in die Verspätungsstatistik. Wenn die wesentlichen Stressparameter teilweise um mehr als einen Faktor 2 falsch dargestellt werden in einer Unterlage, die eine Milliardeninvestition rechtfertigen soll, erscheint das als schwerwiegender Vorfall. Es ehrt die SMA, dass sie diesen Eingriff (wenn auch nur versteckt, quasi in einer Randnote) öffentlich machte. Es wirft aber ein '''sehr zweifelhaftes Licht auf den Auditor''', wenn dieser dabei die Abweichung von dem Bahn-Regelwerk und [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Gekappte Haltezeitverlängerungen dargestellt aber nicht besprochen|diesen erheblichen Manipulationseingriff nicht erkannte]], ja die Auswirkung dieser eigens für die Stresstest-Simulation eingeführten Parameter gar nicht prüfte. Die gekappten Verspätungen zählen zu den quantitativ größten Fehlern in der Simulation. Die Verdeckung dieser Parameter durch die Bahn – evtl. auch vor dem Auditor – könnte das Misstrauen in die Bahn verstärken.
  <tr></tr>
+
 
  <tr></tr>
+
===Verspätungsspitzen für Störungen===
  <tr>
+
 
    <td valign="top">S2-Ost</td>
+
{{NoGo}} {{Ex}} Es erscheint als ein ausgesprochener Zynismus, wenn die Bahn '''ausgerechnet die Verspätungsspitzen aus der Simulation herausnimmt, die gerade die Störungen abbilden sollten''' laut der ausdrücklichen vielfachen Beteuerung der Bahn und des Auditors in der Stresstest-Präsentation (in den Prämissengesprächen ähnlich):
    <td valign="top">'''von Schorndorf bis Waiblingen'''</td>
+
# ''"Die Kennzahlen der Betriebssimulation sind: [...] 140.000 eingebrachte Störfälle durch {{hl|Verspätungen in einer großen Bandbreite}}, um zu statistisch gesicherten Ergebnissen zu gelangen."'' (Dr. Kefer, 29.07.2011, .... Uhr)<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Präsentation/Wortprotokoll .... Uhr], Dr. Volker Kefer</ref>
    <td valign="top">22 Min.</td>
+
#* Die Bandbreite wurde durch das Herausnehmen der Spitzen genau dort verengt, wo Störungen abgebildet worden wären.
    <td valign="top">12 Min.</td>
+
# ''"In dieser Computersimulation da werden ja unendlich viele {{hl|Störeinflüsse per Zufallsgenerator in das Modell hineingeschossen}} und dann so weitergerechnet."'' (Werner Stohler, 29.07.2011, 13:54 Uhr)<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Präsentation/Wortprotokoll#13:54 13:54 Uhr], Werner Stohler</ref>
    <td valign="top">'''-10 Min.'''</td>
+
#* Richtiger wäre: ... Störeinflüsse per Zufallsgenerator in das Modell hineingeschossen und danach auf ein harmloses Maß gestutzt.
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
# ''"Ich habe am Anfang meiner Präsentation gezeigt, dass Störungen durchaus in der {{hl|Größenordnung von 15 Minuten}} sein können – eine Türstörung, eine Lokomotive muss dreimal hochgefahren werden, weil es dort Computersysteme gibt, die manchmal am "Boden liegen". {{hl|Derartige größere Störungen sind also proportional, wie sie draußen im Verkehr vorkommen, enthalten.}}"'' (Werner Stohler, 29.07.2011, ca. 16:00 Uhr)<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://www.schlichtung-s21.de/fileadmin/schlichtungs21/Redaktion/pdf/110729/Protokoll29072011.pdf Stenografisches Protokoll] S. 110, Werner Stohler</ref>
    <td valign="top">'''kritisch''', da RE ab Schorndorf (Abfahrt vor S2) die vorausfahrende S2 in Waiblingen fast einholt</td>
+
#* Die Aussage ist nicht zutreffend: "Derartige größere Störungen" "in der Größenordnung von 15 Minuten" als "Türstörung" oder technische Störung am Zug, also als Verspätung im Bahnhof sind definitiv nicht in der Simulation enthalten. Solche Störungen können von der durch die Richtlinie geforderten Verteilung erzeugt werden, werden aber im Fernverkehr auf 5 Min. und im Regionalverkehr auf 3 Min. gekappt. Die derart erzeugten, bei einem Festbetrag gekappten Verspätungswerte anstatt der höheren Verspätungen sind eben nicht "proportional, wie sie draußen im Verkehr vorkommen". Die Verteilung hat statt der Spitze einen unnatürlichen Sockel erhalten.
  </tr>
+
# ''"Die Verspätungen, die in dem System wiedergespiegelt werden, werden {{hl|per Zufallsgenerator erzeugt}}. Das war genau die Aussage, die wir getan haben und Herr Stohler hat sie bestätigt. Und diese Ursachen beinhalten auch abweichend von dem, was Herr Palmer vorhin gesagt hat, natürlich jegliche Ursache, die da vorstellbar ist. Also {{hl|Signalstörungen, Weichenstörung und sonst irgendwas}}. Das wird dort alles wiedergespiegelt."'' (Dr. Kefer, 29.07.2011, 17:47 Uhr)<ref>29.07.2011, Stresstest-Präsentation, [http://stuttgart21.wikiwam.de/Stresstest_Präsentation/Wortprotokoll#17:47 17:47 Uhr], Dr. Volker Kefer</ref>
  <tr>
+
#* Wenn 55 % der Verspätungsannahmen im Güterverkehr denselben (verharmlosten) Wert annehmen oder 8 % im Fernverkehr, kann man nicht mehr von Zufallsgenerator sprechen.
    <td valign="top">S2-Ost</td>
+
 
    <td valign="top">'''von Waiblingen bis Schorndorf'''</td>
+
Mehrfach wurde von der Bahn und der SMA betont, es seien '''anspruchsvolle Parameter''' gewählt worden. Dabei wurde verschwiegen, dass die eigentlich anspruchsvollen Verspätungswerte '''auf ein harmloses Niveau gekappt''' wurden:
    <td valign="top">21 Min.</td>
+
# ''"Für die Betriebssimulation des Stresstests wurden {{hl|durchgehend anspruchsvolle}} Parameter gewählt."'' (Doku. Teil 1 S. 21)
    <td valign="top">11 Min.</td>
+
#* Diese Aussage steht direkt neben den Verspätungsparametern, die die Kappung der Haltezeitverlängerungen auf wenig anspruchsvolle Werte unterschlagen. Diese Unaufrichtigkeit tut besonders weh und mag noch für Charakterstudien dienlich sein.
    <td valign="top">'''-10 Min.'''</td>
+
# ''"Es werden in der Simulation die Werte für eine {{hl|hohe Belastung}} des Haltebahnhofs unterstellt. Damit werden {{hl|auch weitere Urverspätungen}}, die nicht explizit in das System eingebracht werden, abgedeckt."'' (Audit SI-05 S. 2 / Bl. 157)
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
#* Auch dies ist der direkte Zusatz der SMA zur Darstellung der gekappten Haltezeitverlängerungen. Sie musste mutmaßlich auf [[Stuttgart 21/Stresstest/Kritik an SMA#Gekappte Haltezeitverlängerungen dargestellt aber nicht besprochen|mehr als einem Auge blind sein]], um die Kappung zu übersehen. Aber dass hier auch noch geschlossen wird, dass sogar "weitere Urverspätungen" abgedeckt seien, geht besonders weit. Diese weiteren Urverspätungen müssen sich auf die größeren Störfälle beziehen, die die SMA an anderer Stelle im Audit anspricht. D.h. es wird dargestellt, wie die Verspätungsspitzen gekappt werden und geschlossen, dass nun genau die Störungen berücksichtigt werden, die nur von den ungekappten Verspätungsspitzen abgebildet werden könnten!?
    <td valign="top">'''kritisch''', da RE ab Waiblingen (Abfahrt vor S2) die vorausfahrende S2 in Schorndorf fast einholt</td>
+
 
  </tr>
+
{{NoGo}} {{Ex}} Es bleibt als Fazit nur festzustellen, dass auch noch genau der Teil der ohnehin [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter|unrealistisch optimistischen Verspätungsverteilung]] aus der Simulation '''herausgenommen''' wurde, der als letzter '''noch ein bisschen Stress''' hätte erzeugen können. D.h. der Stresstest ist nicht nur eine Schönwettersimulation, sondern eine '''Schönstwettersimulation'''!
  <tr></tr>
+
 
  <tr></tr>
+
===Rolle des Güterverkehrs===
  <tr>
+
 
    <td valign="top">S3-Ost</td>
+
Man kann nachvollziehen, dass die Berücksichtigung des Güterverkehrs unter realistischen Bedingungen enorme Schwierigkeiten in der Simulation verursachen würde. Dies könnte auch eine Erklärung liefern für die so '''vollkommen unsinnige Sensitivitätsbetrachtung ohne Güterverkehr''', zu der die SMA schreibt:
    <td valign="top">'''von Backnang bis Waiblingen'''</td>
+
:''"DB Netz AG hat eine Sensitivitätsbetrachtung ohne SGV durchgeführt. {{hl|Ein Betriebsprogramm ohne Güterverkehr ist nicht realistisch.}} Da dieser Zustand einen fiktiven Fall darstellt, wird er hier nicht detailliert kommentiert. Die Sensitivitätsprüfung zeigt einen {{hl|deutlichen Effekt des Güterverkehrs}} in der Simulation. Zwischen Einbruchbetriebsstelle und Ausbruchbetriebsstelle können gut 40 Sekunden mehr Verspätung als in der Grundvariante abgebaut werden."'' (Audit SI-07 S. 7 / Bl. 181)
    <td valign="top">18 Min.</td>
+
 
    <td valign="top">14 Min.</td>
+
Da die Berechnung einer Sensitivität ohne Güterverkehr so fern der Wirklichkeit ist (es gibt keine Pläne für die Abschaffung des Güterverkehrs in der Region Stuttgart), stellt sich die Frage, wozu diese Untersuchung gemacht wurde. Es kann nur spekuliert werden, ob man nach der extremen Kappung der Haltezeitverlängerung und damit der Reduktion der Urverspätungen im Güterverkehr um mehr als die Hälfte nicht mehr sicher war, ob sich der Güterverkehr überhaupt noch signifikant in der Simulation bemerkbar macht. In diesem Fall hätte das Ergebnis eines immer noch "deutlichen Effekts" des Güterverkehrs für die Verantwortlichen des Eingriffs eine Beruhigung sein können.
    <td valign="top">'''-4 Min.'''</td>
+
 
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
Angesichts der besonders großen Verfälschung beim Güterverkehr durch die Kappung der Verspätungen hat das folgende Fazit der SMA zum Güterverkehr einen besonders bitteren Klang und erscheint als einer der kapitalsten Fehler im Audit:
    <td valign="top"></td>
+
:''"{{hl|Beim Güterverkehr sind keine Anpassungen erforderlich.}}"'' (Audit FP-09 S. 3 / Bl. 115)
  </tr>
+
 
  <tr>
+
==Fahrzeitüberschüsse voll im Verspätungsabbau==
    <td valign="top">S3-Ost</td>
+
 
    <td valign="top">'''von Waiblingen bis Backnang'''</td>
+
===Richtlinie: 50 % Fahrzeitüberschuss nutzbar===
    <td valign="top">18 Min.</td>
+
 
    <td valign="top">14 Min.</td>
+
Laut Richtlinie 405 dürfen insbesondere bei der Bewertung der Betriebsqualität (wenn es um "wirtschaftlich optimal" oder "Premium" geht) "entsprechend den Bedingungen in der Praxis" Bauzuschläge und planmäßige Wartezeiten nur zum Teil, in der Regel nur zu 50 %, genutzt werden. Fahrzeitzuschläge sollten ggf. ganz unberücksichtigt bleiben:
    <td valign="top">'''-4 Min.'''</td>
+
:''"Simulationsmethoden erlauben die Abbildung von Verspätungsabbau, wobei i.d.R. {{hl|der Abbau der Hälfte}} des Bauzuschlags und der im zu Grunde liegenden Fahrplan enthaltenen {{hl|planmäßigen Wartezeiten}} im Betrachtungsraum zugelassen wird. Die Nutzung von {{hl|Fahrzeitzuschlägen}} zum Abbau von Verspätungen kann toolgebunden unterbunden werden."'' (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161)
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
 
    <td valign="top"></td>
+
In der Definition der Betriebsqualität wird vielfach auf folgende Fußnote verwiesen, die jedoch sowohl von der Bahn in der Stresstest-Dokumentation (Doku. Teil 1 S. 23) als auch von der SMA im Audit (Audit SI-02 S. 2 / Bl. 176) [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest|unterschlagen wird]]:
  </tr>
+
:''"Hierbei wird angenommen, dass {{hl|entsprechend den Bedingungen in der Praxis ein Teil}} der in der Regel erforderlichen planmäßigen Wartezeiten und der bei der Fahrplanerstellung üblicherweise eingearbeiteten Zeitzuschläge zum Verspätungsabbau genutzt werden kann."'' (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94)
  <tr></tr>
+
 
  <tr></tr>
+
Die erste Formulierung ist nicht ganz eindeutig, der Satz am Anfang könnte so gelesen werden, dass nur die Hälfte des Bauzuschlags und die Wartezeiten voll zum Verspätungsaufbau genutzt werden könnten (wenn der Genitiv der Wartezeiten sich auf "Abbau" und nicht auf "Hälfte" beziehen würde). Wäre dies so gemeint, hätte die Richtlinie das präziserweise mit einer zusätzlichen Formulierung wie 'der Abbau der vollen [...] enthaltenen planmäßigen Wartezeiten' klarstellen müssen. Dass sich die Hälfte sowohl auf Bauzuschlag wie auch auf die planmäßigen Wartezeiten bezieht, wird durch die zweite genannte Passage der Richtlinie klar. Aber insbesondere ist es die einzig logische Interpretation. Denn es ist nicht zu erkennen, warum im Verspätungsfall andere Störungen aufgrund von Bautätigkeiten, Ausfällen der Technik oder Problemen mit Personen ausgeschaltet sein sollten.
  <tr>
+
 
    <td valign="top">S6-Ost</td>
+
===Simulation: 100 % Fahrzeitüberschuss genutzt===
    <td valign="top">'''von Renningen bis Korntal'''</td>
+
 
    <td valign="top">18 Min.</td>
+
[[Datei:DB Netz AG, Prämissengespräche, Fahrzeitreserven.jpg|rechts|400px|thumb|Verspätungsabbau aus Fahrzeitreserven. Antwort DB Netz auf Frage 33 in den Prämissengesprächen.]]Die für den Stresstest wesentlichen Annahmen zum Verspätungsabbau sind nicht in der Stresstest-Dokumentation dargestellt. Weder die Nutzung von Fahrzeitüberschüssen, noch die Mindesthaltezeiten oder andere Annahmen zum Verspätungsabbau.
    <td valign="top">(Güterzüge)</td>
+
 
    <td valign="top">'''?'''</td>
+
Erst in den Prämissengesprächen wurden die Bedingungen des Verspätungsabbaus offenbart. Allerdings ohne den Hinweis darauf, dass die Richtlinie nur die Nutzung von 50 % der Reserven zum Verspätungsabbau zulässt. Das in der Antwort der DB Netz auf die entsprechende Fragen dargestellte Bild aus dem Simulationstool suggeriert dabei doch noch eine Nutzung des Bauzuschlags zu nur 50 %. Dieser ist jedoch zu diesem Zeitpunkt schon ganz dem Fahrzeitüberschuss zugeschlagen (zweiter Aufzählungspunkt, Audit SI-04 S. 1 / Bl. 153 f, siehe Folgeabsatz).
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
 
    <td valign="top">''49er-Grundtaktfahrplan für Stuttgart21'' '''ohne Darstellung der Güterzüge'''</td>
+
{{NoGo}} Nach den im vorausgehenden Absatz zitierten Aussagen der Richtlinien darf der Bauzuschlag nur zu 50 % zum Verspätungsabbau verwendet werden. Fahrzeitüberschüsse sollen nach der Richtlinie sogar gegebenenfalls ganz unberücksichtigt bleiben. Die Simulation der "Grundversion", die die Basis des Stresstest-Ergebnisses ist, und offenbar im Unterschied zu den "Sensitivitäten" die einzige Vollsimulation mit 100 simulierten Tagen ist, beruht somit auch bezüglich der Verwendung der Fahrzeitüberschüsse auf unzulässigen Parametern. Offenbar wurde dieser Fehler lediglich in der "Sensitivität" mit 75 % Fahrzeitüberschuss teilweise korrigiert:
  </tr>
+
 
  <tr>
+
===SMA: 75 % Fahrzeitüberschuss genutzt===
    <td valign="top">S6-Ost</td>
+
 
    <td valign="top">'''von Korntal bis Renningen'''</td>
+
Die SMA schreibt zu den Fahrzeitreserven:
    <td valign="top">17 Min.</td>
+
:''"Die Richtlinie sieht vor, dass in der Regel bei Simulationen die Hälfte des Bauzuschlags sowie der gesamte Fahrzeitüberschuss zum Verspätungsabbau genutzt werden können. {{hl|Der Regelzuschlag wird nicht explizit genannt.}}''
    <td valign="top">(Güterzüge)</td>
+
:''Bauzuschläge sind hier im FzÜ enthalten. Zur Kompensation der vollständigen Nutzung des FzÜ und somit des impliziten Bauzuschlags wird der Regelzuschlag nicht zum Verspätungsabbau genutzt. Da Bau- und Regelzuschlag im Allgemeinen ähnlich große Werte annehmen, ist dieses Vorgehen eine sinnvolle Annäherung.''
    <td valign="top">'''?'''</td>
+
:''Aufgrund der Unsicherheiten des {{hl|weit in der Zukunft liegenden Zeithorizonts}} in der Fahrplankonstruktion (Bauzuschlag, Fahrzeuge etc.) ist das Verhältnis zwischen Regel-, Bauzuschlag und Fahrzeitüberschuss nicht genau einzuschätzen. Eine Sensitivitätsanalyse erlaubt es, diese Unsicherheit einzugrenzen. Es wird eine Analyse empfohlen, bei der nur 75 % des FzÜ für den Verspätungsabbau genutzt werden."'' (Audit SI-04 S. 1 / Bl. 153 f)
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
Diese Darstellung der SMA unterliegt einer Reihe von Fehleinschätzungen:
    <td valign="top">''49er-Grundtaktfahrplan für Stuttgart21'' '''ohne Darstellung der Güterzüge'''</td>
+
# Die SMA begeht hier den Fehlschluss, dass der Regelzuschlag, weil er "nicht explizit genannt" wird, zum Verspätungsabbau genutzt werden könnte, und seine Nichtverwendung hier die fälschliche Nutzung des Bauzuschlags kompensieren kann.
  </tr>
+
# Wenn die Richtlinie den Regelzuschlag nicht beim Verspätungsabbau erwähnt, dann heißt es, dass er nicht zum Verspätungsabbau zugelassen wird. D.h. er steht dann auch nicht zur Kompensation zur Verfügung.
  <tr></tr>
+
# Der Regelzuschlag, "dient dem Ausgleich der sich täglich ändernden äußeren Einflüsse auf die Fahrzeit (Witterung, unterschiedliche Tfz-Leistung, Reaktion des Tfz-Führers)." (Richtlinie 405.0103 S. 7 / Bl. 41) und ist im Fahrplan enthalten. Er beruht auf Erfahrungswerten und ist Bestandteil der realistischen Fahrzeit, kann also gar nicht zum Verspätungsabbau genutzt werden.
  <tr></tr>
+
# SMA argumentiert inkonsequent, wenn zunächst das Vorgehen der Bahn als "sinnvolle Annäherung" bewertet wird, und dann doch eine Sensitivität gefordert wird.
  <tr>
+
# Die Argumentation bezüglich der Unsicherheit im Verhältnis der Zuschläge und dem "weit in der Zukunft liegenden Zeithorizont" ist unzutreffend, da 9 Jahre wenig bedeuten vor dem Zeitraum, in dem die Erfahrungswerte der Richtlinie gesammelt wurden und regelmäßig zur Anwendung kamen. Es ist nicht anzunehmen, dass sich in den kommenden 9 Jahren das Bahnwesen vollkommen verändert, dann wäre gar keine Richtlinie nötig.
    <td valign="top">S60/S6-Ost</td>
+
# Es ist überhaupt nicht zu erkennen, wie eine für den Stresstest durchgeführte Sensitivität mit 75 % Fahrzeitüberschuss diese vermeintliche Unsicherheit der Zuschläge in der Zukunft "einzugrenzen" vermag. Sie hat damit nichts zu tun.
    <td valign="top">'''von Böblingen bis Korntal'''</td>
+
# In Summe erscheint die Darstellung nebulös und wenig quantitativ. Woher kommen die 75 %?
    <td valign="top">39 Min.</td>
+
 
    <td valign="top">(Güterzüge)</td>
+
{{NoGo}} Die SMA führt hier eine nicht nachvollziehbare Argumentation. Es lässt sich nicht entscheiden, ob die Richtlinie nicht aufmerksam gelesen wurde oder ob der SMA evtl. eine bestimmte Interpretation nahegelegt wurde, so dass sie dem Missverständnis unterlag, dass die Regelzuschlag als Kompensation genutzt werden könnte. Die Begründung für die Sensitivität ist nicht logisch nachvollziehbar, der Wert von 75 % Fahrzeitüberschuss erscheint nicht hinreichend begründet.
    <td valign="top">'''?'''</td>
+
 
