Stuttgart 21/Leistung/4. BB Faktencheck

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Zusammenfassung: 2015/16 gab es die bisher weitreichendste Zusage eines Faktenchecks im Zuge der Ablehnung des 4. Bürgerbegehrens gegen Stuttgart 21. Dieser Faktencheck endete aber als Farce inklusive einem verordneten Maulkorb. Der Prozess war gekennzeichnet von mehreren gebrochenen Zusagen und mehrfach verweigertem Rederecht für die Kritiker durch die Stadt Stuttgart.

Siehe auch:  Stuttgart 21/Leistung/4. Bürgerbegehren
Stuttgart 21/Faktencheck (Schema für professionellen Faktencheck und weitere Faktencheck-Versuche zu S21)

2015-07, Ablehnung des 4. Bürgerbegehrens gegen S21, Zusage eines Faktenchecks

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Als Anfang Juli 2015 im Stuttgarter Gemeinderat das 4. Bürgerbegehren gegen Stuttgart 21 "leistungsrueckbau-s21.de" abgelehnt wurde und dabei nicht einmal den Vertrauensleuten ein Rederecht gewährt worden war, wurde im Gegenzug ein erneuter Faktencheck zu Stuttgart 21 zur Leistungsfähigkeit des Bahnhofs für die Züge und für die Reisenden zugesagt. Dieser erscheint angebracht, da der Gemeinderat das Bürgerbegehren ablehnte, nachdem der städtische Gutachter in einer Kapazität von Stuttgart 21 von 32 Zügen keinen Rückbau gegenüber einer aktuellen Kapazität von 38 Zügen erkennen konnte. Aufgrund der vielfachen Mängel in der Begründung der Ablehnung des 4. BB erhoben die Vertrauensleute massive Beschwerde.[1] Und ein Antrag der Gemeinderatsfraktion SÖS-LINKE-PluS verlangte unter anderem die Klärung der Frage (SÖS-LINKE 2015): "Ist 32 weniger als 38?"

OB Kuhn wünscht einen echten Faktencheck. Am 01.07.2015 im Verwaltungsausschuss des Gemeinderats hatte Oberbürgermeister Fritz Kuhn zum Thema Faktencheck gesagt, so eine "Faktenklärung und Tatsachenklärung" könne man machen, wenn "Zweifel" an der "Kapazität" aufkämen, dann wäre es sogar "Aufgabe der Stadt" "so etwas zu klären". Das könne über die "Verwaltung" oder den "Ältestenrat" entschieden werden,[2] oder von den Gemeinderatsfraktionen (Stadt 2015). Was der OB hier beschrieben hat, ist ein echter Faktencheck, der offenbar eine echte Fakten- bzw. Tatsachenklärung leisten soll.

Für einen Faktencheck ausgesprochen hatten sich die Stuttgarter Gemeinderatsfraktionen der SPD und der Grünen sowie der AfD (01./02.07.) und die sich schon immer sich um Aufklärung bemühende Fraktion SÖS-LINKE-PluS (10./12.08., 19.11.), sowie die komplette Opposition im Bundestag (Grüne 28.07. und Linke 13.08.). Der frühere Stuttgart 21-Schlichter Heiner Geißler befürwortet einen Faktencheck und auch die Bahn hatte schon ihre Bereitschaft erklärt. Zuletzt wurde ein solcher Termin jedoch von SPD und Grünen im Gemeinderat auf 2016 verschoben, weil die aktuellen Haushaltsberatungen so schwierig seien, so dass kein Spielraum für den S21-Faktencheck wäre.

2016-02, 1. Anlauf, Faktencheck nur als Showveranstaltung, Absage der Kritiker

Projektumsetzer wünschen Showveranstaltung

Nach knapp acht Monaten des Hinhaltens fand am 26.02.2016 in Stuttgart eine Vorbesprechung zum Faktencheck statt. Martin Körner, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stuttgarter Gemeinderat und Jochen Stopper, S21-Sprecher der Fraktion der Grünen, hatten in das Rathaus geladen. Für die DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH waren Dr. Florian Bitzer, Leiter Technische Fachdienste, und Vorstand Peter Sturm erschienen. Für das 4. Bürgerbegehren hatten Dr. Christoph Engelhardt, Mitinitiator des 4. BB, und Vertrauensmann Joris Schoeller teilgenommen.

In der Vorbesprechung mit den Fraktionen SPD und Grüne des Gemeinderats sowie den Vertretern der DB wurde deutlich, dass die Seite der Projektumsetzer keinen echten Faktencheck wünscht, sondern allein eine Showveranstaltung unter unfairen Bedingungen für die Vertreter des 4. Bürgerbegehrens. Diesem Angebot hatten Vertrauensmann Schoeller und Mitinitiator Engelhardt eine Absage erteilt.

