Stuttgart 21/Stresstest
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Gescheitert
Der Stresstest zum Projekt Stuttgart 21 wird im folgenden in allen Aspekten untersucht. Nach reiflicher Prüfung muss als Fazit gezogen werden, dass der Stresstest, wie er am 29.07.2011 in der öffentlichen Stresstest-Präsentation dargestellt wurde – unbesehen einer weiteren Nachsimulation – gescheitert bzw. aus mehreren Gründen nicht bestanden ist, sofern man übliche Maßstäbe an dieses Verfahren anlegt.
Inhaltsverzeichnis
[In der Konzeptphase befinden sich noch einige längere Textpassagen in diesem Hauptartikel, die jedoch später ein einen eigenen Hauptartikel ausgelagert werden. Das Auslassungszeichen [...] gibt an, wo ein Bearbeiter mit einem angefangenen Text nicht fertig wurde. Jede Mithilfe ist willkommen, gleich registrieren/anmelden (rechts oben)!]
Übersicht anhand des Schlichterspruchs
Dr. Heiner Geißler formulierte am 30.11.2010 die Forderung nach einem Stresstest zum Projekt Stuttgart 21 mit den folgenden Worten:
- "Die Deutsche Bahn AG verpflichtet sich, einen Stresstest für den geplanten Bahnknoten Stuttgart 21 anhand einer Simulation durchzuführen. Sie muss dabei den Nachweis führen, dass ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich ist. Dabei müssen anerkannte Standards des Bahnverkehrs für Zugfolgen, Haltezeiten und Fahrzeiten zur Anwendung kommen."
Inwieweit diese Forderung des Schlichterspruchs mit dem von der Bahn vorgestellten Stresstest erfüllt wurde, soll zunächst anhand der Stichworte dieser Formulierung kritisch beleuchtet werden.
Stresstest
Ein Stresstest prüft erhöhte Belastungssituationen. Die von der Bahn vorgenommene Simulation berücksichtigt aber nur eine Zufallsverteilung von Verspätungen, mit wenig anspruchsvollen Verspätungswerten (siehe unten). Darüber hinaus gehende Stör- und Notfälle in Form von Signal- und Weichenstörungen, technischen Problemen von Zügen, Personenunfällen wurden nicht berücksichtigt. Insbesondere wurde nicht die durchaus häufiger zu erwartende Blockade eines Bahnsteiggleises (oder bei Personenunfällen häufig auch zwei) in dem nur acht Gleise umfassenden Tiefbahnhof simuliert.
Der Auditor des Stresstests, die Schweizer Firma SMA distanzierte sich ausdrücklich davon, die "betriebswissenschaftliche Simulation" als "Stresstest" zu bezeichnen[1], Werner Stohler, CEO von SMA. Insofern steht aus Sicht des Auditors der Nachweis eines Stresstests noch aus.
Nachweis
Nachweis heißt, dass ein Beweis zu führen ist. Nichts geringeres kann hinreichen, da in der Schlichtung begründete Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Milliardeninvestition von Stuttgart 21 aufgekommen waren. Im üblichen Wirtschaftsgeschehen werden Nachweise durch Gutachten von Experten erbracht. Vielfach war insofern auch im Vorfeld des Stresstests von "Begutachtung" und den "Gutachtern" aus der Schweiz die Rede. Tatsächlich hat die Bahn bei der SMA nur ein "Audit" beauftragt. Audits prüfen je nach Gegenstand, ob zu untersuchende Prozesse die geltenden Anforderungen und Richtlinien erfüllen oder ob eine bestimmte Leistung erbracht wurde. Während Gutachten zur Urteilsfindung alle verfügbaren Informationen auch außerhalb des zu betrachtenden Unternehmens heranziehen, prüft ein Audit in der Regel nur Informationen, die von dem auditierten Unternehmen selbst stammen.
Tatsächlich lautet dann aber das Testat der SMA: "Unsere Prüfung der Simulationsergebnisse hat gezeigt, dass die geforderten 49 Ankünfte im Hauptbahnhof Stuttgart in der am meisten belasteten Stunde und mit dem der Simulation unterstellten Fahrplan mit wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität abgewickelt werden können." (Bl. 13, Schlussber. S. 7)[2] Tatsächlich ist eine solche Tatsachenfeststellung über eine in der Realität in der Zukunft erbrachte Leistungsfähigkeit des Bahnhos ist gar nicht von der Aufgabenstellung des Audits (Bl. 10, Schlussber. S. 4)[2] gedeckt. Allenfalls hätte eine Aussage getroffen werden können in der Art: "[...] die Simulation wurde mit weitgehend korrekten Infrastruktur- sowie Fahrplandaten und der richtigen Methodik durchgeführt. Im Ergebnis ist in der Simulation (unter den getroffenen Annahmen) die Abfertigung von 49 Ankünfte pro Stunde mit wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität möglich."
Für eine Aussage über die zukünftige in der Realität erreichbar Leistungsfähigkeit fehlt der umfassende Ansatz eines Gutachtens, aber auch wichtige Aspekte, die das Audit gar nicht hinreichend überprüfte. So fehlt in der eben genannten Aufgabenbeschreibung des Audits die Prüfung der Eingangsgrößen über Infrastruktur- und Fahrplandaten hinaus (wie die unterstellten Mindesthaltezeiten oder simulierten Verspätungen). Auch fehlt die Forderung aus dem Schlichterspruch nach der Einhaltung der anerkannten Standards (siehe unten). Diese Forderung würde schon aus dem Bezugsrahmen Deutsche Bahn AG hinausführen. Es ist aber besonders kritisch zu sehen, dass sogar zahlreiche Richtlinien der DB nicht eingehalten wurden. Das bemerkt in einigen Fällen selbst die SMA, zieht aber nicht die notwendigen Konsequenzen.