    <td valign="top">30 Min.</td>
+
{{Hinweis|Baustelle|Bitte sämtliche Richtlinienverstöße prüfen/ergänzen/ausformulieren und evtl. mit weiteren Referenzen aus den Richtlinien (zumeist 405) belegen! Ggf. weitere Punkte anfügen.}}
    <td valign="top">''49er-Grundtaktfahrplan für Stuttgart21'' '''ohne Darstellung der Güterzüge'''</td>
+
 
  </tr>
+
==Qualität der Bahn-Richtlinien==
  <tr>
+
 
    <td valign="top">S60/S6-Ost</td>
+
Aus der Analyse des Stresstests ergibt sich auch eine Bewertung der Qualität der Richtlinie 405 der Bahn.
    <td valign="top">'''von Korntal bis Böblingen'''</td>
+
 
    <td valign="top">41 Min.</td>
+
'''Die Richtlinie fordert eine realitätsnahe Simulation'''
    <td valign="top">(Güterzüge)</td>
+
 
    <td valign="top">'''?'''</td>
+
Die hohe Qualität der Richtlinie zeigt sich darin, dass sie nahezu alle Abweichungen von einer realitätsnahen Simulation im Stresstest zu Stuttgart 21 untersagt:
    <td valign="top">30 Min.</td>
+
# Sämtliche Parameter müssen aufgabengemäß gewählt werden und einzeln auf die Realitätsnähe geprüft werden.
    <td valign="top">''49er-Grundtaktfahrplan für Stuttgart21'' '''ohne Darstellung der Güterzüge'''</td>
+
# Für eine Simulation müssen alle Parameter gleichzeitig auf diese Werte gesetzt werden. Sensitivitäten sind nicht zugelassen, um Resultate zu ermitteln.
  </tr>
+
# Eine Simulation muss über 100 Tage durchgeführt werden, Stichproben an einzelnen möglicherweise handverlesenen "guten" Tagen (Sensitivitäten) sind nicht zulässig.
  <tr></tr>
+
# Die Verspätungsstatistik darf nicht um die Spitzen, die gerade die Störungen im praktischen Betrieb abbilden, bereinigt werden.
  <tr></tr>
+
# ....
  <tr>
+
 
    <td valign="top">S5-West</td>
+
{{Hinweis|Baustelle|Ergänzen und Belege anfügen!}}
    <td valign="top">'''von Rohr(Abzweig) bis Herrenberg'''</td>
+
 
    <td valign="top">21 Min.</td>
+
'''Die Richtlinie ist an mehreren Stellen unnötig unklar'''
    <td valign="top">ca. 16 Min.</td>
+
 
    <td valign="top">'''-5 Min.'''</td>
+
Es fällt aber auf, dass die Richtlinie an einzelnen entscheidenden Stellen merkwürdig unklare Formulierungen gebraucht, wo eine einfache absolut eindeutige Darstellung geboten wäre:
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
# Problematisch für den Stresstest zu Stuttgart 21 war die unnötig komplizierte Formulierung zu den [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest|Minutengrenzen des Verspätungsaufbaus]] (405.0104 S. 21 / Bl. 109): Eine einfache Tabelle, in der Art: Bis 0,0 Minuten Verspätungsaufbau "wirtschaftlich optimal", bis 1,0 Minuten "risikobehaftet", darüber "mangelhaft" würde die Einstufung klarer wiedergeben.
    <td valign="top"></td>
+
# Tatsächlich doppeldeutig ist die Formulierung zum [[Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Richtlinie: 50 % Fahrzeitüberschuss nutzbar|Abbau der Fahrzeitüberschüsse]] (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161), deren zutreffende Interpretation sich erst mithilfe einer weit entfernten Textstelle der Richtlinie aufklären lässt (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94).
  </tr>
+
 
  <tr>
+
'''Die Richtlinie weist einen systematischen Fehler auf'''
    <td valign="top">S5-West</td>
+
 
    <td valign="top">'''von Herrenberg bis Rohr(Abzweig)'''</td>
+
Ein einziger systematischer Fehler in der Richtlinie wurde bisher identifiziert:
    <td valign="top">21 Min.</td>
+
# Die Richtlinie lässt zu, dass Urverspätungen in Form von Haltezeitverlängerungen berücksichtigt werden. Sie macht aber keine Vorschrift, dass die Ermittlung des Verspätungsaufbaus dann [[Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Urverspätungen erscheinen nicht im Verspätungsaufbau|um den Beitrag der Urverspätungen zu korrigieren wäre]]. Damit erscheint der Verspätungsaufbau systematisch um mehrere Sekunden geschönt.
    <td valign="top">ca. 15 Min.</td>
+
    <td valign="top">'''-6 Min.'''</td>
+
    <td valign="top">15 Min.</td>
+
    <td valign="top"></td>
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  </tr>
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  <tr></tr>
+
  <tr></tr>
+
  <tr>
+
    <td valign="top">S4/6-West</td>
+
    <td valign="top">'''von Rohr(Abzweig) bis Flughafen</td>
+
    <td valign="top">9 Min.</td>
+
    <td valign="top">ca. 5 Min.</td>
+
    <td valign="top">'''-4 Min.'''</td>
+
    <td valign="top">(10/)20 Min.</td>
+
    <td valign="top">Hinweis: Fahrplantechnisch maßgebend ist ''hier'' der 20-Minuten-Abstand von der S4 auf die S6.</td>
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  </tr>
+
  <tr>
+
    <td valign="top">S4/6-West</td>
+
    <td valign="top">'''von Flughafen bis Rohr(Abzweig)'''</td>
+
    <td valign="top">8 Min.</td>
+
    <td valign="top">ca. 5 Min.</td>
+
    <td valign="top">'''-3 Min.'''</td>
+
    <td valign="top">(10/)20 Min.</td>
+
    <td valign="top">Hinweis: Fahrplantechnisch maßgebend ist ''hier'' der 20-Minuten-Abstand von der S6 auf die S4.</td>
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  </tr>
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</table>
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==Einzelnachweise==
 
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In Klammern gesetzte (Quellenangaben) ohne Fußnote beziehen sich zumeist auf wesentliche Unterlagen zum Stresstest, die im Artikel "[[Stuttgart 21/Stresstest/Dokumente|Dokumente]]" beschrieben werden.
 
In Klammern gesetzte (Quellenangaben) ohne Fußnote beziehen sich zumeist auf wesentliche Unterlagen zum Stresstest, die im Artikel "[[Stuttgart 21/Stresstest/Dokumente|Dokumente]]" beschrieben werden.
  
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Version vom 14. Mai 2012, 07:16 Uhr

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Im Schlichterspruch zum Stresstest war die Anwendung "anerkannter Standards des Bahnverkehrs" gefordert worden. Eine solche weiter gefasste Prüfung der Prämissen des Stresstests auch im Vergleich zu internationalen Standards fand nicht statt. Es wiegt deshalb besonders schwer, dass sich in den Details der Durchführung des Stresstests zu Stuttgart 21 sogar eine Reihe von Verstößen gegen Bahn-Richtlinien finden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Richtlinie 405 "Fahrwegkapazität" zu. Selbst diese Richtlinie ist argumentativ nicht geschlossen, da sie an vielen Stellen auf die Unter-Richtlinie 405.0105 "Theoretische Grundlagen" verweist, die noch nicht vorliegt.

Es wird eine Fülle von Richtlinienverstößen gezählt, aktuell allein 11 KO-Kriterien (Stand 13.11.2013), von denen jedes für sich genommen den Stresstest ungültig macht. Es stellt sich die Frage, wie das passieren konnte und ob es fahrlässig möglich war. Die Bahn selbst hatte offenbar schon früh sich darum gesorgt, das Ergebnis des Stresstests sicherzustellen:

"Während SMA die Prämissen gleich zu Anfang festzurren wollte, wollte die Bahn diese im Prozess anpassen, damit der Stresstest für den Tiefbahnhof mit 49 Zügen auch bestanden werde." (Stuttgarter Zeitung, 21.06.2011)[1]

Es war also von der Bahn dargestellt worden, dass die Prämissen (die weitgehend von Richtlinien festgelegt sind) auf das gewünschte Stresstest-Ergebnis hin "angepasst" werden würden. Ein Zusammenhang mit den zahlreichen Richtlinienverstößen liegt somit nahe.

Dot.pngNoGo.pngDot.png – schwerer Mangel oder Nachteil
NoGo.png – KO-Kriterium
NoGo.png Ex.png – KO-Kriterium im öffentlichen Fokus

Richtlinien-Verstöße
Richtlinien-Verstöße, Methode
NoGo.png Ex.png Regelwidrige Grenzen für Betriebsqualität
NoGo.png Betriebsqualität aus gekappter Streckenauswertung
NoGo.png Betriebsqualität allein aus Verspätungsveränderung
NoGo.png Betriebsqualität von Haltezeitverkürzung überlagert
NoGo.png Ex.png Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation
NoGo.png Ex.png Finaler Simulationslauf auch unvollständig
NoGo.png Ex.png Test nur im Vergleich aussagefähig
NoGo.png Stresstest-Dokumentation nicht nachvollziehbar
NoGo.png Ex.png Keine Belegungsgrade
NoGo.png Simulation nach ungültiger Prozessbeschreibung
Dot.pngNoGo.pngDot.png Keine Modellzug-Spezifität
Richtlinien-Verstöße, Parameter
NoGo.png Kein Stress im Test
NoGo.png Ex.png Haltezeitverlängerungen gekappt
NoGo.png Fahrzeitüberschüsse voll verwendet

ExpertsOnly.png

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RICHTLINIENVERSTÖSSE, METHODE

Regelwidrige Ermittlung der Betriebsqualität

Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest

Falsch zugeordnete Minutengrenzen in der neuen Definition der Betriebsqualität im Stresstest. Im Ergebnis eine weitere Stufe weniger anspruchsvoll. (Doku. Teil 1 S. 23) (Quelle: Bahn, Hervorhebungen: WikiReal).
NoGo.png Ex.png Im Stresstest wurde vollkommen freihändig und verfälschend eine neue Qualitätseinstufung als Collage aus Versatzstücken der Richtlinie zusammengesetzt. Dabei wurden die tatsächlichen quantitativen Grenzen um eine Stufe verschoben und teils fälschlich auf den ganzen Auswerteraum bezogen.

In der im Stresstest gegebenen Definition für die Betriebsqualität (Abbildung rechts, Doku. Teil 1 S. 23) wurden zwei unterschiedliche Passagen der Richtlinie 405 zusammenkopiert. Dies erfolgte aber unter Auslassung wesentlicher Festlegungen und indem ein falscher Bezug hergestellt wurde. Tatsächlich reicht der "wirtschaftlich optimale" Bereich nicht bis 1,0 Minuten Verspätungsaufbau, sondern nur bis 0,0 Minuten Verspätungsaufbau. Bis 1,0 Minuten folgt der "risikobehaftete" Qualitätsbereich. Diese Einstufung gilt außerdem nur für Teilstrecken nicht für das Gesamtnetz oder Mittelwerte von Strecken.

Die unzutreffende Qualitäts-Definition wurde in der Abschluss-Dokumentation des Stresstests auch auf Seite 18 gebraucht, mit der definitv falschen Aussage, der "optimale" Leistungsbereich reiche bis zu einer Minute Verspätungsaufbau (Doku. Teil 1 S. 18). Es stellt sich die Frage, wie ein Projekt fortgeführt werden kann, das mit derart unzutreffenden Aussagen gerechtfertigt wurde.

Falsche Definition der "optimalen" Betriebsqualität (Doku. Teil 1 S. 18) (Quelle: Bahn, Hervorhebungen: WikiReal).

Dass sich also der Verspätungsabbau von 8 und 9 Sekunden auf den Zu- und Ablaufstrecken in der Grundversion mit einer Verspätungsgrenze von 1 Minute für das Ende des "wirtschaftlich optimalen" Bereichs vergleicht (mit viel Spielraum für die "Sensitivitäten"), hat bspw. auch der Projektleiter bei der Bahn in den Prämissengesprächen erläutert.[2] Die SMA hat dies auch so verstanden (Audit SI-08 S. 14 / Bl. 199) und auch z.B. Boris Palmer[3].

Für die großen räumlichen Einheiten des Auswerteraums oder der Mittelwerte der Zu- bzw. Ablaufstrecken, ist die Vorgabe der Richtlinie rein qualitativ (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94, Hervorhebungen durch WikiReal):

Summe Folgeverspätungen / Verspätungsveränderung Bewertungsstufen der Betriebsqualität
nur geringe Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten); Sofern Zeitreserven* zur Verfügung stehen können diese genutzt werden, so dass sich die Gesamtsumme der Verspätungen zwischen Einbruch und Ausbruch deutlich verringert (Verspätungsabbau*). Premiumqualität
Summe der Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten) noch akzeptabel. Sofern Zeitreserven* zur Verfügung stehen, können die Folgeverspätungen im Mittel kompensiert werden, die Gesamtsumme der Verspätungen bleibt annähernd gleich bzw. ändert sich nicht signifikant.* wirtschaftlich optimal
Summe der Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten) steigt erheblich, Im Falle vorhandener Zeitreserven* reichen diese nicht aus, die Folgeverspätungen zu kompensieren. Die Summe der Verspätungen steigt zwischen Einbruch und Ausbruch deutlich an(Verspätungszuwachs). risikobehaftet
Verspätungssumme steigt zwischen Einbruch und Ausbruch stark an mangelhaft
(nicht marktgerecht)
* Hierbei wird angenommen, dass entsprechend den Bedingungen in der Praxis ein Teil der in der Regel erforderlichen planmäßigen Wartezeiten und der bei der Fahrplanerstellung üblicherweise eingearbeiteten Zeitzuschläge zum Verspätungsabbau genutzt werden kann. (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94; Hervorhebungen durch WikiReal)

Die Darstellung der Stresstest-Dokumentation basiert im Grundgerüst auf dieser Definition. Die rot hinterlegte wiederholte entscheidende Einschränkung durch die Fußnote, dass nur ein Teil der Wartezeiten und Zeitzuschläge verwendet werden kann, fehlt jedoch. Und gerade hier beging die Bahn einen weiteren Regelverstoß bezüglich der Fahrzeitüberschüsse.

Die Stresstest-Definition wurde um einen quantitativen Zusatz mit Minutengrenzen ergänzt. Er stammt aus der Erläuterung der Kenngröße Verspätungsveränderung (Richtlinie 405.0104 S. 21 / Bl. 109, Hervorhebungen durch WikiReal):

Für den Verspätungszuwachs gilt vorläufig folgender Rahmen (für Personenverkehr auf Mischbetriebsstrecken)
• Als Optimum gilt:
zul tVz = 0,0 [min] im Mittel über alle SPV-Züge. D.h. Die mittlere Verspätung soll im Untersuchungsbereich (Auswerteraum) möglichst nicht ansteigen. Ein Verspätungsaufbau kann auf Abschnitten ggf. dann zugelassen werden, wenn entsprechende Abbaumöglichkeiten in den benachbarten Netzelementen bestehen.
• Als noch akzeptabel gilt eine mittlere Verspätungsveränderung (Zuwachs) von:
zul tVz = 1,0 [min] im Mittel über alle SPV-Züge auf einer Folge von Netzelementen (Strecke, Teilnetz),
zul tVz = 0,5 [min] im Mittel über alle SPV-Züge in Bahnhofsköpfen. Diese Werte liegen somit an der Grenze zum mangelhaften Bereich.

Wieder bezeichnen die rot hinterlegten Passagen die Auslassungen bei der Übernahme in die Definition der Betriebsqualität des Stresstests. Das Zusammenstückeln der beiden Richtlinien-Texte ist sinnentstellend und im Ergebnis werden die Qualitätsstufen der Betriebsqualität um eine Stufe verschoben für eine erleichterte Zielerreichung im Stresstest. Dabei wird mit Auslassung und äußerst trickreich mit falschen Bezügen gearbeitet:

Verspätungsverhalten
der Infrastruktur
Betriebsqualität
nach Richtlinie 405
bis 12.2007
Betriebsqualität
nach Richtlinie 405
ab 01.2008
Betriebsqualität
im Stresstest
(falsche Minutengrenzen)
Verspätungsabbauend gut Premiumqualität Premiumqualität
Verspätungserhaltend befriedigend wirtschaftlich optimal
Verspätungssteigernd risikobehaftet wirtschaftlich optimal
Stark verspätungssteigernd mangelhaft mangelhaft risikobehaftet
Bis 2007 wurde noch gute Betriebsqualität angestrebt, danach wirtschaftlich optimal.
  • In der Stresstest-Dokumentation wurde insbesondere nicht der letzte Zusatz zitiert, dass die angeführten Werte schon die Grenze zum "mangelhaften" Qualitätsbereich markieren. Das ist zwei Stufen schlechter als "wirtschaftlich optimal", noch schlechter als "risikobehaftet" (siehe oben).
  • In der Stresstest-Dokumentation wurde der erste Punkt nicht mitzitiert (rot), d.h. dass die Grenze für "Optimum" bei "0,0" Minuten im gesamten Auswerteraum liegt. Nachdem im Folgepunkt nur eine weitere Grenze definiert wurde, an der "somit" der mangelhafte Bereich beginnt, lässt dies nur den Schluss zu, dass die 0,0 Minuten die Obergrenze für "wirtschaftlich optimal" darstellen. Diese Einstufung ist mit der vorausgehenden qualitativen Einstufung verträglich, da ja "Premium" einen "deutlichen" Verspätungsabbau bedeuten soll. D.h. die "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität verlangt Verspätungsabbau, der jedoch nicht "deutlich" ausfallen muss, maximal ist Verspätungserhaltung zulässig.
  • Hier ist zu beachten, dass die Bahn suggestiv und unzulässigerweise den zweimal auftauchenden Begriff "noch akzeptabel" in Beziehung gesetzt hat. Das erste "noch akzeptabel" aus der qualitativen Definition bezeichnet jedoch die "Summe der Folgeverspätungen", die aber im Mittel (zwischen Einbruch und Ausbruch) vom Verspätungsabbau kompensiert werden sollen. Das zweite "noch akzeptabel" aus der Detaildefinition bezeichnet jedoch die Werte, bevor der "mangelhafte" Bereich beginnt.
  • In der Stresstest-Dokumentation wurde insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass diese Werte eben nicht für eine Mittelung über alle Zulauf- oder alle Ablaufstrecken sowie nicht für den gesamten Untersuchungsbereich gelten, insbesondere nicht für Zulaufstrecke plus Bahnhof mit Halt plus Ablaufstrecke. Die Grenzwerte gelten ausdrücklich nur für Teilstrecken und Bahnhofsköpfe. Auch an anderer Stelle macht die Richtlinie klar, dass einzelne Kennwerte für einen ganzen Bahnknoten nicht "aussagekräftig" sind (Richtlinie 405.0401 S. 7 Bl. 345).
  • Dass die Bahn und auch SMA wiederholt die Sekundenwerte dieser Strecken-Mittelwerte mit der Minutengrenze der Qualitätsdefinition in Beziehung setzte ist unzulässig und führte die Öffentlichkeit in die Irre. In den Grafiken hätte per Fußnote darauf hingewiesen werden müssen, dass bspw. die 8 bis 9 Sekunden Verspätungsabbau nichts mit dem Qualitätsprädikat und der Qualitätsgrenze von 30 oder 60 Sekunden zu tun haben.
  • Allenfalls hätte eine Aussage dargestellt werden dürfen, dass X % der Zulaufstrecken, betreffend Y % der Züge, im Zulauf "wirtschaftlich optimal" erhalten, etc. Tatsächlich hat die Bahn aber auch in der Qualitäts-Bewertung der einzelnen Strecken unsauber gearbeitet, indem bei kritischen Strecken das Prädikat nur für den Abschnitt erteilt wurde, der noch "optimal" ausfiel, die Gesamtstrecke, die "mangelhaft" ergeben hätte, wurde nicht bewertet (Folgeabsatz).
  • Diese Teilelemente des Systems wären dann (den Beispiel-Auswertungen der Richtlinie folgend) in einer graphischen Auswertung entsprechend ihrer Qualität einzeln farblich zu kennzeichnen (Richtlinie 405.0205A01 S. 5 / Bl. 235).
  • In der Qualitätsdefinition der Stresstest-Dokumentation ist zwar die Formulierung "in Bahnhofsköpfen" korrekt übernommen worden (Doku. Teil 1 S. 23). Dennoch wurde nie, insbesondere bei dem verschiedentlichen Bezug auf die 30 Sekunden-Verspätungsgrenze in den "freiwilligen" Zusatzprüfungen eine Prüfung der tatsächlichen Bahnhofsköpfe vorgenommen, sondern vielmehr der Untersuchungsraum auf den "S21-Knoten" ausgeweitet (Doku. Teil 1 S. 22, Teil 2 S. 63, 68, 85, 91, 113, 133 / Bl. 2, 7, 24, 30, 52, 72) und ein großer Anteil Alt-Zulaufstrecke zum Abpuffern der Verspätungen genutzt.
  • Die tatsächliche Auswertung der Bahnhofsköpfe hätte weit unvorteilhaftere Werte für den Verspätungsaufbau geliefert, z.B. von +24 Sek. für die Züge aus Horb nach Stuttgart (Doku Teil 2 S. 89 / Bl. 28), nahe der Grenze zu "mangelhaft" bei +30 Sek. – und das schon in der viel zu optimistischen Grundvariante. Ein Wert deutlich verschieden von den 8 Sek., dem Mittelwert, den die Bahn für die Zuläufe angibt.
Gegenüberstellung der falschen Zuordnung der Betriebsqualität im Stresstest mit der Zuordnung entsprechend der Richtlinie anhand von Beispielwerten.
Die Hauptproblematik aus der verfälschten Definition der Betriebsqualität wird in der nebenstehenden Grafik illustriert. Die erste farbige Säule gibt die unzulässig verschobenen Qualitätsstufen wieder. Die Grenze zu Premium hatte die Bahn in den Prämissengesprächen mit -5 Sekunden angegeben.[4] Die Bahn hatte aber nicht nur die Stufen falsch festgelegt, sondern auch unzulässigerweise den mittleren Verspätungsaufbau im Durchschnitt aller Zuläufe oder Abläufe hiermit verglichen. Die Richtlinie lässt eine solche Mittelung nicht zu, sondern schreibt eine Bewertung von Teilstrecken (Folge von Netzelementen) vor, zumindest wenn es um die Anwendung der Minutengrenzen geht. Es hätten also die Einzelstrecken bewertet werden müssen.