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Körner stellte ein fixes Konzept für eine "politische Veranstaltung" vor, dabei hatte er am 02.07.2015 im Gemeinderat gegen ein Rederecht der Vertreter des Bürgerbegehrens gewettert, direktdemokratische Verfahren dürften keine "Schau- oder Showveranstaltung" sein.[3] Er eröffnete damit, dass es keine Schlichtung 2.0 geben könne, dabei hatte er im Verwaltungsausschuss noch wörtlich eine "Schlichtung II" und einen "Austausch" der "Argumente" "Pro und Contra" und eine "inhaltliche Diskussion" vorgeschlagen.[2] Das Konzept von Körner war mit den Grünen und den DB-Vertretern abgesprochen:

  • 20-30 Min. Vortrag Engelhardt
  • 20-30 Min. Vortrag DB (Sturm), d.h. die Bahn hätte das letzte Wort
  • 1 h Podium, Engelhardt, Bahn (Bitzer), MVI, VVS/SSB (d.h. Verhältnis 1:3 von Kritikern zu Projektumsetzern)
  • Fragen aus dem Publikum

Konzept für einen echten Faktencheck

25.02.2016 Vorschlag für Verfahrens­re­geln (Engelhardt, Schoeller: Konzept 02.2016).
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Engelhardt und Schoeller hatten dagegen wiederholt während der Besprechung auf OB Kuhns Zusagen für einen echten Faktencheck hingewiesen und seine Überzeugung, dass es Aufgabe der Stadt sei, die Zweifel zu klären. Hingewiesen wurde auch auf die Erkenntnisse der Wissenschaft für die Voraussetzungen für den Erfolg einer solchen Veranstaltung. Die Lessons Learned der Universität Hohenheim aus der Schlichtung von 2010 (Spieker 2013) wurden der Seite der Projektumsetzer überreicht.[4] Daraus abgeleitet waren vom 4. BB Verfahrensregeln und ein Fragenkatalog als Konzept für einen echten Faktencheck überreicht worden (Konzept 02.2016). Kernpunkte:

  • Unabhängige Moderation, am besten durch zwei Gruppenmoderatoren.
  • Teilöffentliche Veranstaltung, wie die Schlichtung ohne freies Publikum, aber mit Videoaufzeichnung und Streaming für ungestörtes Arbeiten.
  • Abgestimmter Fragenkatalog als Basis der Aufklärung: Bis wohin besteht eine gemeinsame Faktenbasis und wo beginnt die unterschiedliche Abwägung?
  • Sämtliche Argumente müssen belegt werden, entsprechende Dokumente müssen rechtzeitig veröffentlicht werden.
  • Getrenntes Resümee durch beide Seiten.

Dieses Konzept wurde von der Seite der Projektumsetzer abgelehnt. Während Körner noch die Fraktion SÖS-LINKE-PluS aus der Vorbereitung des Faktenchecks herausgehalten hatte mit dem Argument, "die machen ja bloß Politik", wurde jetzt argumentiert, Grüne und SPD als Fraktionen könnten ja nur eine "politische Veranstaltung" machen. Stopper meinte, ein reiner Faktencheck hätte ja keine "politische Dimension". Sturm machte deutlich, dass das Argument der Bahn der Autoritätsverweis sein wird, die Bahn hat Professoren, Gutachten, Genehmigungen, der Engelhardt ist nicht mehr als ein interessierter Laie, dem dann eine Phalanx aus 3 echten Experten gegenübergestellt wird. Für einen echten Faktencheck, wie vom 4. BB vorgeschlagen, stünde die Bahn nicht zur Verfügung, lediglich für die skizzierte Veranstaltung. Engelhardt und Schoeller lehnten dagegen die vorgeschlagene Showveranstaltung ab und zogen das Fazit, dass die Bahn "einem professionell organisierten und moderierten Prozess der Tatsachenklärung nicht gewachsen" sei.[5][6]

Der von OB Kuhn beschriebene echte Faktencheck hatte nun mit SPD und Grünen nicht funktioniert, die sich beide zwar Bürgerbeteiligung auf die Fahne geschrieben haben, aber dies offenbar nicht in einem fairen Verfahren umsetzen wollen. Mit ihrer Ablehnung eines professionellen Faktenchecks bleibt die Zusage zu einem Faktencheck unerfüllt. Die Punkte aus der Vorbereitung des Termins zeigen aber, dass ein echter Faktencheck nach wie vor geboten war, es gab die Themen und die Notwendigkeit:

