Stuttgart 21/Gleisneigung: Unterschied zwischen den Versionen
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:''"Zum anderen wird hinsichtlich des Wegrollens der Züge auf die {{hl|Schutzziele der einschlägigen EBO}} verwiesen, die vor allem ein selbstständiges in Bewegung setzen von abgestellten Eisenbahnfahrzeugen (Wagen und Züge) {{hl|zuverlässig verhindern wolle}}."'' | :''"Zum anderen wird hinsichtlich des Wegrollens der Züge auf die {{hl|Schutzziele der einschlägigen EBO}} verwiesen, die vor allem ein selbstständiges in Bewegung setzen von abgestellten Eisenbahnfahrzeugen (Wagen und Züge) {{hl|zuverlässig verhindern wolle}}."'' |
Version vom 13. November 2011, 17:10 Uhr
Inhaltsverzeichnis
15 Promille Gleisgefälle statt den 2,5 Promille aus der Vorschrift
Bei Stuttgart 21 soll der Tiefbahnhof ein Bahnsteiggleisgefälle von 15,143 Promille (‰) aufweisen. Nach der EBO sind für Neubauten lediglich 2,5 ‰ zulässig, d.h. man plant mehr als das sechsfache Gefälle. Dies entspricht laut Bahn in etwa dem Gefälle der Königsstraße in Stuttgart.[2] Kein Bahnhof in Europa hat mehr als 2,5 ‰ Neigung.[3]Bedeutung für die Fahrgäste
Auf 25 Promille verschärftes Gefälle durch Querneigung
Damit die Trolleys, Rollstühle und Kinderwagen nicht auf die Gleise rollen, ist eine zusätzliche Bahnsteig-Neigung von 10 bis 20 ‰ quer zum Bahnsteig geplant (in Richtung Bahnsteigmitte).[2]
- Gesamt-Gefälle bis 25 ‰: Durch die Addition von Längs- und Quergefälle entsteht somit eine weiter verschärfte Gesamt-Neigung (diagonal) von bis zu 25 ‰. (Ab dieser Steigung gelten Eisenbahnstrecken als Gebirgsbahn – aber hier geht es ja um die Fahrgäste.)
- Steigung über Grenzwert für barrierefreies Bauen: Diese Steigung liegt fast beim Doppelten der Königstraße und auch über dem Quergefälle-Grenzwert von 20 ‰ für barrierefreies Bauen in öffentlichen Gebäuden.[4] Die Trolleys und Kinderwägen, die bei 15 ‰ noch nicht losrollten, die schaffen es jetzt.
- Hindernisrennen: Die Bahn will in Bewegung gekommenes Gepäck oder Personen durch Bänke und "Mülltonnen" in dieser Abroll-Rinne stoppen.[2] Dies erscheint als eine verhältnismäßig unelegante Maßnahme für einen so modernen Bahnhof. Das Gefälle ist auf die Hindernisse in Form von Bänken und Mülltonnen gerichtet. D.h. der Reisende, der üblicherweise dem Gefälle folgt, wird auf die Hindernisse gelenkt und muss beim Ausweichen unbequem quer zu einem Gefälle von 25 ‰ laufen.
Lärm und Komforteinbußen durch rollhemmenden Belag
Ein rollhemmender Belag, eine Art Kopfsteinpflaster, soll das Wegrollen behindern.[5]
- Großrädrige Gefährte: Der rollhemmende Belag versagt bei großrädrigen Gefährten.
- Lärmbelastung: Der rollhemmende Belag führt zu einer erheblichen Lärmbelastung. Die meisten Bahnhöfe haben glatten Asphalt oder polierten Steinboden. Eine Art Kopfsteinpflaster erhöht den Lärm der Trolleys und Gepäckwagen beträchtlich, wie man leicht selbst auf entsprechendem Pflaster nachvollziehen kann. Dieser Lärm vervielfacht von hunderten Reisenden führt zu einer enormen Lärmkulisse, die durch die (im Vergleich zu anderen Bahnhöfen) sehr niedrigen Decken (im Randbereich des Bahnhofs sogar gebündelt) verstärkt wird, wozu der normale Bahnhofslärm (quietschende Bremsen) noch hinzukommt. Die Akustik des Tiefbahnhofs erscheint tatsächlich als ein noch ungeprüftes sehr kritisches Feld des Projektes.