Dort wo die Einzelstrecken bewertet werden, in der sogenannten freiwilligen Zusatzprüfung, hatte die Bahn in der Darstellung des Verspätungsaufbaus nach Linien in mehreren Fällen nicht die ganze Strecke bewertet, sondern die Strecke exakt nur soweit betrachtet, solange sie noch "wirtschaftlich optimal" erschien (siehe Folgeabsatz), wie in den mittleren Säulen dargestellt. Diese Willkür wird weder von der Bahn noch vom Auditor SMA begründet und es ist nicht zu erkennen, wie sie gerechtfertigt werden könnte. Werden die Strecken bis zum Ende bewertet, reichen sie teilweise weit in den "risikobehafteten" (entspr. den Stresstest-Qualitätsstufen) Bereich. Tatsächlich reichen sie aufgrund der unzulässig verschobenen Qualitätsskala weit in den "mangelhaften" Bereich.

Entsprechend der Richtlinie müssen Bahnhofsköpfe strenger bewertet werden. Hier beginnt der mangelhafte Bereich schon bei 30 Sekunden. Es wurden die Auswertungen des Schienenpersonenverkehrs aus der Dokumentation S. 69 bis 84 (Teil 2 Bl. 8 bis 23) herangezogen, um die mittlere Verspätungsveränderung beim Zulauf in die Bahnhofsköpfe zu ermitteln. Dabei wurde mit den Zugzahlen gewichtet und der Rückstau in vorangehende Netzelemente berücksichtigt. Der nordöstliche Bahnhofskopf wirkt für den Zulauf aus Obertürkheim verspätungsabbauend. Die anderen Bahnhofsköpfe liegen sämtlich deutlich im risikobehafteten Bereich. Dies sind alles Daten der "Grundversion" der Simulation mit durchgehend zu optimistischen Parametern und selbst hier erscheint der Bahnhof als klar überlastet.

Die SMA übernahm die falsche Grenzwert-Festlegung für die Betriebsqualität offenbar ohne kritische Prüfung inklusive aller Fehler (Audit SI-07 S. 2 / Bl. 176, SI-08 S. 14 / Bl. 199). Durch die Aufklärung dieser Fehlinterpretation von "wirtschaftlich optimal" ist nun klar, dass diese Qualitätsstufe oberhalb des "deutlichen" Verspätungsabbaus der "Premium"-Qualität anzusetzen ist und bis zu verspätungserhaltendem Verhalten reicht. Auch der Internationale Eisenbahnverband sieht bei Verspätungserhaltung (Verspätungsänderung ≈ 0,0 Min.) die Obergrenze des akzeptablen Bereichs.[5] Nur so macht es Sinn, dass die Bahn "wirtschaftlich optimale" Strecken anstrebt. Würden diese alle bis zu 1 Minute Verspätungen aufbauen (wir erinnern uns, Sekundenveränderungen wiegen hier schon schwer), würde das Netz kollabieren. Dass die Richtlinie für den "deutlichen Verspätungsabbau" als Grenze zum Premiumbereich keine quantitative Grenze vorgibt, lässt erkennen, dass die Vermeidung von Premium-Qualität offenbar nicht den Stellenwert hat, den die Projekt-Befürworter in der Stresstest-Präsentation nahelegen wollten.

NoGo.png Ex.png Die schlichtweg falschen Ergebnis-Darstellungen (deutlicher Verspätungsaufbau bis 1 Minute ist nicht wirtschaftlich optimal) (Doku. S. 67, 112, 132, Audit Bl. 183, Bl. 195, Doku. FS S. 5) wurden durch Auslassungen und Fehlbezüge (Doku. Teil 1 S. 23) sinnentstellend zusammenkopiert. Direkte Fehlinformationen (Prämissengespräche) halfen diese Fehldarstellung zu verdecken. Wichtige Fußnoten, die die Annahmen für den Verspätungsabbau einschränken, wurden weggelassen, die Qualitätsgrenzen falsch zugeordnet und die beiden Qualitätsbezugsräume Auswerteraum und Teilstrecke wurden unzulässig vermischt. Nach den Buchstaben der gültigen Richtlinie ist der Stuttgart 21-Bahnknoten in der Grundversion sowie in allen Sensitivitäten inklusive der "finalen Simulation" als "risikobehaftet" bis "mangelhaft" einzustufen. Eine Simulation, die sämtliche Korrekturen beinhalten würde, wäre sicher nicht mehr fahrbar.

Fahrlässigkeit in dem Vorgehen scheint aufgrund der Systematik und dem Widerspruch zu eisenbahnerischen Grundregeln undwahrscheinlich. Es könnte als Indiz gewertet werden, dass die Bahn sich bei der Diskussion zu Betriebsqualität und Verspätungsabbau in der Stresstest-Präsentation so bedeckt hielt, während sich stundenlage fruchtlose Diskussionen um dieses Thema drehten. Es stellt sich die Frage, ob die Bahn auch noch andere verspätungsaufbauende Projekte mit ähnlicher Argumentation rechtfertigte. Es bleibt die beruhigende Erkenntnis, dass die Bahn, sofern sie ihren Richtlinien und internationalen Standards folgt, nicht die Republik mit verspätungsaufbauenden Projekten überziehen kann.

Argumentation der Bahn zur Definition der Betriebsqualität

Richtlinie 405.0104A01 S. 3, Bl. 123. Abbildung zum "wirtschaftlich optimalen Leistungsbereich". Er umfasst die "wirtschaftlich optimale" und die "risikobehaftete" Betriebsqualität.
Die Deutsche Bahn AG argumentiert zu dem Vorwurf, die Betriebsqualität gegenüber der Definition in der Richtlinie umdefiniert zu haben, wie folgt[6] (Zitate hellgrau hinterlegt. Die Entgegnung von WikiReal wird direkt im Anschlus an die Teilaussagen gebracht). Statt die Kritik von WikiReal an der umdefinierten Betriebsqualität auszuräumen, hat die Bahn Falschdarstellung im wesentlichen eingeräumt und darüber hinaus mehrere neue unzutreffende Behauptungen aufgestellt.
  1. "Die Deutsche Bahn hat sich exakt an das Regelwerk für eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchungen gehalten. Dagegen wird behauptet, dass die DB im Stresstest "freihändig und verfälschend" eine neue Qualitätsstufe als Collage aus Versatzstücken der Richtlinie zusammengesetzt habe. Dieses ist falsch, wie auch vom Gutachter bestätigt wurde:
    »Die vom Schlichter geforderten anerkannten Standards des Eisenbahnwesens sind eingehalten.« (SMA-Abschlussbericht, Einführung, S. 7)"
    • Wie im folgenden Punkt gezeigt wird, hat die Bahn in zumindest einem Aspekt die Abweichung von der Richtlinie schon eingestanden, damit ist diese erste Aussage der Bahn unzutreffend. In diesem Fall gilt, wie bei einigen anderen Richtlinienverstößen auch, dass der Auditor SMA den Richtlinienverstoß übersah, das Testat der SMA entlastet die Bahn also nicht, da es schlicht fehlerhaft ist.
  2. "Zur Erklärung: Der wirtschaftlich optimale Leistungsbereich umfasst (an seiner Grenze zur mangelhaften Betriebsqualität) auch den Bereich der risikobehafteten Betriebsqualität. Liegt ein Verspätungsanstieg größer eine Minute vor, so herrscht unstrittig eine mangelhafte Betriebsqualität."
    • Dies ist das Eingeständnis, dass die Darstellungen in der Stresstest-Dokumentation und im Audit-Bericht der SMA nicht zutreffend sind. Dort wurde eindeutig 1,0 Min. als Ende des Bereichs der "wirtschaftlich optimalen" Betriebsqualität angeführt, an den der "risikobehaftete" Qualitätsbereich anschließt.
  3. "Das Optimum innerhalb des wirtschaftlich optimalen Bereichs wird dabei erreicht, wenn die mittlere Verspätung in den Auswerteraum einfahrender Züge exakt der Verspätung beim Ausbruch aus dem Auswerteraum entspricht (Richtlinie 405 "Fahrwegkapazität Modul 405.0104, Abschnitt 3.6). Die beiden folgenden Abbildungen verdeutlichen den Zusammenhang."
    • Zu diesem Punkt gibt es aufgrund der unnötigen Unklarheit der Richtlinie bezüglich "Optimum" und "wirtschaftlich optimal" zwei Argumentationspfade, die weiter unten ausgeführt werden (1. "wirtschaftlich optimal" bei 0,0 Min. / 2. "Optimum" bei 0,0 Min.). In jedem Fall bleibt nach der Richtlinie als Grundlage für die Auslegung eines Bahnhofs ein Verspätungsaufbau nicht akzeptabel.
  4. "Das Gesamtergebnis des Stresstests ist dabei besser als das Optimum des wirtschaftlich optimalen Bereichs: Im Mittel werden 33 Sekunden Verspätung zwischen dem Einbruch und dem Ausbruch von Zügen im Betrachtungsraum abgebaut."
    • Diese Argumentation ist unzulässig und unrichtig. Der Verspätungsaufbau durch die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof ist laut Richtlinie verfälschend. In diesem Fall muss die Betriebsqualität über andere Kenngrößen verifiziert werden, was im Stresstest versäumt wurde. Außerdem ist die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof mehr als doppelt so hoch angesetzt, wie realistisch für die Haltezeiten bei Stuttgart 21 erwartet werden darf.
    • Das Gesamtergebnis des Stresstests ist schon vor Korrektur der unrealistischen Haltezeitverkürzung ein Verspätungsaufbau, wie SMA-Chef Stohler in der Stresstest-Präsentation klargestellt hatte:[7] Dadurch, dass nur 10 % bis 20 % der Fahrgäste durch Stuttgart hindurchfahren, kommt nur dieser kleine Teil in den Genuss des Verspätungsabbaus durch Haltezeitverkürzung, die anderen Fahrgäste erleiden die Verspätungen auf den Zulauf- oder Ablaufstrecken. Die Rechnung liefert selbst bei den allergünstigsten Annahmen zugunsten S21 noch einen Verspätungsaufbau, der unter realistischen Annahmen weit in den "risikobehafteten" Qualitätsbereich fallen würde.[8] D.h., es wurde schon unter optimistischsten Annahmen ein Verpätungsaufbau testiert.
  5. "Die Feststellung von SMA, dass eine wirtschaftlich optimale Betriebsqualität vorliegt, ist somit vollumfänglich zutreffend."
    • Wenn an dieser Stelle anknüpfend an den vorausgehenden Satz argumentiert wird, dass erst mit der Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof "wirtschaftlich optimal" erreicht wird, ist dies ein weiteres Eingeständnis der Umdefinition der Betriebsqualität. Da die SMA ausdrücklich "wirtschaftlich optimal" mit einem Verspätungsaufbau begründete, ist es eben nicht zutreffend, dass ein Netto-Verspätungsabbau (inkl. Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof) das SMA-Testat begründet.
    • Nachdem zuvor ausgeführt wurde, dass unter halbwegs realistischen Annahmen sogar ein sehr deutlicher Verspätugnsaufbau vorliegt, ist die Aussage sicher nicht zutreffend.
  6. "Die erreichte Betriebsqualität weist dabei sogar eher eine Tendenz zur Premiumqualität als zur mangelhaften Betriebsqualität auf."
    • Diese Aussage ist ohne Logik und unrichtig. Die ermittelten mittleren Verspätungen als Grundlage der Einstufung der Betriebsqualität ergeben sich aus der Simulation ohne irgendeine Tendenz. (Es wurde ein Mittelwert ohne einen Gradienten oder etwas ähnliches ermittelt.)
    • Betrachtet man gegenüber der Grundvariante die durchgeführten Sensitivitäten, ergibt sich dann aber doch eine Tendenz, nämlich die, dass bei weniger optimistischer Werten sich in allen Fällen eine Verschlechterung der Betriebsqualität ergibt, d.h. die Tendenz geht eindeutig in die andere Richtung (siehe oben).
  7. "Im Mittel liegt der Verspätungsanstieg über alle Zulaufstrecken in allen untersuchten Varianten (inklusive Sensititvitätsbetrachtungen) sogar deutlich unter 30 Sekunden!"
    • Dieses Argument geht vollkommen fehl. Da die untersuchten Varianten ja keine Varianten sind, sondern die Sensitivitäten nur stichprobenartig einzelne Parameter auf realistische Werte einstellen. Bildet man die Summe aus dem Verspätungsaufbau im Zulauf der Grundversion von 8 Sek. plus den Werten, um die die Sensitivitäten diesen Wert übersteigen, ergeben sich 39 Sekunden, die im Groben allein bei gleichzeitiger Umsetzung der Korrekturen aus den Sensitivitäten zu erwarten wären.[9] Ganz ohne die ähnlich groß abzuschätzenden Effekte der weiteren Fehler, für die noch keine Sensitivität vorliegt.
    • Laut Richtlinie gilt der Grenzwert von 30 Sekunden nur für Bahnhofsköpfe, nicht für den gesamten Zulauf im Betrachtungsraum. Das heißt die hier von der Bahn vorgenommene Anwendung der 30 Sekunden-Grenze auf den gesamten Zulauf ist unzulässig. Die Zuläufe sind eine Teilstrecke und müssen den Grenzwert von 1 Minute erfüllen. Aber es ist absolut klar, dass ein so hoher Verspätungsaufbau nicht mehr "wirtschaftlich optimal" ist.
      Verspätungsaufbau durch die neu gebaute Infrastruktur bei Stuttgart 21 in der Grundvariante der Stresstest-Simulation. Beiträge in Sekunden zum Gesamt-Mittelwert des Verspätungsaufbaus im Zulauf. (Bildquelle für die Kartendarstellung: bahnprojekt-stuttgart-ulm.de)
  8. "Nennenswerte Verspätungen entstehen dabei ausschließlich im Bestandsnetz, das mit den zu Grunde gelegten gestiegenen Zugzahlen deutlich stärker belastet wird."
    • Diese Aussage ist unrichtig. Das genaue Gegenteil ist der Fall, wie ein Blick auf die Auswertung des Verspätungsaufbaus im Zulauf auf den bei Stuttgart 21 neu gebauten bzw. neu genutzten Strecken zeigt (Abb. rechts). Tatsächlich führen die Neubauten bei Stuttgart 21 schon in der optimistischsten Grundvariante der Simulation zu gravierendem Verspätungsaufbau. Allein der Rückstau bei Einfahrt in den Hauptbahnhof aus den verschiedenen Richtungen beträgt im Mittel 7,3 Sek. pro Zug, nahe dem Mittelwert von 8 Sekunden für den gesamten Untersuchungsraum (Doku. S. 67 / Teil 2 Bl. 6). Die Detailauswertung ergibt, dass die Neustruktur inklusive des neugebauten Flughafenbahnhofs und der neu genutzten Filderstrecke im Mittel 7,2 Sekunden Verspätungen aufbaut, mehr als das Dreifache der Altstruktur, die auf im Mittel 2,3 Sekunden Verspätungsaufbau kommt. Die Aussage der Bahn ist somit grob unzutreffend.

NoGo.png Es bleibt festzuhalten, dass die Bahn den Verstoß gegen die Richtlinie im Wesentlichen einräumt. Die weitere Argumentation der Bahn sticht dabei in keinem der angeführten Teilargumente. Zu Punkt 3 muss dabei aufgrund der Rest-Unklarheit in den Formulierungen der Richtlinie auf zwei Wegen argumentiert werden (folgende Abschnitte).

Gegen-Argumentation 1: Wirtschaftlich optimal endet bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau

Richtlinie 405.0104A01 S. 6 und S. 21 / Bl. 94, 109. Eins–zu-eins Zuordnung der Minutengrenzen zu den Qualitäts­stufen. Durch den Copy-Paste-Trick erscheint als "wirtschaftlich optimal" was eigentlich "risikobehaftet" wäre. Die hellgrau unterlegten Passagen wurden sowohl von der Bahn als auch vom Auditor nicht dargestellt.
  1. Die Richtlinie 405 macht bei der allgemeinen Definition der Betriebsqualität (Abbildung rechts, linke Hälfte, S. 6 der Richtlinie) klar, dass in dem zweiten Abschnitt (rechte Hälfte, S. 21) "die Maßstäbe" für die "Zuordnung" der "Stufen der Betriebsqualität" gegeben werden. Insofern erwartet der Anwender zu Recht, dass die dort angegebenen Werte die Grenzen zwischen den Stufen beschreiben.
  2. Tatsächlich findet sich eine eins-zu-eins-Entsprechung in den jeweiligen qualitativen Formulierungen.
  3. Für die laut der Diskussion in der Stresstest-Präsentation vermeintlich so dringend zu vermeidende "Premiumqualität" gibt die Richtlinie keine Grenze an ("keine Qualitätsmaßstab erforderlich". Die Vermeidung von Premium ist tatsächlich offenbar weniger vordringlich als in der Stresstest-Präsentation dargestellt.
  4. Es folgt die einzige Uneindeutigkeit in dieser Definition. Statt "wirtschaftlich optimal" wird ein "Optimum" definiert. Sollte dies tatsächlich ein frei gewählter Punkt in dem "wirtschaftlich optimalen" plus "risikobehafteten" Betriebsqualitätsbereich sein, greift Argumentation 2 (siehe unten). Wäre dies die Intention der Richtlinie, müsste sie an dieser Stelle klarstellen, dass eben nicht die angekündigte Einordnung in die Qualitätsstufen erfolgt.
  5. Tatsächlich wird für dieses Optimum aber eine Bereichsgrenze angegeben, indem "zul tvz = 0,0 [min]" angegeben wird. Der Begriff "zulässig" muss dabei als Bereichsobergrenze gedeutet werden.
  6. Der zu dieser Grenze gehörige Bereich wird auch noch einmal qualitativ beschrieben in gleicher Weise wie in der allgemeinen Definition. Es wird in äquivalenter Formulierung wie für "wirtschaftlich optimal" klargestellt, dass für "Optimum" einzelne Fälle von Verspätungsaufbau wieder kompensiert werden müssen (Summe <= 0).
  7. Um die von der Bahn bei Neubauten angestrebte "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität nachweisen zu können, wird im Minimum die Obergrenze dieses Bereichs benötigt, also der Grenzwert von 0,0 Min.
  8. Als "noch akzeptabel" und als Grenze zu "mangelhaft" werden die Grenzwerte von 1 Min. (Teilstrecken) und 0,5 Min. (Bahnhofsköpfe) angegeben. Dieser Grenzwert ist unstrittig.

Die Argumentation, dass für Teilstrecken der "risikobehaftete" Bereich der Betriebsqualität von 0,0 bis 1,0 Minuten reicht, ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Richtlinie macht absolut deutlich, dass zur Erreichung des "Optimum" die Verspätungen <= 0,0 Minuten liegen müssen.

Gegen-Argumentation 2: Optimum bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau

Die Bahn argumentiert mit einem "Optimum" bei 0,0 Minuten, das irgendwo in dem kombinierten Leistungsbereich der "wirtschaftlich optimalen" und "risikobehafteten" Betriebsqualität liegt.

  1. Die weiter oben gezeigte schematische Grafik zum "wirtschaftlich optimalen Leistungsbereich" von Bl. 123 der Richtlinie, die auch die Bahn in ihrer Stellungnahme anführt, identifiziert das Optimum der Betriebsqualität mit der "Nennleistung".
  2. Die Richtlinie gibt diese Definition: Die Nennleistung entspricht der sogenannten optimalen Zugzahl, also der "Zugzahl bei einer definierten optimalen Qualität" (Richtlinie 405.0102 S. 13 / Bl. 23), was dem dargestellten Optimum entspricht.
  3. Die Richtlinie definiert darüber hinaus die Reservekapazität als die Differenz zwischen Nennleistung und Leistungsanforderung (Richtlinie 405.0102 S. 16 / Bl. 26). Daraus ergibt sich, wenn eine Anlage ohne Überlast betrieben werden soll, so muss ihre Leistung unterhalb oder gleich der Nennleistung liegen, die Betriebsqualität muss besser oder gleich dem Optimum sein, die Verspätungen müssen <= 0,0 Minuten liegen.
  4. Die Nennleistung ist außerdem nach der Richtlinie definitiv nicht anwendbar für Bahnknoten, lediglich für Teilstrecken (Richtlinie 405.0104 S. 12 / Bl. 100). D.h. die Unzulässigkeit der Argumentation der Bahn mit einer Verspätungsveränderung inkl. dem Verspätungsabbau im Hauptbahnhof wird auch hier deutlich gemacht. (Siehe auch Richtlinie 405.0202A01 S. 3 / Bl. 173: Nennleistung in Simulation nur ermittelbar über Variantenvergleich.) Die Nennleistung ist die Zugzahl im Optimum der Betriebsqualität, um das es im Stresstest geht.
  5. Selbst wenn das "Optimum" nicht als der Grenzwert zwischen den Betriebsqualitätsstufen angesehen wird, ergibt sich keine andere Intrepretation, als dass maximal Verspätungserhaltung bei der Auslegung einer Infrastruktur zulässig ist.
  6. Der Richtlinie folgend kann unmöglich der Bereich bis zu 1,0 Minuten Verspätungsaufbau als Auslegungsbereich einer neuen Infrastruktur herangezogen werden.

