Stuttgart 21/Stresstest/Richtlinienverstöße
Im Schlichterspruch zum Stresstest war die Anwendung "anerkannter Standards des Bahnverkehrs" gefordert worden. Eine solche weiter gefasste Prüfung der Prämissen des Stresstests auch im Vergleich zu internationalen Standards fand nicht statt. Es wiegt deshalb besonders schwer, dass sich in den Details der Durchführung des Stresstests zu Stuttgart 21 sogar eine Reihe von Verstößen gegen Bahn-Richtlinien finden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Richtlinie 405 "Fahrwegkapazität" zu. Selbst diese Richtlinie ist argumentativ nicht geschlossen, da sie an vielen Stellen auf die Unter-Richtlinie 405.0105 "Theoretische Grundlagen" verweist, die noch nicht vorliegt.
Es wird eine Fülle von Richtlinienverstößen gezählt, aktuell allein 11 KO-Kriterien (Stand 13.11.2013), von denen jedes für sich genommen den Stresstest ungültig macht. Es stellt sich die Frage, wie das passieren konnte und ob es fahrlässig möglich war. Die Bahn selbst hatte offenbar schon früh sich darum gesorgt, das Ergebnis des Stresstests sicherzustellen:
- "Während SMA die Prämissen gleich zu Anfang festzurren wollte, wollte die Bahn diese im Prozess anpassen, damit der Stresstest für den Tiefbahnhof mit 49 Zügen auch bestanden werde." (Stuttgarter Zeitung, 21.06.2011)[1]
Es war also von der Bahn dargestellt worden, dass die Prämissen (die weitgehend von Richtlinien festgelegt sind) auf das gewünschte Stresstest-Ergebnis hin "angepasst" werden würden. Ein Zusammenhang mit den zahlreichen Richtlinienverstößen liegt somit nahe.
– schwerer Mangel oder Nachteil
– KO-Kriterium
– KO-Kriterium im öffentlichen Fokus
Richtlinien-Verstöße
Richtlinien-Verstöße, Methode
Regelwidrige Grenzen für Betriebsqualität
Betriebsqualität aus gekappter Streckenauswertung
Betriebsqualität allein aus Verspätungsveränderung
Betriebsqualität von Haltezeitverkürzung überlagert
Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation
Finaler Simulationslauf auch unvollständig
Test nur im Vergleich aussagefähig
Stresstest-Dokumentation nicht nachvollziehbar
Keine Belegungsgrade
Simulation nach ungültiger Prozessbeschreibung
Keine Modellzug-Spezifität
Richtlinien-Verstöße, Parameter
Kein Stress im Test
Haltezeitverlängerungen gekappt
Fahrzeitüberschüsse voll verwendet
Inhaltsverzeichnis
- 1 RICHTLINIENVERSTÖSSE, METHODE
- 2 Regelwidrige Ermittlung der Betriebsqualität
- 3 Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation
- 4 Finaler Simulationslauf liefert keinen Nachweis
- 5 Simulation nur im Vergleich aussagefähig
- 6 Abschlussdokumentation nicht nachvollziehbar
- 7 Belegungsgrade wurden nicht dargestellt
- 8 Test des Fahrplans oder der Infrastruktur?
- 9 Keine modellzugspezifische Verspätungsveränderung
- 10 Stresstest-Simulation auf Basis ungültiger Prozessbeschreibung
- 11 RICHTLINIENVERSTÖSSE, PARAMETER
- 12 Kein Stress im Test
- 13 Gekappte Haltezeitverlängerungen
- 14 Fahrzeitüberschüsse voll im Verspätungsabbau
- 15 Qualität der Bahn-Richtlinien
- 16 Einzelnachweise
RICHTLINIENVERSTÖSSE, METHODE
Regelwidrige Ermittlung der Betriebsqualität
Regelwidrige Qualitätsgrenzen im Stresstest
Im Stresstest wurde vollkommen freihändig und verfälschend eine neue Qualitätseinstufung als Collage aus Versatzstücken der Richtlinie zusammengesetzt. Dabei wurden die tatsächlichen quantitativen Grenzen um eine Stufe verschoben und teils fälschlich auf den ganzen Auswerteraum bezogen.In der im Stresstest gegebenen Definition für die Betriebsqualität (Abbildung rechts, Doku. Teil 1 S. 23) wurden zwei unterschiedliche Passagen der Richtlinie 405 zusammenkopiert. Dies erfolgte aber unter Auslassung wesentlicher Festlegungen und indem ein falscher Bezug hergestellt wurde. Tatsächlich reicht der "wirtschaftlich optimale" Bereich nicht bis 1,0 Minuten Verspätungsaufbau, sondern nur bis 0,0 Minuten Verspätungsaufbau. Bis 1,0 Minuten folgt der "risikobehaftete" Qualitätsbereich. Diese Einstufung gilt außerdem nur für Teilstrecken nicht für das Gesamtnetz oder Mittelwerte von Strecken.
Die unzutreffende Qualitäts-Definition wurde in der Abschluss-Dokumentation des Stresstests auch auf Seite 18 gebraucht, mit der definitv falschen Aussage, der "optimale" Leistungsbereich reiche bis zu einer Minute Verspätungsaufbau (Doku. Teil 1 S. 18). Es stellt sich die Frage, wie ein Projekt fortgeführt werden kann, das mit derart unzutreffenden Aussagen gerechtfertigt wurde.
Dass sich also der Verspätungsabbau von 8 und 9 Sekunden auf den Zu- und Ablaufstrecken in der Grundversion mit einer Verspätungsgrenze von 1 Minute für das Ende des "wirtschaftlich optimalen" Bereichs vergleicht (mit viel Spielraum für die "Sensitivitäten"), hat bspw. auch der Projektleiter bei der Bahn in den Prämissengesprächen erläutert.[2] Die SMA hat dies auch so verstanden (Audit SI-08 S. 14 / Bl. 199) und auch z.B. Boris Palmer[3].
Für die großen räumlichen Einheiten des Auswerteraums oder der Mittelwerte der Zu- bzw. Ablaufstrecken, ist die Vorgabe der Richtlinie rein qualitativ (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94, Hervorhebungen durch WikiReal):
Summe Folgeverspätungen / Verspätungsveränderung | Bewertungsstufen der Betriebsqualität |
---|---|
nur geringe Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten); Sofern Zeitreserven* zur Verfügung stehen können diese genutzt werden, so dass sich die Gesamtsumme der Verspätungen zwischen Einbruch und Ausbruch deutlich verringert (Verspätungsabbau*). | Premiumqualität |
Summe der Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten) noch akzeptabel. Sofern Zeitreserven* zur Verfügung stehen, können die Folgeverspätungen im Mittel kompensiert werden, die Gesamtsumme der Verspätungen bleibt annähernd gleich bzw. ändert sich nicht signifikant.* | wirtschaftlich optimal |
Summe der Folgeverspätungen (außerplanmäßige Wartezeiten) steigt erheblich, Im Falle vorhandener Zeitreserven* reichen diese nicht aus, die Folgeverspätungen zu kompensieren. Die Summe der Verspätungen steigt zwischen Einbruch und Ausbruch deutlich an(Verspätungszuwachs). | risikobehaftet |
Verspätungssumme steigt zwischen Einbruch und Ausbruch stark an | mangelhaft (nicht marktgerecht) |
Die Darstellung der Stresstest-Dokumentation basiert im Grundgerüst auf dieser Definition. Die rot hinterlegte wiederholte entscheidende Einschränkung durch die Fußnote, dass nur ein Teil der Wartezeiten und Zeitzuschläge verwendet werden kann, fehlt jedoch. Und gerade hier beging die Bahn einen weiteren Regelverstoß bezüglich der Fahrzeitüberschüsse.