Zu diesen formalen Schwächen des Audits kommt hinzu, dass der Audit zahlreiche Falschannahmen der DB im Stresstest nicht identifiziert oder schönredet oder nicht konsequent bewertet (siehe unten). Tatsächlich lassen sich mit realistischen Annahmen, unter Erfüllung der Fahrplanvorgaben des Landes und unter Einhaltung der Richtlinien etc. die 49 Züge pro Stunde im Bahnhof Stuttgart 21 nicht erreichen, wie im folgenden nach sorgfältiger Prüfung dargelegt wird. Es erscheint als vorschnell und allein politischem Druck innerhalb der Koalition der aktuellen baden-württembergischen Landesregierung geschuldet, dass Ministerpräsident Kretschmann das Audit der SMA als "seriös" und
Fahrplan
30 Prozent Leistungszuwachs
Spitzenstunde
Anerkannte Standards des Bahnverkehrs
Zugfolgen, Haltezeiten, etc.
Erstellung des Stresstests
Schlichterspruch unpräzise
Der Stresstest zum Projekt Stuttgart 21 war zum Abschluss der Faktenschlichtung am 30.11.2010 im Schlichterspruch von Dr. Heiner Geißler festgelegt worden. Die Simulation sollte nachweisen, dass der neue Stuttgarter Hauptbahnhof 30 % mehr Züge in der Spitzenstunde abfertigt, als der heutige Kopfbahnhof laut aktuellem Fahrplan. Die Formulierungen zum Stresstest im Schlichterspruch waren ungenau, dafür war abgesprochen worden, die Prämissenformulierung unter Beteiligung der Projektkriter vorzunehmen (siehe Folgeabschnitt), um die Akzeptanz der Ergebnisse sicherzustellen.
Ohne versprochene Beteiligung der Kritiker
Die Beteiligung der Kritiker an der Formulierung der Prämissen für den Stresstest wurde von der Deutschen Bahn AG nicht umgesetzt, trotz mehrfacher Anmahnung durch die Kritiker per Brief und in der Öffentlichkeit, auch an den Schlichter gerichtet. Damit war der Stresstest eigentlich schon das erste Mal gescheitert, da so eine Akzeptanz der Ergebnisse nicht hergestellt werden kann.
Der "produktionsorientierte" Fahrplan
Intervention der neuen Landesregierung
Kurzfristige Information der Öffentlichkeit
Prämissengespräche
Nachdem die Bahn ihre Ergebnisse an den Auditor, die schweizer Firma SMA, übergeben hatte, sollten die Projektkritiker im nachhinein über die Prämissen informiert werden, nachdem diese aus der Dokumentation der Stresstest-Ergebnisse größtenteils nicht hervorgingen. In drei nichtöffentlichen "Prämissengesprächen" beantwortete die Bahn teilweise die Fragen der Kritiker, angefragte Grunddaten wurden aber verweigert, der zunächst zugesagte direkte Kontakt zum Auditor wurde wieder unterbunden.
Prämissen
Kein Stress im Test
Test des Fahrplans oder der Infrastruktur?
Anerkannte Standards
Sowohl in der Dokumentation des Stresstests durch die Deutsche Bahn AG wie auch im Audit durch die SMA wurde nicht der Versuch unternommen, "anerkannte Standards" für die eisenbahnbetriebswissenschaftliche Simulation eines
Verstöße gegen Bahn-Richtlinien
- Die Abschlussdokumentation des Stresstests entspricht nicht den Anforderungen. [... Text der Richtlinie ergänzen.] Selbst die SMA attestiert: Der Bericht „Stresstest Stuttgart 21 – Fahrplanrobustheitsprüfung“ der DB Netz AG vom 30. Juni ist nicht selbsterklärend, weist teilweise inhaltliche Mängel auf und bietet keine vollständige Dokumentation der durchgeführten Arbeiten" (Audit Bl. 184 SI-07 S. 10). [...]
- Bauzuschläge dürfen nicht zum Verspätungsabbau verwendet werden. [...]
- Fahrzeitüberschüsse dürfen nicht zu 100 % zum Verspätungsabbau verwendet werden. [...]
- ... etc.
- Der Stresstest wurde nach einer noch nicht gültigen Richtlinie durchgeführt und dies von der SMA testiert. Die Bahn gab in ihrer Abschlussdokumentation vom 30.06.2011 an, beim Stresstest "gemäß Prozess 'Fahrplanrobustheitsprüfung (FRP) durchführen' (LN34-07-01-03)" verfahren zu haben (Doku Teil 1, Bl. 2). Diese Richtlinie ist gültig seit 10.07.2011, d.h. sie konnte für die Durchführung des Stresstests keine Anwendung finden. Dennoch testiert die SMA auf dieser Grundlage
Dokumente
- 30.11.2010, schlichtung-s21.de, Schlichterspruch Dr. Heiner Geißler
- 30.06.2011, bei-abriss-aufstand.de, Stresstest-Dokumentation der Deutschen Bahn AG (in den Referenzen kurz "Doku"), (Teil 2, Netzgrafik)
- 21.07.2011, phoenix.de, Audit des Stresstests durch die SMA
- 29.07.2011, schlichtung-s21.de, Kompromissvorschlag SK 2.2 "Frieden in Stuttgart" von Dr. Heiner Geißler und der SMA
- 29.07.2011, phoenix.de Videos von der Stresstest-Präsentation
Quellennachweis
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation 13:51 Uhr
- ↑ a b 21.07.2011, phoenix.de, Audit des Stresstests durch die SMA