Stuttgart 21/Kosten
Ergebnis des Faktenchecks: Stuttgart 21 zeichnet sich durch eine exorbitante Kostenexplosion aus, offenbar in Folge einer systematischen Schönrechnung und Zurückhaltung von Informationen entsprechend dem hohen politischen Willen zur Umsetzung des Projekts. Ihre Gesichtswahrung angesichts des jahrelangen postfaktischen Festhaltens an dem Projekt lässt sich die Bundesregierung 5 Milliarden Euro und die Funktionsfähigkeit des Bahnverkehrs im Südwesten kosten.
Aktuell
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Siehe auch etwas ausführlicher → Stuttgart_21/Kosten/Chronologie
Inhaltsverzeichnis
- 1 Aktuell
- 2 Zusammenfassung
- 3 Entwicklung der Kosten und der Unaufrichtigkeiten dazu
- 3.1 Machbarkeitsstudie 1995, bei 2,5 Mrd. Euro Wirtschaftlichkeit nur "schwarze Null"
- 3.2 Hohe Verluste schon 2006 bei nur 2,8 Mrd. Euro Kosten
- 3.3 Diskussion um den volkswirtschaftlichen Nutzen ab 2009
- 3.4 Der Finanzierungsvertrag 2009 basiert auf grober Täuschung
- 3.5 Die Schlichtung 2010 täuschte erneut über die wahren Kosten hinweg
- 3.6 Die Aufsichtsratsentscheidung vom 05.03.2013 war nicht zu verantworten
- 3.7 Kleine Anfrage 2014, die Bundesregierung stellt sich nicht ihrer Verantwortung
- 3.8 2016 unabhängige Berechnungen: 10 Mrd. Euro, erneute Schönrechnung von PwC
- 3.9 2018/19: Der Bund betreibt mit 5 Mrd. Euro Steuergeld Gesichtswahrung
- 3.10 2023: Kosten bei 11,5 Mrd. Euro, mit Ergänzungen bei 17,5 Mrd.!
- 4 Verfahrensmängel
- 5 Materialsammlung
- 6 Dokumente
- 7 Einzelnachweise
Zusammenfassung
Eine gute Übersicht zur Geschichte der Kostenentwicklung und der Finanzierung von Stuttgart 21 findet sich bei Wikipedia. Im Folgenden sollen dagegen die kontroversen Aspekte teils auf Basis von Insiderdokumenten einer Aufklärung der tatsächlichen Faktenlage näher gebracht werden.
Stuttgart 21 erfuhr eine Kostenexplosion um Faktoren schon vor dem Baubeginn auf zuletzt 6,5 Milliarden Euro, obwohl zuvor mehrmals niedrigere Kostendeckel garantiert worden waren. Schon zu Projektbeginn war bei Kosten um 2,5 Milliarden Euro für die Wirtschaftlichkeit lediglich eine "schwarze Null" ermittelt worden. Die Bahn hatte mehrmals die ihr aus internen Berechnungen bekannten Kostensteigerungen zurückgehalten. Vielmehr wurden Finanzierungspartner und Aufsichtsgremien wiederholt sogar unter Einsatz von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften getäuscht. Letztere haben aber andererseits klargestellt, dass die dann kommunizierten Projekt- wie auch Ausstiegskosten im Wesentlichen nur die Qualität einer Überschlagsrechnung auf einer Serviette haben. Nicht nur bahninterne Quellen sprechen inzwischen von 11 Milliarden Euro Gesamtkosten, auch die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers haben dem Aufsichtsrat eine zu erwartende Kostensteigerung in Höhe von mehreren Milliarden Euro aufgrund der sogenannten "Nachträge" berichtet. Dennoch wurde zuletzt wegen eines vermeintlichen Kostenvorteils von 77 Mio. Euro zugunsten des Weiterbaus entschieden.
Entwicklung der Kosten und der Unaufrichtigkeiten dazu
Machbarkeitsstudie 1995, bei 2,5 Mrd. Euro Wirtschaftlichkeit nur "schwarze Null"
Die Machbarkeitsstudie von Anfang 1995 schätzte die Kosten (Preisstand 1993) überschlägig auf 4,807 Milliarden D-Mark (knapp 2,5 Milliarden Euro). Die Finanzierung sollte über den Verkauf von Grundstücken, durch Mehreinnahmen aus erhöhtem Fahrgastaufkommen, verbesserten Betriebsabläufen sowie Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes erfolgen. Die Beteiligung privater Investoren war Teil der Überlegungen. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung ergab eine sogenannte "schwarze Null", d.h. das Projekt sollte sich im Laufe von rund 30 Jahren amortisieren (Machbark. 1995 S. 37).