Themen für den Faktencheck

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Die Zusage des Faktenchecks erfolgte zu der Frage, ob der Tiefbahnhof und seine Bahnsteige zu gering bemessen sind, entsprechend den beiden Begründungssträngen des 4. BB:

  1. Die fehlende Leistungsfähigkeit für die Züge, die sich schon in der vom städtischen Gutachter angeführten Kapazität des Tiefbahnhofs von 32 Zügen zeigt im Vergleich zu den heute fahrenden 38 Zügen, die in der Begründung des 4. BB genannt sind.
  2. Die Unterdimensionierung für die Fußgänger (die in der Ablehnung des 4. BB durch den Gemeinderat vollkommen übergangen wurde und wofür auch die Grünen im Bundestag ausdrücklich einen Faktencheck gefordert hatten.

Darüber hinaus ist in Bezug auf die Leistungsfähigkeit zu bedenken, dass sich auch aus Brandschutz und Gleisneigung Einschränkungen der Leistungsfähigkeit ergeben können (worauf auch das EBA ausdrücklich hinwies):

  1. Mit dem aktuellen Brandschutz ist die geforderte Leistung nicht erbringbar. Die Entfluchtungskapazität reicht nicht aus, um die Reisenden der geplanten Betriebsprogramme zu evakuieren. Die zur Erreichung der Leistungsfähigkeit notwendigen Doppelbelegungen bringen zu schnell zu viele Reisende auf die Bahnsteige.
  2. Auch die sechsfach überhöhte Gleisneigung beschränkt das Betriebsprogramm, so dass in Frage steht, ob die geforderte Leistung erbringbar ist.

Notwendigkeit des Faktenchecks

Zu diesem Zeitpunkt war ein neuer Faktencheck zu Stuttgart 21 aus mehreren Gründen notwendig, nicht nur weil er bei der Ablehnung des 4. BB zugesagt wurde, sondern weil er überfällig war angesichts der fehlenden Rechtfertigung des Projekts, den vielen neuen Erkenntnissen seit der Schlichtung 2010,

