Stuttgart 21/Anhörung PFA 1.3/RPS 01.2016
Im Planfeststellungsabschnitt 1.3 des Projekts Stuttgart 21 hatte die DB zahlreiche offenen Fragen zur Rechtfertigung des Gesamtprojekts zu beantworten, insbesondere in Bezug auf die bezweifelte Leistungsfähigkeit. Die mündliche Anhörung im Okt. 2014 wurde jedoch abgebrochen, nachdem die DB ein Debakel erlebt hatte. Darauf kündigte die DB an, den PFA 1.3 in PFA 1.3a und PFA 1.3b zu unterteilen. Der hier behandelte Anhörungsbericht geht bereits von dieser Unterteilung aus, lehnt jedoch eine erneute Anhörung zu der nun geänderten Sachlage ab. Eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Bahnknotens gegenüber dem Stand 2010 wird nicht behauptet, man geht also von der Sinnfreiheit des Gesamtvorhabens aus. Zahlreiche weitere Einwände werden abgelehnt, teilweise mit Hinweis auf den noch nicht beantragten und erst recht nicht geplanten PFA 1.3b.
Inhaltsverzeichnis
Ziel: 1.3b unumstösslich machen
Beispielhaft hierfür sind die Vorfestlegungen:
- zur Planrechtfertigung (S. 117 "über den Bahnbetrieb hinausgehende Aspekte: Städtebau, Lärmreduzierung, Trennwirkung ...") - hierdurch Wegfall von Varianten.
- zum Wegfall der Panoramabahn (S. 154). Bleibt dann nur noch die Filderanbindung!
- Vermengung mit Argumenten zur Neubaustrecke. Das RP macht sich damit die Kommunikationsstrategie der DB zu eigen im Gegensatz zur Bundesregierung, die S21 immer mit der Begründung der Eigenwirtschaftlichkeit herausläßt.
- Das RP führt alte Unterlagen aus den PFA 2005-2008 an und tut so, als gäbe es keine neueren Erkenntnisse
Geringschätzung der Einwender
Die Geringschätzigkeit gegenüber den Einwendern wird auf Seite 30 deutlich:
Allen Beteiligten sei innerhalb dieser 11 Tage hinreichend Gelegenheit gegeben worden. [...] Kein Anspruch auf unbegrenzte Redezeit.
- Die Aufteilung auf TOP wird verschwiegen.
Vergleich nur mit der "Nullvariante"
Hinsichtlich eines Vergleichs mit dem Kopfbahnhof (S. 61) gilt nur die "Nullvariante" - also K20 im Jahre 2010.
Im Zulauf von Zuffenhausen (da bereits jetzt Kapazitätsgrenze erreicht) gebe es "keine nennenswerte Änderung" (S. 74). Dabei sollen trotz kürzerer Fahrzeit in der Spitzenstunde 17 statt 13 Züge fahren (+ 31%), die sich zusammen mit der Cannstatt-Einfahrt 4 Gleise teilen müssen (heute Einfahrt in die Gleise 2 - 16 möglich).
Einwendungen zur Zugangsdiskriminierung (S. 97) werden mit Fahrtrichtungswechseln in den neuen Gleisen 4 und 5 sowie einem in naher Zukunft sauberen Dieselbetrieb beantwortet!