Die Stresstest-Definition wurde um einen quantitativen Zusatz mit Minutengrenzen ergänzt. Er stammt aus der Erläuterung der Kenngröße Verspätungsveränderung (Richtlinie 405.0104 S. 21 / Bl. 109, Hervorhebungen durch WikiReal):
Für den Verspätungszuwachs gilt vorläufig folgender Rahmen (für Personenverkehr auf Mischbetriebsstrecken) • Als Optimum gilt: zul tVz = 0,0 [min] im Mittel über alle SPV-Züge. D.h. Die mittlere Verspätung soll im Untersuchungsbereich (Auswerteraum) möglichst nicht ansteigen. Ein Verspätungsaufbau kann auf Abschnitten ggf. dann zugelassen werden, wenn entsprechende Abbaumöglichkeiten in den benachbarten Netzelementen bestehen. • Als noch akzeptabel gilt eine mittlere Verspätungsveränderung (Zuwachs) von: zul tVz = 1,0 [min] im Mittel über alle SPV-Züge auf einer Folge von Netzelementen (Strecke, Teilnetz), zul tVz = 0,5 [min] im Mittel über alle SPV-Züge in Bahnhofsköpfen. Diese Werte liegen somit an der Grenze zum mangelhaften Bereich. |
Wieder bezeichnen die rot hinterlegten Passagen die Auslassungen bei der Übernahme in die Definition der Betriebsqualität des Stresstests. Das Zusammenstückeln der beiden Richtlinien-Texte ist sinnentstellend und im Ergebnis werden die Qualitätsstufen der Betriebsqualität um eine Stufe verschoben für eine erleichterte Zielerreichung im Stresstest. Dabei wird mit Auslassung und äußerst trickreich mit falschen Bezügen gearbeitet:
Verspätungsverhalten der Infrastruktur |
Betriebsqualität nach Richtlinie 405 bis 12.2007 |
Betriebsqualität nach Richtlinie 405 ab 01.2008 |
Betriebsqualität im Stresstest (falsche Minutengrenzen) |
---|---|---|---|
Verspätungsabbauend | gut | Premiumqualität | Premiumqualität |
Verspätungserhaltend | befriedigend | wirtschaftlich optimal | |
Verspätungssteigernd | — | risikobehaftet | wirtschaftlich optimal |
Stark verspätungssteigernd | mangelhaft | mangelhaft | risikobehaftet |
- In der Stresstest-Dokumentation wurde insbesondere nicht der letzte Zusatz zitiert, dass die angeführten Werte schon die Grenze zum "mangelhaften" Qualitätsbereich markieren. Das ist zwei Stufen schlechter als "wirtschaftlich optimal", noch schlechter als "risikobehaftet" (siehe oben).
- In der Stresstest-Dokumentation wurde der erste Punkt nicht mitzitiert (rot), d.h. dass die Grenze für "Optimum" bei "0,0" Minuten im gesamten Auswerteraum liegt. Nachdem im Folgepunkt nur eine weitere Grenze definiert wurde, an der "somit" der mangelhafte Bereich beginnt, lässt dies nur den Schluss zu, dass die 0,0 Minuten die Obergrenze für "wirtschaftlich optimal" darstellen. Diese Einstufung ist mit der vorausgehenden qualitativen Einstufung verträglich, da ja "Premium" einen "deutlichen" Verspätungsabbau bedeuten soll. D.h. die "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität verlangt Verspätungsabbau, der jedoch nicht "deutlich" ausfallen muss, maximal ist Verspätungserhaltung zulässig.
- Hier ist zu beachten, dass die Bahn suggestiv und unzulässigerweise den zweimal auftauchenden Begriff "noch akzeptabel" in Beziehung gesetzt hat. Das erste "noch akzeptabel" aus der qualitativen Definition bezeichnet jedoch die "Summe der Folgeverspätungen", die aber im Mittel (zwischen Einbruch und Ausbruch) vom Verspätungsabbau kompensiert werden sollen. Das zweite "noch akzeptabel" aus der Detaildefinition bezeichnet jedoch die Werte, bevor der "mangelhafte" Bereich beginnt.
- In der Stresstest-Dokumentation wurde insbesondere nicht darauf hingewiesen, dass diese Werte eben nicht für eine Mittelung über alle Zulauf- oder alle Ablaufstrecken sowie nicht für den gesamten Untersuchungsbereich gelten, insbesondere nicht für Zulaufstrecke plus Bahnhof mit Halt plus Ablaufstrecke. Die Grenzwerte gelten ausdrücklich nur für Teilstrecken und Bahnhofsköpfe. Auch an anderer Stelle macht die Richtlinie klar, dass einzelne Kennwerte für einen ganzen Bahnknoten nicht "aussagekräftig" sind (Richtlinie 405.0401 S. 7 Bl. 345).
- Dass die Bahn und auch SMA wiederholt die Sekundenwerte dieser Strecken-Mittelwerte mit der Minutengrenze der Qualitätsdefinition in Beziehung setzte ist unzulässig und führte die Öffentlichkeit in die Irre. In den Grafiken hätte per Fußnote darauf hingewiesen werden müssen, dass bspw. die 8 bis 9 Sekunden Verspätungsabbau nichts mit dem Qualitätsprädikat und der Qualitätsgrenze von 30 oder 60 Sekunden zu tun haben.
- Allenfalls hätte eine Aussage dargestellt werden dürfen, dass X % der Zulaufstrecken, betreffend Y % der Züge, im Zulauf "wirtschaftlich optimal" erhalten, etc. Tatsächlich hat die Bahn aber auch in der Qualitäts-Bewertung der einzelnen Strecken unsauber gearbeitet, indem bei kritischen Strecken das Prädikat nur für den Abschnitt erteilt wurde, der noch "optimal" ausfiel, die Gesamtstrecke, die "mangelhaft" ergeben hätte, wurde nicht bewertet (Folgeabsatz).
- Diese Teilelemente des Systems wären dann (den Beispiel-Auswertungen der Richtlinie folgend) in einer graphischen Auswertung entsprechend ihrer Qualität einzeln farblich zu kennzeichnen (Richtlinie 405.0205A01 S. 5 / Bl. 235).
- In der Qualitätsdefinition der Stresstest-Dokumentation ist zwar die Formulierung "in Bahnhofsköpfen" korrekt übernommen worden (Doku. Teil 1 S. 23). Dennoch wurde nie, insbesondere bei dem verschiedentlichen Bezug auf die 30 Sekunden-Verspätungsgrenze in den "freiwilligen" Zusatzprüfungen eine Prüfung der tatsächlichen Bahnhofsköpfe vorgenommen, sondern vielmehr der Untersuchungsraum auf den "S21-Knoten" ausgeweitet (Doku. Teil 1 S. 22, Teil 2 S. 63, 68, 85, 91, 113, 133 / Bl. 2, 7, 24, 30, 52, 72) und ein großer Anteil Alt-Zulaufstrecke zum Abpuffern der Verspätungen genutzt.
- Die tatsächliche Auswertung der Bahnhofsköpfe hätte weit unvorteilhaftere Werte für den Verspätungsaufbau geliefert, z.B. von +24 Sek. für die Züge aus Horb nach Stuttgart (Doku Teil 2 S. 89 / Bl. 28), nahe der Grenze zu "mangelhaft" bei +30 Sek. – und das schon in der viel zu optimistischen Grundvariante. Ein Wert deutlich verschieden von den 8 Sek., dem Mittelwert, den die Bahn für die Zuläufe angibt.
Dort wo die Einzelstrecken bewertet werden, in der sogenannten freiwilligen Zusatzprüfung, hatte die Bahn in der Darstellung des Verspätungsaufbaus nach Linien in mehreren Fällen nicht die ganze Strecke bewertet, sondern die Strecke exakt nur soweit betrachtet, solange sie noch "wirtschaftlich optimal" erschien (siehe Folgeabsatz), wie in den mittleren Säulen dargestellt. Diese Willkür wird weder von der Bahn noch vom Auditor SMA begründet und es ist nicht zu erkennen, wie sie gerechtfertigt werden könnte. Werden die Strecken bis zum Ende bewertet, reichen sie teilweise weit in den "risikobehafteten" (entspr. den Stresstest-Qualitätsstufen) Bereich. Tatsächlich reichen sie aufgrund der unzulässig verschobenen Qualitätsskala weit in den "mangelhaften" Bereich.