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    Der Faktencheck wurde zugesagt. Der Faktencheck ist einerseits geboten aufgrund der Zusagen mehrerer Gemeinderatsfraktionen in der Ablehnung des 4. Bürgerbegehrens und der Befürwortung durch Bundestagsopposition, durch die Bahn selbst und durch Heiner Geißler (siehe oben). Mit dem unfairen Angebot vom 26.02.2016 hatten SPD und Grüne ihre Zusage gebrochen. OB Kuhn sieht es aber als Aufgabe der Stadt, die Kapazitätsfrage zu klären. Darüber hinaus wird nachfolgend dargestellt, dass ein Faktencheck auch geboten ist, da die obersten Entscheider in Politik und Aufsichtsbehörde die Rechtfertigung des Projekts nicht logisch schlüssig beantworten können und da seit der Schlichtung von 2010 und damit auch seit den wesentlichen Planfeststellungsverfahren sich grundlegende Parameter vollkommen geändert haben.
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    Keine schlüssige Rechtfertigung des Projekts durch die Projektbefürworter. Die argumentative Schwäche der Politik und der Projektbetreiber wird deutlich in deren widersinnigen Einlassungen zu den offenen Fragen des Projekts Stuttgart 21, was die Notwendigkeit des Faktenchecks vor der Inbetriebnahme und ggf. vor Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe und der Umsetzung eines massiven Schadens für das Gemeinwohl unterstreicht:
    1. Das Bundesverkehrsministerium sagt, ob S21 zu klein ist, braucht erst kurz vor Fertigstellung geklärt zu werden.
    2. Landesverkehrsminister Hermann sagt, ob S21 ein Leistungsrückbau ist, ließe sich erst nach Fertigstellung klären.
    3. Das EBA sagt, ob S21 der Brandschutz fehlt oder die Leistungsfähigkeit, braucht erst zur Inbetriebnahme geklärt zu werden.
    4. Das EBA will auch zur Gleisneigung erst zur Inbetriebnahme über betriebliche Maßnahmen für die Sicherheit nachdenken.
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    Neues seit der Schlichtung 2010. Der Bedarf für einen erneuten Faktencheck wird deutlich, wenn betrachtet wird, wie viele neue Erkenntnisse sich seit der Schlichtung zu Stuttgart 21 von 2010 ergeben haben, denen zufolge die Faktenbasis der Schlichtung überholt ist und die Zweifel an der Rechtfertigung und Machbarkeit des Projekts erheblich gestützt werden. Abgesehen davon, dass die Schlichtung selbst schon zahlreiche Zweifel hinterließ:
    1. 2011 Stresstest mit inzwischen eingestandenen Fehlern.
    2. 2012 Auslegung auf 32 Züge aufgedeckt. Der VGH hatte nie mehr bestätigt und die Bahn-Gutachter nicht mehr verbindlich zugesagt.
    3. 2012 Unterdimensionierung für die Fußgänger, ein noch schlimmerer Engpass als für die Züge (wozu die Bahn den Stuttgarter Gemeinderat belogen hatte).
    4. 2012 Kostensteigerung von 4,5 auf 6,8 Mrd. Euro, die die Täuschung über die Kosten zu Finanzierungsvertrag und zur Schlichtung offenbart und die nur auf Druck des Kanzleramts durch den DB-Aufsichtsrat gebracht werden konnte.
    5. 2013 Zusätzliche Milliarden aus Nachträgen (AR vom 05.03.2013) laut der "Plausibilisierung" von PwC.
    6. 2013 Rücknahme der S21 Kapazitätsaussage von 51 Zügen von Prof. Martin: Nun am unteren Ende des optimalen Leistungsbereichs nahe 42 Zügen (bei 1,6 Min. Haltezeit!)
    7. 2013 Fluchttreppen mit Engpässen. Wegen der fehlenden Kapazität für die Evakuierung wurden neue Fluchttreppen, 2 pro Bahnsteig, eingeführt, die untragbare Engpässe für den täglichen Betrieb mit sich bringen.
    8. 2013 zu geringe Kapazität für die Evakuierung. Auch mit den neuen Fluchttreppen ist die Evakuierung ungenügend, bei den geplanten Betriebsprogrammen sind anderthalb mal mehr Personen zu retten, als bisher angesetzt.
    9. 2014 Kapazität 32 Züge vom VGH bestätigt. Der VGH bestätigt, dass die Kapazität von Stuttgart 21 nur 32 Züge pro Stunde beträgt und bewertet aber nicht den Schaden für das Gemeinwohl durch den Leistungsrückbau angesichts der 39 Züge, die heute schon fahren.
    10. 2014 Gleisneigung: Wegrollvorgänge Köln. Die 22 Wegrollvorgänge in Köln seit 2010 mit 8 Verletzten bei einem Viertel des Gefälles wie bei Stuttgart 21 zeigen die reale Gefahr aus der überhöhten Gleisneigung.
    11. 2015 3. Gleis auf den Fildern ist nur eine kleine Erleichterung im Bahnknoten, die meisten Engpässe bleiben, die Leistungsfähigkeit muss aber ohnehin neu bewertet werden und die Planfeststellung steht damit dort auch noch am Anfang.
    12. 2015 Fluchttreppen an die Bahnsteigenden. Die Verschiebung der Fluchttreppen ist das Eingeständnis der früheren Fehlplanung und der ungerechtfertigten Genehmigung durch das EBA. Sie löst aber zahlreiche fortbestehende Brandschutzprobleme nicht.

2016-10/11, 2. Anlauf, Faktencheck als Farce inklusive Maulkorb

30.09.2016 Vorschlag zum Verfahren von den Projektkritikern (Konzept 09.2016).
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Nachdem der zugesagte Faktencheck Anfang 2016 unerfüllt blieb, kam es zu einem zweiten Anlauf, als der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats am 06.07.2016 ohne weitere Rücksprachen mit den Vertretern der Bürgerbegehren Informationsveranstaltungen beschloss, die deutlich machen sollten, "wo man steht und welche Fragestellungen" von wem "geklärt" werden müssten, aber ohne weitere Ausführungsdetails beschrieben wurden. Es sollte nun aber laut OB "kein Faktencheck, keine Schlichtung und keine Moderation" stattfinden.[7] Später wurden dann als Termine reserviert der 26.10.2016 für "Leistung und Brandschutz" und der 15.11.2016 für "Kosten und weitere Themen".

Daraufhin schrieben die Vertreter der Bürgerbegehren an den OB mit einem detaillierten Vorschlag zur Gestaltung dieser Durchsprachen (Konzept 09.2016):

  • 1h Vortrag Kritiker, 1 h Vortrag Bahn, 0,5 h Vortrag Verwaltung
  • 2,5 h Diskussion
  • Experten mit Recht zur Wortmeldung und eigenem Fazit
  • Öffentlich durch Videoübertragung
  • Detaillierter Themenkatalog mit Zeitbudgets

Dieser Vorschlag blieb ohne Reaktion. Es kam dann am 18.10.2016 vom OB eine Einladung per Email für die beiden Termine (für den 15.11. aber zu "Projektstand und Bahnsteigneigung"). Die Einzelheiten des Ablaufs sollte der Ältestenrat festlegen, als Eckdaten wurde angegeben, pro Thema:

  • 15 Min. Vortrag Kritiker, 15 Min. Vortrag Bahn + Stellungnahme Verwaltung
  • danach Beratung der Stadträte.