Hinsichtlich der Zügezahl wird der gleiche Rechentrick angewendet wie seinerzeit in der Machbarkeitsstudie. Aus Zügen werden vermutlich Ankünfte und Abfahrten. So ignoriert man die Einwenderseite, die genau diesen Rechentrick vorgeführt hat. (Seite 62)
Inzwischen gibt es ein Gutachten, das einen Fahrplan mit 56 Zügen in der Spitzenstunde vorgelegt hat. Laut Testat der NVBW sind davon 50 Züge in der geforderten guten Betriebsqualität fahrbar. Die 6 Züge wurden abgezogen, da die auf den Einfahrgleisen der S-Bahn bislang technisch keinen 2,5-Minuten-Takt in der geforderten guten Betriebsqualität zuläßt. Der Stand der Einwender liegt also bei 50 Zügen für den Kopfbahnhof bei Betriebsqualität gut (= Premium im Bahn-Neusprech). Gleichwohl rechtfertigt das RP Stuttgart die Planung einer Infrastruktur, die weniger leistet und eine geringere Betriebsqualität erbringt damit, daß die Betriebsqualität in der Spitzenstunde hinter den Erwartungen kurzzeitig zurückbleiben dürfe. Von der Einwenderseite werden also Zugzahlen in Premiumqualität für die Nullvariante vorgelegt, das RP ignoriert diese jedoch und rechtfertigt lieber einen Plan, der eine schlechtere Qualität erfüllt.
S. 65: Das RP gibt sich Mühe zu begründen, daß der Trick mit der Durchbindung zur Verringerung der Abstellfahrten für S21 angeblich kein Beleg sei, daß der Kopfbahnhog noch Reserven habe. Es sei kein Beleg dafür, daß statt der Abstellfahrten auch Zugdurchbindungen wie bei S21 möglich seien. Die Abstellfahrten fänden auf eigenen Gleisen statt. Damit gibt das RP indirekt zu, daß der Kopfbahnhof in puncto Abstellfahrten eine weit höhere Flexibilität besitzt und daß Abstellfahrten die üblichen Zufahrten und Abfahrten nicht belasten. Für eventuelle Durchbindungen gäbe es mit Sicherheit auch Ausfahrmöglichkeiten.
Die Annahme, das Vieregg-Rößler-Gutachten lege keinen Fahrplan zugrunde, ist irrig. Es wurden Bedarfsüberlegungen angestellt und nur Züge eingesetzt, die vom Bedarf her auch plausibel darstellbar sind. Also nicht zwei Züge innerhalb von 5 Minuten aus Pforzheim, wie das die DB im sog. Streßtest gemacht hat, oder es kommt ein aus Tübingen geforderter Zug eben aus Ulm, da der gerade besser paßt und das benötigte Gegengleis nicht blockiert. Außerdem verfolgt Vieregg-Rößler einen konservativen Ansatz bei der Auswahl der Trassen und hält Pufferzeiten ein. Nicht alle sinnvoll vorhandenen Trassen wurden auch ausgeschöpft, um Züge in den Knoten zu bringen, deren Trasse aufgrund von Verspätung bereits verfallen ist. Das RP Stuttgart ignoriert dies.
Die Bedeutung durchgebundener Linien wird zum Dogma stilisiert, obwohl es sie heute bereits gibt. Neben der regelmäßigen Durchbindung (Mosbach-Neckarelz-)Neckarsulm-Ulm existiert im Frühfahrplan derzeit eine weitere Durchbindung (Beleg folgt)
Das RP wischt das Gutachten Vieregg-Rößler vom Tisch in der Annahme, es fordere baulische Veränderungen und entspreche damit nicht der Nullvariante. Diese Argumentation ist aus zwei Gründen einseitig:
- Der notwendige Kostenrahmen und der Realisierungszeitraum werden ncht gegen den Rahmen von S21 abgewogen. Geringen Kosten im zweistelligen Millionenbereich stehen Milliarden gegenüber
- Wenn die Nichtübereinstimmung mit der Nullvariante festgestellt wird und es dabei bleibt, dann ist die Variantenabwägung der Vorhabensträgerim defizitär, denn die Vieregg-Rößler-Variante tauchte in der Variantenabwägung der DB AG nirgendwo auf.