Entsprechend der Richtlinie müssen Bahnhofsköpfe strenger bewertet werden. Hier beginnt der mangelhafte Bereich schon bei 30 Sekunden. Es wurden die Auswertungen des Schienenpersonenverkehrs aus der Dokumentation S. 69 bis 84 (Teil 2 Bl. 8 bis 23) herangezogen, um die mittlere Verspätungsveränderung beim Zulauf in die Bahnhofsköpfe zu ermitteln. Dabei wurde mit den Zugzahlen gewichtet und der Rückstau in vorangehende Netzelemente berücksichtigt. Der nordöstliche Bahnhofskopf wirkt für den Zulauf aus Obertürkheim verspätungsabbauend. Die anderen Bahnhofsköpfe liegen sämtlich deutlich im risikobehafteten Bereich. Dies sind alles Daten der "Grundversion" der Simulation mit durchgehend zu optimistischen Parametern und selbst hier erscheint der Bahnhof als klar überlastet.
Die SMA übernahm die falsche Grenzwert-Festlegung für die Betriebsqualität offenbar ohne kritische Prüfung inklusive aller Fehler (Audit SI-07 S. 2 / Bl. 176, SI-08 S. 14 / Bl. 199). Durch die Aufklärung dieser Fehlinterpretation von "wirtschaftlich optimal" ist nun klar, dass diese Qualitätsstufe oberhalb des "deutlichen" Verspätungsabbaus der "Premium"-Qualität anzusetzen ist und bis zu verspätungserhaltendem Verhalten reicht. Auch der Internationale Eisenbahnverband sieht bei Verspätungserhaltung (Verspätungsänderung ≈ 0,0 Min.) die Obergrenze des akzeptablen Bereichs.[5] Nur so macht es Sinn, dass die Bahn "wirtschaftlich optimale" Strecken anstrebt. Würden diese alle bis zu 1 Minute Verspätungen aufbauen (wir erinnern uns, Sekundenveränderungen wiegen hier schon schwer), würde das Netz kollabieren. Dass die Richtlinie für den "deutlichen Verspätungsabbau" als Grenze zum Premiumbereich keine quantitative Grenze vorgibt, lässt erkennen, dass die Vermeidung von Premium-Qualität offenbar nicht den Stellenwert hat, den die Projekt-Befürworter in der Stresstest-Präsentation nahelegen wollten.
Die schlichtweg falschen Ergebnis-Darstellungen (deutlicher Verspätungsaufbau bis 1 Minute ist nicht wirtschaftlich optimal) (Doku. S. 67, 112, 132, Audit Bl. 183, Bl. 195, Doku. FS S. 5) wurden durch Auslassungen und Fehlbezüge (Doku. Teil 1 S. 23) sinnentstellend zusammenkopiert. Direkte Fehlinformationen (Prämissengespräche) halfen diese Fehldarstellung zu verdecken. Wichtige Fußnoten, die die Annahmen für den Verspätungsabbau einschränken, wurden weggelassen, die Qualitätsgrenzen falsch zugeordnet und die beiden Qualitätsbezugsräume Auswerteraum und Teilstrecke wurden unzulässig vermischt. Nach den Buchstaben der gültigen Richtlinie ist der Stuttgart 21-Bahnknoten in der Grundversion sowie in allen Sensitivitäten inklusive der "finalen Simulation" als "risikobehaftet" bis "mangelhaft" einzustufen. Eine Simulation, die sämtliche Korrekturen beinhalten würde, wäre sicher nicht mehr fahrbar.
Fahrlässigkeit in dem Vorgehen scheint aufgrund der Systematik und dem Widerspruch zu eisenbahnerischen Grundregeln undwahrscheinlich. Es könnte als Indiz gewertet werden, dass die Bahn sich bei der Diskussion zu Betriebsqualität und Verspätungsabbau in der Stresstest-Präsentation so bedeckt hielt, während sich stundenlage fruchtlose Diskussionen um dieses Thema drehten. Es stellt sich die Frage, ob die Bahn auch noch andere verspätungsaufbauende Projekte mit ähnlicher Argumentation rechtfertigte. Es bleibt die beruhigende Erkenntnis, dass die Bahn, sofern sie ihren Richtlinien und internationalen Standards folgt, nicht die Republik mit verspätungsaufbauenden Projekten überziehen kann.
Argumentation der Bahn zur Definition der Betriebsqualität
Die Deutsche Bahn AG argumentiert zu dem Vorwurf, die Betriebsqualität gegenüber der Definition in der Richtlinie umdefiniert zu haben, wie folgt[6] (Zitate hellgrau hinterlegt. Die Entgegnung von WikiReal wird direkt im Anschlus an die Teilaussagen gebracht). Statt die Kritik von WikiReal an der umdefinierten Betriebsqualität auszuräumen, hat die Bahn Falschdarstellung im wesentlichen eingeräumt und darüber hinaus mehrere neue unzutreffende Behauptungen aufgestellt.- "Die Deutsche Bahn hat sich exakt an das Regelwerk für eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchungen gehalten. Dagegen wird behauptet, dass die DB im Stresstest "freihändig und verfälschend" eine neue Qualitätsstufe als Collage aus Versatzstücken der Richtlinie zusammengesetzt habe. Dieses ist falsch, wie auch vom Gutachter bestätigt wurde:
- »Die vom Schlichter geforderten anerkannten Standards des Eisenbahnwesens sind eingehalten.« (SMA-Abschlussbericht, Einführung, S. 7)"
- Wie im folgenden Punkt gezeigt wird, hat die Bahn in zumindest einem Aspekt die Abweichung von der Richtlinie schon eingestanden, damit ist diese erste Aussage der Bahn unzutreffend. In diesem Fall gilt, wie bei einigen anderen Richtlinienverstößen auch, dass der Auditor SMA den Richtlinienverstoß übersah, das Testat der SMA entlastet die Bahn also nicht, da es schlicht fehlerhaft ist.
- "Zur Erklärung: Der wirtschaftlich optimale Leistungsbereich umfasst (an seiner Grenze zur mangelhaften Betriebsqualität) auch den Bereich der risikobehafteten Betriebsqualität. Liegt ein Verspätungsanstieg größer eine Minute vor, so herrscht unstrittig eine mangelhafte Betriebsqualität."
- Dies ist das Eingeständnis, dass die Darstellungen in der Stresstest-Dokumentation und im Audit-Bericht der SMA nicht zutreffend sind. Dort wurde eindeutig 1,0 Min. als Ende des Bereichs der "wirtschaftlich optimalen" Betriebsqualität angeführt, an den der "risikobehaftete" Qualitätsbereich anschließt.
- "Das Optimum innerhalb des wirtschaftlich optimalen Bereichs wird dabei erreicht, wenn die mittlere Verspätung in den Auswerteraum einfahrender Züge exakt der Verspätung beim Ausbruch aus dem Auswerteraum entspricht (Richtlinie 405 "Fahrwegkapazität Modul 405.0104, Abschnitt 3.6). Die beiden folgenden Abbildungen verdeutlichen den Zusammenhang."
- Zu diesem Punkt gibt es aufgrund der unnötigen Unklarheit der Richtlinie bezüglich "Optimum" und "wirtschaftlich optimal" zwei Argumentationspfade, die weiter unten ausgeführt werden (1. "wirtschaftlich optimal" bei 0,0 Min. / 2. "Optimum" bei 0,0 Min.). In jedem Fall bleibt nach der Richtlinie als Grundlage für die Auslegung eines Bahnhofs ein Verspätungsaufbau nicht akzeptabel.
- "Das Gesamtergebnis des Stresstests ist dabei besser als das Optimum des wirtschaftlich optimalen Bereichs: Im Mittel werden 33 Sekunden Verspätung zwischen dem Einbruch und dem Ausbruch von Zügen im Betrachtungsraum abgebaut."
- Diese Argumentation ist unzulässig und unrichtig. Der Verspätungsaufbau durch die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof ist laut Richtlinie verfälschend. In diesem Fall muss die Betriebsqualität über andere Kenngrößen verifiziert werden, was im Stresstest versäumt wurde. Außerdem ist die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof mehr als doppelt so hoch angesetzt, wie realistisch für die Haltezeiten bei Stuttgart 21 erwartet werden darf.
- Das Gesamtergebnis des Stresstests ist schon vor Korrektur der unrealistischen Haltezeitverkürzung ein Verspätungsaufbau, wie SMA-Chef Stohler in der Stresstest-Präsentation klargestellt hatte:[7] Dadurch, dass nur 10 % bis 20 % der Fahrgäste durch Stuttgart hindurchfahren, kommt nur dieser kleine Teil in den Genuss des Verspätungsabbaus durch Haltezeitverkürzung, die anderen Fahrgäste erleiden die Verspätungen auf den Zulauf- oder Ablaufstrecken. Die Rechnung liefert selbst bei den allergünstigsten Annahmen zugunsten S21 noch einen Verspätungsaufbau, der unter realistischen Annahmen weit in den "risikobehafteten" Qualitätsbereich fallen würde.[8] D.h., es wurde schon unter optimistischsten Annahmen ein Verpätungsaufbau testiert.