Das ist für den Zeitpunkt der Projektdefinition eine bei weitem nicht hinreichende Wirtschaftlichkeit. Das Projekt hätte gestoppt werden müssen, da die Erfahrung lehrt, dass bei Großprojekten anfangs typischerweise der Nutzen zu hoch angesetzt wird und die Kosten im Lauf von Planung und Bau um Faktoren steigen.
Hohe Verluste schon 2006 bei nur 2,8 Mrd. Euro Kosten
→ Hauptartikel Kosten/Wirtschaftlichkeitsrechnung 2006
Die Begutachtung einer 2007 vom Bundesverkehrsministerium geforderten Wirtschaftlichkeitsrechnung zu Stuttgart 21 durch den Wirtschaftsprüfer Susat & Partner ergab (Susat 2007, BMVBS 2008), dass bei Realisierung von Stuttgart 21 ein wirtschaftlicher Verlust von knapp 2 Mrd. Euro für die DB AG zu erwarten wäre und bei Weiterführung des Kopfbahnhofs, also Projektausstieg und Kopfbahnhof-Sanierung ein Verlust von € 465 Mio. Euro. Die Wirtschaftlichkeitslücke zwischen den Alternativen sollte über die geplanten Beiträge der Finanzierungspartner in Höhe von 1,6 Mrd. Euro geschlossen werden. Auch nach Einbeziehung aller Finanzierungsbeiträge ergab die korrigierte Wirtschaftlichkeitsrechnung bereits 2007 im Falle der Realisierung von S21 noch einen Verlust für die DB AG von € -24 Mio. Euro. Der Wirtschaftsprüfer hatte auch festgestellt, dass die DB AG zur Beurteilung des Kopfbahnhofs den Ermessensspielraum einseitig ausgenutzt hatte. Dennoch summierten sich die Sanierungsmaßnahmen für den Kopfbahnhof in 2007 auf lediglich 295 Mio. Euro.
2007 lagen die Kosten bei 2,8 Mrd. Euro plus 1 Mrd. Euro Risikopuffer. Bei aktuellen Kostenstand (für die DB) von mindestens 6 Mrd. Euro ist damit die Weiterführung des Kopfbahnhofs die bei weitem wirtschaftlichere Variante. 2013 forderte WikiReal vom Bundesverkehrsministerium die Veröffentlichung der Wirtschaftlichkeitsprüfung von 2006, was mit Verweis auf Wettbewerbsnachteile für die DB AG verweigert wurde.
Diskussion um den volkswirtschaftlichen Nutzen ab 2009
[... Noch auszuarbeiten ...]
Diskussion des volkswirtschaftlichen Nutzens. Dazu Auswertung der Veröffentlichungen:
IWW/SRF/VWI 2009 | IWW, SRF, VWI, "Volkswirtschaftliche Bewertung des Projekts Baden-Württemberg 21 (BW21)." März 2009. (pdf bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, Download-Seite).[12] |
Marte 2009 | Prof. Dr.-Ing. Gert Marte, Stellungnahme zur volkswirtschaftlichen Bewertung des Projekts Baden-Württemberg 21 (BW 21), 27.04.2009 (pdf verkehrswissenschaftler.de) |
Pfleiderer 2009 | Rudolf Pfleiderer, Bemerkungen zur Volkswirtschaftlichen Bewertung des Projekts Baden-Württemberg 21 (BW21), April 2009 (pdf verkehrswissenschaftler.de) |
VCD 2011 | Matthias Lieb, VCD-BW, "Überprüfung der Gutachten zu Stuttgart 21, Nutzen-Kosten-Untersuchung für Nahverkehrsinvestitionen" (pdf vcd-bw.de) |
Der Finanzierungsvertrag 2009 basiert auf grober Täuschung
→ Hauptartikel Kosten/Finanzierungsvertrag 2009
Der Finanzierungsvertrag zu Stuttgart 21 vom April 2009 wurde unter falschen Voraussetzungen geschlossen. Die Deutsche Bahn AG hatte ihr Wissen um höhere Kosten verschwiegen. Die überfällige Kostenerhöhung auf rund 5 Mrd. Euro wurde zum Ende des Jahres, als die Kündigungsfrist auslief, durch nicht gedeckte "Einsparpotenziale" von rund 900 Mio. Euro auf 4,1 Mrd. Euro schöngerechnet. Die tatsächlichen Kosten von rund 5 Mrd. Euro gingen damals sowohl aus den Detailplanungen der Bahn, als auch aus unabhängigen Berechnungen des Bundesrechnungshofes und der Landesregierung Baden-Württemberg hervor. Letztere hat ihr besseres Wissen um den gesprengten Kostendeckel insbesondere auch vor den anderen Finanzierungspartner bewusst zurückgehalten. Die Finanzierung von Stuttgart 21 begründet damit den Verdacht der Untreue an öffentlichen Geldern auch durch die Schädigung der Aktionäre der Deutschen Bahn AG. Gemeinsam mit der Zurückhaltung des Wissens um die Kostensteigerung bei der Neubaustrecke (siehe unten) zeigt sich damit eine Systematik in der Täuschung der Öffentlichkeit und Parlamente über die wahren Kosten des Gesamtprojekts.