Die Zusage der Vertreter der Bürgerbegehren erfolgte dann am 19.10.2016 auf dieser diffusen Basis mit der Bitte, im Termin auf die Stellungnahmen der Verwaltung reagieren zu können, zur Leistungsfähigkeit besser 20 Min. Vortragszeit vorzusehen und der Anregung einer Videoübertragung.

26.10.2016 Anhörung im Gemeinderat zur Leistungsfähigkeit. Vortrag Engelhardt, Beispielfolie, Verteilung des Textes "Zu klärende Fragen"[8] (Fotos: Achim Zweygarth, Lichtgut).
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Durchgeführt wurden die Termine dann unter neuen zuvor nicht diskutierten Bedingungen, mit gravierenden Einschränkungen und der Vorgabe, dass auch noch das Land BW vortragen sollte, was zu einer 2/3 Übermacht der Befürworterseite führte, pro Thema:[9]

  • 15 Min. Vortrag Kritiker, 15 Min. Vortrag Bahn, 15 Min. Vortrag Land BW
  • Renommierte Experten der Kritikerseite wie Dr. Kathrin Grewolls und Dr. Martin Vieregg waren unerwünscht.
  • Der Ältestenrat hatte quasi einen "Maulkorb" verfügt: Die vertretenen Experten hätten demnach keine Fragen beantworten dürfen.

Dieser "Maulkorb" führte zu einem regelrechen Eklat, nachdem C. Engelhardt diesen dahingehend kommentiert hatte, dass "offenbar in der Region Stuttgart ein bemerkenswertes Demokratieverständnis herrsche". Es ist vielsagend, dass die anwesenden zahlreichen Journalisten der Stuttgarter Zeitungen hierüber schwiegen in ihren Berichten von dem Termin.[9] Aufgrund der Befürchtung derartiger Einschränkungen hatten die Kritiker am 26.10.2016 eine Übersicht der "zu klärenden Fragen" verteilt.[8]

Auf Befürworterseite kam es zu zahlreichen Falschdarstellungen in dem Termin am 26.10.2016 insbesondere zur S21-Leistungsfähigkeit:

  1. Die Bahn schwieg vollständig zum Stresstest, behauptete unter anderem aber argumentfrei, der neue Tiefbahnhof könne eine Verdopplung des Verkehrs leisten.
  2. Die Landesregierung, die eigentlich schon bestätigt bekommen hatte, dass dem Stresstest zahlreiche Richtlinienverstöße zugrunde liegen, führte diesen dennoch als Nachweis der Leistungsfähigkeit an.
  3. Sie verwies auf

Am 15.11. platzierte der Brandschutzbeauftragte der Bahn Klaus-Jürgen Bieger erneut einige der unzutreffenden Aussagen zum Brandschutz: • Es seien max. 7.500 Pers. im Bahnhof (es sind vielmehr 8.082 Personen pro Bahnsteig), • der Brandschutz im Tiefbahnhof sei jetzt "noch besser" (dabei war er vorher vollkommen dysfunktional). • Die Züge seien im Tunnel unter Vollbrand fahrbar (was später durch den Brand bei Montabaur widerlegt wurde), • Die S21-Tunnel hätten die breitesten Fluchtwege in Europa (es sind die schmalsten), • Die S21-Tunnel seien "genauso" gebaut wie Erfurt-Halle/Leipzig (sie sind aber etwa 5-mal gefährlicher gebaut), • Er fasste in vollkommener Umkehrung der Realität zusammen: "Stuttgart bekommt den sichersten unterirdischen Bahnhof und Eisenbahntunnel nach dem neuesten Stand der Technik".

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Im 2. Anlauf wurden die Kritiker also erfolgreich über den Tisch gezogen. Im Ergebnis muss man feststellen, dass die S21-Kritiker mit der letztlichen Faktencheck-Umsetzung am 26.10. und 15.11.2016 sehr viel schlechter weg gekommen sind, als mit dem im Februar 2016 von der Pro S21-Seite vorgeschlagenen Konzept:

  • Statt 20 Minuten nur 15 Minuten Vortragszeit
  • Statt gleich viel Vortrag von Pro und Contra, nun 2:1 Übergewicht pro S21
  • Praktisch keine Diskussion, sogar "Maulkorb"