Auch mit der Interpretation eines "Optimum"-Punktes bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau erhält man kein anderes Planungsziel, als das, Verspätungsaufbau zu vermeiden. Und selbst dann hätte der Bahnhof schon keine Reserven mehr.

NoGo.png Daraus folgt, dass ein signifikanter Verspätungsaufbau in den Zu- und Ablaufstrecken kein Planungsziel sein kann. Insbesondere nicht in der Höhe, wie er im Stresstest festgestellt wird, sobald die Werte etwas realistischer eingestellt werden.

Plausibilitätscheck, Verspätungsaufbau zulässig?

EmbedVideo erhielt die unbrauchbare ID „a0zii7xsfVo#t=5m54s“ für „youtube“.
"Eisenbahnbetriebstechnologie",[10] Co-Autor Stresstest-Projektleiter Thorsten Schaer: Planungsziel: Verspätungsabbau.
EmbedVideo erhielt die unbrauchbare ID „O-jXohw4T4Q#t=2m19s“ für „youtube“.
Die Bahn hatte, vom Auditor SMA bestätigt, einen Verspätungsaufbau bis 1 Min. pro Zug als Planungsziel dargestellt und dem Stresstest zugrunde gelegt. Ein solcher Verspätungsaufbau ist nicht mehr verspätungserhaltend. Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet die Kronzeugen der Projektbefürworter ebenfalls Kronzeugen sind für die Aussage, dass ein solch hoher Verspätungsaufbau schwerlich Planungsziel sein kann:

Dr. Thorsten Schaer, Arbeitsgebietsleiter Eisenbahnbetriebswissenschaft Ost/Mitte/Südwest, DB Netz AG, der Projektleiter des Stresstests zu Stuttgart 21 bei der Bahn erläutert in einem Video des Sprecherbüros die Stufen der Betriebsqualität:

"Und liegen diese Simulationsläufe und die Auswertungen vor, dann kann man anhand des Verspätungsanstiegs oder -abbaus einschätzen, ob eine Premiumqualität, d.h. ein Verspätungsabbau, vorliegt, oder ob die Verspätung konstant bleibt, dann spricht man von optimaler Betriebsqualität oder guter Betriebsqualität, oder ob ein Verspätungsanstieg vorliegt. Und wenn das ein sehr starker Anstieg ist, dann spricht man sogar von einer mangelhaften Betriebsqualität und dann besteht Handlungsbedarf."

Herr Schaer unterscheidet in der Betriebsqualität deutlich den verspätungserhaltenden "wirtschaftlich optimalen" Bereich vom verspätungsaufbauenden ["risikobehafteten"] und vom stark verspätungsaufbauenden "mangelhaften" Qualitätsbereich.

Dr. Schaer ist auch Koautor eines Lehrbuchs zur "Eisenbahnbetriebstechnologie",[10] erschienen 2006, in dem der Verspätungsabbau als damaliges Planungsziel klar dargestellt wird:

"Eine mangelhafte Betriebsqualität bedeutet, dass Züge, die pünktlich oder verspätet in einen Streckenabschnitt eingefahren sind, diesen mit (noch höherer) Verspätung verlassen. Bei guter Qualität dagegen können Züge Verspätungen reduzieren, bei befriedigender Qualität bleiben Verspätungen auf gleichem Stand. Grundsätzlich strebt man bei der DB Netz AG eine gute Betriebsqualität an [...]"

Mit der Neufassung der Richtlinie 405 von 2008 wurde "wirtschaftlich optimal" als Planungsziel, maximal verspätungserhaltend, angegeben. Ein substantieller Verspätungsaufbau (bis zu 1 Min. pro Zug) wurde bisher in keiner Veröffentlichung als hinnehmbar bezeichnet. Noch zur Zeit des Stresstests erläutert der S21-Gutachter Prof. Ullrich Martin, dass jeglicher Verspätungsaufbau eine "unbefriedigende" Qualität bedeutet, Verspätungsabbau dagegen liefert eine "gute Betriebsqualität" (Video rechts).

Auch der Internationale Eisenbahnverband sieht bei Verspätungserhaltung (Verspätungsänderung = 0) die Obergrenze des akzeptablen Bereichs.[5]

Es erscheint schwer vorstellbar, wie der Bahnverkehr in Deutschland stabil ablaufen sollte, wenn für die einzelnen Bahnknoten ein substanzieller Verspätungsaufbau von bis zu 1 Min. (bzw. 2 Min. aus Zulauf- und Ablaufstrecken) pro Zug als Planungsprämisse gelten würde. – Der Kollaps des Bahnverkehrs wäre die sichere Folge.

Betriebsqualitäten aus gekappten Streckenauswertungen

Die Seiten 92 und 93 aus der Stresstest-Dokumentation der Bahn.
Die Bahn hat über die Umdefinition der Betriebsqualität hinaus auch in der Qualitäts-Bewertung der einzelnen Strecken unsauber gearbeitet, indem bei kritischen Strecken das Prädikat nur für den Abschnitt erteilt wurde, der noch "optimal" ausfiel (bei korrekter Anwendung der Verspätungsgrenzwerte jedoch "risikobehaftet"), die Gesamtstrecke, die "mangelhaft" ergeben hätte, wurde nicht bewertet. In der Gegenrichtung wurde jedoch im Gegensatz dazu die Gesamtstrecke bewertet, um bspw. das "Premium"-Prädikat möglichst deutlich zu erreichen (Doku. Teil 2 S. 92-93, 96-101, 106-109 / Bl. 31-32, 35-40, 45-48). Tatsächlich hätten einige Strecken als "mangelhaft" bewertet und ausgewiesen werden müssen und im Gesamtergebnis hätte ein entsprechender Anteil an "mangelhaften" Strecken dargestellt werden müssen.

Im Beispiel rechts, der Linie L1/11 von Horb nach Schwäbisch-Hall-Hessental, wurde die Auswertung ab Stuttgart Hauptbahnhof nur bis Murrhardt geführt, exakt der Station, bis zu der noch das Kriterium "wirtschaftlich optimal" erfüllt ist mit einem Verspätungsaufbau von 48 Sekunden. Der tatsächliche Verspätungsaufbau bis zum Ende des Betrachtungsraums in Horb hätte aber 3 Minuten und 8 Sekunden betragen. Selbst in der falschen Stresstest-Definition würde das weit in den "risikobehafteten" Bereich wenn nicht darüber hinaus reichen. Tatsächlich müsste nach der Richtlinie (siehe zuvor) die Verspätung über 1 Minute als mangelhaft und der gut 3-fache Wert wahrscheinlich als unfahrbar angesehen werden. In der Gegenrichtung wird jedoch bereitwillig die ganze Strecke ausgewertet und es wird so ein deutliches "Premium"-Prädikat erlangt. Hätte man analog zur anderen Richtung erst ab Murrhardt bewertet, hätte die Strecke mit 2 Sekunden Verspätungsabbau nur ein "wirtschaftlich optimal" erhalten (siehe zuvor, erst ab -5 Sekunden wird angeblich "Premium" vergeben).

NoGo.png Es ist nicht durch die Richtlinie gedeckt und wurde auch nicht von der Bahn oder dem Auditor in irgendeiner Weise gerechtfertigt, dass die Daten nach dem gewünschten Ergebnis "wirtschaftlich optimal" zusammengestellt werden. Dass in der Argumentation für das Projekt Stuttgart 21 selbst auf solche Maßnahmen zurückgegriffen wird, ist entlarvend.

Betriebsqualität allein aus Verspätungsveränderung

→ siehe auch Stuttgart 21/Stresstest/Interpretation#Verspätungsabbau und Betriebsqualität

Richtlinie 405 stellt anspruchsvolle Anforderungen an die Entscheidungsbasis für die Ermittlung der Betriebsqualität in einer Infrastruktur:

"Um einen Qualitätsnachweis zu führen, sind die an den Messpunkten (vgl. Abs. (9)) gewonnenen Qualitätskenngrößen mit Qualitätsmaßstäben zu vergleichen, die i.d.R. aufgrund von Erfahrungswerten und zusätzlichen theoretischen Überlegungen gewonnen wurden." (Richtlinie 405.0104 S. 5 / Bl. 93)
"Fundierte Entscheidungen sind in der Regel nur auf der Grundlage der komplexen Betrachtung mehrerer Kenngrößen ggf. unter Angabe möglicher Bandbreiten bzw. Wertebereiche zu treffen." (Richtlinie 405.0104 S. 7 / Bl. 95)
"Aussagen zur Kapazität der Infrastruktur sollten sich nicht nur auf ein einziges Betriebsprogramm bzw. eine einzige Struktur der Leistungsanforderungen und einen einzigen daraus resultierenden Leistungswert stützen. Vielmehr ist es erforderlich, bei solchen Untersuchungen auf Bandbreiten, die sich z.B. aus unterschiedlichen möglichen Entwicklungen der Leistungsanforderungen ergeben können, hinzuweisen. Dazu ist die Berechnung mehrerer Kenngrößen bzw. gleicher Kenngrößen unter unterschiedlichen Randbedingungen sowie von geeigneten Eckwerten sinnvoll" (Richtlinie 405.0104 S. 10 / Bl. 98)

Im Stresstest wurde die Betriebsqualität regelwidrig allein anhand der Kenngröße Verspätungsveränderung ermittelt. Insbesondere bei merklichem Verspätungsabbau (wie durch die hohen Haltezeitverkürzungen im Tiefbahnhof) sowie speziell für die bei Stuttgart 21 geforderte Infrastrukturbewertung sollen laut Richtlinie andere Größen zur Qualitätsbestimmung hinzugezogen werden:

"Für infrastrukturbezogene Aufgabenstellungen ist sie [die Kenngröße Verspätungsveränderung] jedoch nur bedingt geeignet, da ggf. Verspätungsabbau das Leistungsverhalten von Netzelementen überlagern kann. In diesen Fällen sind weitere Kenngrößen (z.B. infrastrukturbezogene Behinderungen bzw. Wartezeiten) heranzuziehen." (Richtlinie 405.0104 S. 20 / Bl. 108)

NoGo.png D.h. die Beschränkung der Qualitätsbetrachtung auf die eine Größe Verspätungsabbau durch die Bahn im Stresstest zu Stuttgart 21 (Doku. Teil 1 S. 23, Teil 2 S. 67, 112, 132 / Bl. 6, 51, 71) ist nicht richtlinienkonform. Besonders schwerwiegend erscheint die regelwerkswidrige Unterschlagung der Kenngröße Belegungsgrad. Dass entgegen der Forderung der Richtlinie bei hohem Verspätungsabbau und im Falle von Infrastrukturbewertung andere Kenngrößen wie "infrastrukturbezogene Behinderungen" bzw. "Wartezeiten" nicht herangezogen wurden, folgt mutmaßlich der gleichen Motivation, wie die Unterschlagung der Belegungsgrade: Die Inkonsistenz der Darstellung würde zu offensichtlich werden.

Haltezeitverkürzung überlagert die Betriebsqualität

Im Stresstest wurde die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof extrem zum Verspätungsabbau genutzt. Im letzten Richtlinienzitat des vorausgehenden Absatzes (Richtlinie 405.0104 S. 20 / Bl. 108) wurde klar, dass ein solch ausgeprägter Verspätungsabbau "das Leistungsverhalten von Netzelementen überlagert", d.h. verfälscht. Damit sind die Ergebnisgrafiken in der Abschlussdokumentation der Bahn (Doku. Teil 2 S. 67, 112, 132 / Bl. 6, 51, 71), die in der Summe über die Zulaufstrecken, die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof und die Ablaufstrecken eine Premium-Qualität nahelegen, unzulässig, zumindest solange keine Fußnote belegt, dass das Prädikat auch aus anderen Gründen erteilt werden kann. Siehe hierzu auch das Verbot, eine Nennleistung für einen ganzen Bahnknoten zu ermitteln (Richtlinie 405.0104 S. 12 / Bl. 100).

An einer weiteren Stelle stellt die Richtlinie klar, dass ein solches Vorgehen nicht zielführend ist:

"Für die Einzelelemente des Fahrstraßenknotens werden gesonderte Ergebnisse ermittelt. Je nach Komplexität des Knotens und der sich hieraus ergebenden Mischung aus Ausschlüssen und parallelen Fahrmöglichkeiten ist es nicht sinnvoll, hierfür eine einzelne Kenngröße (z.B. Nennleistung) anzugeben. Sie wäre zu wenig aussagekräftig für die Praxis und an zu viele Eingangsgrößen des Betriebsprogramms geknüpft." (Richtlinie 405.0401 S. 7 Bl. 345)

Dies könnte auch erklären, warum die Bahn im Abschlussbericht keine entsprechende textliche Schlussbeurteilung in ihren Bericht aufnahm, und ist wohl auch der Hintergrund der Äußerung eines Bahnvertreters in der Prämissen-Sitzung vom 19.07.2011, dass die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof "nicht entscheidungsrelevant" sein könne.[11] Hier kommt natürlich hinzu, dass in Stuttgart der Fahrgastwechsel 80 bis 90 % beträgt. So kommt die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof nur dem kleineren Teil der 10 bis 20 % durchfahrenden Passagiere zugute. Die Bahn hielt sich in der Stresstest-Präsentation in dieser Frage auffällig zurück und überließ den Laien-Vertretern der Befürworterseite die Argumentation, dass ja die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof die Premium-Qualität begründen würde (.... Quelle).

NoGo.png In den Ergebnis-Darstellungen wird überdeutlich, dass der Verspätungsabbau von dem anerkanntermaßen hohen Verspätungsabbau durch die Haltezeitverkürzungen im Hauptbahnhof wesentlich bestimmt wird. Die Richtlinie stellt klar, dass dies die ermittelte Betriebsqualität der Netzelemente "überlagert" also verfälscht. Damit sind die Stresstest-Ergebnisse nicht belastbar, insbesondere wenn sie allein aus Verspätungsveränderungen begründet werden.

Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation

In den sogenannten "Sensitivitäten" wie auch dem "finalen Simulationslauf" werden nur einzelne Parameter auf ein realistisches Niveau gesetzt, während die Richtlinie vorschreibt sämtliche Parameter auf ein möglichst realistische und der Aufgabe entsprechende Werte zu setzen.

Für den finalen Simulationslauf liegen die folgenden Dokumente vor, auf die in der in Klammern angegebenen Kurz-Zitierung referenziert wird:

Sensitivitäten, in denen nur einzelne Parameter verändert werden, sind hilfreich für den Bediener des Modells, um ein Gefühl für die Auswirkung einzelner Parameter-Änderungen etwa auf das Gesamtergebnis zu bekommen oder um Fehler im Modell aufzuspüren. Sensitivitäten könnten beispielsweise helfen zu identifizieren, welche Parameterveränderung in der Realität die deutlichste Steigerung der Leistungsfähigkeit versprechen würde.

NoGo.png Ex.png Sensitivitäten sind jedoch nicht in Richtlinie 405 vorgesehen, schon gar nicht als Ersatz für eine Vollsimulation. Die Richtlinie erlaubt nicht, stichprobenartig nur einzelne Parameter auf realistischere Werte zu setzen. Eine Simulation muss durchgehend mit realistischen Parametern (deren Realitätsnähe einzeln geprüft und nachgewiesen sein muss) durchgeführt werden, um eine belastbare Aussage zu erhalten. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, wie die SMA verschiedentlich "Sensitivitäten" zu einzelnen Mängeln als Abschluss der Untersuchung empfiehlt, die sie dann auch noch irrational und inkonsequent bewertet.

Ex.png Zunächst wurde an dieser Stelle auch kritisiert, den Sensitivitäten fehle die statistische Basis. Dieser Verdacht rührte aus missverständlichen Formulierungen in der Stresstest-Präsentation[12] und aus einer missverstandenen Formulierung im Audit zum finalen Simulationslauf. [13] Mit der glaubwürdigen Versicherung der SMA vom 15.12.2012, dass auch alle Sensitivitäten mit 100 Simulationsläufen, d.h. simulierten Tagen, durchgeführt worden wären, hat sich dieser Punkt erledigt. Der viel schwerwiegendere Kritikpunkt, dass in den Sensitivitäten jeweils nur einzelne Parameter auf realistische Werte gesetzt wurden, wurde bisher weder von der Bahn, noch von der SMA oder der Bundesregierung angesprochen.

Sensitivitäten und Nichtlinearität

Prinzipskizze zur Nichtlinearität der Bahnhofs-Leistungsfähigkeit. Eine Parameter-Verschlechterung wird noch verkraftet, die zweite nicht mehr.
Sensitivitäten haben einerseits keine Aussagekraft wegen der nicht ausreichenden statistischen Basis. Andererseits wurden im Stresstest und auf Anforderung von SMA nur einzelne oder wenige Einzelparameter verändert, die jeweils kleinere und noch 'verkraftbare' Verschlechterungen des Systems verursachten. Wenn einzelne Korrekturen verkraftet werden, heißt das nicht, dass sie auch noch in Summe verkraftet werden, da sie sich gegenseitig verstärken.

Die Leistungsfähigkeit eines Bahnhofs ist ein hoch-nichtlineares Problem. Das heißt nichts anderes, als dass beispielsweise bei hoher Belastung die Qualität des Bahnhofs immer schneller zurückgeht, da die Verspätungen sich gegenseitig verstärken. Dies wird in der nebenstehenden Abbildung schematisch gezeigt, angelehnt an die unten folgende Berechnung von Prof. Martin zu Stuttgart 21. Dargestellt ist auf der x-Achse die Leistung bzw. Auslastung des Bahnhofs in Zügen pro Stunde und rechts dieser Wert multipliziert mit der mittleren Geschwindigkeit der Züge, einem Maß für die Qualität (Verspätungen), dies ergibt die sogenannte Beförderungsenergie.

Die maximale Leistung bei noch vertretbarer Qualität finden wir im Maximum oder etwas rechts davon. Sollen hier noch ein paar Züge mehr im Bahnhof abgefertigt werden, sinkt die Qualität, anfangs in einem evtl. noch vertretbaren Maße, etwa während einer kurzen Belastungsspitze. Wer von der prozentualen geringen Qualitätseinbuße schließt, dass auch noch ein zweites Paket von Zusatzzügen verkraftet werden könnte, irrt. Der Bahnhof ist bei dieser Belastung schon komplett zusammengebrochen. Das ist das Problem der Nichtlinearität, Belastungsfaktoren können nicht addiert werden.

Schematische Darstellung der durch zunehmend realistischere Parameter korrigierten Bahnhofsleistungskurve.
Verschärfen wir die Parameter, die der Bahnhofsleistungskurve zugrunde liegen und halten die gewünschte Zugleistung konstant, dann zieht sich die Kurve nach links unten zurück. Hier würde die erste Parameterverschlechterung unseren Zielpunkt sinken lassen, die zweite hätte ihm ebenso beschleunigt wie im vorigen Fall den Boden unter den Füßen entzogen.

Konkret auf den Stresstest bezogen stellt sich die Situation wie folgt dar. Die am weitesten nach rechts reichende Kurve ist die Originalkurve aus dem Gutachten von Prof. Martin[14], mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof "nachgewiesen" wurde[15], "der achtgleisige Durchgangsbahnhof sei ausreichend und zukunftssicher bemessen". Das Gutachten von Prof. Martin ist aus heutiger Sicht zu optimistisch, da es nicht die Zu- und Ablaufstrecken voll berücksichtigte und bspw. im Regionalverkehr mit Mindesthaltezeiten von 1 Minute arbeitete.

Die Kurve für die Parameter der Grundversion des Stresstets müsste etwas geschrumpft angenommen werden. Die Sensitivitäten zeigen, dass jede Parameterverschlechterung schon eine deutliche Verschlechterung der Qualität bringt, so dass die 49 Züge sich auf dem Abhang rechts vom Maximum befinden müssen. Grob geschätzt haben wir durch die Verschärfung der Parameter im Stresstest gegenüber der Simulation von Prof. Martin eine Leistungseinbuße von etwa 12 % angenommen. Die 57 Züge, auf die die Bahnhofsleistung im Falle des S-Bahn-Notfallkonzepts steigt, befinden sich schon in einem äußerst kritischen Teil des Graphen, in dem kein fahrbarer Betrieb mehr anzunehmen ist.