Die Schlichtung 2010 täuschte erneut über die wahren Kosten hinweg
→ Hauptartikel Kosten/Schlichtung 2010
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PricewaterhouseCoopers (PwC) und Susat und Partner sind Auftragnehmerinnen der DB AG und haben mit ihren Darstellungen in der "Schlichtung" für diese Partei ergriffen. Sie lieferten lediglich eine Plausibilitätsprüfung von Angaben der Bahn, die Grunddaten wurden nicht geprüft. Methodisch unhaltbar wurden Chancen ganz und Risiken gar nicht in die Bewertung übernommen, die notwendige Methoden-Diskussion dazu wurde von Schlichter Dr. Geißler verhindert. Auf dieser Basis liefert die Schlichtung keine belastbare Prüfung der Kosten.
Die Aufsichtsratsentscheidung vom 05.03.2013 war nicht zu verantworten
→ Hauptartikel Kosten/Aufsichtsrat 2013
Die AR-Entscheidung vom 05.03.2013 entbehrte jeder Grundlage, der Weiterbau von Stuttgart 21 war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu verantworten. In den dem Aufsichtsrat vorgelegten Unterlagen war klar erkennbar, dass schon zum Zeitpunkt der Entscheidung die relative Vorteilhaftigkeit des Weiterbaus in Höhe von 77 Mio. Euro nicht mehr zu halten war. Die Untersuchung des Wirtschaftsprüfers PricewaterhouseCoopers hatte dies in vielen Punkten klar herausgearbeitet. Insbesondere aber auch in der klaren Aussage von zu erwartenden "erheblichen" Kostensteigerungen gemessen am "Gesamtwertumfang", sprich in Milliardenhöhe. Das bestätigt die kolportierten rund 11 Mrd. Euro Gesamtkosten laut bahninterner Quellen.[11] Die Entscheidung kam mutmaßlich nur durch den umfassend belegten politischen Druck aus dem Kanzleramt zustande, nachdem selbst aus dem Kreis der Staatssekretäre im Aufsichtsrat ein Dossier bekannt wurde, das die Kostensituation des Projekts äußerst kritisch sah.
Kleine Anfrage 2014, die Bundesregierung stellt sich nicht ihrer Verantwortung
Im Frühjahr 2014 wurde eine detaillierte Kleine Anfrage zu den Kosten von Stuttgart 21 an die Bundesregierung gerichtet (KA 2014). In den Antworten auf diese Anfrage wird die Bundesregierung ihrer Verantwortung nicht gerecht. Sie stellt sich weder ihrer Verantwortung für das Projekt noch der für die Schienenwege des Bundes und auch nicht in ihrer Funktion als Aufsicht des Eisenbahnbundesamts und Eigner der Deutschen Bahn AG (KA 2014 Bew.). Insbesondere zu der Aufsichtsratsentscheidung vom 05.03.2014 (siehe zuvor), auf die das Kanzleramt massiv eingewirkt hatte, sind die Antworten ausweichend. Insbesondere lässt die Bundesregierung keinen Aufklärungswillen bezüglich des betriebs- und volkswirtschaftlichen Schadens durch das Projekt Stuttgart 21 erkennen. Die Bundesregierung formuliert angesichts dieser Fakten keinen Handlungsbedarf, auch nicht in Bezug auf ihr Steuerungskonzept oder die Reformkommission Großprojekte. Es bleibt dem Parlament unklar, inwieweit die Bundesregierung ihrer Verantwortung für die bundeseigene DB AG und für den verantwortungsbewussten Einsatz der öffentlichen Mittel, die in das Projekt fließen, gerecht werden will. Gleichmaßen umgeht die Bundesregierung die Ausgestaltung der Boni von Bahnchef Rüdiger Grube und Bahnvorstand Kefer, die einer weitgehend bedingungslosen Umsetzung von Stuttgart 21 Vorschub leisten.