- Kraftaufwand: Es ist bedeutet eine erhebliche Anstrengung, einen Rollkoffer gegen das Gefälle und den Widerstand des rollhemmenden Belags zu befördern. Wenn der Belag das Gepäck bei 25 ‰ Neigung bremst, dann muss der Bergaufgehende für seinen Trolley etwa gefühlte 50 ‰ überwinden (bei dieser Steigung beginnt die Bahn mit Zahnradantrieb[6]). Das entspricht einem unangenehm mit 5 % unangenehm steilen Anstieg.
Das Gefälle ist für die Fahrgäste schon im Blick auf die bestehenden Grenzwerte für barrierefreies Bauen bedenklich, ganz abgesehen von der Gefahrensituation im Bahnhof. Der Notbehelf mit einem rollhemmenden Belag versagt bei großrädrigen Gefährten und führt zu erheblichen Komfort-Einbußen. Die Kombination Gefälle, Querneigung und rollhemmender Belag widersprechen den Schutzzielen der EBO.
Bedeutung für den Bahnbetrieb
Keine technische Sicherung gegen Wegrollen
Bis zur Faktenschlichtung war die Bahn offenbar davon ausgegangen, dass der Lokführer (der vielleicht gerade auf der Bahnhofstoilette sitzt oder evtl. bewusstlos ist) im Falle des Losrollens den Fahrtregler in die Rollrichtung stellt, denn sonst bremst das Signal den Zug nicht.[7] Auch war offenbar nicht bekannt, dass der "Totmannknopf" erst im bewegten Zug aktiv und nach 28 Sekunden wirksam wird[8] (dann ist das Unglück schon passiert) und selbst wenn die Feststellbremse betätigt würde, reicht sie nicht für die 15‰.[9].
Bisher hat die Bahn tatsächlich noch kein Konzept für rückwärtsrollende Züge, die in den Weichenbereich, also in den laufenden Verkehr, oder auf andere Züge bei "Doppelbelegung" rollen. [Zum Vergleich: Auf Rangierbahnhöfen, in denen die abgekoppelten Waggons alleine leicht bergab in ihre Bestimmungsgleise rollen, gibt es nach Ende des sogenannten „Abrollbergs“ zum Zwecke des selbsttätigen Weiterrollens ein Gefälle von ca. 10 ‰[10]. D.h. wir müssen im Tiefbahnhof von einer beschleunigten Bewegung ausgehen.]
Bei der Diskussion zu diesem Thema konnten die Vertreter der Bahn grundsätzlich nicht eine einzige konkrete zwangsläufige Sicherungseinrichtung nennen, die einen losgerollten Zug wieder stoppt. Es hieß nur, dass eine "Frage zu beantworten" ist, ob "ausreichend Sicherheitseinrichtungen" vorhanden sind. Die Antwort auf diese Frage wurde nicht gegeben.[11] Eine Frage als Antwort der Bahn auf eine gravierende Sicherheitsfrage? Der Sicherheitsbeauftragte der Bahn, Klaus-Jürgen Bieger, sagte zum Thema:[12]
- "Auch bei geringeren Neigungsverhältnissen, auch bei 1,5 ‰ oder 2,5 ‰ kann der Zug ins Rollen kommen. Aber dann hätten auch alle diese Sicherheitsmechanismen verta... nicht gepasst und dann wäre das nicht gut zum Ein- und Aussteigen. Die Frage ist: Ob dann könnte einzelnen Personen selbstverständlich etwas passieren. Aber das ist egal. Auch bei geringerer Neigung könnte es losrollen."
Hr. Bieger meinte sicher nicht, dass es egal ist, wenn einzelnen Personen etwas passiert. Aber auch er konnte nur auf "alle diese Sicherheitsmechanismen" verweisen, ohne nennen zu können, "wie man dieses Problem technisch wirklich idiotensicher lösen kann", wie es Dr. Geißler gefordert hatte.[13] Solange die Bahn noch nicht weiß, wie sie rollende Züge stoppen will, müssen wir auf die irgendwie abstrakten Kräfte aus den "Schutzzielen" der EBO (siehe unten) hoffen, oder wir vertrauen auf die ebenso abstrakte "Abwägung" beim Eisenbahn-Bundesamt, die uns nach Meinung des Bahnvorstands Dr. Volker Kefer die Sicherheit bringen soll.[14] Im Schlussplädoyer räumte Dr. Kefer ein, dass die Sicherheit im geneigten Bahnhof und in den Tunnels wohl erst in "weiteren Diskussionen" nachgewiesen werden könne.[15] Es erstaunt, dass bevor hier Lösungen vorliegen, der Bau begonnen werden kann.