Mit jeder Parameter-Verschlechterung zieht sich die Kurve weiter nach links unten zurück. Immer schneller wird den angepeilten 49 Zügen der Boden unter den Füßen entzogen. Für ein besseres Verständnis soll versucht werden, den Vorgang in einer bildhaften Sprache zu beschreiben: Die einzelnen Sensitivitäten entsprechen immer wieder einem vorsichtigen Schritt von der Bergkuppe hangabwärts. Die Berücksichtigung aller Korrekturen würde mehrere Schritte bedeuten und damit den Absturz.

Wenden wir nun für das Beispiel die Korrektur einer ganzen Reihe von Parametern des Stresstests auf realistische Werte an, in Summe etwa um 33 % (zu vergleichen mit der abgeschätzten aktuellen Leistungsreduktion bei Korrektur der Fehler im Stresstest von 34 %, Stand 18.10.2011), erhalten wir eine maximale Leistung des Bahnhofs von 33 Zügen. Die 49 Züge sind schon lange nicht mehr fahrbar.

Wegen der hohen Nichtlinearität ist es eben nicht seriös, zu argumentieren, dass die eine Korrektur nur geringfügig ausfallen würde und die andere auch, und dass hier nur eine Sekunde fehlt und dort nur ein Prozent. Die Qualitätseinbußen verstärken sich gegenseitig, so dass mehrere kleine Korrekturen nicht mehr tolerierbar sind, sondern vielmehr schon längst den Kollaps des Gesamtsystems herbeigeführt haben können.

NoGo.png Ex.png Wegen der notwendigen Berücksichtigung der Wechselwirkung aller Parameter ist jede Argumentation aufgrund einer "Sensitivität" (ob eine bestimmte Parameter-Verschlechterung noch verkraftet wird) ohne jede Beweiskraft. Aus diesem Grund schreibt die Richtlinie die Vollsimulation mit allen auf realistische Werte eingestellten Parametern vor. Nichts anderes könnte einen "Nachweis" erbringen.

Auch der finale Simulationslauf könnte nur bei Korrektur aller Parameter, nicht nur der von SMA erkannten Fehler, sondern nach Korrektur sämtlicher unrealistischer Größen einen "Nachweis" erbringen.

Sensitivitäten und Teilkorrekturen

Aufgrund der Nichtlinearität des Problems ist die Korrektur von Einzelparametern ohne Aussage für das Gesamtergebnis. Die Sensititäten adressierten aber jeweils nur einzelne Parameter, die Parameteränderungen anderer Sensitivitäten bleiben außen vor (siehe auch die kommentierte Übersicht der Sensitivitäten):

Sensitivitätsberechnungen:
/ Realistischere
Parameterwerte:
Grund-
version
75% der
Fahrzeit-
übersch.
ohne
Güter-
verkehr
Auswerte-
zeitraum
7-8 Uhr
Daten-
modell
15. Juli
Finaler
Simula-
tionslauf
Nachweis
(Doku.
S. 67)
(Doku.
S. 112)
(Doku.
S. 132)
(Audit
Bl. 183)
(Audit
Bl. 195)
(Doku. FS
S. 5)
Datenmodell vom 21.06.2011 15.07.2011 08.09.2011
75 % Fahrzeitüberschüsse Fehlt Zeichen.png Ok.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png
Auswertezeitraum Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png
Abfertigungszeiten Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png Fehlt Zeichen.png Ok.png
Verläng. S-Bahn Haltez. Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png Fehlt Zeichen.png Ok.png
Haltez., Takte, Verknüpf. etc. Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png Ok.png
Realistische Spitzenstunde Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png
Realist. Verspätungsspitzen Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png
Sonstige Korrekturen Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Fehlt Zeichen.png Ok.png
Verspätungsänd. Zu-/Ablauf +11 Sek. -25 Sek. +25 Sek. +3 Sek. +2 Sek.
Zugzahl bzw. Differenz* 49 -2,8 (sinnlos) -6,4 -0,8 -0,5 32 (?)
Übersicht, welche Parameter-Korrekturen von den einzelnen Sensitivitäten berücksichtigt werden. Es wurde der grundlegende Fehler begangen, dass jeweils die anderen Parameter unkorrigiert blieben. Ein Nachweis der Leistungsfähigkeit würde die Korrektur aller Parameter voraussetzen.
* Aus dem mittleren Verspätungsabbau in den Zu- und Abläufen lässt sich abschätzen, um wieviel weniger
  Züge der Bahnhof bei Korrektur dieses Fehlers verkraften würde, wenn er dieselbe Qualität erreichen soll.

Die Tabelle gibt eine Übersicht über die durchgeführten Sensitivitätsrechnungen und welche Parameter jeweils in Richtung realistischerer Werte korrigiert wurden. Dabei erreichte die Korrektur häufig nicht einmal ganz das realistische Niveau. Es wird der grundlegende Fehler begangen, dass jeweils die anderen Parameter unkorrigiert bleiben. Ein Nachweis einer Leistungsfähigkeit könnte aber nur bei Korrektur aller Parameter auf ein möglichst realistisches Niveau erbracht werden.

Der mittlere Verspätungsabbau in den Zu- und Abläufen liefert eine Abschätzung, um wieviel weniger Züge der Bahnhof bei Korrektur dieses Fehlers verkraften würde, wenn er dieselbe Qualität erreichen soll. Die Eichung dieser Entsprechung wurde mit der Sensitivität zum eingeschränkten Auswertezeitraum von 7-8 Uhr vorgenommen. In dieser Sensitivität liegt der Verspätungsaufbau um 25 Sekunden pro Zug über dem der Grundversion. Dort ist die Belastung aufgrund der schwach verspäteten Stunde am 6 Uhr und aufgrund dessen, dass im Stresstest auch ab 8 Uhr viel zu wenig Züge angenommen wurden, um rund 13 % geringer. Diese geringere Last entspricht 6,4 Zügen gemessen an den 49 Zügen des Stresstests.

NoGo.png Ex.png Es mag die Urheber des Stresstests und des Audits überrascht haben, dass hierzu nicht früher fundamentale Kritik geübt wurde. Sie setzten wiederholt nur einzelne Parameter auf (dann auch nur annähernd) realistische Werte und stellten dabei oft schon gravierende Verschlechterungen fest. Dennoch wurde geschlossen, dass das System bei Korrektur aller Werte wohl noch stabil bliebe!?

Das Argumentationsmuster erinnert an die Faktenschlichtung beim Thema Fahrbarkeit der Fildertrasse.[16] Dort findet sich eine einzigartige Ballung von sechs schwerwiegenden Engpässen. Dass dies beherrschbar sei, wurde mit dem Verweis auf ähnliche Zwangspunkte an anderen Stellen Mitteleuropas begründet. Ist denn zu glauben, dass das, was einzeln woanders (noch) beherrscht wird, hier in sechsfacher Vervielfachung noch fahrbar ist? Sogar das Eisenbahnbundesamt hält diese Planung für "extrem grenzwertig" und für so "auf keinen Fall fahr- und planbar".[17] Die gleiche Situation liegt beim Stresstest mit den einzelnen Sensitivitäten vor.

Überlebende in einem Rettungsboot (Quelle: Wikipedia)
Ein anschauliches Bild zur Verdeutlichung

Man stelle sich vor, die Kapazität der Rettungsboote eines Passagierschiffs soll durch den Eigner nachgewiesen werden. Jedes dieser Boote soll 49 Personen aufnehmen können, tatsächlich trägt es aber nur 32. Der Eigner muss sich einem Test unterziehen, also befüllt er die Boote mit 49 Kindern, der Test wird bestanden. Der Auditor bemängelt, dass die Kinder nicht ausgewachsenen Personen entsprechen. Also werden zwei von den Kinder durch Erwachsene ersetzt. Das Boot fängt an gefährlich zu schwanken und nimmt schon etwas Wasser auf. Der Auditor ist zufrieden und testiert, es können 49 Personen gerettet werden – Erwachsene und Kinder.

Der Stresstest wurde nur mit unrealistischen Parametern durchgeführt. Bei den einzelnen Sensitivitäten wurden dann nur einzelne Parameter auf realistische Werte gesetzt (die anderen aber nicht). Das Rettungsboot würde seine Tragkraft erst mit 49 Erwachsenen beweisen, dann ginge es aber unter. – Und Stuttgart 21 würde kollabieren, würden alle Parameter realistisch gewählt.

Finaler Simulationslauf liefert keinen Nachweis

Die SMA beendet ihren Schlussbericht mit der folgenden Empfehlung:

"Weiter empfehlen wir, die in den Steckbriefen beschriebenen Unstimmigkeiten und kleineren Fehler zu beheben und zur Bestätigung des Gesamtresultates einen weiteren Simulationslauf durchzuführen und zu veröffentlichen." (Audit Schlussber. S. 10 / Bl. 16)

Dr. Kefer sagte einen solchen zusätzlichen Simulationslauf zu, aber nur für die von SMA benannten verbliebenen Fehler. Die Ergebnisse sollen im Internet veröffentlicht werden.[18]

Die Bahn gibt zum finalen Simulationslauf noch deutlich weniger Informationen als zur Grundsimulation. Eigentlich nur eine finale Ergebnisgrafik und die Behauptung, die geforderten Kriterien wären eingearbeitet. Es gibt aber keinerlei Nachweis, keinen finalen Fahrplan, der eine Überprüfung ermöglichen würde, keine Auswertungen des Verspätungsabbaus. Diese Ergebnisdokumentation ist ein Schlag ins Gesicht der Öffentlichkeit. Es ist nicht klar, welche Annahmen für die anderen Parameter der Simulation gemacht wurden.

Aufgrund des Problems der Nichtlinearität, da sich die Verschlechterung mehrerer Parameter gegenseitig verstärkt, ist es überhaupt nicht hinreichend, allein eine erneute Sensitivität für die bisher unberücksichtigten Fehler zu rechnen. Es müssten alle Parameter gleichzeitig auf realistische Werte gesetzt werden. D.h. es müssten nur 75 % der Fahrzeitüberschüsse für den Verspätungsabbau zugelassen werden, es müsste wie im Schlichterspruch gefordert die Spitzenstunde ausgewertet werden und auch die Korrekturen an den Abfertigungszeiten und S-Bahn-Haltezeiten umgesetzt werden. Dass dies nicht geschat und im Wesentlichen allein die finalen Korrekturen umgesetzt wurden, macht den finalen Simulationslauf zur Makulatur.

NoGo.png Ex.png Der finale Simulationslauf liefert genausowenig einen Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 wie die anderen vorausgehenden Sensitivitätsrechnungen. Dass die Simulation aufgrund der paar korrigierten Haltezeiten, Takte und Verknüpfungen sich ein bisschen im Ergebnis verändert ist eine Information ohne echten Erkenntniswert. Für den Nachweis der Leistungsfähigkeit müssen sämtliche Korrekturen berücksichtigt werden. Einerseits die aus früheren Sensitivitätsrechnungen, meist sogar verschärft, da die Annahmen noch zu optimistsch waren. Andererseits aber auch die vielen noch gar nicht berücksichtigten Fehler im Stresstest, wie die unrealistische Spitzenstunde, die fehlenden Verspätungsspitzen in den Haltezeitverlängerungen etc. abgebildet werden. Dies würde aber zum sicheren Kollaps des Bahnhofs führen.

Simulation nur im Vergleich aussagefähig

Eine Computersimulation hängt entscheidend von den Eingangsparametern ab. Weil es hier so schwierig ist, absolut realistische Methoden und Parameter zu modellieren, werden Simulationen in der Regel im Vergleich von Alternativen durchgeführt. Auf diesem Weg wirken sich die Falschannahmen in beiden Fällen ähnlich aus, so dass der relative Unterschied der Alternativen das belastbarere Ergebnis liefert.

Richtline 405 weist unter dem Punkt "Kenngrößenproblematik" auf folgendes hin:

"Mit den Methoden und Tools lassen sich eine Vielzahl von Kenngrößen ermitteln (vgl. 405.0104). Den Kenngrößen stehen jedoch nur z.T. anerkannte Qualitätsmaßstäbe als Vergleichsgrößen gegenüber. Zur Bewertung bedarf es zum einen der Erfahrung des Bearbeiters, zum anderen ist vielfach die Untersuchung mehrerer Varianten erforderlich, um über einen Variantenvergleich zu einer Bewertung zu gelangen." (Richtlinie 405.0202 S. 1 / Bl. 151)

Die Richtlinie gibt genau aus diesem Grund die Grenzen des Simulationsverfahrens an:

  • "• Ermittlung von Leistungsfähigkeitskenngrößen nur aufwändig über Variantengleich oder Iteration
    • Bemessung nur über Variantenvergleich" (Richtlinie 405.0202A01 S. 5 / Bl. 175)
  • "Für die Eichung der mit Simulationstools ermittelten Kenngrößen ist die Untersuchung des Ist-Zustandes als Vergleichsmaßstab hilfreich und deshalb zu empfehlen, da Qualitätsmaßstäbe noch nicht voll abgesichert sind bzw. sich noch in Entwicklung befinden." (Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 163)
  • Die Nennleistung ist in einer Simulation nur ermittelbar über Variantenvergleich. Die Nennleistung ist die Zugzahl im Optimum der Betriebsqualität, genau die Größe, die laut Bahn im Stresstest ermittelt werden soll. (Richtlinie 405.0202A01 S. 3 / Bl. 173)

Bei dem Thema "Auftragsklärung" nimmt die Vorbereitung der Betrachtung des Istzustands bzw. Bezugsfalls, sowie Varianten mit 2 von 3 Abschnitten sogar den breitesten Raum ein:

  1. Grundsätzlich mit dem Auftraggeber zu klärende Themen
  2. Erforderliche Infrastrukturunterlagen für Istzustand bzw. Bezugsfall sowie Variante(n) bzw. Planfälle
  3. Erforderliche Daten und Unterlagen zum Betriebsprogramm für Istzustand bzw. Bezugsfall sowie Variante(n) bzw. Planfälle (Richtlinie 405.0201A01, S. 2 ff. / Bl. 143 f.)

NoGo.png Das heißt, die einzige Methode, den vielen unvermeidlichen systematischen Fehlern des Stresstests (die sicherlich auch nach Korrektur der gröbsten Fehler verbleiben) zu begegnen, ist die Simulation einer echten Alternative. Hierfür kommt vor allem der Kopfbahnhof in Betracht, da die S21-Investition sich ja durch den Vorteil gegenüber diesem rechtfertigen soll.

Allerdings ist abzusehen, dass die Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs unter gleichen Annahmen (z.B. den verkürzten Blockabständen von Zuffenhausen zum Bahnhof, den Pufferzeitverletzungen, den dramatisch reduzierten Verspätungsniveaus, etc.) regelrecht explodieren würde. Und damit erklärt sich auch, dass die Bahn sich so vehement gegen diese Forderung der Kritiker zur Wehr setzt (die jedoch auch vom Regelwerk und dem wissenschaftlichen Prinzip geboten wäre). Dass dieses Grundprinzip der Computersimulationen von der SMA nicht angesprochen wurde (trotz dem Hinweis in der Richtlinie) ist als weiteres schweres Versäumnis zu werten.

An fehlenden Infrastrukturdaten des Kopfbahnhofs würde das Projekt nicht scheitern, da diese sämtlich schon im System vorhanden sind. Dies wurde während der Prämissen-Gespräche deutlich, als am 14.07.2011 beim Ortstermin bei DB-Netz dargestellt wurde, dass die Bauzustände am Kopfbahnhof schon zu Zeiten des Stresstests mit RailSys simuliert wurden[19].

Die Begründungen, die Dr. Kefer in der Stresstest-Präsentation dafür gab, dass der Kopfbahnhof nicht im Vergleich simuliert wurde, sind angesichts der klaren Vorgaben der Richtlinie als unrichtig anzusehen:

"Die simple Antwort lautet: Wir tun das deswegen nicht, weil zu dem damaligen Zeitpunkt eine Aufgabe definiert wurde, die da lautete, dass nachzuweisen sei, dass der Durchgangsbahnhof eine bestimmte Kapazität hat. Und die ist so definiert worden, wie wir sie heute besprechen. Die Aufgabe lautete damals nicht, einen Vergleich zu machen, welcher der Bahnhöfe denn jetzt eine höhere Kapazität hatte." [20]
"Ich möchte noch ein Weiteres klarstellen. Wir werden keinen weiteren Stresstest für K 20 machen, weil es nicht unsere Aufgabe ist, einen Nachweis zu führen, was K 20, K 19 oder K 21 kann, sondern die Aufgabe war klipp und klar der Nachweis, was S 21 kann." [21]

Die Kapazität des Durchgangsbahnhofs ist eine Frage seiner Bemessung. Damit irrt Dr. Kefer in seiner Ablehnung des Vergleichs. Die Richtlinie schreibt gerade für die Kapazitätsfrage den Vergleich vor, da sonst die systematischen Fehler das Ergebnis unkontrollierbar verfälschen. Gerade zum Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 ist die vergleichende Simulation des Kopfbahnhofs die Voraussetzung, unabhängig von der Formulierung des Auftrags.

Abschlussdokumentation nicht nachvollziehbar

Die Abschlussdokumentation des Stresstests entspricht nicht den Anforderungen:

"Alle Ergebnisse sind so aufzubereiten, dass die sich ergebenden Schlussfolgerungen nachvollziehbar sind." (Richtlinie 405.0205 S. 1 / Bl. 227)

Dies erscheint als die wichtigste verletzte Anforderung der Richtlinie. Aber auch die Detailanforderungen der Richtlinie sind nicht erfüllt:

"Bei der Darstellung von Ergebnissen sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Übersichtliche und komprimierte Darstellung von Zahlen möglichst in Tabellen oder in grafischer Form (Histogramme, Diagramme)
- Darstellung im Kontext mit den Ausgangsbedingungen bzw. mit den Prämissen für die Gültigkeit
- Hervorheben der für die Ableitung der Schlussfolgerungen aussagekräftigsten Kennwerte
- Beschränkung auf möglichst wenige Kenngrößen
- Abzuleitende Aussagen in verbaler Form direkt neben oder unter der entsprechenden bildlichen oder tabellarischen Darstellung platzieren
- Grenzwerte bzw. Maßstäbe in die Darstellungen möglichst optisch wirksam einarbeiten (z.B. farbige Darstellung, wenn bestimmte Grenzen über- oder unterschritten werden
- Bildliche Darstellungen und Diagramme mit Legenden versehen"
(Richtlinie 405.0205 S. 4 / Bl. 230)

Hinsichtlich der "Beschränkung auf möglichst wenige Kenngrößen", darf natürlich nicht der Fehlschluss gezogen werden, dass dies die Unterschlagung von den nach der Richtlinie vorgeschriebenen Kenngrößen legitimieren würde. Wesentliche "abzuleitende Aussagen" werden gerade in den Ergebnisdarstellungen nur durch Zahlenwerte oder Schlagworte, ohne echte Begründung und Einordnung wiedergegeben, auch die aussagefähige Legenden fehlen zumeist. Die Ergebnisdarstellung ist in höchstem Maße unvollständig, unrichtig, unübersichtlich, unerläutert und irreführend:

  1. Insbesondere die Prämissen sind äußerst unvollständig dargestellt, so dass hier auch nach drei Tagen der in der Folge stattfindenden Prämissengespräche noch keine vollständige Klarheit herrschte.
  2. Verschobene Stufen der Betriebsqualität: Durch eine sinnentstellende Collage aus Versatzstücken der Richtlinie wurde eine neue Definition unrichtig festgelegt.
    • Tatsächlich wurden durch diese unzulässige Verschiebung die Qualitätsgrenzen in der Verspätungsveränderung um eine Stufe zu wenig anspruchsvoll festgelegt. Außerdem ist die Anwendung dieser Minutengrenzen auf die Mittelwerte unterschiedlicher Strecken unzulässig.
  3. Strecken-Auswertungen: In den Auswertungen des Verspätungsaufbaus auf einzelnen Strecken, wurden unzulässig teilweise nur verkürzte Teilstrecken bewertet, um überall ein "optimal"-Prädikat zu erhalten.
    • Dies verdeckte, dass tatsächlich ein großer Teil der Strecken ein "risikobehaftet" und (bei korrigierter Skala, siehe zuvor) mehrere Strecken ein "mangelhaft"-Prädikat erhalten.
  4. Premium-Qualität aus Haltezeitverkürzungen: Die Ermittlung einer "Premium" Qualität unter Abzug der Haltezeitverkürzungen im Hauptbahnhof erfolgte suggestiv und ohne Hinweis, dass dies nach der Richtlinie als verfälschend angesehen wird. Die Richtlinie fordert in diesem Fall eine differenzierte Betrachtung weiterer Kenngrößen, was in der Dokumentation fehlt. (Tatsächlich fallen die Haltezeitverkürzungen im Stresstest Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung unrealistisch mehr als doppelt so hoch aus, als in der Praxis erzielbar. Sie sind also unplausibel und mutmaßlich verfälschend.)
  5. Abweichungen von den Vorgaben des Landes: Sind nicht dargestellt.
    • So musste der Leser den Eindruck gewinnen, die Vorgaben des Landes (Doku. Teil 1 S. 11) wären eingehalten worden, was jedoch nicht der Fall war.
  6. Annahmen zum Verspätungsaufbau: Sind ohne Darstellung der erheblichen Kappung der Verspätungs-Maximalwerte falsch dargestellt.
    • Die Verspätungen erreichen aufgrund der Kappung nicht die in der Dokumentation dargestellten Mittelwerte, die somit unzutreffend dargestellt sind. Dies erscheint als grobe Täuschung, insbesondere, da auch auf gezielte Nachfrage die Bahn diese Information nicht preisgab.
  7. Betriebsqualität von 6 bis 10 Uhr gemittelt: Aber die Zugzahlen außerhalb der Spitzenstunde wurden nicht genannt. Es wurde keine Ankunfts- und Abfahrtstafel für den Hauptbahnhof gegeben. Die mit der Abschlussdokumentation mitgelieferte Netzgrafik beinhaltete nur Grundtakt und Spitzenstunde und war unverbindlich, da zahlreiche Abweichungen nicht dokumentiert waren (roter Vermerk oben in der Grafik).
    • Genau in den Zugzahlen außerhalb der Spitzenstunde fand eine der quantitativ größten Verfälschungen der Stresstest-Parameter statt. Auch hier war die Bahn der gezielten Frage ausgewichen.
  8. Zahlreiche Prämissen undokumentiert: Tatsächlich wurden die entscheidenden Eingangsgrößen des Stresstests, die Prämissen, zum größten Teil überhaupt nicht dokumentiert, etwa die Annahmen zum Verspätungsabbau sind überhaupt nicht angegeben (aber auch Abweichungen von Landesforderungen, Falschdarstellung Verspätungsaufbau, etc. ...).
  9. Fehlende Prüfung der Realitätsnähe: Es hätte geprüft werden müssen, ob für die Verspätungsannahmen die Näherungswerte (Richtlinie 405.0204A03 S. 1 / Bl. 225 f) oder Ist-Verspätungswerte oder Modifizierungen anzunehmen wären (Richtlinie 405.0204 S. 12 / Bl. 210). Eine solche Prüfung ist nicht dargestellt.
  10. Belegungsgrade: Sind entgegen der Vorschrift nicht angegeben (siehe Folgeabsatz, Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 162).
  11. Weitere Kenngrößen fehlen: Auch die weiteren nach der Richtlinie für Infrastrukturuntersuchungen und im Fall von deutlichem Verspätungsabbau vorgeschriebenen weiteren Kenngrößen wie "infrastrukturbezogene Behinderungen" bzw. "Wartezeiten" werden aus mutmaßlich ähnlichem Grunde nicht angegeben.
  12. Berücksichtigung von Urverspätungen: Die Art der Berücksichtigung von Urverspätungen ist nicht angegeben. D.h. es wurde nicht dargestellt, dass die Haltezeitverlängerungen (Doku. Teil 1 S. 21) neben den echten Haltezeitverlängerungen in den Bahnhöfen im wesentlichen auch die auf der Strecke entstehenden Urverspätungen wiedergeben sollen.
    • Die Klarstellung, dass die Haltezeitverlängerungen nicht allein die Haltezeitverlängerungen, sondern zu einem größeren Teil die auf der Strecke eintretenden Urverspätungen abbilden, hätte viel eher Zweifel aufkommen lassen an deren ausreichender Höhe und auch dem systematischen Fehler, dass dadurch der Verspätungsabbau geschönt dargestellt wird.
  13. Keine Angabe der Modellzüge: Seitenweise Zuglisten (Doku. Teil 1 S. 27-39) werden ohne Angabe der technischen Daten zu den Zügen dargestellt und sind somit praktisch ohne Aussage.
    • Die Überprüfung der Zuglängen als Voraussetzung für die Doppelbelegungen und für die Beförderung der geplanten Fahrgastzahlen ist so unmöglich. Auch Bremskurven sind so nicht zuordenbar.
  14. Belegungsgrafiken unvollständig: Die Belegungsgrafiken (Doku. Teil 1 S. 40-48) sind unvollständig, insbesondere sind sie mangels Legende nicht selbsterklärend.
    • Ohne eine ausreichend beschreibende Legende ist beispielsweise nicht ersichtlich, dass z.B. die Zuläufe aus Zuffenhausen nur dank der neuen Signaltechnik ETCS die gewünschte Zugzahl verarbeiten können. Aber ETCS wird bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht zur Verfügung stehen.
  15. Keine Prämissen der Sensitivitätsanalysen: Es wurde in keiner Weise spezifiziert, unter welchen Annahmen die Sensititvitätsanalysen (Doku Teil 2 S. 112, 132 / Bl. 51, 71) durchgeführt wurden, d.h. mit welchem Parametersatz (d.h. Verspätungswerten, war es ein guter oder ein schlechter Tag, wurde er zufällig ausgewählt), mit welcher Anzahl von Simulationsläufen (wie groß ist die Unsicherheit aufgrund mangelnder Statistik anzusetzen) etc.
    • Damit sind die sogenannten Sensitivitäten ohne jede Nachvollziehbarkeit und Beweiskraft. Trotz dieses formalen Fehlers und dieser unprofessionellen Darstellung, sind die Sensitivitäten ohnehin ohne jede Beweiskraft, da ihnen die nötige statistische Signifikanz und die gleichzeitige Berücksichtigung realistischer Werte in sämtlichen Parametern fehlt.
  16. Datenmodell vom 15. Juli undokumentiert: Gleiches gilt für die Sensitivitätsrechnung zur Korrektur eines Teils der von SMA angemahnten Fehler, das Datenmodell vom 15. Juli (Audit SI-08 / Bl. 186 ff) für das es keinerlei Ergebnisdokumentation der Deutschen Bahn gibt.
  17. Finaler Simulationslauf undokumentiert: Die vorhandenen 7 Folien gehen nicht über die Behauptung eines Ergebnisses hinaus. Nicht einmal ein Fahrplan, geschweige denn Verspätungsverläufe oder alle weiteren Informationen, die zum Nachvollziehen der Ergebnisse nötig wären, liegen vor.
  18. Infrastrukturoptionen ungeprüft: In der Stresstest-Dokumentation wurde lediglich dargestellt, welche Infrastrukturoptionen nicht aktiviert wurden (Doku. Teil 1 S. 54-61). Es wurde aber nicht untersucht (bzw. zumindest nicht dargestellt), welche Verbesserung diese Optionen gebracht hätten, wie es der Vorgabe im Schlichterspruch und der gültigen Prozessbeschreibung entsprochen hätte.
    • Auf diese Weise bleibt verborgen, wie gravierend sich die bestehenden Engpässe tatsächlich auswirken. Dies würde deutlich, wenn der deutliche Leistungs- und Qualitätsschub ermittelt würde, der bei Ausbau zur großen Wendlinger Kurve oder der P-Option bringen würde.

Selbst die SMA attestiert:

"Der Bericht 'Stresstest Stuttgart 21 – Fahrplanrobustheitsprüfung' der DB Netz AG vom 30. Juni ist nicht selbsterklärend, weist teilweise inhaltliche Mängel auf und bietet keine vollständige Dokumentation der durchgeführten Arbeiten." (Audit SI-07 S. 10 / Bl. 184)

Es ist nicht nachvollziehbar, wie die SMA nach einer solchen Aussage und auf der Basis einer solchen Ausgangsdatenlage überhaupt in der Lage war zu testieren. Es ist außerdem einem Audit nicht angemessen, dass die SMA einen solchen schweren Vorwurf nicht im Einzelnen mit den konkreten Mängeln belegt, dadurch verdeckt sie mehr als sie kritisiert.

Wenn die SMA ausführt, dass weitergehende Informationen von der DB bilateral erhalten wurden (.... Quelle), so sind diese Informationen nicht hinreichend dokumentiert ....

NoGo.png Ein solch umfassender Verstoß gegen die Richtlinie und gegen die Nachvollziehbarkeit durch die Öffentlichkeit ist als KO-Kriterium für den Stresstest zu sehen. Kein Wirtschaftsprüfer dürfte eine solch lückenhafte Bilanz akzeptieren.

Belegungsgrade wurden nicht dargestellt

Die Richtlinie schreibt für die Dokumentation der eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Simulation verbindlich vor:

"Generell werden ausgewiesen:
• Verspätungszuwachs bzw. Verspätungsveränderung zwischen zwei definierten Querschnitten, dieser Wert dient als Kenngröße und wird dem zugehörigen Bewertungsmaßstab verglichen.
• Verspätungsverlauf über den Fahrweg des Zuges (der Zugfamilie).
Einzelbelegungsgrade von Belegungselementen bzw. Kanten (Kenngröße)."
(Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 162)

NoGo.png Dies fand an keiner Stelle der Stresstest-Dokumentation statt. Dieser Verstoß wurde von der SMA trotz ihrer großen einschlägigen Expertise übersehen bzw. nicht angesprochen. Die Belegungsgrade gehören zu den wichtigsten Kenngrößen in der Simulation einer Bahn-Infrastruktur mit stabilen Erfahrungswerten für fahrbare Auslegungen. So ergibt beispielsweise die Aktualisierung einer früheren Berechnung des Belegungsgrads von Stuttgart 21 mit den Daten des Stresstests einen Belegungsgrad in der Spitzenstunde von 95 %, das ist unfahrbar. Dies ist möglicherweise der Hintergrund für diesen Richtlinienverstoß.

Es ist zu vermuten, dass auch die Belegungsgrade für andere Stellen der Infrastruktur bspw. die Zufahrt von Zuffenhausen, die Filderstrecke, Wendlinger Kurve ähnliche Warnsignale für die Überlastung der Stuttgart 21-Infrastruktur ergeben.

Der Belegungsgrad ist eine der wichtigsten Kenngrößen in der Kapazitätsplanung, wird auch von der Richtlinie als erster Wert zur Infrastrukturbewertung aufgeführt (Richtlinie 405.0104 S. 27 / Bl. 115), er ist Bestandteil der Standard-Ergebnisdarstellung (Richtlinie 405.0205A01 S. 2 / Bl. 232). Die Bahn hat die Belegungsgrade für die Stuttgart 21-Infrastruktur vorliegen. Schon in der Faktenschlichtung am 29.10.2010 wurden die Belegungsgrade für die Zufahrten der Flughafen-Bahnhöfe gezeigt, auch einen Bahnsteiggleis-Belegungsgrad.[22] Das im Stresstest verwendete Programm RailSys gibt die Werte für Belegungsgrade standardmäßig aus.[23][24]

Baustelle.png
Nach Möglichkeit könnten aus den vorhandenen Daten Berechnungen zu den Belegungsgraden weiterer Infrastrukturelemente angestellt werden und auf diesem Portal ergänzt werden.

Test des Fahrplans oder der Infrastruktur?

  1. Die Bahn verfuhr nach dem Prozess zur Fahrplanrobustheitsprüfung ....
  2. Die Vorschriften der RiLi 405 für Infrastrukturprüfungen sind nicht erfüllt ....
  3. Auch die SMA spricht nur von der Untersuchung der "Robustheit des Fahrplans" nicht von der Robustheit der Infrastruktur bei hoher Belastung. (Audit SI-02 S. 4 / Bl. 144)

....

Baustelle.png
Bitte ausarbeiten!

Keine modellzugspezifische Verspätungsveränderung

Die Richtlinie schreibt eine etwas detailliertere Analyse der Simulationsergebnisse vor, als sie in der Stresstest-Dokumentation erfolgte:

"In Simulationsmethoden werden bei allen Tools Verspätungszuwächse (nicht immer völlig identisch mit der Summe der Wartezeiten, je nachdem, ob Urverspätungen oder Verspätungsabbau mit enthalten ist) modellzugspezifisch ermittelt." (Richtlinie 405.0202 S. 12 / Bl. 162)

Dot.pngNoGo.pngDot.png Die Abschlussdokumentation liefert keine klare Zuordnung der Modellzüge zu den Linien.

Stresstest-Simulation auf Basis ungültiger Prozessbeschreibung

Kopf Prozessbeschreibung LN34-07.01.03, DB Netze
Der Stresstest wurde nach einer noch nicht gültigen Prozessbeschreibung durchgeführt und dies wurde dennoch von der SMA testiert.

Die Bahn gab in ihrer Abschlussdokumentation vom 30.06.2011 an, beim Stresstest "gemäß Prozess »Fahrplanrobustheitsprüfung (FRP) durchführen« (LN34-07-01-03)" verfahren zu haben (Doku Teil 1 S. 2). Diese Prozessbeschreibung ist gültig seit 10.07.2011, d.h. sie konnte für die Durchführung des Stresstests keine Anwendung finden. Diesen Mangel übersieht die SMA und testiert einen Prozess, der auf einer nicht gültigen Verfahrensanweisung basiert. Dies ist überraschend, weil es zum Kern der Auditierung gehören müsste. Es ist die Frage, ob bzw. in welcher Form die noch nicht gültige Prozessbeschreibung der SMA überhaupt vorlag.

Prozessbeschreibung LN34-07-01-03, gültig ab 10.07.2011, DB Netze. Ausriss zu den Infrastrukturvarianten
Prozessbeschreibung LN34-05-07, gültig ab 16.02.2009, DB Netze. Ausriss zu den Infrastrukturvarianten
Für die Durchführung des Stresstests war eine frühere Fassung relevant, die Prozessbeschreibung LN34-05-07, gültig ab 16.02.2009. Es gibt womöglich mehrere Unterschiede zwischen beiden Verfahrensanweisungen. Ein entscheidender Unterschied liegt in dem Folgenden: In der älteren Prozessbeschreibung war die Berücksichtigung unterschiedlicher Infrastrukturvarianten an den Untersuchungsauftrag gebunden. In unserem Fall ist das der Schlichterspruch zum Stresstest, der ausdrücklich den Zusammenhang zwischen Simulation und Varianten darstellte:
"Welche der von mir vorgeschlagenen Baumaßnahmen, wie ich das eben getan habe, zur Verbesserung der Strecken bis zur Inbetriebnahme von S 21 realisiert werden, hängt von den Ergebnissen der Simulation ab." [25]

D.h. es hätte bspw. auch zwingend zumindest der Verkehr bei Bau der großen Wendlinger Kurve simuliert werden müssen (da hier die Leistungsvorgabe klar nicht erfüllt wird). Aber angesichts der extremen Parameter im Tiefbahnhof mit vielen Pufferzeitverletzungen und Doppelbelegungen hätten auch 9. und 10. Gleis und P-Option geprüft werden müssen.

Die neue Richtlinie, die möglicherweise eigens für den Stuttgart 21-Stresstest geändert wurde, galt aber nicht während seiner Durchführung. Allein sie würde es erlauben, von dem Untersuchungsauftrag durch einen gegebenenfalls enger gefassten Simulationsauftrag abzuweichen.

Dot.pngNoGo.pngDot.png D.h. gemäß der geltenden Prozessbeschreibung und dem Auftrag aus dem Schlichterspruch hätten im Stresstest die Varianten mit den Ausbauten Große Wendlinger Kurve, P-Option, etc. geprüft werden müssen, was nicht geschah, so dass der Stresstest die betreffende Vorschrift verletzt. Allein wegen dieses Regelverstoßes müsste der Stresstest noch einmal regelkonform wiederholt werden. Inzwischen – aber eben erst jetzt – wäre dann eine Abweichung vom Untersuchungsauftrag möglich. Allerdings müsste die Bahn dann bei der Veröffentlichung fairerweise auch den Simulationsauftrag offenlegen und Abweichungen vom Untersuchungsauftrag begründen. Dieses Vorgehen müsste dann auch vollständig vom Auditor geprüft und als sachgerecht eingestuft werden.

RICHTLINIENVERSTÖSSE, PARAMETER

Kein Stress im Test

Es existiert offenbar bei der Bahn keine eigene Richtlinie für die Durchführung eines echten "Stresstests". Die hier immer wieder zitierte Richtlinie 405 macht Vorgaben für die Durchführung einer eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Simulation, die zu den verschiedensten Zwecken durchgeführt werden könnte. Klar ist aber der Untersuchungsauftrag im Schlichterspruch mit dem Begriff "Stresstest" formuliert worden.

Aufgabe eines Stresstests ist die Prüfung einer erhöhten Belastungssituation, wie sie gerade im Falle von Stör- und Notfällen auftreten, insofern ist besondere Aufmerksamkeit auf die korrekte Abbildung dieser Betriebssituationen zu legen. Es existiert eine Prozessbeschreibung "Fahrplanrobustheitsprüfung durchführen" (bei der auch nicht die gültige Fassung vom Stresstest eingehalten wurde, siehe voriger Absatz), diese beschreibt aber lediglich den Ablauf, nicht die Parameter.

Richtlinie 405 geht jedoch darauf ein, dass eine Simulation und die darin verwendeten Parameter der Aufgabe angepasst werden müssen:

Zu den Eingangsgrößen: "Direkt aus dem Istzustand ermittelte Kenngrößen spiegeln zwar die Realität gut wieder, entsprechen aber, sofern sie nicht speziell für die aktuelle Aufgabe ermittelt wurden, nicht immer genau der geforderten Aussage." (Richtlinie 405.0205 S. 1 / Bl. 227)
"Zur Abbildung der im Betriebsablauf zu erwartenden Folgeverspätungen bzw. außerplanmäßigen Wartezeiten werden die Züge mit • Einbruchsverspätungen (ggf. bei Güterzügen auch Einbruchsverfrühungen) und • Urverspätungen (aufgaben- und toolspezifisch) belegt. Zu Quellen und Aufbereitung dieser Parameter siehe 405.0204 [Betriebsprogramm] und 405.0206 [Verspätungsanalyse]. Liegen Auswertungen nicht vor oder erscheint ihre Anwendung nicht sinnvoll (z.B. bei perspektivischen Untersuchungen), sind entsprechende Annahmen (siehe 405.0103A03) zu treffen." (Richtlinie 405.0201 S. 6 / Bl. 138)

D.h. im Falle, dass die Simulation einen Stresstest darstellen soll, ist die Verwendung von Jahres- und Tages-Durchschnittswerten aus dem Alltagsbetrieb nicht zielführend. Es müssten Werte der untersuchten Belastungsspitze (im Stresstest die Spitzenstunde), für Tage besonderer Belastung (Winter, Suizid, etc.) eingesetzt werden. Statt Durchschnittswerten müssten also bspw. eigentlich die zur Stoßzeit spezifisch verlängerten Haltezeiten verwendet werden. Außerdem müssten typische Störungsszenarien, wie die rund zweistündige Sperrung von ein bis zwei Gleisen, oder die nicht so seltene zumindest halbstündige Blockade eines Zuges im Bahnhof durch eine technische Störung am Zug simuliert werden. Beide typische Stresssituationen kommen in der Simulation nicht vor.

Dem Argument, dass die in der Simulation eingesetzte Verteilung auch einzelne Extremwerte liefert, muss entgegnet werden, dass diese gerade im Stresstest für Stuttgart 21 durch die spezifischen Einstellungen im Modell beschnitten wurden:

  1. Die Störungswerte insbesondere des Fernverkehrs und der S-Bahn wurden extrem unterdurchschnittlich angesetzt.
  2. Die Streuung im Modell fällt nur rund halb so groß aus wie in der Realität beobachtet. D.h. die eigentlich kritischen Extremwerte fallen nur halb so gravierend aus.
  3. Im Modell wurden aber darüber hinaus gerade die Maximalwerte beschnitten, so dass genau der Anteil der Verspätungsstatistik, der Stör- und Notfälle abbilden sollte, aus der Simulation herausgenommen wurde. Dieser Eingriff ist einer der gravierendsten Fehler im Stresstest.

D.h. statt auf die korrekte Abbildung gerade der hohen Belastungsspitzen zu achten, wurde eine Simulation durchgeführt, die gegenüber durchschnittlichen Bedingungen noch deutlich weichgespült wurde, also definitiv eine Schönstwettersimulation statt einem Stresstest. Dabei gibt die Richtlinie explizit vor, dass die Simulation von Stör- und Notfällen durch das Gegenteil, nämlich die Erhöhung der Parameter simuliert werden soll:

"Die Modellierung der Ausfälle oder Teilverfügbarkeiten von Infrastrukturelementen muss bisher ersatzweise durch Erhöhung der zugbezogenen Parameter für Urverspätungen erfolgen." (Richtlinie 405.0206 S. 11 / Bl. 251)

Eine solche spezifische Modellierung einer besonderen Verspätungssituation kann offenbar problemlos in das System integriert werden, wie am Beispiel der "Gesonderten Ur- und Einbruchsverspätungen" in Marbach und Bondorf geschehen (Audit SI-08 S. 9 / Bl. 194). In gleicher Weise könnten auch die für den achtgleisigen Tiefbahnhof so kritischen Szenarien "Suizid" und "Technische Störung am Zug" bspw. durch testweise auf 120 bzw. 30 Min. heraufgesetzte Haltezeitverlängerungen im Hauptbahnhof simuliert werden.

Der Auditor des Stresstests, die Schweizer Firma SMA distanzierte sich außerdem ausdrücklich davon, die "betriebswissenschaftliche Simulation" als "Stresstest" zu bezeichnen[26]. Insofern stellt der Auditor klar, dass er lediglich eine Simulation und keinen Stresstest bewertet hat.

NoGo.png Ex.png Die Ausblendung von Stress im Stresstest sowohl durch eine vom Ansatz her schon wenig anspruchsvolle Verspätungsstatistik als auch durch die unverantwortliche und im Verborgenen durchgeführte Kappung der Haltezeitverlängerungen ist ein eklatanter Verstoß gegen die Anforderungen der Richtlinie, den Untersuchungsauftrag in der Simulation korrekt abzubilden. Die Bahn hat die Anforderung nach einem Stresstest nicht erfüllt und ja auch nie behauptet, einen Stresstest durchgeführt zu haben. Auch der Auditor stellt klar, dass er keinen Stresstest auditierte. Diese grundlegendste Anforderung ist also definitiv nicht erfüllt.