- "Die Feststellung von SMA, dass eine wirtschaftlich optimale Betriebsqualität vorliegt, ist somit vollumfänglich zutreffend."
- Wenn an dieser Stelle anknüpfend an den vorausgehenden Satz argumentiert wird, dass erst mit der Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof "wirtschaftlich optimal" erreicht wird, ist dies ein weiteres Eingeständnis der Umdefinition der Betriebsqualität. Da die SMA ausdrücklich "wirtschaftlich optimal" mit einem Verspätungsaufbau begründete, ist es eben nicht zutreffend, dass ein Netto-Verspätungsabbau (inkl. Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof) das SMA-Testat begründet.
- Nachdem zuvor ausgeführt wurde, dass unter halbwegs realistischen Annahmen sogar ein sehr deutlicher Verspätugnsaufbau vorliegt, ist die Aussage sicher nicht zutreffend.
- "Die erreichte Betriebsqualität weist dabei sogar eher eine Tendenz zur Premiumqualität als zur mangelhaften Betriebsqualität auf."
- Diese Aussage ist ohne Logik und unrichtig. Die ermittelten mittleren Verspätungen als Grundlage der Einstufung der Betriebsqualität ergeben sich aus der Simulation ohne irgendeine Tendenz. (Es wurde ein Mittelwert ohne einen Gradienten oder etwas ähnliches ermittelt.)
- Betrachtet man gegenüber der Grundvariante die durchgeführten Sensitivitäten, ergibt sich dann aber doch eine Tendenz, nämlich die, dass bei weniger optimistischer Werten sich in allen Fällen eine Verschlechterung der Betriebsqualität ergibt, d.h. die Tendenz geht eindeutig in die andere Richtung (siehe oben).
- "Im Mittel liegt der Verspätungsanstieg über alle Zulaufstrecken in allen untersuchten Varianten (inklusive Sensititvitätsbetrachtungen) sogar deutlich unter 30 Sekunden!"
- Dieses Argument geht vollkommen fehl. Da die untersuchten Varianten ja keine Varianten sind, sondern die Sensitivitäten nur stichprobenartig einzelne Parameter auf realistische Werte einstellen. Bildet man die Summe aus dem Verspätungsaufbau im Zulauf der Grundversion von 8 Sek. plus den Werten, um die die Sensitivitäten diesen Wert übersteigen, ergeben sich 39 Sekunden, die im Groben allein bei gleichzeitiger Umsetzung der Korrekturen aus den Sensitivitäten zu erwarten wären.[9] Ganz ohne die ähnlich groß abzuschätzenden Effekte der weiteren Fehler, für die noch keine Sensitivität vorliegt.
- Laut Richtlinie gilt der Grenzwert von 30 Sekunden nur für Bahnhofsköpfe, nicht für den gesamten Zulauf im Betrachtungsraum. Das heißt die hier von der Bahn vorgenommene Anwendung der 30 Sekunden-Grenze auf den gesamten Zulauf ist unzulässig. Die Zuläufe sind eine Teilstrecke und müssen den Grenzwert von 1 Minute erfüllen. Aber es ist absolut klar, dass ein so hoher Verspätungsaufbau nicht mehr "wirtschaftlich optimal" ist.
- "Nennenswerte Verspätungen entstehen dabei ausschließlich im Bestandsnetz, das mit den zu Grunde gelegten gestiegenen Zugzahlen deutlich stärker belastet wird."
- Diese Aussage ist unrichtig. Das genaue Gegenteil ist der Fall, wie ein Blick auf die Auswertung des Verspätungsaufbaus im Zulauf auf den bei Stuttgart 21 neu gebauten bzw. neu genutzten Strecken zeigt (Abb. rechts). Tatsächlich führen die Neubauten bei Stuttgart 21 schon in der optimistischsten Grundvariante der Simulation zu gravierendem Verspätungsaufbau. Allein der Rückstau bei Einfahrt in den Hauptbahnhof aus den verschiedenen Richtungen beträgt im Mittel 7,3 Sek. pro Zug, nahe dem Mittelwert von 8 Sekunden für den gesamten Untersuchungsraum (Doku. S. 67 / Teil 2 Bl. 6). Die Detailauswertung ergibt, dass die Neustruktur inklusive des neugebauten Flughafenbahnhofs und der neu genutzten Filderstrecke im Mittel 7,2 Sekunden Verspätungen aufbaut, mehr als das Dreifache der Altstruktur, die auf im Mittel 2,3 Sekunden Verspätungsaufbau kommt. Die Aussage der Bahn ist somit grob unzutreffend.
Es bleibt festzuhalten, dass die Bahn den Verstoß gegen die Richtlinie im Wesentlichen einräumt. Die weitere Argumentation der Bahn sticht dabei in keinem der angeführten Teilargumente. Zu Punkt 3 muss dabei aufgrund der Rest-Unklarheit in den Formulierungen der Richtlinie auf zwei Wegen argumentiert werden (folgende Abschnitte).
Gegen-Argumentation 1: Wirtschaftlich optimal endet bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau
- Die Richtlinie 405 macht bei der allgemeinen Definition der Betriebsqualität (Abbildung rechts, linke Hälfte, S. 6 der Richtlinie) klar, dass in dem zweiten Abschnitt (rechte Hälfte, S. 21) "die Maßstäbe" für die "Zuordnung" der "Stufen der Betriebsqualität" gegeben werden. Insofern erwartet der Anwender zu Recht, dass die dort angegebenen Werte die Grenzen zwischen den Stufen beschreiben.
- Tatsächlich findet sich eine eins-zu-eins-Entsprechung in den jeweiligen qualitativen Formulierungen.
- Für die laut der Diskussion in der Stresstest-Präsentation vermeintlich so dringend zu vermeidende "Premiumqualität" gibt die Richtlinie keine Grenze an ("keine Qualitätsmaßstab erforderlich". Die Vermeidung von Premium ist tatsächlich offenbar weniger vordringlich als in der Stresstest-Präsentation dargestellt.
- Es folgt die einzige Uneindeutigkeit in dieser Definition. Statt "wirtschaftlich optimal" wird ein "Optimum" definiert. Sollte dies tatsächlich ein frei gewählter Punkt in dem "wirtschaftlich optimalen" plus "risikobehafteten" Betriebsqualitätsbereich sein, greift Argumentation 2 (siehe unten). Wäre dies die Intention der Richtlinie, müsste sie an dieser Stelle klarstellen, dass eben nicht die angekündigte Einordnung in die Qualitätsstufen erfolgt.
- Tatsächlich wird für dieses Optimum aber eine Bereichsgrenze angegeben, indem "zul tvz = 0,0 [min]" angegeben wird. Der Begriff "zulässig" muss dabei als Bereichsobergrenze gedeutet werden.
- Der zu dieser Grenze gehörige Bereich wird auch noch einmal qualitativ beschrieben in gleicher Weise wie in der allgemeinen Definition. Es wird in äquivalenter Formulierung wie für "wirtschaftlich optimal" klargestellt, dass für "Optimum" einzelne Fälle von Verspätungsaufbau wieder kompensiert werden müssen (Summe <= 0).
- Um die von der Bahn bei Neubauten angestrebte "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität nachweisen zu können, wird im Minimum die Obergrenze dieses Bereichs benötigt, also der Grenzwert von 0,0 Min.
- Als "noch akzeptabel" und als Grenze zu "mangelhaft" werden die Grenzwerte von 1 Min. (Teilstrecken) und 0,5 Min. (Bahnhofsköpfe) angegeben. Dieser Grenzwert ist unstrittig.
Die Argumentation, dass für Teilstrecken der "risikobehaftete" Bereich der Betriebsqualität von 0,0 bis 1,0 Minuten reicht, ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Richtlinie macht absolut deutlich, dass zur Erreichung des "Optimum" die Verspätungen <= 0,0 Minuten liegen müssen.