Statt einer Diskussion bis zu einer Klärung der offenen Punkte fand eine weitere Desinformation des Gemeinderats und der Öffentlichkeit statt. Wie konnten sich aber die Kritiker bei dem zweiten Anlauf so über den Tisch ziehen lassen? – Ein weiteres Beispiel aus der politischen Trickkiste: Im zweiten Anlauf wurden die Kritiker lange im Glauben gelassen, dass doch noch ein "echter" Faktencheck umgesetzt werden sollte. Auf die von ihrer Seite vorgeschlagenen Verfahrensvorschläge gab es keine Ablehnung. Nachdem die Veranstaltung lange genug angekündigt war, wurden sie dann vor vollendete Tatsachen gestellt und standen vor der Wahl, entweder spät einen "Rückzieher" zu machen, oder in den sauren Apfel des suboptimalen Konzepts zu beißen, in der Hoffnung, die kritischen Punkte bekämen doch etwas Öffentlichkeit. Diese Hoffnung ging fehl, es überwog am Ende die Desinformation der pro S21-Seite zu den kritischen Punkten, auch durch den "Maulkorb-Erlass" und die selektive Berichterstattung. Nachdem die Kritiker im Frühjahr abgesagt hatten, als die Stadt noch mit offenem Visier gespielt hatte, hat sie im Sommer mit geschlossenem Visier gespielt und die Kritiker erfolgreich auflaufen lassen.


Chronologie

Meilensteine und Meldungen zum Thema.

01.07.2015   Verwaltungsausschuss des Gemeinderats: Der grüne Oberbürgermeister Fritz Kuhn verhindert mit seiner Stimme gegen die Stimmen der grünen Fraktion, dass die Vertrauensleute zur rechtlichen Zulässigkeit des 4. Bürgerbegehrens gegen Stuttgart 21 "leistungsrueckbau-s21.de" angehört wurden. Worauf ihm vorgeworfen wurde, in seiner Haltung zur Bürgerbeteiligung umgeflaggt zu haben. Die Fraktionen der SPD und der Grünen schlugen jedoch zu der Frage, ob der Tiefbahnhof und seine Bahnsteige zu gering bemessen sind, eine Veranstaltung ähnlich der Schlichtung vor, in der die Bahn konkret auf die Vorhaltungen von Projektkritikern wie Christoph Engelhardt reagieren sollte,[10] dieser Faktencheck wird auch von der AfD unterstützt.[11] Kuhn fiel mit seiner Entscheidung gegen die Anhörung der Vertrauensleute noch hinter seinen CDU-Vorgänger und S21-Förderer Wolfgang Schuster zurück.[11][12][13]
02.07.2015   Gemeinderat: 4. BB rechtlich unzulässig. Auch in der Aussprache im Gemeinderat durften die Vertrauensleute ihre substantielle Kritik nicht ausführen.[13]
28.07.2015   Matthias Gastel, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen im Bundestag fordert einen Faktencheck auch zu der Unterdimensionierung der Fußgängeranlagen im Tiefbahnhof.[14]
10.08.2015   Ablehnungsbescheid der Stadt zum 4. Bürgerbegehren, die Kritik an den unrichtigen und unvollständigen Angaben im Gutachten von Prof. Kirchberg[15][16] war nicht berücksichtigt worden. Der Gutachter weigert sich anzuerkennen, dass 32 weniger als 38 ist. Der geplante Faktencheck auch zur Unterdimensionierung der Fußgänger wird von SPD, Grünen, SÖS-LINKE-PluS und AfD unterstützt und die Bahn ist "grundsätzlich bereit für Gespräche", Kernforderung der Kritiker: Unabhängiger professioneller Moderator[17][18]
12.08.2015   Hannes Rockenbauch, Fraktionssprecher von SÖS-LINKE-PluS erneuert und begründet die Forderung nach einem Faktencheck.[19]
13.08.2015   Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag: "Es ist höchste Zeit, dass die Planungsmängel bei diesem teuersten und unsinnigsten Großprojekt der Republik einem öffentlichen Faktencheck unterzogen werden.", [20]
21.09.2015   Der frühere Schlichter Dr. Heiner Geißler:[21] "Ein erneuter Faktencheck zu Stuttgart 21 ist »richtig, aber wahrscheinlich nicht konsensfähig.«" Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer hat Vorbehalte:[22] "Wir unterstützen einen Faktencheck nur dann, wenn echtes Informationsinteresse bei SPD und Grünen erkennbar ist."
06.10.2015   Die Vertrauensleute des 4. Bürgerbegehrens begründen ihre Beschwerde gegen die Ablehnung des Gemeinderats vom 02.07.2015 im Detail, sowohl mit den zahllosen Fehlern in dem Skandalgutachten von Prof. Kirchberg,[16] als auch mit zahlreichen weiteren Falschaussagen in den Dokumenten der Stadt und der Gemeinderatsaussprache selbst[23]. In Folge dieser ungerechtfertigten Willkürentscheidung wird von den Vertrauensleuten des Bürgerbegehrens die Erfüllung der Zusage für einen Faktencheck gefordert.[24]
19.11.2015   Die Fraktion SÖS-LINKE-PluS bringt einen Antrag in den Gemeinderat ein mit dem Titel: "Rücknahme des Gemeinderatsbeschlusses zum 4. Bürgerbegehren, Honorarrückforderung für Kirchberg-Gutachten und die Frage: »Ist 32 weniger als 38?«" Es wird unter Punkt 11 beantragt den Faktencheck auf breiter Basis und unter Moderation durch einen "erfahrenen und unabhängigen Gruppen-Moderator" (SÖS-LINKE 2015).[25]
27.11.2015   Pressegespräch zum 5. Jahrestag des Geißler'schen Schlichterspruchs: Beitrag Eisenhart von Loeper, Hannes Rockenbauch (Video fluegel.tv), Fragen und Antworten (Video fluegel.tv). Rockenbauch stellt klar (1. Video, Min 7:30): Geißler formulierte seinen Schlichterspruch 2010 gegen den Willen der Kritiker. (Tatsächlich überdeckte dieser viele fortbestehende Widersprüche und offene Fragen und erzeugte in der Öffentlichkeit den falschen Eindruck eines Abschlusses des Faktenchecks im Konsens.)
30.11.2015   5 Jahre nach dem Ende der Geißler-Schlichtung: Antrag von SÖS-LINKE-PluS und geplanter neuer Faktencheck erst Anfang 2016.[26][27]
26.02.2016   Statt dem zugesagten Faktencheck bieten die Projektumsetzer eine reine politische Showveranstaltung an, das 4. BB lehnt ab![5]
07.03.2016   Mo-Demo, Engelhardt: Politik und Bahn kneifen vor der Tatsachenklärung, die laut OB Kuhn Aufgabe der Stadt wäre, die aber laut Akteneinsicht untätig ist. Die sachlichen Fehler des Kirchberg-Gutachtens wurden nicht ansatzweise geprüft. Politik und Bahn schlagen eine reine Showveranstaltung statt einem echten Faktencheck vor, wie ihn das 4. BB vorgeschlagen hatte.[6]