Mangelhafte Berücksichtigung von Urverspätungen

Richtlinie 405 macht eine Reihe von Vorgaben für die Berücksichtigung von Urverspätungen als notwendigen Störungsparameter für eine eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung. Urverspätungen setzen sich zusammen aus Unterwegsverspätungen aufgrund von Störungen auf der Strecke (Gleis, Oberleitung, Signale, Personen oder Zug) sowie Haltezeitverlängerungen durch ähnliche Störungen in den Bahnhöfen. Im vorigen Absatz war schon ein Zitat der Richtlinie zur möglichst aufgabenspezifischen und realitätsnahen Berücksichtigun gegeben worden (Richtlinie 405.0201 S. 6 / Bl. 138), außerdem wird dies auch hier angemahnt:

"Bei Simulationen ist zu berücksichtigen, dass bei großem Betrachtungsraum und ohne Einspielen zusätzlicher Urverspätungen durch Verspätungsabbau im Betriebsablauf u.U. ein unrealistisch niedriges Verspätungsniveau bei der Einfahrt in den Auswerteraum entstehen kann. In diesen Fällen ist der Betrachtungsraum zu reduzieren oder es sind Urverspätungen einzuspielen." (Richtlinie 405.0203 S. 5 / Bl. 195)

Insbesondere für den Fernverkehr sind die Urverspätungen besonders relevant:

"Liegen vor einem Knoten lange Streckenabschnitte, so führt der Abbau ggf. zu einem zu günstigen Verspätungsniveau beim Einbruch in den Knoten. Um diesen Nachteil zu vermeiden, muss von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Urverspätungen einzugeben." (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161)

Die Richtlinie erwartet in der Regel die spezifische Modellierung der Urverspätungen in der Simulation (.... Quelle), umfangreiche Daten hierfür sind bspw. aus den LEIDIS-Daten verfügbar (.... Quelle), die Richtlinie regelt die Auswertung der Ist-Daten für den Zweck (.... Quelle). Die Simulationssoftware RailSys erlaubt die umfassende Modellierung der streckenbezogenen Urverspätungen in der Simulation in Form von sogenannten "Fahrzeitverlängerungen".[27] Dabei achtet das Tool darauf, dass die Verfälschungen im ausgewerteten Verspätungsaufbau nicht auftreten, die im Stresstest im Hauptbahnhof und in den Einbruchsbahnhöfen zu beklagen sind. Dennoch weicht die Bahn in der Stresstest-Simulation auf die Behelfswerte aus.

NoGo.png Es ist nicht zu erkennen, warum die Bahn nicht die vorgeschriebene Simulation der streckenbezogenen Urverspätungen vornimmt. Die Daten sind vorhanden und das Tool bietet alle Möglichkeiten hierzu. Dass ohne erkennbare Not auf die (veralteten) Behelfswerte aus der Richtlinie zurückgegriffen wird (und diese auch noch um die anspruchsvollen Spitzenwerte gekappt werden, siehe unten) könnte den Verdacht aufkommen lassen, dass dies evtl. vorteilhaft für die Erzielung eines 'besseren' Simulationsergebnisses ist. Auf diesem Weg fallen die Stresstest-Ergebnisse durch den den fehlerhaft bestimmten Verspätungsaufbau im Hauptbahnhof und in den Einbruchsbahnhöfen noch günstiger aus, aber auch unzutreffend.

Dot.pngNoGo.pngDot.png In der Stresstest-Dokumentation werden allein "Haltezeitverlängerungen" dargestellt (Doku. Teil 1 S. 21). Diese unkommentierte Größe musste von der Öffentlichkeit als tatsächliche Verlängerungen der Haltezeit im Bahnhof aufgrund von kleineren Störungen im Bahnhof oder hohem Fahrgastwechsel angesehen werden und erschien so relativ anspruchsvoll gewählt. Erst der Auditor stellt klar, dass die Haltezeitverlängerungen auch (zum größeren Teil) die Urverspätungen auf der Strecke enthalten (Audit SI-05 S. 1 ff / Bl. 156). Die Bahn ist also zunächst der Verpflichtung gemäß der Richtinie nicht nachgekommen, in der Abschlussdokumentation die Abbildung der Prämissen zu den Urverpätungen nachvollziehbar darzustellen.

NoGo.png Darüber hinaus wurden jedoch diese Haltezeitverlängerungen, die die Urverspätungen enthalten sollen, unzulässig gekappt und es wurde der Verspätungsaufbau ohne den Beitrag der Urverspätungen sowohl in den Einbruchsbahnhöfen wie auch im Hauptbahnhof ermittelt. Diese schwerwiegenden Fehler in der Abbildung der Urverspätungen in der Simulation werden in den entsprechenden Abschnitten besprochen.

Inwieweit sich bei der im Audit erwähnten Lenkungskreissitzung Stresstest in Karlsruhe am 05.05.2011 sich evtl. kaum eingearbeitete Vertreter der neuen Landesregierung sich bei dieser Festlegung evtl. über den Tisch haben ziehen lassen, lässt sich nicht sagen. Im Ergebnis werden die Urverspätungen jedoch gegen die Vorgaben der Richtlinie unzureichend bis gar nicht berücksichtigt.

Gekappte Haltezeitverlängerungen

Verdeckung der Kappung

SMA-Präsentation vom 07.07.2011, "Ausgewählte Prämissen", Folie 6 (am 07.07. nicht gezeigt, aber später an Aktionsbündnis übergeben). Es werden die Maximalwerte noch ohne Güterverkehr angegeben.
Seite 21 aus der Stresstest-Dokumentation vom 30.06.2011. Es wird kein Hinweis auf die Kappung der Verspätungs­spitzen gegeben. Damit ist die Darstellung falsch, teils um den Faktor 2.

Eine der quantitativ größten Fehlannahmen im Stresstest mit der Wirkung der Erleichterung des Bestehens ist auch eine der zuletzt identifizierten: Die vollkommen unbegründete Kappung der Haltezeitverlängerungen auf vollkommen unzulässig niedrige Maximalwerte. Diese Maximalwerte wurden von der Bahn in der Stresstest-Dokumentation und den Prämissengesprächen unterschlagen.

SMA-Audit vom 21.07.2011, SI-05 S. 2 / Bl. 157 Tabelle der Haltezeitverlängerungen. Erst hier werden die Maximalwerte auch für den Güterverkehr angegeben.
Antwort der DB Netz vom 08.07.2011 auf die Fragen zur Verspätungsstatistik. Trotz gezielter Frage danach wird nicht auf Verspätungsspitzen eingegangen.

Die Bahn hatte in ihrer Abschlussdokumentation zum Stresstest die Annahmen für die unterstellten Verspätungsverteilungen dargestellt (Doku. S. 21), aber nicht angegeben um welche Verteilungsfunktion es sich handelte. Insbesondere wurde durch die Angabe von Mittelwerten und Wahrscheinlichkeiten suggeriert, dass eine unbeschnittene Verteilung angewandt wurde. Es gab keinerlei Hinweis auf die Beschneidung der maximalen Verspätungswerte.

Und selbst der Auditor SMA hatte offenbar für die längste Zeit keine vollständige Kenntnis davon. Zumindest hatte er zum Zeitpunkt der Prämissengespräche am 07.07.2011 offenbar noch keine Kenntnis von der schwerwiegendsten der Kappungen, der im Güterverkehr. Dies belegt die Folie der SMA aus den Prämissengesprächen, die für den Güterverkehr keine Kappung ausweist und bei deren Präsentation auch nicht die Bedeutung und vor allem die Auswirkung der Kappungsgrößen bei Fern- und Nahverkehr sowie S-Bahn erläutert wurden.

In den Prämissengesprächen hatte das Aktionsbündnis detailliert zu der Ausgestaltung der Verspätungsverteilung nachgefragt: Nach der Funktion, nach den im Test für die einzelnen Züge verwendeten konkreten Verspätungswerten, dem Vergleich mit realen Verspätungsdaten und sogar schon nach der Höhe der "Ausreißer" in der Verteilung. Diese Fragen wurden schriftlich mit der mageren Information "negative Exponentialverteilung" beantwortet. In der mündlichen Nachfrage wurde keiner der weiteren Punkte beantwortet, aber es wurde immerhin zu den Einbruchsverspätungen die Information gegeben, dass die "DB Spielräume hat, welche Verteilung an welchem [Einbruch-]Punkt angenommen wird." (Prämissengespräch 19.07.2011) Aber auch hier wurde kein Hinweis auf die Kappung der Haltezeitverlängerungen gegeben.

Am 19.07.2011 wurden noch einmal schriftlich die Daten der konkret auf die Züge einwirkenden Verspätungswerte nachgefragt und in der Folge mehrfach, aber ohne Erfolg angemahnt. Kurz vor der Stresstest-Präsentation hieß es dann, man habe die Frage nicht verstanden (.... Quelle).

Erst im Audit legte die SMA die Kappungen der Haltezeitverlängerungen offen, ohne allerdings auch nur mit einer Silbe auf diese Größen einzugehen. Selbst als die SMA in ihrer Tabelle den Grenzwert für den Güterverkehr eintrug, der das Maximum unterhalb des Mittelwerts festlegte, wurde sie nicht stutzig. Dafür reicht mutmaßlich nicht aus, nur auf einem Auge blind zu sein.

Wirkung der Kappung

Es bestand wohl die Hoffnung, dass niemand verstehen würde, was diese Randnotiz in der Tabelle zu bedeuten hätte. Ohne jede Erläuterung ist das auch kaum möglich. Man muss in das Handbuch der verwendeten Simulationssoftware schauen, um diese Größen einordnen zu können:

Parameter Fern-
verkehr
Nah-
verkehr
S-Bahn Güter-
verkehr
Wahrscheinlichkeit 10 % 10 % 10 % 10 %
Mittelwert der Verspätungen (nominal) 2,0 Min. 1,0 Min. 0,5 Min. 5,0 Min.
Maximum der Verspätungen 5,0 Min. 3,0 Min. 1,0 Min. 3,0 Min.
Anteil der gekappten Verspät. 8 % 5 % 14% 55 %
Mittelwert der Verspätungen (real) 1,84 Min. 0,95 Min. 0,43 Min. 2,26 Min.
Reduktion des Mittelwertes 8 % 5 % 14 % 55 %
Auswirkung der gekappten Haltezeitverlängerungen (hohes Belastungsniveau)
"Die negative Exponentialverteilung wird häufig zur Beschreibung einer Abfahrtszeitverlängerung genutzt. Die Wahrscheinlichkeit wp, dass eine Verspätung der Zufallszahl v auftritt ist definiert als:
Sei v € [0;1] und wenn v < we / 100 (d.h. wenn die Zufallszahl v kleiner ist als der Anteil der verspäteten Züge, dann wird der Zug mit der folgenden Verteilung gestört.)
      vsp = – pm × ln(1 – 100 v / we)
Die Parameter haben dabei folgende Bedeutung
      vsp = Verspätung in Minuten
      pm = mittlere Verspätung der verspäteten Züge in Min.
      we = Anteil der verspäteten Züge (in %)
      pmax = die maximale Verspätung der verspäteten Züge in Min.: Wenn die zufällig gezogene Verspätung diesen Wert übersteigt, wird der entsprechende Wert auf pmax reduziert."

(Handbuch RailSys, S. 415, "Parameter der negativen Exponentialverteilung")
Haltezeitverlängerungen in Minuten als Ergebnis des RailSys-Algorithmus. Die hohen Verspätungswerte werden auf wenig anspruchsvolle Werte gekappt. Die Kurven der Verkehrsarten wurden voreinander gelegt.

Erst mit der Kenntnis dieses Algorithmus wird die Bedeutung der Größen klar. Der Maximalwert kappt die Verspätungsspitzen auf diesen Wert. Die Simulation dieser Verteilung der Verspätungswerte liefert die in der nebenstehenden Tabelle und der Grafik dargestellten Werte.

Grundsätzlich ist die Anwendung solcher Maximalwerte in dem Algorithmus von RailSys keine unsinnige willkürliche Maßnahme. Die Formel kann in seltenen Fällen extrem hohe Verspätungswerte liefern, auch viele Stunden oder gar Tage, und es ist sinnvoll, diese zu begrenzen. Im Fall der Einbruchsverspätungen wird dies auch gemacht und hat keine merkbare grob verfälschende Wirkung. Im Falle der Haltezeitverlängerungen ist die Wirkung erheblich.

Es wird der Großteil der Ereignisse, die alleine noch Stress in das System eintragen, nämlich die Verspätungsspitzen, auf harmlose Werte im Bereich der üblichen Pufferzeiten zurückgekürzt (zu den eigentlichen Pufferzeiten kommen die in Stuttgart Hbf teilweise besonders langen Haltezeiten). Es werden im Fern- und Nahverkehr, bei S-Bahnen und Güterverkehr 5 %, 8 %, 14 % und sogar 55 % der Werte gekappt. Die Kappung verfälscht dabei die Mittelwerte erheblich. Es ist eine Eigentümlichkeit der Exponentialverteilung, dass diese um den gleichen Prozentsatz sinken und das, obwohl die Werte ja nicht auf Null zurückgesetzt werden, sondern auf den Maximalwert. Dies zeigt das hohe Gewicht der Verspätungsspitzen. Aufgrund der hohen Nichtlinearität des Problems der Bahnhofsleistungsfähigkeit ist die Wirkung der Spitzen erheblich höher, als dem Prozentbetrag entspricht, um den der Mittelwert sinkt. Es waren genau diese gekappten Verspätungsspitzen, die eigentlich den Stress abbildeten, und die jetzt herausgenommen wurden.

Im Falle des Güterverkehrs ist der Eingriff schwindelerregend, wenn die Bahn das Maximum fast bei der Hälfte des Mittelwerts ansetzt. Es kann nicht entschieden werden, ob diese Größe überhaupt und ob sie genau aus diesem Grund dem Auditor vorenthalten wurde. Möglicherweise ist der Auditor aus eigenem Antrieb zurückgescheut, diese Größe schon in den Prämissengesprächen zu offenbaren. In jedem Fall hätte die Darstellung eines Maximalwerts, der unter unter dem Mittelwert der Verpätungsverteilung liegt, erhebliche Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt.

Die umfassende Informationszurückhaltung, die definitive Falschdarstellung in der Abschlussdokumentation der Bahn und die unvollständige Darstellung durch den Auditor in den Prämissengesprächen, die Nicht-Beantwortung entsprechender Fragen, lassen den Verdacht einer absichtsvollen Täuschung der Öffentlichkeit in dieser Frage aufkommen. Es entsteht der Eindruck, als wurden (fast) alle Maßnahmen getroffen, um diesen Eingriff zu verdecken.

NoGo.png Ex.png Für die extreme Kappung der für die Simulation so enorm wichtigen Urverspätungen in Form der Haltezeitverlängerungen gibt es keine Rechtfertigung. Eine solche wurde auch an keiner Stelle von der Bahn oder der SMA gegeben. Die Richtlinie gibt an keiner Stelle Raum für einen solch umfassenden Eingriff in die Verspätungsstatistik. Wenn die wesentlichen Stressparameter teilweise um mehr als einen Faktor 2 falsch dargestellt werden in einer Unterlage, die eine Milliardeninvestition rechtfertigen soll, erscheint das als schwerwiegender Vorfall. Es ehrt die SMA, dass sie diesen Eingriff (wenn auch nur versteckt, quasi in einer Randnote) öffentlich machte. Es wirft aber ein sehr zweifelhaftes Licht auf den Auditor, wenn dieser dabei die Abweichung von dem Bahn-Regelwerk und diesen erheblichen Manipulationseingriff nicht erkannte, ja die Auswirkung dieser eigens für die Stresstest-Simulation eingeführten Parameter gar nicht prüfte. Die gekappten Verspätungen zählen zu den quantitativ größten Fehlern in der Simulation. Die Verdeckung dieser Parameter durch die Bahn – evtl. auch vor dem Auditor – könnte das Misstrauen in die Bahn verstärken.

Verspätungsspitzen für Störungen

NoGo.png Ex.png Es erscheint als ein ausgesprochener Zynismus, wenn die Bahn ausgerechnet die Verspätungsspitzen aus der Simulation herausnimmt, die gerade die Störungen abbilden sollten laut der ausdrücklichen vielfachen Beteuerung der Bahn und des Auditors in der Stresstest-Präsentation (in den Prämissengesprächen ähnlich):

  1. "Die Kennzahlen der Betriebssimulation sind: [...] 140.000 eingebrachte Störfälle durch Verspätungen in einer großen Bandbreite, um zu statistisch gesicherten Ergebnissen zu gelangen." (Dr. Kefer, 29.07.2011, .... Uhr)[28]
    • Die Bandbreite wurde durch das Herausnehmen der Spitzen genau dort verengt, wo Störungen abgebildet worden wären.
  2. "In dieser Computersimulation da werden ja unendlich viele Störeinflüsse per Zufallsgenerator in das Modell hineingeschossen und dann so weitergerechnet." (Werner Stohler, 29.07.2011, 13:54 Uhr)[29]
    • Richtiger wäre: ... Störeinflüsse per Zufallsgenerator in das Modell hineingeschossen und danach auf ein harmloses Maß gestutzt.
  3. "Ich habe am Anfang meiner Präsentation gezeigt, dass Störungen durchaus in der Größenordnung von 15 Minuten sein können – eine Türstörung, eine Lokomotive muss dreimal hochgefahren werden, weil es dort Computersysteme gibt, die manchmal am "Boden liegen". Derartige größere Störungen sind also proportional, wie sie draußen im Verkehr vorkommen, enthalten." (Werner Stohler, 29.07.2011, ca. 16:00 Uhr)[30]
    • Die Aussage ist nicht zutreffend: "Derartige größere Störungen" "in der Größenordnung von 15 Minuten" als "Türstörung" oder technische Störung am Zug, also als Verspätung im Bahnhof sind definitiv nicht in der Simulation enthalten. Solche Störungen können von der durch die Richtlinie geforderten Verteilung erzeugt werden, werden aber im Fernverkehr auf 5 Min. und im Regionalverkehr auf 3 Min. gekappt. Die derart erzeugten, bei einem Festbetrag gekappten Verspätungswerte anstatt der höheren Verspätungen sind eben nicht "proportional, wie sie draußen im Verkehr vorkommen". Die Verteilung hat statt der Spitze einen unnatürlichen Sockel erhalten.
  4. "Die Verspätungen, die in dem System wiedergespiegelt werden, werden per Zufallsgenerator erzeugt. Das war genau die Aussage, die wir getan haben und Herr Stohler hat sie bestätigt. Und diese Ursachen beinhalten auch abweichend von dem, was Herr Palmer vorhin gesagt hat, natürlich jegliche Ursache, die da vorstellbar ist. Also Signalstörungen, Weichenstörung und sonst irgendwas. Das wird dort alles wiedergespiegelt." (Dr. Kefer, 29.07.2011, 17:47 Uhr)[31]
    • Wenn 55 % der Verspätungsannahmen im Güterverkehr denselben (verharmlosten) Wert annehmen oder 8 % im Fernverkehr, kann man nicht mehr von Zufallsgenerator sprechen.

Mehrfach wurde von der Bahn und der SMA betont, es seien anspruchsvolle Parameter gewählt worden. Dabei wurde verschwiegen, dass die eigentlich anspruchsvollen Verspätungswerte auf ein harmloses Niveau gekappt wurden:

  1. "Für die Betriebssimulation des Stresstests wurden durchgehend anspruchsvolle Parameter gewählt." (Doku. Teil 1 S. 21)
    • Diese Aussage steht direkt neben den Verspätungsparametern, die die Kappung der Haltezeitverlängerungen auf wenig anspruchsvolle Werte unterschlagen. Diese Unaufrichtigkeit tut besonders weh und mag noch für Charakterstudien dienlich sein.
  2. "Es werden in der Simulation die Werte für eine hohe Belastung des Haltebahnhofs unterstellt. Damit werden auch weitere Urverspätungen, die nicht explizit in das System eingebracht werden, abgedeckt." (Audit SI-05 S. 2 / Bl. 157)
    • Auch dies ist der direkte Zusatz der SMA zur Darstellung der gekappten Haltezeitverlängerungen. Sie musste mutmaßlich auf mehr als einem Auge blind sein, um die Kappung zu übersehen. Aber dass hier auch noch geschlossen wird, dass sogar "weitere Urverspätungen" abgedeckt seien, geht besonders weit. Diese weiteren Urverspätungen müssen sich auf die größeren Störfälle beziehen, die die SMA an anderer Stelle im Audit anspricht. D.h. es wird dargestellt, wie die Verspätungsspitzen gekappt werden und geschlossen, dass nun genau die Störungen berücksichtigt werden, die nur von den ungekappten Verspätungsspitzen abgebildet werden könnten!?

NoGo.png Ex.png Es bleibt als Fazit nur festzustellen, dass auch noch genau der Teil der ohnehin unrealistisch optimistischen Verspätungsverteilung aus der Simulation herausgenommen wurde, der als letzter noch ein bisschen Stress hätte erzeugen können. D.h. der Stresstest ist nicht nur eine Schönwettersimulation, sondern eine Schönstwettersimulation!

