Stuttgart 21/Leistung/Martin 2005: Unterschied zwischen den Versionen

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Das Gutachten zur Leistungsfähigkeit von Prof. Martin 2005 mit einem "optimalen Leistungsbereich von 42 bis 51 Zügen pro Stunde" weist gravierende methodische Fehler auf. Die 51 Züge korrigierte Prof. Martin erst 2012 auf eine praktische Kapazität nahe 42 Zügen. Korrigiert für die mit 1,6 Min. viel zu kurzen Haltezeiten bleiben für die Leistungsfähigkeit nicht mehr als 30 Züge.


Fehler in Prof. Martins Gutachten von 2005

Prof. Martin: Von 51 über 42 zu weniger als 30 Zügen.: Korrektur der Kapazität durch Martin, sowie für die von ihm viel zu niedrig angesetzte Haltezeit von durchschnittlich 1,6 Minuten.

Das Gutachten zur Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs von Prof. Ullrich Martin mit einem "optimalen Leistungsbereich von 42 bis 51 Zügen pro Stunde" weist gravierende methodische Fehler auf und ist nicht belastbar. Dass aber die 51 Züge nur ein theoretischer Wert einer bekanntermaßen zu überhöhten Werten führenden Methode sind, stellte Prof. Martin erst 2012 klar. Die "praktisch relevante Kapazität" sei am unteren Ende des Leistungsbereichs zu sehen, also nahe den 42 Zügen.

Die Leistungsfähigkeit eines Durchgangsbahnhofs ist wesentlich von der mittleren Haltezeit bestimmt, wie schon der "Vater" von Stuttgart 21 Prof. Heimerl betonte. Damit muss aber die von Prof. Martin bei durchschnittlich 1,6 Min. Haltezeit bestimmte Leistungsfähigkeit für realistischere Haltezeiten, wie sie im Stresstest angesetzt wurden, deutlich reduziert werden (Abb. rechts). Der hier eingezeichnete abfallende Trend folgt einem konstanten Belegungsgrad, der im Allgemeinen als Qualitätsmaßstab gewählt wird. Korrigiert für die zu kurzen Haltezeiten sind damit auf Basis dieser Untersuchung nicht mehr als rund 30 Züge plausibel darstellbar (s.a:[1] oder Engelh. 09.2014 S. 40 ff). Prof. Martins Gutachten, insbesondere nach der Rücknahme der Kapazität auf rund 42 Züge, stellt damit den Stresstest erheblich in Frage.

Ebenso entspricht der "auftragsgemäß" zu klein gewählte Untersuchungsraum, der im Gutachten verbliebene "Handlungsbedarf" und das zum Einsatz gekommene regelmäßige Betriebsprogramm nicht den anerkannten Regeln der Technik.

