Stuttgart 21/Volksabstimmung

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Stuttgart 21 (Expertenrat) ► Volksabstimmung (S.a. → Deutsche Bahn)   //   [ Vollbild  |  aus  (Hilfe) ]

Ergebnis

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Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 offenbart die Anfälligkeit direktdemokratischer Abstimmungen für Wählertäuschung. Unrichtige Tatsachenbehauptungen im Abstimmungswahlkampf und das extrem ungleiche Finanzbudget erscheinen verantwortlich für das Ergebnis. Es wird deutlich, dass rechtliche Regelungen für Chancengleichheit und Wahrhaftigkeit fehlen. Sehr wohl wäre die Volksabstimmung wiederhol- und korrigierbar, wie zahlreiche Beispiele zeigen.

Inhalt

Zusammenfassung

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In der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 vom 27.11.2011 (→ Wikipedia) stimmte eine Mehrheit gegen einen Rückzug des Landes aus der Finanzierung des Projektes. Dieses Abstimmungsergebnis wurde wesentlich aufgrund einer Reihe gravierender Falschaussagen erzielt, die im direkten Vorfeld der Abstimmung massiv beworben worden waren. Nach diesem Ergebnis wurde die Volksabstimmung zur ultimativen und unantastbaren demokratischen Legitimation des Projekts erhoben. Andere Volksabstimmungen hingegen wurden und werden, selbst wenn sie nicht auf Betrug basierten, sehr wohl wiederholt.

Die eingestellten Verfahren zur Volksabstimmung wegen Wählertäuschung offenbaren den mangelnden gesetzlichen Schutz vor unrichtigen Tatsachenbehauptungen im Abstimmungswahlkampf. Nach Ministerpräsident Kretschmanns Aussage, dass in der Demokratie die Mehrheit gewinnt und nicht die Wahrheit, ist danach für direktdemokratische Elemente zu befürchten, dass keine Rolle spielt, wie betrügerisch ein Abstimmungsergebnis erzielt wurde, es hat dennoch Bestand. Auch zeigt die Volksabstimmung zu Stuttgart 21, dass im bestehenden System die Chancengleichheit nicht gewährleistet ist, sondern ein hohes Budget auch ergebniswirksam sein kann.

Die Volksabstimmung zum Kündigungsgesetz litt darüber hinaus an zwei weiteren gravierenden Geburtsfehlern: 1. Das Quorum in Baden-Württemberg ist nahezu unerreichbar hoch. 2. Das Kündigungsgesetz war mit hoher Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig. So fand die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 aus Sicht der Befürworter mit einem doppelten Netz statt: Selbst wenn die Abstimmung aus ihrer Sicht verloren sein sollte, waren die Chancen hoch, dass das Quorum verfehlt wird. Und im äußersten Fall wäre die Abstimmung mit hoher Wahrscheinlichkeit nachträglich von den Gerichten kassiert worden.

Falsche Tatsachenbehauptungen zur Volksabstimmung

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In einer konzertierten Kampagne wurden in den letzten zwei Wochen vor der Volksabstimmung mehrere gravierende Falschaussagen massiv beworben: 1,5 Mrd. Euro Ausstiegkosten "für nichts", der Stresstest hätte die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 nachgewiesen, der Ausbau der Gäubahn und der Rheintaltrasse sowie die Elektrifizierung der Südbahn komme nur mit S21. Bei letzteren drei Punkten ist natürlich das Gegenteil richtig, da man Geld nur einmal ausgeben kann. Die genauen Finanzierungsquellen dieser Kampagne wurden nicht offengelegt.

Ale entscheidend für den Meinungsumschwung und den Stimmengewinn bei den zuvor Unentschlossenen muss die Paarung aus hohem Budget und stark manipulativen Aussagen sowie dem unfairen Engagement eigentlich zur Neutralität verpflichteter Autoritäten angesehen werden. Das empfanden die Aktivisten vor Ort ebenso.[1]

  1. Kostendeckel bei 4,5 Milliarden. Der Kostendeckel wurde im Vorfeld der Volksabstimmung immer wieder bestätigt.[2]
  2. Ausstiegskosten – 1,5 Milliarden für nichts. Es erscheint unmittelbar unplausibel, dass vor Baubeginn schon ein Drittel der Kosten für den Abbruch des Projekts anstehen sollen. Eine solche Summe wäre nur bei extrem unseriös wirtschaftenden Projektbetreibern bzw. erpresserisch hohen Vorabinvestitionen und sittenwidriger Vertragsgestaltung mit künftigen Auftragnehmern denkbar. Tatsächlich belief sich der Betrag zu der Zeit nur auf 350 Mio. Euro laut Märkischer Revision.[3]
  3. "Nachweis" der Leistungsfähigkeit durch den Stresstest. Die SPD in der Landesregierung schreibt in der Volksabstimmungs-Broschüre (VA-Broschüre S. 8): "S 21 hat den Stresstest bestanden und ist damit als leistungsfähiger Bahnknoten bestätigt worden." Und Ministerpräsident Kretschmann akzeptierte den Stresstest schon einen Tag nach seiner Veröffentlichung und viele Monate vor dem Abschluss durch den Finalen Simulationslauf.
  4. Elektrifizierung der Südbahn nur mit Stuttgart 21.[4]
  5. Ausbau der Gäubahn nur mit Stuttgart 21.[4]
  6. Ausbau der Rheintaltrasse von Stuttgart 21 unbeeinträchtigt.[5][6]

Die letzten drei Punkte sind eine Täuschung der Wähler, da das Geld nur einmal ausgegeben werden kann und die Milliarden für S21 an anderer Stelle fehlen werden.