2016 unabhängige Berechnungen: 10 Mrd. Euro, erneute Schönrechnung von PwC
→ Hauptartikel Kosten/Aufsichtsrat 2016
Unabhängige Kostenberechnungen in 2015 und in einem sehr detailliert ausgeführten Gutachten vom Februar 2016 bestätigten die deutlich höheren realistischen Kosten des Projekts Stuttgart 21 von rund 10 Mrd. Euro statt der bisher maximal veranschlagten 6,5 Mrd. Euro. Dies führte zunächst dazu, dass der Aufsichtsrat der DB AG eine erste weitere Kostenüberprüfung durch den Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers beauftragte, der schon zweimal zuvor die plumpen Schönrechnungen des Bahnvorstands testiert hatte. Im Juni 2016 bestätigte dieser zwar Kostensteigerungen, aber im Rahmen des Risikopuffers, so dass der Gesamtrahmen von 6,5 Mrd. eingehalten werden sollte. Daraufhin beauftragte der Aufsichtsrat eine erneute Überprüfung. Dabei sind die milliardenschweren Schönrechnungen der Kosten seit Jahren vollkommen durchsichtig und basieren immer auf einer Übertreibung der Kostenchancen und eine Vernachlässigung der Kostenrisiken, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeiten vollkommen ignoriert wurden. Es ist die Fortsetzung eines moralisch und intellektuell enttäuschenden Spiels des Bahnvorstands mit Aufsichtsrat und Öffentlichkeit.
2018/19: Der Bund betreibt mit 5 Mrd. Euro Steuergeld Gesichtswahrung
Stuttgart 21 wird, wie von den Kritikern vorausgesagt, zum "Finanzdesaster"[4]. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart wollen, dass der Bund zahlt. Der Bund habe S21 als "politisches Projekt mit Kanzlerinnenunterstützung durchgehauen".[3] Das Desaster bei Stuttgart 21 ist so groß, dass die DB AG in "Schieflage" gerät.[13] Bei existenzbedrohenden 20 Mrd. Euro Schulden beträgt der ungedeckte Finanzbedarf allein für Stuttgart 21 satte 5,1 Mrd. Euro.[14] Prompt soll die DB diese 5 Mrd. Euro auch bekommen, sie werden allerdings grob täuschend umettikettiert als Ausgaben für mehr Pünktlichkeit, mehr Züge und Personal.[15] Somit wird – gedeckt von einer groben Lüge – die Forderung aus Baden-Württemberg an den Bund erfüllt. Die Kanzlerin betreibt Gesichtswahrung mit 5 Mrd. Euro aus Steuermitteln und setzt die Zerstörung des Bahnverkehrs im Südwesten fort.
2023: Kosten bei 11,5 Mrd. Euro, mit Ergänzungen bei 17,5 Mrd.!
Nach den Kostenanstiegen vom 26.01.2018 auf 8,2 Mrd. Euro und vom 18.01.2022 auf 9,8 Mrd. Euro[16] werden erstmals am 07.12.2023 11,5 Mrd. Euro kolportiert,[17] und am 20.12.2023 dann 11,453 Mrd. Euro als Kostenrahmen bestätigt inklusive 500 Millionen Euro Kostenpuffer.[18]
Die Kosten des Bahnhofsumbaus sind aber tatsächlich noch rund 6 Mrd. teuerer wegen der Ergänzungsprojekte. Die Ergänzungsprojekte, die Fehlplanungen in den Zuläufen reparieren sollen, kommen auf rund 5,4 Mrd. Euro (Filder 3. Gleis/Rohrer Kurve/Bhf. Vaihingen: 80 Mio Euro, große Wendlinger Kurve: 123 Mio. Euro,[19] Pfaffensteigtunnel 2,7 Mrd., Nordzulauftunnel 2,3 Mrd., P-Option 0,2 Mrd. Euro[20]. Die Ausrüstung mit dem Signalsystem ETCS im Rahmen des Projekts "Digitaler Knoten Stuttgart" (Kosten Stufe 1 + 2: 463 Mio. Euro),[19] soll insbesondere auch die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs erhöhen. Dazu ist ETCS aber nicht in der Lage.[21][22] Zusammen 5,86 Mrd. Euro, aufgerundet in Erwartung weiterer Kostensteigerungen ergeben sich 6 Mrd. Euro (siehe siehe Abb. oben).