Des weiteren argumentiert das RP damit, alte Leistungsnachweise für den Kopfbahnhof gingen von einer Infrastruktur unter Einbeziehung des Vorortverkehrs aus. Durch die heute vorhandene S-Bahn sei dies alles nicht mehr vergleichbar. Gleichwohl hat es die S-Bahn-Fahrten in die Zugzahlen des Fahrplankonzepts 2025 mitgerechnet und trennt nicht sauber auf (vgl. früherer Abschnitt zur Planrechtfertigung). Wo es der Planrechtfertigung nützt, nimmt man also die S-Bahn hinzu, wo es der Alternativvariante schadet, läßt man sie weg. Immer wenn das RP argumentiert, irgendeine Betrachtung des Kopfbahnhofes entspräche nicht der Nullvariante, sondern mache [geringfügige] bauliche Änderungen notwendig, ist das gleichzeitig das Eingeständnis einer fehlerhaften bzw. defizitären Variantenabwägung durch den Vorhabensträger.
Gutachten Schwanhäußer
Bezieht sich auf die Argumentationslinie des RP, mit der die Einwendung entkräftet werden soll, der neue Tiefbahnhof könne nur 32 Züge. Der eigentliche Engpaß sei gar nicht der Tiefbahnhof, sondern der Zulauftunnel von Zuffenhausen.
Diese Argumentationslinie ist so ziemlich an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten. Im vorigen Abschnitt hat man das Vieregg-Rößler-Gutachten mit der Argumentation vom Tisch gewischt, es behandle nicht die Nullvariante und sei nicht belastbar. Jetzt nimmt man es dazu her um zu behaupten, ein Engpaß sei wegen der vielen dort angenommenen Zügen im Tiefbahnhof nicht zu erwarten. Das muß man mal systematisch gegenüberstellen. Hier werden Gutachten in einer unhaltbaren Weise uminterpretiert. Man tut genau das, was man der Einwenderseite vorwirft, in großangelegtem Stile selbst.
Mischverkehr der Gäubahn (1.1.3.2, Seite 113ff)
Bei der Ausgestaltung diesen Teils wird auf den noch nichteinmal beantragten Pfa 1.3b verwiesen. Dennoch wird ausführlich darauf eingegangen.
Erneut der Hinweis darauf, dass die DB AG tun und lassen kann, was sie will:
- Im Grundsatz hat die Vorhabenträgerin planerische Gestaltungsfreiheit für ihre Eisenbahnanlagen und kann auch selbst festlegen, welche Ziele sie bei ihrer Planung verfolgen will.
Der geplanten Stillegung des Kopfbahnhofs werden erhebliche Nachteile ausgewiesen:
- Die Zugwende [in Feuerbach] beanspruche eine Wendezeit zwischen 4 und 6 Minuten. Außerdem müssten ab dem heutigen Nordbahnhof bis zum Bahnhof Stuttgart Feuerbach die S-Bahn-Gleise 214 bis 216 mitbenutzt werden, die bereits mit drei dicht getakteten S-Bahn-Linien sehr stark belastet seien und in den Hauptverkehrszeiten kaum noch freie Trassen für die Gäubahn züge bieten könnten. Die im Betriebsprogramm der Antragsplanung vorgesehene Durchbindung der Gäubahnzüge in Richtung Crailsheim/Nürnberg [...] bringe nochmals eine deutliche Fahrzeitverlängerung mit sich.
Der Weiternutzung der Panoramastrecke wird sachlich falsch entgegen getreten:
- In jeden Fall müssten Fahrgäste der Gäubahn mit dem Ziel Flughafen oder Messe den Weg von der Filderebene hinunter zum Hauptbahnhof im Tal und dann wieder zurück auf die Filderebene - also doppelt - zurücklegen.
Wie man auf dem Bildschirmfoto rechts erkennen kann, ist schon heute, also mit der "Nullvariante", der Umweg über den Hauptbahnhof leicht zu vermeiden. Er wird von der Verbindungsauskunft nicht einmal vorgeschlagen. Mit dem (angeblich) geplanten Halt in Vaihingen geht dies auch mit nur einem Umstieg und damit noch schneller.
Das RPS bestätigt, dass der Weg der Gäubahn über den Flughafen länger als der Weg über die Panoramastrecke ist.