Gegen-Argumentation 2: Optimum bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau
Die Bahn argumentiert mit einem "Optimum" bei 0,0 Minuten, das irgendwo in dem kombinierten Leistungsbereich der "wirtschaftlich optimalen" und "risikobehafteten" Betriebsqualität liegt.
- Die weiter oben gezeigte schematische Grafik zum "wirtschaftlich optimalen Leistungsbereich" von Bl. 123 der Richtlinie, die auch die Bahn in ihrer Stellungnahme anführt, identifiziert das Optimum der Betriebsqualität mit der "Nennleistung".
- Die Richtlinie gibt diese Definition: Die Nennleistung entspricht der sogenannten optimalen Zugzahl, also der "Zugzahl bei einer definierten optimalen Qualität" (Richtlinie 405.0102 S. 13 / Bl. 23), was dem dargestellten Optimum entspricht.
- Die Richtlinie definiert darüber hinaus die Reservekapazität als die Differenz zwischen Nennleistung und Leistungsanforderung (Richtlinie 405.0102 S. 16 / Bl. 26). Daraus ergibt sich, wenn eine Anlage ohne Überlast betrieben werden soll, so muss ihre Leistung unterhalb oder gleich der Nennleistung liegen, die Betriebsqualität muss besser oder gleich dem Optimum sein, die Verspätungen müssen <= 0,0 Minuten liegen.
- Die Nennleistung ist außerdem nach der Richtlinie definitiv nicht anwendbar für Bahnknoten, lediglich für Teilstrecken (Richtlinie 405.0104 S. 12 / Bl. 100). D.h. die Unzulässigkeit der Argumentation der Bahn mit einer Verspätungsveränderung inkl. dem Verspätungsabbau im Hauptbahnhof wird auch hier deutlich gemacht. (Siehe auch Richtlinie 405.0202A01 S. 3 / Bl. 173: Nennleistung in Simulation nur ermittelbar über Variantenvergleich.) Die Nennleistung ist die Zugzahl im Optimum der Betriebsqualität, um das es im Stresstest geht.
- Selbst wenn das "Optimum" nicht als der Grenzwert zwischen den Betriebsqualitätsstufen angesehen wird, ergibt sich keine andere Intrepretation, als dass maximal Verspätungserhaltung bei der Auslegung einer Infrastruktur zulässig ist.
- Der Richtlinie folgend kann unmöglich der Bereich bis zu 1,0 Minuten Verspätungsaufbau als Auslegungsbereich einer neuen Infrastruktur herangezogen werden.
Auch mit der Interpretation eines "Optimum"-Punktes bei 0,0 Min. Verspätungsaufbau erhält man kein anderes Planungsziel, als das, Verspätungsaufbau zu vermeiden. Und selbst dann hätte der Bahnhof schon keine Reserven mehr.
Daraus folgt, dass ein signifikanter Verspätungsaufbau in den Zu- und Ablaufstrecken kein Planungsziel sein kann. Insbesondere nicht in der Höhe, wie er im Stresstest festgestellt wird, sobald die Werte etwas realistischer eingestellt werden.
Plausibilitätscheck, Verspätungsaufbau zulässig?
Dr. Thorsten Schaer, Arbeitsgebietsleiter Eisenbahnbetriebswissenschaft Ost/Mitte/Südwest, DB Netz AG, der Projektleiter des Stresstests zu Stuttgart 21 bei der Bahn erläutert in einem Video des Sprecherbüros die Stufen der Betriebsqualität:
- "Und liegen diese Simulationsläufe und die Auswertungen vor, dann kann man anhand des Verspätungsanstiegs oder -abbaus einschätzen, ob eine Premiumqualität, d.h. ein Verspätungsabbau, vorliegt, oder ob die Verspätung konstant bleibt, dann spricht man von optimaler Betriebsqualität oder guter Betriebsqualität, oder ob ein Verspätungsanstieg vorliegt. Und wenn das ein sehr starker Anstieg ist, dann spricht man sogar von einer mangelhaften Betriebsqualität und dann besteht Handlungsbedarf."
Herr Schaer unterscheidet in der Betriebsqualität deutlich den verspätungserhaltenden "wirtschaftlich optimalen" Bereich vom verspätungsaufbauenden ["risikobehafteten"] und vom stark verspätungsaufbauenden "mangelhaften" Qualitätsbereich.
Dr. Schaer ist auch Koautor eines Lehrbuchs zur "Eisenbahnbetriebstechnologie",[10] erschienen 2006, in dem der Verspätungsabbau als damaliges Planungsziel klar dargestellt wird:
- "Eine mangelhafte Betriebsqualität bedeutet, dass Züge, die pünktlich oder verspätet in einen Streckenabschnitt eingefahren sind, diesen mit (noch höherer) Verspätung verlassen. Bei guter Qualität dagegen können Züge Verspätungen reduzieren, bei befriedigender Qualität bleiben Verspätungen auf gleichem Stand. Grundsätzlich strebt man bei der DB Netz AG eine gute Betriebsqualität an [...]"
Mit der Neufassung der Richtlinie 405 von 2008 wurde "wirtschaftlich optimal" als Planungsziel, maximal verspätungserhaltend, angegeben. Ein substantieller Verspätungsaufbau (bis zu 1 Min. pro Zug) wurde bisher in keiner Veröffentlichung als hinnehmbar bezeichnet. Noch zur Zeit des Stresstests erläutert der S21-Gutachter Prof. Ullrich Martin, dass jeglicher Verspätungsaufbau eine "unbefriedigende" Qualität bedeutet, Verspätungsabbau dagegen liefert eine "gute Betriebsqualität" (Video rechts).
Auch der Internationale Eisenbahnverband sieht bei Verspätungserhaltung (Verspätungsänderung = 0) die Obergrenze des akzeptablen Bereichs.[5]
Es erscheint schwer vorstellbar, wie der Bahnverkehr in Deutschland stabil ablaufen sollte, wenn für die einzelnen Bahnknoten ein substanzieller Verspätungsaufbau von bis zu 1 Min. (bzw. 2 Min. aus Zulauf- und Ablaufstrecken) pro Zug als Planungsprämisse gelten würde. – Der Kollaps des Bahnverkehrs wäre die sichere Folge.
Betriebsqualitäten aus gekappten Streckenauswertungen
Die Bahn hat über die Umdefinition der Betriebsqualität hinaus auch in der Qualitäts-Bewertung der einzelnen Strecken unsauber gearbeitet, indem bei kritischen Strecken das Prädikat nur für den Abschnitt erteilt wurde, der noch "optimal" ausfiel (bei korrekter Anwendung der Verspätungsgrenzwerte jedoch "risikobehaftet"), die Gesamtstrecke, die "mangelhaft" ergeben hätte, wurde nicht bewertet. In der Gegenrichtung wurde jedoch im Gegensatz dazu die Gesamtstrecke bewertet, um bspw. das "Premium"-Prädikat möglichst deutlich zu erreichen (Doku. Teil 2 S. 92-93, 96-101, 106-109 / Bl. 31-32, 35-40, 45-48). Tatsächlich hätten einige Strecken als "mangelhaft" bewertet und ausgewiesen werden müssen und im Gesamtergebnis hätte ein entsprechender Anteil an "mangelhaften" Strecken dargestellt werden müssen.Im Beispiel rechts, der Linie L1/11 von Horb nach Schwäbisch-Hall-Hessental, wurde die Auswertung ab Stuttgart Hauptbahnhof nur bis Murrhardt geführt, exakt der Station, bis zu der noch das Kriterium "wirtschaftlich optimal" erfüllt ist mit einem Verspätungsaufbau von 48 Sekunden. Der tatsächliche Verspätungsaufbau bis zum Ende des Betrachtungsraums in Horb hätte aber 3 Minuten und 8 Sekunden betragen. Selbst in der falschen Stresstest-Definition würde das weit in den "risikobehafteten" Bereich wenn nicht darüber hinaus reichen. Tatsächlich müsste nach der Richtlinie (siehe zuvor) die Verspätung über 1 Minute als mangelhaft und der gut 3-fache Wert wahrscheinlich als unfahrbar angesehen werden. In der Gegenrichtung wird jedoch bereitwillig die ganze Strecke ausgewertet und es wird so ein deutliches "Premium"-Prädikat erlangt. Hätte man analog zur anderen Richtung erst ab Murrhardt bewertet, hätte die Strecke mit 2 Sekunden Verspätungsabbau nur ein "wirtschaftlich optimal" erhalten (siehe zuvor, erst ab -5 Sekunden wird angeblich "Premium" vergeben).