Anfechtungen der Volksabstimmung – Wählertäuschung nicht strafbar

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Volksabstimmungsergebnis unabänderlich?

Wiederholt wurde erklärt, man müsse sich an das Ergebnis der Volksabstimmung halten und es hieß ein Bürgerentscheid der Stuttgarter zum Thema sei ein Verrat an der Demokratie.[7] Die Ergebnisse von Volksabstimmungen oder anderen direktdemokratischen Entscheidungen wie Bürgerentscheiden sind weder in Deutschland noch in anderen Ländern "in Beton gegossen", sondern wurden in mehreren Fällen teils schon nach kurzer Frist wiederholt. Oft nur, weil das Ergebnis wichtigen Interessensgruppen zuwider lief. Beispiele:

  1. Frauenwahlrecht in der Schweiz. Ohne die Wiederholung der Volksabstimmung von 1954 im Jahr 1977 hätten die Schweizer noch heute kein Frauenwahlrecht.[8]
  2. Volksabstimmung zur Zuwanderung in der Schweiz. Die EU forderte zuletzt von der Schweiz weniger als ein Jahr nach der Volksabstimmung zur Zuwanderung deren Wiederholung.[9]
  3. Abstimmung der Iren über Betritt zur EU. Die Volksabstimmung der Iren gegen Europa von 2008 wurde nach einem guten Jahr durch erneute Abstimmung gekippt.[10]
  4. Abstimmung der Briten über zugehörigkeit in der EU. 1975 stimmten die Briten über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Gemeinschaft ab und spätestens 2017 sollen sie es laut Premier Cameron wieder tun.
  5. Bürgerentscheid zu Lindau21. Das Votum gegen die Abschaffung des Inselbahnhofs wurde nach drei Monaten wiederholt mit gegenteiligem Ergebnis.[11]

Insofern die Volksabstimmung zu S21 auf einer unrichtigen Information der Bevölkerung in den zentralen Rechtfertigungen des Projekts basierte, ist umso mehr eine Korrektur schon aus Gründen der demokratischen Hygiene geboten.

Chronologie

Wichtige Meilensteine, Veröffentlichungen und Kommentare in umgekehrt chronologischer Reihenfolge.

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27.11.2011 Termin der Volksabstimmung, Ergebnis: 58,9 % der Württemberger stimmen für eine Fortsetzung der Finanzierung des Projekts durch das Land.
11.2011 In den letzten zwei Wochen vor der Volksabstimmung kommt es vor allem von der finanzstarken Befürworterseite zu einer breiten Veröffentlichungsflut über Anzeigen und Veröffentlichungen von überwiegend unrichtigen Tatsachenbehauptungen, der die Gegenseite mit wenigen Pressemitteilungen nicht mehr entgegenhalten kann.

Dokumente

Grundlegende Texte zur Volksabstimmung in umgekehrt chronologischer Reihenfolge.

MD 2012 Tim Weber, Abschlussbericht "Monitoring Stuttgart 21", 22.11.2012 (pdf mehr-demokratie.de)[12]
SGH 2012 Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, ........
MD 2011 Gutachten ......
VA‑Broschüre "Information der Landesregierung Baden-Württemberg zur Volksabstimmung am 27. November 2011", 10.2011 (pdf lpbk-bw.de)

Einzelnachweise

  1. 28.11.2011, suedkurier.de, "Markdorf stimmt für Stuttgart 21"
  2. 23.11.2011, sueddeutsche.de, "Wir haben seriös gerechnet"
  3. 03.11.2011, stuttgarter-zeitung.de, "Verkehrsminister: Ausstieg ist viel günstiger"
  4. a b Z.B.: 01.10.2011, schneider-biberach.de, "Volksabstimmung: Klares NEIN zum Ausstieg"
  5. 20.09.2011, t-online.de, "Stuttgart 21 verzögert Rheintalbahn laut CDU nicht"
  6. 17.11.2011, suedkurier.de, "Kreis-CDU wirbt für "Nein" bei Volksabstimmung"
  7. Z.B. die Diskussion im Stuttgarter Gemeinderat vor der Entscheidung, das 4. Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 (Leistungsrückbau) für unzulässig zu erklären: Stadtrat Stopper argumentierte, man würde mit dem Bürgerbegehren die Instrumente der direkten Demokratie missbrauchen, da zur Volksabstimmung die "Leistungsfähigkeit, quasi in exakt der gleichen Weise" Thema gewesen wäre, argumentierte Stopper (Prot. 01.07. S. 4), man versuche "wenige Monate nach der Volksabstimmung" ohne "neue Erkenntnisse" "die Volksabstimmung zu wiederholen", was "weder ehrlich noch besonders demokratisch" sei (Prot. 02.07. S. 3). Und Oberbürgermeister Fritz Kuhn sagte dazu, unabhängig von der Informationsbasis der Volksabstimmung könne man ihr Ergebnis nicht einfach "beiseiteschieben" (Prot. 01.07. S. 11), er habe sich als Oberbürgermeister "an die Volksabstimmung zu halten" (Prot. 02.07. S. 5).
  8. de.wikipedia.org
  9. 11.04.2015, deutsche-wirtschafts-nachrichten.de, "EU verlangt von Schweiz neue Volksabstimmung über Zuwanderung"
  10. 03.10.2009, faz.net, "Es ist ein »Yes«"
  11. de.wikipedia.org/wiki/Lindau_21#Bürgerentscheide_2011/2012
  12. Tim Weber, Abschlussbericht "Monitoring Stuttgart 21", 22.11.2012 (pdf mehr-demokratie.de)