Es bestätigt auch, dass es die DB AG nach wie vor nicht für nötig hält, eine Fahrgastprognose und eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen. Sprich: es wird einfach ins Blaue hinein gebaut und das Regierungspräsidium schliesst sich dieser Auffassung ausdrücklich an:
- Eine konkrete Prognose zur Anzahl der Fahrgäste mit den Zielen Flughafen, Messe oder Filderregion und eine darauf aufbauende Nutzen-Kosten-Rechnung, wie sie von Einwenderseite verlangt wurde, hat die Vorhabenträgerin nicht vorgelegt. [...] Die Anhörungsbehörde ist ebenfalls der Auffassung, dass eine Kosten-Nutzen-Rechnung nur zu fordern wäre, wenn [...]
Der Dritte Ausführungsvertrag vom 29.09.1978 zum Rahmenabkommen vom 03.12.1968 über die Verbesserung des Bedienung des Personenverkehrs im Mittleren Neckarraum, der ein Konkurrenzverbot zur S-Bahn vereinbart hat, wird dagegen in den Wind geschlagen:
- Die Vorhabenträgerin ist der Auffassung, dass diese Regelung sich mittlerweile erledigt habe, nachdem die S-Bahn im Großraum Stuttgart längst etabliert sei.
Es wird also eine einseitige Vertragskündigung akzeptiert.
Störfallkonzepte (2.1.3.1.4, Seite 138ff)
In diesem Abschnitt wird äusserst umständlich beschrieben, dass die Vorhabenträgerin eben keine funktionierenden Notfallkonzepte vorlegen konnte. Beispiel:
- Für die S-Bahn basieren [die Notfallkonzepte] auf einem Linientausch, der mit dem Aufgabenträger S-Bahn noch nicht abschließend abgestimmt ist.
Gleich danach wird vom Regierungspräsidium mit eigenen Annahmen begründet, die weder eine Grundlage haben, noch von der Vorhabenträgerin angeführt wurden:
- Für das Notfallkonzept erscheint dieser Umstand der Anhörungsbehörde aber nicht entscheidend, weil die S-Bahnen im Störungsfall ohnehin ihre Linienführung ändern und nicht zum ursprünglichen Zielort durchfahren werden. Insofern ist nicht zweifelhaft, dass auch ein Konzept ohne den Linientausch machbar sein wird.
Dann werden Einwendungen mit reinen Spekulationen um die Panoramastrecke abgewiesen:
- Die Vorhabenträgerin hat dazu in der Erörterungsverhandlung klargestellt, dass eine Stilllegung oder ein Rückbau der Panoramastrecke von ihrer Seite nicht beabsichtigt ist. Sie geht davon aus, dass die Panoramastrecke zwar aus dem Streckennetz der DB AG ausscheiden, aber von einem anderen Betreiber weiterhin als Bahnstrecke betrieben werden werde, so dass sie als Umleitungsstrecke für den Störfall verfügbar bleibe.
Wer dieser "andere Betreiber" sein könnte, wird nicht angeführt. Beim Filderdialog, 3 Jahre zuvor, lehnte die DB AG die Mehrheitsentscheidung mit der Begründung ab, dass eine Erhaltungssanierung der Panoramastrecke völlig unwirtschaftlich sei. Nun soll genau dies jedoch ein imaginärer Dritter bewerkstelligen. Das hält dann sogar das Regierungspräsidium für "ungewiss".
Fahrplanberechnungen oder Betriebssimulationen werden ebenfalls abgelehnt.
Fazit: ausser Spekulationen konnte kein einziges funktionierendes Störfallkonzept vorgelegt werden. Dennoch sieht das RPS keinen Anlass zu Beanstandungen.
§ 11 AEG
Obwohl von Gerichten noch nicht entschieden, hat das RP zur Auslegung des § 11 AEG bereits eine eigene Meinung (S. 99).
Leistungsfähigkeit
30% Angebotssteigerung bezieht sich nun auf den gesamten Werktag (S. 67). Obwohl von Geißler in der Spitzenstunde verlangt, wird dies nun in Abrede gestellt (S. 68).