Es ist nicht durch die Richtlinie gedeckt und wurde auch nicht von der Bahn oder dem Auditor in irgendeiner Weise gerechtfertigt, dass die Daten nach dem gewünschten Ergebnis "wirtschaftlich optimal" zusammengestellt werden. Dass in der Argumentation für das Projekt Stuttgart 21 selbst auf solche Maßnahmen zurückgegriffen wird, ist entlarvend.
Betriebsqualität allein aus Verspätungsveränderung
→ siehe auch Stuttgart 21/Stresstest/Interpretation#Verspätungsabbau und Betriebsqualität
Richtlinie 405 stellt anspruchsvolle Anforderungen an die Entscheidungsbasis für die Ermittlung der Betriebsqualität in einer Infrastruktur:
- "Um einen Qualitätsnachweis zu führen, sind die an den Messpunkten (vgl. Abs. (9)) gewonnenen Qualitätskenngrößen mit Qualitätsmaßstäben zu vergleichen, die i.d.R. aufgrund von Erfahrungswerten und zusätzlichen theoretischen Überlegungen gewonnen wurden." (Richtlinie 405.0104 S. 5 / Bl. 93)
- "Fundierte Entscheidungen sind in der Regel nur auf der Grundlage der komplexen Betrachtung mehrerer Kenngrößen ggf. unter Angabe möglicher Bandbreiten bzw. Wertebereiche zu treffen." (Richtlinie 405.0104 S. 7 / Bl. 95)
- "Aussagen zur Kapazität der Infrastruktur sollten sich nicht nur auf ein einziges Betriebsprogramm bzw. eine einzige Struktur der Leistungsanforderungen und einen einzigen daraus resultierenden Leistungswert stützen. Vielmehr ist es erforderlich, bei solchen Untersuchungen auf Bandbreiten, die sich z.B. aus unterschiedlichen möglichen Entwicklungen der Leistungsanforderungen ergeben können, hinzuweisen. Dazu ist die Berechnung mehrerer Kenngrößen bzw. gleicher Kenngrößen unter unterschiedlichen Randbedingungen sowie von geeigneten Eckwerten sinnvoll" (Richtlinie 405.0104 S. 10 / Bl. 98)
Im Stresstest wurde die Betriebsqualität regelwidrig allein anhand der Kenngröße Verspätungsveränderung ermittelt. Insbesondere bei merklichem Verspätungsabbau (wie durch die hohen Haltezeitverkürzungen im Tiefbahnhof) sowie speziell für die bei Stuttgart 21 geforderte Infrastrukturbewertung sollen laut Richtlinie andere Größen zur Qualitätsbestimmung hinzugezogen werden:
- "Für infrastrukturbezogene Aufgabenstellungen ist sie [die Kenngröße Verspätungsveränderung] jedoch nur bedingt geeignet, da ggf. Verspätungsabbau das Leistungsverhalten von Netzelementen überlagern kann. In diesen Fällen sind weitere Kenngrößen (z.B. infrastrukturbezogene Behinderungen bzw. Wartezeiten) heranzuziehen." (Richtlinie 405.0104 S. 20 / Bl. 108)
D.h. die Beschränkung der Qualitätsbetrachtung auf die eine Größe Verspätungsabbau durch die Bahn im Stresstest zu Stuttgart 21 (Doku. Teil 1 S. 23, Teil 2 S. 67, 112, 132 / Bl. 6, 51, 71) ist nicht richtlinienkonform. Besonders schwerwiegend erscheint die regelwerkswidrige Unterschlagung der Kenngröße Belegungsgrad. Dass entgegen der Forderung der Richtlinie bei hohem Verspätungsabbau und im Falle von Infrastrukturbewertung andere Kenngrößen wie "infrastrukturbezogene Behinderungen" bzw. "Wartezeiten" nicht herangezogen wurden, folgt mutmaßlich der gleichen Motivation, wie die Unterschlagung der Belegungsgrade: Die Inkonsistenz der Darstellung würde zu offensichtlich werden.
Haltezeitverkürzung überlagert die Betriebsqualität
Im Stresstest wurde die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof extrem zum Verspätungsabbau genutzt. Im letzten Richtlinienzitat des vorausgehenden Absatzes (Richtlinie 405.0104 S. 20 / Bl. 108) wurde klar, dass ein solch ausgeprägter Verspätungsabbau "das Leistungsverhalten von Netzelementen überlagert", d.h. verfälscht. Damit sind die Ergebnisgrafiken in der Abschlussdokumentation der Bahn (Doku. Teil 2 S. 67, 112, 132 / Bl. 6, 51, 71), die in der Summe über die Zulaufstrecken, die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof und die Ablaufstrecken eine Premium-Qualität nahelegen, unzulässig, zumindest solange keine Fußnote belegt, dass das Prädikat auch aus anderen Gründen erteilt werden kann. Siehe hierzu auch das Verbot, eine Nennleistung für einen ganzen Bahnknoten zu ermitteln (Richtlinie 405.0104 S. 12 / Bl. 100).
An einer weiteren Stelle stellt die Richtlinie klar, dass ein solches Vorgehen nicht zielführend ist:
- "Für die Einzelelemente des Fahrstraßenknotens werden gesonderte Ergebnisse ermittelt. Je nach Komplexität des Knotens und der sich hieraus ergebenden Mischung aus Ausschlüssen und parallelen Fahrmöglichkeiten ist es nicht sinnvoll, hierfür eine einzelne Kenngröße (z.B. Nennleistung) anzugeben. Sie wäre zu wenig aussagekräftig für die Praxis und an zu viele Eingangsgrößen des Betriebsprogramms geknüpft." (Richtlinie 405.0401 S. 7 Bl. 345)
Dies könnte auch erklären, warum die Bahn im Abschlussbericht keine entsprechende textliche Schlussbeurteilung in ihren Bericht aufnahm, und ist wohl auch der Hintergrund der Äußerung eines Bahnvertreters in der Prämissen-Sitzung vom 19.07.2011, dass die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof "nicht entscheidungsrelevant" sein könne.[11] Hier kommt natürlich hinzu, dass in Stuttgart der Fahrgastwechsel 80 bis 90 % beträgt. So kommt die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof nur dem kleineren Teil der 10 bis 20 % durchfahrenden Passagiere zugute. Die Bahn hielt sich in der Stresstest-Präsentation in dieser Frage auffällig zurück und überließ den Laien-Vertretern der Befürworterseite die Argumentation, dass ja die Haltezeitverkürzung im Hauptbahnhof die Premium-Qualität begründen würde (.... Quelle).
In den Ergebnis-Darstellungen wird überdeutlich, dass der Verspätungsabbau von dem anerkanntermaßen hohen Verspätungsabbau durch die Haltezeitverkürzungen im Hauptbahnhof wesentlich bestimmt wird. Die Richtlinie stellt klar, dass dies die ermittelte Betriebsqualität der Netzelemente "überlagert" also verfälscht. Damit sind die Stresstest-Ergebnisse nicht belastbar, insbesondere wenn sie allein aus Verspätungsveränderungen begründet werden.
Sensitivitäten kein Ersatz für Vollsimulation
In den sogenannten "Sensitivitäten" wie auch dem "finalen Simulationslauf" werden nur einzelne Parameter auf ein realistisches Niveau gesetzt, während die Richtlinie vorschreibt sämtliche Parameter auf ein möglichst realistische und der Aufgabe entsprechende Werte zu setzen.
Für den finalen Simulationslauf liegen die folgenden Dokumente vor, auf die in der in Klammern angegebenen Kurz-Zitierung referenziert wird:
- 10.10.2011, bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, Bahn: Stesstest Stuttgart 21 Abschlussbericht (Doku. FS)
- 10.10.2011, bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, SMA: Audit Finaler Simulationslauf (Audit FS)
- 10.10.2011, bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, SMA: Anpassungen für finalen Simulationslauf (Anpassungen FS)
Sensitivitäten, in denen nur einzelne Parameter verändert werden, sind hilfreich für den Bediener des Modells, um ein Gefühl für die Auswirkung einzelner Parameter-Änderungen etwa auf das Gesamtergebnis zu bekommen oder um Fehler im Modell aufzuspüren. Sensitivitäten könnten beispielsweise helfen zu identifizieren, welche Parameterveränderung in der Realität die deutlichste Steigerung der Leistungsfähigkeit versprechen würde.