Auch Schlichter Heiner Geißler war das Gefälle des Bahnhofs nicht geheuer, er sagte dazu:
- Etwas verkürzt: "Es braucht nur ein Kind ums Leben kommen, dann ist ihr ganzer schöner Bahnhof Schall und Rauch." [16] Und: "Man kann das als theoretisches Problem bezeichnen, aber möglicherweise alles, was zum ersten Mal passiert, ist vorher immer als theoretisch unmöglich bezeichnet worden." [17]
Keine Richtlinie für Doppelbelegung
→ siehe Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße#Keine Richtlinie für Doppelbelegung bei Neigung
Das Gefälle von 15 ‰ (ab 25 ‰ spricht man von Gebirgsbahnen) bewirkt bei dem Eisenbahnbetrieb deutlich erhöhte (bergab) oder auch erniedrigte (bergauf) Bremswege. Die verlängerten Bremswege sind insbesondere kritisch, wenn es um den Betrieb mit Doppelbelegungen geht. Stuttgart 21 würde mit 13 Doppelbelegungen in der Spitzenstunde den absoluten Rekord in dieser Betriebsart halten. Jeder zweite Zug würde als Doppelbelegung abgefertigt werden. Dennoch existiert keine Richtlinie, die insbesondere die zulässigen Einfahrgeschwindigkeiten bzw. die anzunehmende Bremskurve für den Betrieb regelt.
Aufgrund der Einzigartigkeit dieser Betriebsart (bisher existiert kein Bahnhof in Europa mit einer solchen Neigung) wären überdies technische Sicherungsmaßnahmen vorzusehen, die bei menschlichem Versagen eingreifen. Die Sicherheit kann hier nicht allein dem Erinnerungsvermögen der Lokführer überlassen werden, die teilweise auch aus dem Ausland kommen und mit dieser Sondersituation vollkommen unvertraut sein können.
Dass für diese Fälle vorgebeugt werden muss, zeigen bspw. zahlreiche Vorfälle an dem Haltepunkt Haan zwischen Wuppertal-Vohwinkel und Solingen Hbf. Hier liegt ein Gefälle von "nur" 6,6 ‰ vor, und dennoch kam es in der Vergangenheit immer wieder vor, dass sich der Lokführer verbremste und über den Bahnsteig hinausrutschte. An einem Haltepunkt liegen aber keine Weichen, die in anderen Verkehr einmünden. Schon dies wäre bei Stuttgart 21 eine Gefahr selbst ohne den Betrieb mit Doppelbelegungen. Bei Doppelbelegung aber sind die Anforderungen weit höher. Der Bremsweg am Bahnsteig ist auf die Hälfte verkürzt und es muss ziemlich nah an den stehenden Zug herangefahren werden. Ein Lokführer, der hier erst am Anfang des Bahnsteigs erkennt, dass schon ein Zug in der hinteren Hälfte steht, kann kaum noch bremsen.
Die fehlende Regelung dieses Betriebs durch eine Richtlinie unter Berücksichtigung der verlängerten Bremswege und die fehlende Einrichtung technischer Sicherungen zur zuverlässigen Verhinderung des Auflaufens der Züge scheinen die bestehende Ausnahmegenehmigung in Frage zu stellen. Auch das Problem des möglichen Wegrollens der Züge und damit ein Auffahren bei Doppelbelegung ist in der Ausnahmegenehmigung bisher allein dadurch adressiert, dass der Wille einer Verordnung die Unglücke irgendwie verhindern möge (siehe unten).
Die Argumentation der Bahn, dass dieser Fall für die allgemeinen Regeln im Gefälle abgedeckt sein (.... Quelle), verfängt nicht, da eben bisher jeder Lokführer sicher damit rechnen konnte, in einen ebenen Bahnhof einzufahren.
Es erscheint im Blick auf die Sicherheit des Bahnhofs schlichtweg unmöglich, auch nur die Planung des Neubaus fortzusetzen, solange der international einzigartige Betrieb im geneigten Bahnhof inklusive der Anforderungen im Falle von Doppelbelegungen noch nicht sicherheitstechnisch geregelt ist.