Dokumente

{{newsitemlabel| Konzept 09.2016 | C. Engelhardt und Vertreter der Bürgerbegehren an OB Kuhn, "Durchsprachen im S21-Ausschuss: Stand des Projekts und zu klärende Fragen", 30.09.2016 (pdf wikireal.org)
Konzept 02.2016   C. Engelhardt, J. Schoeller, "Vorschlag für Verhaltensregeln und der zu diskutierenden Themen", 26.02.2016 (pdf wikireal.org)
Stadt 2015   Stadt Stuttgart, der Oberbürgermeister, "Beantwortung und Stellungnahme zu Anfrage und Antrag", 21.12.2015 (domino1.stuttgart.de, pdf domino1.stuttgart.de)
SÖS‑LINKE 2015   Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS, "Rücknahme des Gemeinderatsbeschlusses zum 4. Bürgerbegehren, Honorarrückforderung für Kirchberg-Gutachten und die Frage: "Ist 32 weniger als 38?", 19.11.2015 (domino1.stuttgart.de)
Spieker 2013   Arne Spieker, Frank Brettschneider, "Alternative Streitbeilegung? Die »Schlichtung« zu »Stuttgart 21« aus der Sicht der TeilnehmerInnen", 2013. In: Brettschneider, Frank; Schuster, Wolfgang (Hrsg.): Stuttgart 21. Ein Großprojekt zwischen Protest und Akzeptanz (S. 219-241). Wiesbaden: Springer VS: 2013 (springer.com, Zusammenfassung pdf wikireal.org)