Sensitivitäten sind jedoch nicht in Richtlinie 405 vorgesehen, schon gar nicht als Ersatz für eine Vollsimulation. Die Richtlinie erlaubt nicht, stichprobenartig nur einzelne Parameter auf realistischere Werte zu setzen. Eine Simulation muss durchgehend mit realistischen Parametern (deren Realitätsnähe einzeln geprüft und nachgewiesen sein muss) durchgeführt werden, um eine belastbare Aussage zu erhalten. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, wie die SMA verschiedentlich "Sensitivitäten" zu einzelnen Mängeln als Abschluss der Untersuchung empfiehlt, die sie dann auch noch irrational und inkonsequent bewertet.
Zunächst wurde an dieser Stelle auch kritisiert, den Sensitivitäten fehle die statistische Basis. Dieser Verdacht rührte aus missverständlichen Formulierungen in der Stresstest-Präsentation[12] und aus einer missverstandenen Formulierung im Audit zum finalen Simulationslauf. [13] Mit der glaubwürdigen Versicherung der SMA vom 15.12.2012, dass auch alle Sensitivitäten mit 100 Simulationsläufen, d.h. simulierten Tagen, durchgeführt worden wären, hat sich dieser Punkt erledigt. Der viel schwerwiegendere Kritikpunkt, dass in den Sensitivitäten jeweils nur einzelne Parameter auf realistische Werte gesetzt wurden, wurde bisher weder von der Bahn, noch von der SMA oder der Bundesregierung angesprochen.
Sensitivitäten und Nichtlinearität
Sensitivitäten haben einerseits keine Aussagekraft wegen der nicht ausreichenden statistischen Basis. Andererseits wurden im Stresstest und auf Anforderung von SMA nur einzelne oder wenige Einzelparameter verändert, die jeweils kleinere und noch 'verkraftbare' Verschlechterungen des Systems verursachten. Wenn einzelne Korrekturen verkraftet werden, heißt das nicht, dass sie auch noch in Summe verkraftet werden, da sie sich gegenseitig verstärken.Die Leistungsfähigkeit eines Bahnhofs ist ein hoch-nichtlineares Problem. Das heißt nichts anderes, als dass beispielsweise bei hoher Belastung die Qualität des Bahnhofs immer schneller zurückgeht, da die Verspätungen sich gegenseitig verstärken. Dies wird in der nebenstehenden Abbildung schematisch gezeigt, angelehnt an die unten folgende Berechnung von Prof. Martin zu Stuttgart 21. Dargestellt ist auf der x-Achse die Leistung bzw. Auslastung des Bahnhofs in Zügen pro Stunde und rechts dieser Wert multipliziert mit der mittleren Geschwindigkeit der Züge, einem Maß für die Qualität (Verspätungen), dies ergibt die sogenannte Beförderungsenergie.
Die maximale Leistung bei noch vertretbarer Qualität finden wir im Maximum oder etwas rechts davon. Sollen hier noch ein paar Züge mehr im Bahnhof abgefertigt werden, sinkt die Qualität, anfangs in einem evtl. noch vertretbaren Maße, etwa während einer kurzen Belastungsspitze. Wer von der prozentualen geringen Qualitätseinbuße schließt, dass auch noch ein zweites Paket von Zusatzzügen verkraftet werden könnte, irrt. Der Bahnhof ist bei dieser Belastung schon komplett zusammengebrochen. Das ist das Problem der Nichtlinearität, Belastungsfaktoren können nicht addiert werden.
Verschärfen wir die Parameter, die der Bahnhofsleistungskurve zugrunde liegen und halten die gewünschte Zugleistung konstant, dann zieht sich die Kurve nach links unten zurück. Hier würde die erste Parameterverschlechterung unseren Zielpunkt sinken lassen, die zweite hätte ihm ebenso beschleunigt wie im vorigen Fall den Boden unter den Füßen entzogen.Konkret auf den Stresstest bezogen stellt sich die Situation wie folgt dar. Die am weitesten nach rechts reichende Kurve ist die Originalkurve aus dem Gutachten von Prof. Martin[14], mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof "nachgewiesen" wurde[15], "der achtgleisige Durchgangsbahnhof sei ausreichend und zukunftssicher bemessen". Das Gutachten von Prof. Martin ist aus heutiger Sicht zu optimistisch, da es nicht die Zu- und Ablaufstrecken voll berücksichtigte und bspw. im Regionalverkehr mit Mindesthaltezeiten von 1 Minute arbeitete.
Die Kurve für die Parameter der Grundversion des Stresstets müsste etwas geschrumpft angenommen werden. Die Sensitivitäten zeigen, dass jede Parameterverschlechterung schon eine deutliche Verschlechterung der Qualität bringt, so dass die 49 Züge sich auf dem Abhang rechts vom Maximum befinden müssen. Grob geschätzt haben wir durch die Verschärfung der Parameter im Stresstest gegenüber der Simulation von Prof. Martin eine Leistungseinbuße von etwa 12 % angenommen. Die 57 Züge, auf die die Bahnhofsleistung im Falle des S-Bahn-Notfallkonzepts steigt, befinden sich schon in einem äußerst kritischen Teil des Graphen, in dem kein fahrbarer Betrieb mehr anzunehmen ist.
Mit jeder Parameter-Verschlechterung zieht sich die Kurve weiter nach links unten zurück. Immer schneller wird den angepeilten 49 Zügen der Boden unter den Füßen entzogen. Für ein besseres Verständnis soll versucht werden, den Vorgang in einer bildhaften Sprache zu beschreiben: Die einzelnen Sensitivitäten entsprechen immer wieder einem vorsichtigen Schritt von der Bergkuppe hangabwärts. Die Berücksichtigung aller Korrekturen würde mehrere Schritte bedeuten und damit den Absturz.
Wenden wir nun für das Beispiel die Korrektur einer ganzen Reihe von Parametern des Stresstests auf realistische Werte an, in Summe etwa um 33 % (zu vergleichen mit der abgeschätzten aktuellen Leistungsreduktion bei Korrektur der Fehler im Stresstest von 34 %, Stand 18.10.2011), erhalten wir eine maximale Leistung des Bahnhofs von 33 Zügen. Die 49 Züge sind schon lange nicht mehr fahrbar.
Wegen der hohen Nichtlinearität ist es eben nicht seriös, zu argumentieren, dass die eine Korrektur nur geringfügig ausfallen würde und die andere auch, und dass hier nur eine Sekunde fehlt und dort nur ein Prozent. Die Qualitätseinbußen verstärken sich gegenseitig, so dass mehrere kleine Korrekturen nicht mehr tolerierbar sind, sondern vielmehr schon längst den Kollaps des Gesamtsystems herbeigeführt haben können.
Wegen der notwendigen Berücksichtigung der Wechselwirkung aller Parameter ist jede Argumentation aufgrund einer "Sensitivität" (ob eine bestimmte Parameter-Verschlechterung noch verkraftet wird) ohne jede Beweiskraft. Aus diesem Grund schreibt die Richtlinie die Vollsimulation mit allen auf realistische Werte eingestellten Parametern vor. Nichts anderes könnte einen "Nachweis" erbringen.
Auch der finale Simulationslauf könnte nur bei Korrektur aller Parameter, nicht nur der von SMA erkannten Fehler, sondern nach Korrektur sämtlicher unrealistischer Größen einen "Nachweis" erbringen.