Ausnahmegenehmigung
Für die sechsfache Bahnsteigneigung wurde (.... durch das EBA?) eine Ausnahmegenehmigung erteilt[18]:
- "Zum anderen wird hinsichtlich des Wegrollens der Züge auf die Schutzziele der einschlägigen EBO verwiesen, die vor allem ein selbstständiges in Bewegung setzen von abgestellten Eisenbahnfahrzeugen (Wagen und Züge) zuverlässig verhindern wolle."
Kein Haltepunkt
Stuttgart 21 ist kein Haltepunkt, es schließen sich Weichen direkt an die Bahnsteige an, die Gefahrensituation ist die eines Bahnhofs.
Keine Zwangslage
[Evtl. den "Zwangslage" durch korrekten Begriff ersetzen.]
Stuttgart 21 ist keine Zwangslage, sondern es sollen die Kosten gespart werden, wie die frühere Landesverkehrsministerin Tanja Gönner jüngst in einem Interview klarstellte:[19]
- "Ein weiteres Thema ist das Gefälle auf dem Bahnsteig, das per se zwar kein Problem darstellt, das man aber ändern kann. Das würde allerdings ziemlich viel Geld in Anspruch nehmen."
Stuttgart 21 ist kein Haltepunkt, sondern ein Bahnhof, auf dem wegrollende Züge im anschließenden Weichenbereich unmittelbar Gefahrensituationen erzeugen. Stuttgart 21 könnte für mehr Geld eben gebaut werden, d.h. es wird an der Sicherheit gespart. Es bleibt unklar, wie der "Wille" der in der EBO niedergeschriebenen "Schutzziele", – einen Zug stoppt, der sich in Bewegung gesetzt hat. Eine technische Sicherung für diesen Fall steht aus.
Bahnsteiggleisgefälle und TSI Infrastruktur
EU-Vorschrift untersagt das Gefälle verbindlich
EU-Vorschrift verwendet die Formulierung "darf nicht" und untersagt damit einen Bahnhofsbau wie bei Stuttgart 21 vorgesehen. Ausnahmegenehmigungen sind nicht mehr zulässig. ....
Fazit
Quellenangaben
- ↑ 12.2010, „21 Gute Gründe für Stuttgart 21“, 4. Auflage, S. 21, (bahnprojekt-stuttgart-ulm.de)
- ↑ a b c 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, ab 14:20 Uhr, Dr. Volker Kefer
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 16:47 Uhr, Eberhard Happe, früherer Leiter der Zugförderung Hamburg
- ↑ Dachverband Integratives Bauen, "Checklisten für die Neuplanung", S. 3 (dipb.org). Der Grenzwert stammt offenbar aus Din 18024-2.
- ↑ 08.11.2010, spiegel.de, „Schiefe Bahn“
- ↑ wikipedia.org Gefälle von Eisenbahnstrecken
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, ??:?? Uhr, Rafael Ryssel: Die Signalbremsung greift nur, wenn der Zug in Richtung der Einstellung des Fahrtreglers losrollt.
- ↑ .... Faktenschlichtung (Beleg noch heraussuchen!)
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, [1] 16:31-16:47 Uhr, Dr. Volker Kefer, Hr. Ryssel, Eberhard Happe]
- ↑ .... Quelle heraussuchen.
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 16:16-16:17 Uhr, Dr. Volker Kefer]
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, [2] 17:11 Uhr, Klaus-Jürgen Bieger]
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:15 Uhr, Dr. Heiner Geißler]
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:10 Uhr, Dr. Volker Kefer]
- ↑ 30.11.2010, 9. Tag der Faktenschlichtung, 10:30 Uhr, Dr. Volker Kefer]
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:19 Uhr, Dr. Heiner Geißler
- ↑ 20.11.2010, 6. Tag der Faktenschlichtung, 17:16 Uhr, Dr. Heiner Geißler
- ↑ 28.01.2005, Auszug Planfeststellungsbeschluss "PFA 1.1: Talquerung der Innenstadt mit Hauptbahnhof" vom 28.01.2005, Seite 373 (bahnprojekt-stuttgart-ulm.de). Siehe auch: ice-treff.de
- ↑ 18.11.2010, Pforzheimer Zeitung, "Ich sehe meine Zukunft im Land" S. 3. (17.11.2010, pz-news.de)