Einzelnachweise

  1. Hochspringen J. Schoeller, H. Heydemann, M. Braun, "Begründung des Widerspruchs gegen die Entscheidung auf Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens", 06.10.2015 (pdf wikireal.org)
  2. Hochspringen nach: a b 01.07.2015, Diskussion im Verwaltungsausschuss, Notizen der wörtlichen Formulierungen aus der Veranstaltung.
  3. Hochspringen 02.07.2015, Protokoll der Aussprache des Gemeinderats zum Antrag zur Geschäftsordnung - Antrag Nr. 199/2015 der Fraktionsgemeinschaft SÖS-LINKE-PluS vom 18.06.2015 "Rederecht für Vertrauenspersonen bei Debatte im Gemeinderat zu »Storno21« und »Leistungsrückbau durch S21«", Niederschrift (domino1.stuttgart.de, pdf domino1.stuttgart.de)
  4. Hochspringen 26.02.2016, C. Engelhardt, "Lessons Learned aus der Schlichtung zu S21" (pdf wikireal.org)
  5. Hochspringen nach: a b 27.02.2016, stuttgarter-zeitung.de, "Schlichtung II fällt aus"
  6. Hochspringen nach: a b 07.03.2016, Rede von Christoph Engelhardt, "Der große Faktencheck-Bluff! Politik und Bahn kneifen zur S21-Leistungsfähigkeit!" (pdf wikireal.org)
  7. Hochspringen Protokoll der Sitzung des Verwaltungsausschusses der Stadt Stuttgart vom 06.07.2016, Seite 3-5
  8. Hochspringen nach: a b 26.10.2016, wikireal.org, S21-Kritiker, "Stuttgart 21 – zu klärende Fragen"
  9. Hochspringen nach: a b 31.10.2016, wikireal.org, Mo-Demo-Rede C. Engelhardt "Maulkorb-Erlass und Wahrnehmungsverweigerung im Stuttgarter Rathaus"
  10. Hochspringen 01.07.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Kuhn will von Rückbau nichts mehr wissen"
  11. Hochspringen nach: a b 02.07.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Heftige Kritik am Gutachter der Stadt"
  12. Hochspringen 02.07.2015, stuttgarter-zeitung.de, Kommentar Nauke, "Zementierte Meinungen"
  13. Hochspringen nach: a b 02.07.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Stadt stoppt zwei S-21-Bürgerbegehren"
  14. Hochspringen 28.07.2015, matthias-gastel.de, "Stuttgart 21: Enge Fußgängeranlagen. Anfrage zu Stuttgart 21 macht deutlich: Fußgängeranlagen zu klein. – Für sichere Verhältnisse im Bahnhof muss umgehend Klarheit geschaffen werden!": "Was wir jetzt brauchen ist ein transparenter Faktencheck zu den Personenströmen, den gesenkten Hürden und den ungeprüften Engpässen."
  15. Hochspringen J. Schoeller, Einwendung gegen den Beschluss des Gemeinderats zum 4. Bürgerbegehren, 28.07.2015 (pdf wikireal.org)
  16. Hochspringen nach: a b C. Engelhardt, Kritik am Kirchberg-Gutachten, "Fehlerhafte Entscheidungsgrundlage des Beschlusses des Stuttgarter Gemeinderats zur Zulässigkeit des 4. Bürgerbegehrens gegen Stuttgart 21", 28.07.2015 (pdf wikireal.org)
  17. Hochspringen 10.08.2015, stuttgarter-zeitung.de, Kommentar Nauke, "Tatsachen auf den Tisch"
  18. Hochspringen 10.08.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Faktencheck zu S21 geplant"
  19. Hochspringen 12.08.2015, facebook.com, Hannes Rockenbauch, "Ungeschminkte Gedanken am Morgen, Teil VI: Oben Bleiben!"
  20. Hochspringen 13.08.2015, linksfraktion.de, "Bankrotterklärung der Bundesregierung zum Brandschutz bei Stuttgart 21"
  21. Hochspringen 21.09.2015, swrfernsehen.de, Geißler-Interview, "Ein erneuter Faktencheck zu Stuttgart 21 ist »richtig, aber wahrscheinlich nicht konsensfähig.«"
  22. Hochspringen 21.09.2015, swrfernsehen.de, Interview mit Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer, "Wir unterstützen einen Faktencheck nur dann, wenn echtes Informationsinteresse bei SPD und Grünen erkennbar ist."
  23. Hochspringen C. Engelhardt, Kritik an Gemeinderatsentscheidung, "Fehlerhafte Entscheidungsgrundlage des Beschlusses des Stuttgarter Gemeinderats zur Zulässigkeit des 4. Bürgerbegehrens gegen Stuttgart 21 – Ergänzung: Unrichtige und unvollständige Angaben im Gemeinderat und in Beschlussvorlage und Bescheid der Stadt", 05.10.2015 (pdf wikireal.org)
  24. Hochspringen J. Schoeller, H. Heydemann, M. Braun, "Begründung des Widerspruchs gegen die Entscheidung auf Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens", 06.10.2015 (pdf wikireal.org)
  25. Hochspringen 22.11.2015, stuttgarter-nachrichten.de, "SÖS/Linke-plus will neuen Faktencheck"
  26. Hochspringen 30.11.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Kommt 2016 ein Faktencheck?"
  27. Hochspringen 30.11.2015, stuttgarter-zeitung.de, "Geißlers umstrittener Schlichterspruch"