Verfahrensmängel
Unaufrichtigkeiten zur Höhe der Kosten
Das Hauptproblem bei den Stuttgart 21-Kosten ist der durchgängig unaufrichtige Umgang mit dem Wissen um die tatsächlichen Kosten. Projektpartnern, Aufsichtsräten und der Öffentlichkeit wurden wiederholt vom Vorstand der DB AG falsche Zahlen präsentiert, um Entscheidungen zur Durch- und Weiterführung von Stuttgart 21 herbeizuführen. Und auch andere Projektbetreiber hielten ihr internes Wissen über höhere Kosten zurück. Insbesondere aus diesen ungesetzlichen und unmoralischen Handlungen, die weiter oben im Detail beschrieben werden und hier nur zur Übersicht aufgezählt werden, erwächst der demokratischen Kultur besonders großer Schaden. Diese Täuschungen wurden fortgeführt und vollendet, indem die Bundesregierung jede Aufklärung und Konsequenzen blockierte.
- Machbarkeitsstudie 1995: Als die Wirtschaftlichkeit lediglich eine "schwarze Null" ergab, hätte des Projekt gestoppt werden müssen.
- Finanzierungsvertrag 2009: Finanzierungspartner wurden DB-Vorstand, der Bundes- und BW-Landesregierung über die Kosten getäuscht:
- Die von den Fachplanern ermittelten 4,9 Mrd. Euro Kosten wurden vom DB Vorstand den Finanzierungspartnern verschwiegen.
- Stattdessen hatte der DB-Vorstand die Kosten ohne Detailplanung und nicht belastbar um 861 Mio. Euro herabgesetzt.
- Die Bundesregierung wischte die ihr bekannte Kostenschätzung des Bundesrechungshofs über 5,3 Mrd. Euro ohne tragfähige Begründung vom Tisch.
- BW-Verkehrsministerium wusste 2009 vor der Finanzierungsvereinbarung von Gesamtkosten von 4,875 Mrd. Euro, zog keine Konsequenzen.
- Im Herbst 2009, als der Finanzierungsvertrag noch kündbar war, hatten Controller des BW-Innenministeriums Kosten von über 4,9 bis 6,5 Mrd. Euro ermittelt, was "auf Wunsch des Herrn MP" nicht weiter verfolgt wurde.
- Faktenschlichtung 2010: Wirtschaftsprüfer liefern "Plausibilisierung", die gegen jede betriebswirtschaftliche Regel Chancen ganz und Risiken gar nicht einberechnet.
- Aufsichtsratssitzung vom 05.03.2013: Auf einer sachlich falschen Kostenbasis wurde wegen vermeintlich 77 Mio. Euro Vorteil der Weiterbau entschieden:
- Die Ausstiegskosten waren mit 2 Mrd. Euro vollkommen überhöht angenommen worden, höchstenfalls hätten 442 Mio. Euro gerechtfertigt werden können.
- Grundstücksrückabwicklung sind keine Kosten sondern Aktiv-Passiv-Tausch.
- Schon bebaute Grundstücke können nicht rückübertragen werden. Damit werden aus 77 Mio. Vorteil vielmehr 125 Mio. Euro Verlust bei Weiterbau.
- Außerdem stellt Wirtschaftsprüfer PwC klar, dass aus Nachträgen noch weitere Kostensteigerungen in Milliardenhöhe kommen.
- Kleine Anfrage 2014: Die Bundesregierung weicht den Fragen aus und zieht nicht die nötigen Konsequenzen aus den bekannten Fakten.
- Anhörung im Bundestag 2015: Die Experten der Regierungs-/Projektbefürworterseite täuschen mit Falschaussagen und Antwortverweigerung auch über die Kosten.
- BRH 2016: Auch der Bundesrechungshof rechnet mit 10 Mrd. Euro für Stuttgart 21,[5] aber die Verantwortlichen ziehen keine Konsequenzen.