Rolle des Güterverkehrs

Man kann nachvollziehen, dass die Berücksichtigung des Güterverkehrs unter realistischen Bedingungen enorme Schwierigkeiten in der Simulation verursachen würde. Dies könnte auch eine Erklärung liefern für die so vollkommen unsinnige Sensitivitätsbetrachtung ohne Güterverkehr, zu der die SMA schreibt:

"DB Netz AG hat eine Sensitivitätsbetrachtung ohne SGV durchgeführt. Ein Betriebsprogramm ohne Güterverkehr ist nicht realistisch. Da dieser Zustand einen fiktiven Fall darstellt, wird er hier nicht detailliert kommentiert. Die Sensitivitätsprüfung zeigt einen deutlichen Effekt des Güterverkehrs in der Simulation. Zwischen Einbruchbetriebsstelle und Ausbruchbetriebsstelle können gut 40 Sekunden mehr Verspätung als in der Grundvariante abgebaut werden." (Audit SI-07 S. 7 / Bl. 181)

Da die Berechnung einer Sensitivität ohne Güterverkehr so fern der Wirklichkeit ist (es gibt keine Pläne für die Abschaffung des Güterverkehrs in der Region Stuttgart), stellt sich die Frage, wozu diese Untersuchung gemacht wurde. Es kann nur spekuliert werden, ob man nach der extremen Kappung der Haltezeitverlängerung und damit der Reduktion der Urverspätungen im Güterverkehr um mehr als die Hälfte nicht mehr sicher war, ob sich der Güterverkehr überhaupt noch signifikant in der Simulation bemerkbar macht. In diesem Fall hätte das Ergebnis eines immer noch "deutlichen Effekts" des Güterverkehrs für die Verantwortlichen des Eingriffs eine Beruhigung sein können.

Angesichts der besonders großen Verfälschung beim Güterverkehr durch die Kappung der Verspätungen hat das folgende Fazit der SMA zum Güterverkehr einen besonders bitteren Klang und erscheint als einer der kapitalsten Fehler im Audit:

"Beim Güterverkehr sind keine Anpassungen erforderlich." (Audit FP-09 S. 3 / Bl. 115)

Fahrzeitüberschüsse voll im Verspätungsabbau

Richtlinie: 50 % Fahrzeitüberschuss nutzbar

Laut Richtlinie 405 dürfen insbesondere bei der Bewertung der Betriebsqualität (wenn es um "wirtschaftlich optimal" oder "Premium" geht) "entsprechend den Bedingungen in der Praxis" Bauzuschläge und planmäßige Wartezeiten nur zum Teil, in der Regel nur zu 50 %, genutzt werden. Fahrzeitzuschläge sollten ggf. ganz unberücksichtigt bleiben:

"Simulationsmethoden erlauben die Abbildung von Verspätungsabbau, wobei i.d.R. der Abbau der Hälfte des Bauzuschlags und der im zu Grunde liegenden Fahrplan enthaltenen planmäßigen Wartezeiten im Betrachtungsraum zugelassen wird. Die Nutzung von Fahrzeitzuschlägen zum Abbau von Verspätungen kann toolgebunden unterbunden werden." (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161)

In der Definition der Betriebsqualität wird vielfach auf folgende Fußnote verwiesen, die jedoch sowohl von der Bahn in der Stresstest-Dokumentation (Doku. Teil 1 S. 23) als auch von der SMA im Audit (Audit SI-02 S. 2 / Bl. 176) unterschlagen wird:

"Hierbei wird angenommen, dass entsprechend den Bedingungen in der Praxis ein Teil der in der Regel erforderlichen planmäßigen Wartezeiten und der bei der Fahrplanerstellung üblicherweise eingearbeiteten Zeitzuschläge zum Verspätungsabbau genutzt werden kann." (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94)

Die erste Formulierung ist nicht ganz eindeutig, der Satz am Anfang könnte so gelesen werden, dass nur die Hälfte des Bauzuschlags und die Wartezeiten voll zum Verspätungsaufbau genutzt werden könnten (wenn der Genitiv der Wartezeiten sich auf "Abbau" und nicht auf "Hälfte" beziehen würde). Wäre dies so gemeint, hätte die Richtlinie das präziserweise mit einer zusätzlichen Formulierung wie 'der Abbau der vollen [...] enthaltenen planmäßigen Wartezeiten' klarstellen müssen. Dass sich die Hälfte sowohl auf Bauzuschlag wie auch auf die planmäßigen Wartezeiten bezieht, wird durch die zweite genannte Passage der Richtlinie klar. Aber insbesondere ist es die einzig logische Interpretation. Denn es ist nicht zu erkennen, warum im Verspätungsfall andere Störungen aufgrund von Bautätigkeiten, Ausfällen der Technik oder Problemen mit Personen ausgeschaltet sein sollten.

Simulation: 100 % Fahrzeitüberschuss genutzt

Verspätungsabbau aus Fahrzeitreserven. Antwort DB Netz auf Frage 33 in den Prämissengesprächen.
Die für den Stresstest wesentlichen Annahmen zum Verspätungsabbau sind nicht in der Stresstest-Dokumentation dargestellt. Weder die Nutzung von Fahrzeitüberschüssen, noch die Mindesthaltezeiten oder andere Annahmen zum Verspätungsabbau.

Erst in den Prämissengesprächen wurden die Bedingungen des Verspätungsabbaus offenbart. Allerdings ohne den Hinweis darauf, dass die Richtlinie nur die Nutzung von 50 % der Reserven zum Verspätungsabbau zulässt. Das in der Antwort der DB Netz auf die entsprechende Fragen dargestellte Bild aus dem Simulationstool suggeriert dabei doch noch eine Nutzung des Bauzuschlags zu nur 50 %. Dieser ist jedoch zu diesem Zeitpunkt schon ganz dem Fahrzeitüberschuss zugeschlagen (zweiter Aufzählungspunkt, Audit SI-04 S. 1 / Bl. 153 f, siehe Folgeabsatz).

NoGo.png Nach den im vorausgehenden Absatz zitierten Aussagen der Richtlinien darf der Bauzuschlag nur zu 50 % zum Verspätungsabbau verwendet werden. Fahrzeitüberschüsse sollen nach der Richtlinie sogar gegebenenfalls ganz unberücksichtigt bleiben. Die Simulation der "Grundversion", die die Basis des Stresstest-Ergebnisses ist, und offenbar im Unterschied zu den "Sensitivitäten" die einzige Vollsimulation mit 100 simulierten Tagen ist, beruht somit auch bezüglich der Verwendung der Fahrzeitüberschüsse auf unzulässigen Parametern. Offenbar wurde dieser Fehler lediglich in der "Sensitivität" mit 75 % Fahrzeitüberschuss teilweise korrigiert:

SMA: 75 % Fahrzeitüberschuss genutzt

Die SMA schreibt zu den Fahrzeitreserven:

"Die Richtlinie sieht vor, dass in der Regel bei Simulationen die Hälfte des Bauzuschlags sowie der gesamte Fahrzeitüberschuss zum Verspätungsabbau genutzt werden können. Der Regelzuschlag wird nicht explizit genannt.
Bauzuschläge sind hier im FzÜ enthalten. Zur Kompensation der vollständigen Nutzung des FzÜ und somit des impliziten Bauzuschlags wird der Regelzuschlag nicht zum Verspätungsabbau genutzt. Da Bau- und Regelzuschlag im Allgemeinen ähnlich große Werte annehmen, ist dieses Vorgehen eine sinnvolle Annäherung.
Aufgrund der Unsicherheiten des weit in der Zukunft liegenden Zeithorizonts in der Fahrplankonstruktion (Bauzuschlag, Fahrzeuge etc.) ist das Verhältnis zwischen Regel-, Bauzuschlag und Fahrzeitüberschuss nicht genau einzuschätzen. Eine Sensitivitätsanalyse erlaubt es, diese Unsicherheit einzugrenzen. Es wird eine Analyse empfohlen, bei der nur 75 % des FzÜ für den Verspätungsabbau genutzt werden." (Audit SI-04 S. 1 / Bl. 153 f)

Diese Darstellung der SMA unterliegt einer Reihe von Fehleinschätzungen:

  1. Die SMA begeht hier den Fehlschluss, dass der Regelzuschlag, weil er "nicht explizit genannt" wird, zum Verspätungsabbau genutzt werden könnte, und seine Nichtverwendung hier die fälschliche Nutzung des Bauzuschlags kompensieren kann.
  2. Wenn die Richtlinie den Regelzuschlag nicht beim Verspätungsabbau erwähnt, dann heißt es, dass er nicht zum Verspätungsabbau zugelassen wird. D.h. er steht dann auch nicht zur Kompensation zur Verfügung.
  3. Der Regelzuschlag, "dient dem Ausgleich der sich täglich ändernden äußeren Einflüsse auf die Fahrzeit (Witterung, unterschiedliche Tfz-Leistung, Reaktion des Tfz-Führers)." (Richtlinie 405.0103 S. 7 / Bl. 41) und ist im Fahrplan enthalten. Er beruht auf Erfahrungswerten und ist Bestandteil der realistischen Fahrzeit, kann also gar nicht zum Verspätungsabbau genutzt werden.
  4. SMA argumentiert inkonsequent, wenn zunächst das Vorgehen der Bahn als "sinnvolle Annäherung" bewertet wird, und dann doch eine Sensitivität gefordert wird.
  5. Die Argumentation bezüglich der Unsicherheit im Verhältnis der Zuschläge und dem "weit in der Zukunft liegenden Zeithorizont" ist unzutreffend, da 9 Jahre wenig bedeuten vor dem Zeitraum, in dem die Erfahrungswerte der Richtlinie gesammelt wurden und regelmäßig zur Anwendung kamen. Es ist nicht anzunehmen, dass sich in den kommenden 9 Jahren das Bahnwesen vollkommen verändert, dann wäre gar keine Richtlinie nötig.
  6. Es ist überhaupt nicht zu erkennen, wie eine für den Stresstest durchgeführte Sensitivität mit 75 % Fahrzeitüberschuss diese vermeintliche Unsicherheit der Zuschläge in der Zukunft "einzugrenzen" vermag. Sie hat damit nichts zu tun.
  7. In Summe erscheint die Darstellung nebulös und wenig quantitativ. Woher kommen die 75 %?

NoGo.png Die SMA führt hier eine nicht nachvollziehbare Argumentation. Es lässt sich nicht entscheiden, ob die Richtlinie nicht aufmerksam gelesen wurde oder ob der SMA evtl. eine bestimmte Interpretation nahegelegt wurde, so dass sie dem Missverständnis unterlag, dass die Regelzuschlag als Kompensation genutzt werden könnte. Die Begründung für die Sensitivität ist nicht logisch nachvollziehbar, der Wert von 75 % Fahrzeitüberschuss erscheint nicht hinreichend begründet.

Baustelle.png
Bitte sämtliche Richtlinienverstöße prüfen/ergänzen/ausformulieren und evtl. mit weiteren Referenzen aus den Richtlinien (zumeist 405) belegen! Ggf. weitere Punkte anfügen.

Qualität der Bahn-Richtlinien

Aus der Analyse des Stresstests ergibt sich auch eine Bewertung der Qualität der Richtlinie 405 der Bahn.

Die Richtlinie fordert eine realitätsnahe Simulation

Die hohe Qualität der Richtlinie zeigt sich darin, dass sie nahezu alle Abweichungen von einer realitätsnahen Simulation im Stresstest zu Stuttgart 21 untersagt:

  1. Sämtliche Parameter müssen aufgabengemäß gewählt werden und einzeln auf die Realitätsnähe geprüft werden.
  2. Für eine Simulation müssen alle Parameter gleichzeitig auf diese Werte gesetzt werden. Sensitivitäten sind nicht zugelassen, um Resultate zu ermitteln.
  3. Eine Simulation muss über 100 Tage durchgeführt werden, Stichproben an einzelnen möglicherweise handverlesenen "guten" Tagen (Sensitivitäten) sind nicht zulässig.
  4. Die Verspätungsstatistik darf nicht um die Spitzen, die gerade die Störungen im praktischen Betrieb abbilden, bereinigt werden.
  5. ....
Baustelle.png
Ergänzen und Belege anfügen!

Die Richtlinie ist an mehreren Stellen unnötig unklar

Es fällt aber auf, dass die Richtlinie an einzelnen entscheidenden Stellen merkwürdig unklare Formulierungen gebraucht, wo eine einfache absolut eindeutige Darstellung geboten wäre:

  1. Problematisch für den Stresstest zu Stuttgart 21 war die unnötig komplizierte Formulierung zu den Minutengrenzen des Verspätungsaufbaus (405.0104 S. 21 / Bl. 109): Eine einfache Tabelle, in der Art: Bis 0,0 Minuten Verspätungsaufbau "wirtschaftlich optimal", bis 1,0 Minuten "risikobehaftet", darüber "mangelhaft" würde die Einstufung klarer wiedergeben.
  2. Tatsächlich doppeldeutig ist die Formulierung zum Abbau der Fahrzeitüberschüsse (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161), deren zutreffende Interpretation sich erst mithilfe einer weit entfernten Textstelle der Richtlinie aufklären lässt (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94).

Die Richtlinie weist einen systematischen Fehler auf

Ein einziger systematischer Fehler in der Richtlinie wurde bisher identifiziert:

  1. Die Richtlinie lässt zu, dass Urverspätungen in Form von Haltezeitverlängerungen berücksichtigt werden. Sie macht aber keine Vorschrift, dass die Ermittlung des Verspätungsaufbaus dann um den Beitrag der Urverspätungen zu korrigieren wäre. Damit erscheint der Verspätungsaufbau systematisch um mehrere Sekunden geschönt.

Einzelnachweise

In Klammern gesetzte (Quellenangaben) ohne Fußnote beziehen sich zumeist auf wesentliche Unterlagen zum Stresstest, die im Artikel "Dokumente" beschrieben werden.

  1. 21.06.2011, stuttgarter-zeitung.de, "Bahn hält die Vorgaben für »irreal«"
  2. 19.07.2011, 3. Prämissengespräch, Thorsten Schaer, DB Netz AG. In der Diskussion im Anschluss an Frage 48 (wirtschaftlich optimale Qualität) erläuterte beim Vergleich der Sensitivität zur Qualität in der Spitzenstunde von 7 bis 8 Uhr mit der Grundsimulation, dass die wirtschaftlich optimale Betriebsqualität "nach oben bis zu 1 Minute Verspätungsaufbau" reiche (Protokoll).
  3. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 14:58 Uhr, Boris Palmer
  4. 19.07.2011, 3. Prämissengespräch, Thorsten Schaer, DB Netz. Herr Schaer sagte laut dem Protokoll, dass laut Regelwerk ab 1 Sek. Verspätungsabbau Premiumqualität vorliegt, die DB aber erst ab 5 Sekunden Premium vergibt. Dabei ist unklar, wie die 1 Sek. laut Regelwerk dem dort geforderten "deutlichen" Verspätungsabbau entsprechen soll.
  5. a b 12.2004, uic.org, "Capacity Management (Capman Phase 3), Summary Report": "If time supplements are available for reducing delays, the value of punctuality will be acceptable, which means the difference between entrance and exit delay of the line section is equal to zero."
    26.10.2005, uic.org, Gerard Dalton, Director, UIC Infrastructure Department, "UIC Capacity Management Project": "Acceptable punctuality (delta delay near 0)."
  6. 17.11.2011, Sachliche Stellungnahme der Bahn (stuttgarter-zeitung.de)
  7. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 17:02 Uhr, Werner Stohler: "Warum haben wir "wirtschaftlich optimal" vergeben? [...] Es ist so, dass sich in den Zuläufen, von wo auch immer, und in den Abläufen Verspätungen sich aufbauen. Also es gibt eine Anzahl Fahrgäste, die eben z. B. im Zulauf in der Morgenspitzenstunde tendenziell mit einer gewissen verspäteten Ankunft rechnen müssen. Für Leute, die durch den Bahnhof hindurchfahren, baut sich diese Verspätung dank der längeren Standzeiten ab." Siehe auch:
    29.07.2011, Stresstest-Präsentation, Stenografisches Protokoll S. 136, Winfried Hermann
  8. Finaler Simulationslauf: 0,8 × 9,5 Sek. (vorsichtig geschätzt nur 80 % ein/aus/umsteigende Fahrgäste sowie mittlerer Verspätungsaufbau in den Zu- bzw. Ablaufstrecken in der optimistischsten Grundvariante) 0,2 × -33 Sek. (volle Haltezeitverkürzung angesetzt, realistisch würden hier nur 19-20 Sek., also -1 Sek. Verspätungsabbau verbleiben) = 1 Sekunde Verspätungsaufbau. In der Grundvariante mit lauter unrealistisch optimistisch gewählten Parametern: 0,8 × 8,5 Sek. + 0,2 × -29 Sek. = 0,2 Sekunden Verspätungsaufbau.
    Dieselbe Rechnung allein für die Sensitivität zum Auswertezeitraum 7-8 Uhr und mit der Berücksichtigung von realistisch nur 20 Sek. zu erwartendem Verspätungsabbau im Hauptbahnhof ergibt 0,8 × (42/2) Sek. + 0,2 * (42-20) Sek. = 21 Sekunden Verspätungsaufbau. Und dies ist immer noch optimistisch, weil die anderen Korrekturen (andere Sensitivitäten und Fehler im Stresstest) noch nicht berücksichtigt sind.
  9. Es wird die Summe gebildet aus der Verspätung der Grundversion und den Beiträgen, um die der Verspätungsaufbau in den Zuläufen bei den Sensitivitäten über diesem Wert liegt: 8 ("Grundvariante") plus 17-8 = 9 (Zusatzversp. bei "75 % Fahrzeitüberschüssen") plus 22-8 = 14 (Zusatzversp. bei "Auswertezeitraum 7-8 Uhr") plus 11-8 = 3 ("Datenmodell 15. Juli") plus 13-8 = 5 ("Finaler Simulationslauf") ergibt 39 Sekunden.
  10. a b Gert Heister, Thorsten Schaer u.a., "Eisenbahnbetriebstechnologie", DB-Fachbuch (2006) (GBS)
  11. 19.07.2011, 3. Prämissengespräch im Stuttgarter Rathaus, Protokoll. Thorsten Schaer, DB Netz, sinngemäß zu Chart 67 der Abschlussdokumentation: Die Haltezeitverkürzung von 2,77 auf 2,0 Minuten kann kein Entscheidungskriterium für den Verspätungsabbau sein.
  12. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation 14:28 Uhr, Hr. Stohler: "Die Kollegen von der Simulation haben dann nochmals einen Simulationsdurchlauf gemacht aufgrund unserer Wünsche nach Korrekturen, und daraus ergab sich eben dieser sogenannte Sensitivitätstest."
    29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 16:41 Uhr, Dr. Geißler: "Und zur Bestätigung des Gesamtresultats einen weiteren Simulationsdurchlauf."
    29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 16:40 Uhr, Dr. Kefer: "Der Simulationslauf als solches ist kein Thema. Das Modell liegt vor. Ich weise explizit darauf hin, dass das kein weiterer Stresstest ist, [...]"
  13. 30.09.2011, SMA und Partner AG, "Überprüfung des finalen Simulationslaufes", S. 7: "Mit den drei ausgewerteten Gesamtläufen ergibt sich ein stabiles Bild für die Verspätungsentwicklung." Gemeint sind die Gesamtläufe vom 06.2011, 07.2011, 09.2011.
  14. U. Martin et al., "Vergleich der Leistungsfähigkeiten und des Leistungsverhaltens des neuen Durchgangsbahnhofes (S21) und einer Variante umgestalteter Kopfbahnhof (K21)". In: Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart 21 – Diskurs, Stuttgart 2007, S. 2287–2369 (das-neue-herz-europas.de, PDF).
  15. 06.04.2006, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 5. Senat, Aktenzeichen 5 S 848/05 (landesrecht-bw.de)
  16. 29.10.2010, 2. Tag der Faktenschlichtung, ab 15:18 Uhr, Ingulf Leuschel
  17. 12.03.2011, stuttgarter-zeitung.de, "Bundesamt hält Fildertrasse für grenzwertig"
  18. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 16:40 Uhr, Dr. Volker Kefer
  19. 14.07.2011, Ortstermin bei DB Netz in Stuttgart, knapp 3 Stunden ab 15 Uhr, Teilnehmer: Klaus Arnoldi und 4 weitere Experten des Aktionsbündnisses, Christian Becker und 4 Fachleute der DB Netz AG. Zustandekommen und Informationsfluss dieses Termins gestalteten sich schwierig.
  20. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, .... Uhr (vormittags), Dr. Volker Kefer
  21. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, .... Uhr (vormittags), Dr. Volker Kefer
  22. 29.10.2011, Faktenschlichtung, Foliensatz Ingulf Leuschel (pdf), S. 3, 4, 5
  23. Handbuch RailSys, S. 327 / Bl. 349 u.v.m.
  24. rmcon.de, "Kapazitätsuntersuchungen", abgefragt am 25.09.2011
  25. 30.11.2010, Schlichterspruch Heiner Geißlers, 17:22 Uhr
  26. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 13:51 Uhr (s.a. 14:04 Uhr), Werner Stohler, CEO von SMA
  27. Handbuch RailSys S. 414 / Bl. 436
  28. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, .... Uhr, Dr. Volker Kefer
  29. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 13:54 Uhr, Werner Stohler
  30. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, Stenografisches Protokoll S. 110, Werner Stohler
  31. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 17:47 Uhr, Dr. Volker Kefer