Stuttgart 21/Kosten/Aufsichtsrat 2016

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Zusammenfassung

Schema der Kostentäu­schung: Die Bahn verstieß je­weils gegen Rechnungs­regeln und wählte den günstig­sten aber vollkommen falschen Kostenwert.

Ergebnis des Faktenchecks: Unabhängige Kostenberechnungen in 2015 und in einem sehr detailliert ausgeführten Gutachten vom Februar 2016 bestätigten die deutlich höheren realistischen Kosten des Projekts Stuttgart 21 von rund 10 Mrd. Euro statt der bisher maximal veranschlagten 6,5 Mrd. Euro. Dies führte zunächst dazu, dass der Aufsichtsrat der DB AG eine erste weitere Kostenüberprüfung durch den Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers beauftragte, der schon zweimal zuvor die plumpen Schönrechnungen des Bahnvorstands testiert hatte. Im Juni 2016 bestätigte dieser zwar Kostensteigerungen, aber im Rahmen des Risikopuffers, so dass der Gesamtrahmen von 6,5 Mrd. eingehalten werden sollte. Daraufhin beauftragte der Aufsichtsrat eine erneute Überprüfung. Dabei sind die milliardenschweren Schönrechnungen der Kosten seit Jahren vollkommen durchsichtig und basieren immer auf einer Übertreibung der Kostenchancen und eine Vernachlässigung der Kostenrisiken, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeiten vollkommen ignoriert wurden. Es ist die Fortsetzung eines moralisch und intellektuell enttäuschenden Spiels des Bahnvorstands mit Aufsichtsrat und Öffentlichkeit.

Schönrechnungen: Erneut derselbe Prüfer beauftragt

Die wesentlichen Täuschungen der Bahn über die wahren Kosten des Projekts Stuttgart 21 sind klar nachvollziehbar. Die Schönrechnungen erfolgten jeweils grundsätzlich nach der gleichen Methode und wurden auch jeweils maßgeblich von demselben Wirtschatsprüfer trotzdem testiert, obwohl sich dieser der grundlegenden Fehler in der Rechnung vollkommen bewusst war.

  1. Finanzierungsvertrag 2009/Schlichtung 2010: Top-down Schönrechnung durch den Bahnvorstand. Erst nach Unkündbarkeit des Finanzierungsvertrags Ende 2009 wurde bekannt, dass nicht nur die Landesregierung Baden-Württemberg wusste, dass die realistischen Kosten über dem im Finanzierungsvertrag angegebenen Rahmen lagen. Auch die Bahn hatte deutlich höhere Kosten ermittelt aber ihren Finanzierungspartnern nicht mitgeteilt, sondern eine top-down Verringerung dieser Kosten vorgenommen. In der Schlichtung 2010 bestätigten maßgeblich die von der Bundesregierung engagierten Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) eine Kostenrechnung nicht nur ohne Prüfung der Eingangspreise, sondern insbesondere unter praktisch vollständiger Einrechnung sämtlicher Chancen und der Ausblendung sämtlicher Risiken. Schlichter Heiner Geißler hatte immer wieder verhindert, dass die Unzulässigkeit dieser Berechnung diskutiert wurde.
  2. Aufsichtsrat 2013: Erneute Schönrechnung entgegen den Rechnungsregeln. In einem eigenen Prüfungsbericht für den Aufsichtsrat führten die Wirtschaftsprüfer von PwC die erneute Vernachlässigung der Risiken in Form der Nachträge ausdrücklich an. Sie sollten "erheblichen" Kostensteigerungen entsprechen, gemessen am "Gesamtwertumfang", also in Milliardenhöhe liegen. Die Wirtschaftsprüfer bemängelten die nicht revisionssichere Rechnung in einer Excel-Liste und unter Verletzung der Grundsätze des Risikomanagements. Außerdem wurden zahlreiche Chancen eingerechnet, ohne, dass sie durch Maßnahmen oder entsprechend hohe Wahrscheinlichkeiten unterlegt waren. Dennoch testierte der Wirtschaftprüfer einen Kostenrahmen von 6,5 Mrd. Euro.Eine Wiederholung der Schönrechnung zum Finanzierungsvertrag.
  3. Juni 2016: Mini-Kostensprung entgegen der Faktenlage. Nach den unabhängigen Berechnungen realistischer Kosten von 2015[1] und vom Februar 2016[2] in Höhe von rund 10 Mrd. Euro beauftragte der Aufsichtsrat im Februar 2016 erneut denselben Wirtschaftspürfe (PwC) mit einer Prüfung, der 2010 und 2013 schon zweimal plump schöngerechnete Kosten testiert hatte. Im Ergebnis wurde bei Kosten von 6,511 Mrd. Euro der Risikopuffer bis zum Kostenrahmen von max. 6,526 Mrd. Euro fast vollständig aufgebraucht.[3] Dies scheint kaum die von PwC noch im Januar 2013 berichteten Milliarden Zusatzkosten aus Nachträgen vollständig wiederzugeben und das knappe Unterbieten des Kostenrahmen stärkt den Verdacht auf erneut hingerechnete Kosten.
  4. September 2016, Offenbarungseid? Nachdem der Bahn-Vorstand Aufsichtsrat und Finanzierungspartner erneut zu spät über die ermittelten Kostensteigerungen informiert hatte und nachdem Vize-Bahnchef und Stuttgart 21-Experte Volker Kefer seinen Abgang ankündigte[4] gibt der Aufsichtsrat eine erneute Prüfung der Kosten und des Zeitplans in Auftrag. Insbesondere soll geklärt werden, ob der Kostenrahmen von 6,5 Mrd. Euro eingehalten werden kann. Das Ergebnis soll im September 2016 im Aufsichtsrat präsentiert werden.[5] Das Prüfungsunternehmen wurde bisher noch nicht öffentlich benannt. Inzwischen wurde öffentlich, dass auch der Bundesrechnungshof Gesamtkosten in Höhe von 10 Mrd. Euro sieht.[6][7]

Einzelnachweise

Weitere Dokumente zur Kostenthematik finden sich unter: Stuttgart 21/Kosten/Dokumente

  1. 15.06.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Kritiker sehen hohe Kosten"
  2. 17.02.2016, kontextwochenzeitung.de, "S 21: Kosten versenken"
  3. 15.06.2016, swr.de, "Chronologie der Kosten-Explosion bei S21"
  4. 14.06.2016, spiegel.de, "Deutsche Bahn: Vizechef Kefer räumt seinen Posten"
  5. 15.06.2016, stuttgarter-zeitung.de, "Bahn-Aufsichtsrat gibt Gutachten in Auftrag"
  6. 05.07.2016, stuttgarter-zeitung.de, "S21 könnte bis zu zehn Milliarden Euro kosten
  7. 06.07.2016, swr.de, "Bahn dementiert Kostenexplosion bei S21"