- 2018/2019: Die 5 Mrd. Euro, die für S21 fehlen, soll der Bund zahlen. Die milliardenteure Gesichtswahrung der Kanzlerin wird grob täuschend umettikettiert.
Überhöhte Ausstiegskosten
Siehe auch → Stuttgart_21/Kosten/Material#Ausstiegs-Kosten
Der Vorstand der Deutschen Bahn AG hat schon in der sogenannten "Faktenschlichtung" von 2010, wie auch zur Volksabstimmung 2011 und in der Aufsichtsratsentscheidung vom 05.03.2013 die Ausstiegskosten in unverantwortlicher Weise zu hoch angesetzt. Die genannten Beträge von zunächst 1,5 Mrd. Euro und zuletzt sogar 2 Mrd. Euro sind um Faktoren zu hoch angesetzt. Unzulässig eingerechnet wurden von der DB AG neben vielen kleineren Posten vor allem die Rückabwicklung der Grundstücksverkäufe, die keine Kosten darstellen sondern nur eine Umbuchung von Aktiv- zu Passivkonten. Auch die Instandsetzungskosten des Kopfbahnhofs, die nötig sind, wenn S21 nicht realisiert wird, sind nicht den Ausstiegskosten zuzurechnen. Stand 2013 waren statt der vom Vorstand angesetzten 2.001 Mio. Euro nicht mehr als maximal 442 Mio. Euro ansetzbar (Fendrich 2013, Heydemann 2013). Damit erfolgte die Aufsichtsratsentscheidung zum Weiterbau von Stuttgart 21 auch in diesem Punkt auf sachlich falscher Basis. Siehe auch → Aufsichtsratsentscheidung vom 05.03.2013. [.... Noch weiter ausarbeiten ....]
Unzulässige Mischfinanzierung
Aus rechtlicher Sicht problematisch ist die Mischfinanzierung des Projekts Stuttgart 21 unter Beteiligung des Bundes und des Landes Baden-Württemberg, der Stadt Stuttgart, der Region Stuttgart sowie des Flughafens Stuttgart. Deren Verbot nach § 104 a GG ist "einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes" (BVerfG 32, 333, 338) und deren strikter Beachtung "eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zukommt" (vgl. Semler, Finanzordnung und Grundgesetz, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Finanz- und Steuersachen, AöR 101, 1976, S. 240 f). Der renommierte Verfassungsrechtler Prof. Hans Meyer bezeichnete die Mischfinanzierung als "schwäbische Schweinereien" und den Finanzierungsvertrag als "null und nichtig" bzw. "unwirksam".[23] Siehe dazu auch das 3. Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 "Storno 21".[24]
Die fragwürdige Mischfinanzierung begründet auch das 2. Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21,[25]. Dieses Bürgerbegehren bewertete der VGH zwar als unzulässig, aber die Revision zur Klärung der Zulässigkeit der Mischfinanzierung durch das Bundesverwaltungsgericht ließ er zu.[9][10]
Materialsammlung
→ Stuttgart 21/Kosten/Material Geschichte der Kostenentwicklung von Stuttgart 21, Zurückhaltung von Kostensteigerungen, Kostenschätzungen vor und in der Faktenschlichtung 2010, Wirtschaftsprüfung in der Faktenschlichtung 2010, Wahrscheinliche Kosten, ...
Dokumente
Strafanzeige | Zur Kostentäuschung: Internetseite zu der Strafanzeige gegen DB-Vorstand/Aufsichtsrat und Minister wegen Untreue sowie wegen Strafvereitelung gegen Berliner Staatsanwälte mit zahlreichen Dokumenten (stuttgart21.strafvereitelung.de). | |
KA 2014 Bew. | C. Engelhardt, "Bewertung der Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Linken zu den Kosten von Stuttgart 21 vom 03.04.2014" (pdf nachhaltig-links.de) | |
KA 2014 | Kleine Anfrage der Linken vom 03.04.2014, "Kosten von Stuttgart 21" mit der Antwort der Bundesregierung vom 24.04.2014 (BT-Drucksache 18/1241) (pdf dipbt.bundestag.de) | |
Fendrich 2013 | Peter Fendrich, Dossier "Ausstiegsszenario der DB-Vorstände auf dem Prüfstand", 27.02.2013 (pdf cams21.de) | |
Heydemann 2013 | Hans Heydemann, "Die wirklichen Ausstiegskosten aus S21", 20.02.2013 (pdf ingenieure22.de) | |
Machbark. 1995 | Machbarkeitsstudie, 2005 (pdf bahnprojekt-stuttgart-ulm.de) |
Einzelnachweise
Die im Text in Klammern referenzierten Dokumente finden sich unter Kosten/Dokumente.