  1. Haltezeiten von 1,6 Min. zu kurz. Die von Prof. Martin angesetzten Haltezeiten von 1 Min. im Regionalund 2,2 Min. im Fernverkehr (im Mittel 1,6 Min.) sind viel zu kurz angesetzt. Sie entsprechen zwar der Vorgabe der Richtlinie (Richtlinie 405.0103 A 02 S. 3, Stand 2008), jedoch nur für den Fall, wenn keine anderen Daten verfügbar sind, also für eine Durchschnittssituation. Für Stuttgart ist jedoch bekannt, dass ein "starker Fahrgastwechsel" vorliegt (Schwanhäußer 1994 S. 14) und eine solche Annahme auf keinen Fall zulässig ist. Dies zeigt auch der Vergleich mit anderen Knotenbahnhöfen (siehe unten Haltezeit und Leistung). Erst die Annahme im Stresstest von im Mittel 5,3 Min. Haltezeit erscheint vertretbar.
  2. "Auftragsgemäß" zu klein dimensionierter Untersuchungsraum. Unzulässig ist auch die Ausblendung der Engpässe in den Zuläufen (Stn. S. 15 f). Diesen groben Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik rechtfertigte Prof. Martin dadurch, dass dies "auftragsgemäß" erfolgt sei.[2][3][4]
  3. Verbleibender Handlungsbedarf. Prof. Martin nimmt seinem Gutachten jegliche Belastbarkeit, wenn er in einem eigenen Abschnitt verbleibenden "Handlungsbedarf" formuliert (Martin 2005 S. 59), der nach Martins Darstellung auf jeden Fall ergebnisrelevant ist. Martins gegenteilige Behauptung ist fachlich nicht nachvollziehbar und wurde von ihm auch nicht begründet.
  4. Gleichmäßiges Betriebsprogramm. Das unrealistische Betriebsprogramm der Leistungsuntersuchung mit "gleichmäßiger Verteilung" und "regelmäßigen Abständen" (Martin S. 58, 39) bevorteilt den Durchgangsbahnhof und wirkt für diesen leistungserhöhend (Pachl[5] S. 130).
  5. Benachteiligung des Kopfbahnhofs. Martin selbst führt aus, wie der Kopfbahnhof in seiner Untersuchung systematisch benachteiligt wird (Martin S. 48 f, 59). Da Martin selbst eingesteht, dass die Kapazität am unteren Ende seines "optimalem Leistungsbereichs" zu erwarten ist (Folgepunkt), ergibt sich aus seinen "28 bis 38 Zügen" (Martin 2005 S. 53) eine Kapazität nahe 28 Zügen für den ausgebauten Kopfbahnhof. Dies ist aber angesichts heute fahrender 39 Züge und einer bestätigten Kapazität von rund 50 Zügen für den heutigen Kopfbahnhof der schlagende Beweis für die systematische Benachteiligung des Kopfbahnhofs in Martins Simulation.
  6. Nicht etablierte Methodik. Die von Martin angewandte Methodik ist noch nicht etabliert (Engelh. 06.2012 S. 18 f, Engelh. 06.2013 S. 12). Das zeigt auch seine zuletzt praktisch vollständige Rücknahme seines Gutachtens:
  7. Kapazität am unteren Ende des Leistungsbereichs, 42 statt 51 Züge. Ende 2012 gestand Prof. Martin ein, dass in dem von ihm bestimmten "optimalen Leistungsbereich von 42 bis 51 Zügen" für Stuttgart 21 für die Kapazität "eine Orientierung am unteren Ende dieses Leistungsbereichs empfohlen" wird, was er auch in neueren Stellungnahmen nicht dementierte.[6][7] Gleiches wird auch in einer von Martin selbst betreuten Dissertation empfohlen.[8] Das entspricht einer effektiven Rücknahme der Leistungsaussage Martins für Stuttgart 21 von 51 Zügen pro Stunde auf einen Wert nahe 42 Zügen.
  8. Fehlerkorrektur ergibt unter 30 Züge. Ausgehend von einem Wert nahe den 42 Zügen ergibt sich bei Korrektur der viel zu kurzen Haltezeit von 1,6 Minuten über eine Abschätzung mit dem Belegungsgrad wieder eher ein Wert, der sogar unter 30 Zügen zu liegen kommt, als realistischer Kapazitätswert auf Basis der korrigierten Martin-Untersuchung (siehe unten Haltezeit und Leistung, s.a. leistungsrueckbau-s21.de). Das ist ein weiterer Beleg für die Unerreichbarkeit der Stresstest-Leistung von 49 Zügen pro Stunde.

Dokumente

Siehe auch → Leistung/Dokumente

Auswahl, in chronologisch aufsteigender Reihenfolge.

Martin 2005   Ullrich Martin et al. (VWI Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart GmbH), "Vergleich der Leistungsfähigkeiten und des Leistungsverhaltens des neuen Durchgangsbahnhofes (S21) und einer Variante umgestalteter Kopfbahnhof (K21) im Rahmen der Neugestaltung des Stuttgarter Hauptbahnhofes (Abschlussbericht)." Veröffentlicht in: Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart 21 – Diskurs, Stuttgart 2009, S. 2287–2369 (stuttgart.de, vgl. unten → Links)
Martin 2008   Prof. Ullrich Martin et al. (VWI Verkehrswissenschaftliches Institut Stuttgart GmbH), "Leistungsuntersuchung Station Terminal in Stuttgart 21, Schlussbericht" (bahnprojekt-stuttgart-ulm.de)
Engelh. 09.2014   C. Engelhardt, "Nachforderungskatalog zur Stellungnahme des Vorhabensträgers", 29.09.2014 (pdf wikireal.org oder rp.baden-wuerttemberg.de)

Einzelnachweise

  1. leistungsrueckbau-s21.de: Martin-Gutachten
  2. 25.10.2010, Prof. Martin, Diskussion zum Referat an der Universität Stuttgart, "Ausgewählte, insbesondere eisenbahnbetriebliche Aspekte zum Bahnprojekt Baden-Württemberg 21" (pdf wuerttemberg.dvwg.de.
  3. 25.10.2010, stuttgarter-nachrichten.de, "Für Heiner Geißler gelten neue Regeln".
  4. 28.11.2010, stuttgarter-zeitung.de, "Kritiker reden vom »Engpass S 21«"
  5. Jörn Pachl, "Systemtechnik des Schienenverkehrs", 2011
  6. 18.10.2013, stuttgarter-zeitung.de, "Wie viele Züge verkraftet der Tiefbahnhof?".
  7. 07.11.2013, stuttgarter-zeitung.de, "Initiatoren: Bürgerbegehren auf gutem Weg".
  8. Christine Schmidt, Dissertation "Beitrag zur experimentellen Bestimmung der Wartezeitfunktion bei Leistungsuntersuchungen im spurgeführten Verkehr", Institut für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart, 2009 (pdf elib.uni-stuttgart.de)