- ↑ 19.12.2018, stuttgarter-zeitung.de, "Stuttgart 21 wird für die Bahn zur Dauerlast"
- ↑ 20.12.2018, badische-zeitung.de, "Kosten für Stuttgart 21 steigen – Geld für andere wichtige Projekte fehlt"
- ↑ a b 08.09.2018, stuttgarter-zeitung.de, "Land und Stadt Stuttgart wollen Bund in die Pflicht nehmen"
- ↑ a b 26.08.2018, rundschau-online.de, "Acht-Milliarden-Euro-Projekt Stuttgart 21 droht zum finanziellen Desaster zu werden"
- ↑ a b 05.07.2016, stuttgarter-zeitung.de, "S21 könnte bis zu zehn Milliarden Euro kosten
- ↑ stuttgart21.strafvereitelung.de
- ↑ 17.11.2015, stuttgarter-zeitung.de, "S-21-Kritiker werfen Berliner Justiz Untätigkeit vor"
- ↑ 14.06.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Kritiker sehen hohe Kosten"
- ↑ a b 04.05.2015, stuttgarter-zeitung.de, "VGH bestätigt Nein zum Bürgerbegehren"
- ↑ a b 04.05.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Erfolgreiche Niederlage"
- ↑ a b 19.01.2013, stuttgarter-zeitung.de, "Grüne: Bahn rechnet mit elf Milliarden"
- ↑ Achtung: Die zentrale Engpass-Analyse, die den wirtschaftlichen Nutzen begründet, befindet sich nicht wie auf S. 49 oben angekündigt in Abschnitt 4.3.2 "d)", sondern vielmehr in 4.3.2 "(c)" ab S. 55. Hier liegt offenbar ein Tippfehler vor. Eine Prüfung dieser Analyse in Parametern und Methode erscheint lohnend. Insbesondere erscheint kritisch, dass Reisezeitverbesserungen "im besten Fall" und nur in Richtung Stuttgart, Stuttgart-Flughafen und Ulm eingerechnet wurden (Abb. 7), wobei neuere Untersuchungen zeigen, dass die Reisezeitbilanz von S21 für alle nachgefragten Relationen gar nicht so günstig ist. Außerdem sind etwa die "eigenen Berechnungen" (Abb. 7 und 8) nicht hinreichend dokumentiert.
- ↑ 02.01.2019, fr.de, "Stuttgart 21 bringt Bahn in Schieflage"
- ↑ 17.01.2019, stuttgarter-zeitung.de, "Rechnungshof wirft Staat und Bahn auch Versagen bei Stuttgart 21 vor"
- ↑ 30.01.2019, spiegel.de, "Biete Zugverkehr, suche fünf Milliarden Euro"
- ↑ 07.12.2023, swr.de, "Stuttgart 21: Chronologie der Kostenexplosion"
- ↑ 07.12.2023, spiegel.de, "Stuttgart 21 soll sich um fast zwei Milliarden verteuern"
- ↑ 20.12.2023, Stuttgarter Nachrichten, "Stuttgart 21 kostet nun 11,453 Milliarden Euro" (s.a. 19.12.2023, stuttgarter-nachrichten.de)
- ↑ a b de.wikipedia.org/wiki/Stuttgart_21#Beschlossene_Ergänzungsprojekte
- ↑ umstieg-21.de/umstieg21-plus/4-kosten-und-klima/4-1-umstieg-bleibt-kostenguenstiger.html
- ↑ 22.03.2023, kontextwochenzeitung.de, "Stuttgart 21 und Ergänzungsmaßnahmen. Um den Tunnelhalt herum"
- ↑ C. Engelhardt, "Das Wunder von Stuttgart 21", 07.12.2023 (pdf wikireal.org)
- ↑ 10.08.2011, sueddeutsche.de, "Finanzierungsverträge zu Stuttgart 21 sind unwirksam"
- ↑ Storno 21, Bürgerbegehren gegen Bahnbetrug (archive.org / storno21.de/)
- ↑ 2. Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 aufgrund der Mischfinanzierung (buergerbegehren-stuttgart.de)