Sensitivitäten und Teilkorrekturen
Aufgrund der Nichtlinearität des Problems ist die Korrektur von Einzelparametern ohne Aussage für das Gesamtergebnis. Die Sensititäten adressierten aber jeweils nur einzelne Parameter, die Parameteränderungen anderer Sensitivitäten bleiben außen vor (siehe auch die kommentierte Übersicht der Sensitivitäten):
Sensitivitätsberechnungen: / Realistischere Parameterwerte: |
Grund- version |
75% der Fahrzeit- übersch. |
ohne Güter- verkehr |
Auswerte- zeitraum 7-8 Uhr |
Daten- modell 15. Juli |
Finaler Simula- tionslauf |
Nachweis |
---|---|---|---|---|---|---|---|
(Doku. S. 67) |
(Doku. S. 112) |
(Doku. S. 132) |
(Audit Bl. 183) |
(Audit Bl. 195) |
(Doku. FS S. 5) |
||
Datenmodell vom 21.06.2011 | 15.07.2011 | 08.09.2011 | |||||
75 % Fahrzeitüberschüsse | |||||||
Auswertezeitraum | |||||||
Abfertigungszeiten | |||||||
Verläng. S-Bahn Haltez. | |||||||
Haltez., Takte, Verknüpf. etc. | |||||||
Realistische Spitzenstunde | |||||||
Realist. Verspätungsspitzen | |||||||
Sonstige Korrekturen | |||||||
Verspätungsänd. Zu-/Ablauf | — | +11 Sek. | -25 Sek. | +25 Sek. | +3 Sek. | +2 Sek. | |
Zugzahl bzw. Differenz* | 49 | -2,8 | (sinnlos) | -6,4 | -0,8 | -0,5 | 32 (?) |
Die Tabelle gibt eine Übersicht über die durchgeführten Sensitivitätsrechnungen und welche Parameter jeweils in Richtung realistischerer Werte korrigiert wurden. Dabei erreichte die Korrektur häufig nicht einmal ganz das realistische Niveau. Es wird der grundlegende Fehler begangen, dass jeweils die anderen Parameter unkorrigiert bleiben. Ein Nachweis einer Leistungsfähigkeit könnte aber nur bei Korrektur aller Parameter auf ein möglichst realistisches Niveau erbracht werden. Der finale Simulationslauf stellt somit ebenfalls nur eine Art Sensitivität dar, in dem abermals nicht sämtliche Parameter auf ein realistisches Niveau gesetzt wurden (siehe den folgenden Abschnitt).
Der mittlere Verspätungsabbau in den Zu- und Abläufen liefert eine Abschätzung, um wieviel weniger Züge der Bahnhof bei Korrektur dieses Fehlers verkraften würde, wenn er dieselbe Qualität erreichen soll. Die Eichung dieser Entsprechung wurde mit der Sensitivität zum eingeschränkten Auswertezeitraum von 7-8 Uhr vorgenommen. In dieser Sensitivität liegt der Verspätungsaufbau um 25 Sekunden pro Zug über dem der Grundversion. Dort ist die Belastung aufgrund der schwach verspäteten Stunde am 6 Uhr und aufgrund dessen, dass im Stresstest auch ab 8 Uhr viel zu wenig Züge angenommen wurden, um rund 13 % geringer. Diese geringere Last entspricht 6,4 Zügen gemessen an den 49 Zügen des Stresstests.
Es mag die Urheber des Stresstests und des Audits überrascht haben, dass hierzu nicht früher fundamentale Kritik geübt wurde. Sie setzten wiederholt nur einzelne Parameter auf (dann auch nur annähernd) realistische Werte und stellten dabei oft schon gravierende Verschlechterungen fest. Dennoch wurde geschlossen, dass das System bei Korrektur aller Werte wohl noch stabil bliebe!?
Das Argumentationsmuster erinnert an die Faktenschlichtung beim Thema Fahrbarkeit der Fildertrasse.[16] Dort findet sich eine einzigartige Ballung von sechs schwerwiegenden Engpässen. Dass dies beherrschbar sei, wurde mit dem Verweis auf ähnliche Zwangspunkte an anderen Stellen Mitteleuropas begründet. Ist denn zu glauben, dass das, was einzeln woanders (noch) beherrscht wird, hier in sechsfacher Vervielfachung noch fahrbar ist? Sogar das Eisenbahnbundesamt hält diese Planung für "extrem grenzwertig" und für so "auf keinen Fall fahr- und planbar".[17] Die gleiche Situation liegt beim Stresstest mit den einzelnen Sensitivitäten vor.
Ein anschauliches Bild zur Verdeutlichung
Man stelle sich vor, die Kapazität der Rettungsboote eines Passagierschiffs soll durch den Eigner nachgewiesen werden. Jedes dieser Boote soll 49 Personen aufnehmen können, tatsächlich trägt es aber nur 32. Der Eigner muss sich einem Test unterziehen, also befüllt er die Boote mit 49 Kindern, der Test wird bestanden. Der Auditor bemängelt, dass die Kinder nicht ausgewachsenen Personen entsprechen. Also werden zwei von den Kinder durch Erwachsene ersetzt. Das Boot fängt an gefährlich zu schwanken und nimmt schon etwas Wasser auf. Der Auditor ist zufrieden und testiert, es können 49 Personen gerettet werden – Erwachsene und Kinder.
Der Stresstest wurde nur mit unrealistischen Parametern durchgeführt. Bei den einzelnen Sensitivitäten wurden dann nur einzelne Parameter auf realistische Werte gesetzt (die anderen aber nicht). Das Rettungsboot würde seine Tragkraft erst mit 49 Erwachsenen beweisen, dann ginge es aber unter. – Und Stuttgart 21 würde kollabieren, würden alle Parameter realistisch gewählt.
Finaler Simulationslauf liefert keinen Nachweis
Der finale Simulationslauf berücksichtigt mutmaßlich weitgehend die Anforderungen der SMA an den zusätzlichen Simulationslauf (Anpassungen FS). Genau überprüfen lässt sich dies nicht, weil das Anforderungsdokument „Änderungen/Ergänzungen für einen weiteren Simulationslauf“ vom 15.08.2011 (Anpassungen FS SI-09 S. 1, Doku. FS S. 5) nicht zugänglich ist. Die Anpassungen laut SMA (Anpassungen FS) berücksichtigen jedoch nicht alle Anforderungen der Richtlinie, des Stresstest-Auftrags bzw. einer realistischen Parameterwahl. Darüber hinaus wurde im finalen Simulationslauf eine verbesserte vorausschauende Disposition abgebildet, die die Vergleichbarkeit des finalen Simulationslaufs zu den früheren Stresstest-Simulationen aufhebt und die die Vergleichbarkeit zu anderen RailSys-Simulationen in Frage stellt.
Angeregt wurde der finale Simulationslauf von SMA im Schlussbericht mit der folgenden Empfehlung:
- "Weiter empfehlen wir, die in den Steckbriefen beschriebenen Unstimmigkeiten und kleineren Fehler zu beheben und zur Bestätigung des Gesamtresultates einen weiteren Simulationslauf durchzuführen und zu veröffentlichen." (Audit Schlussber. S. 10 / Bl. 16)
Dr. Kefer sagte einen solchen zusätzlichen Simulationslauf zu, aber nur für die von SMA benannten verbliebenen Fehler. Die Ergebnisse sollen im Internet veröffentlicht werden.[18]
SMA erstellte ein Anforderungsdokument „Änderungen/Ergänzungen für einen weiteren Simulationslauf“ vom 15.08.2011 (Anpassungen FS SI-09 S. 1, Doku. FS S. 5), das jedoch nicht bekannt ist. Am 10.10.2011 wurde dann in einer Pressmitteilung mitgeteilt, dass auch der finale Simulationslauf bestanden sei.[19] Zur Dokumentation wurden lediglich drei 7-seitige Dokumente mit Stand 30.09.2011 veröffentlicht (Anpassungen FS, Doku FS, Audit FS).
Nicht berücksichtigte Parameter
Nicht berücksichtigt wurden im finalen Simulationslauf folgende Parameter, die von der Richtlinie bzw. dem Stresstest-Auftrag gefordert sind und der SMA jeweils Anlass für die Empfehlung einer Sensitivität waren. Es ist bisher nicht erkennbar, mit welcher Berechtigung diese zwingenden Vorgaben nicht in dem finalen Simulationslauf berücksichtigt wurden.
- 75 % der Fahrzeitüberschüsse. Die Verwendung von 100 % der Fahrzeitüberschüsse zum Verspätungsabbau verstößt gegen die Richtlinie. Die SMA hatte hierzu eine Sensitivitätsbetrachtung gefordert (Doku. S. 111 / Teil 2 Bl. 50 ff, Audit SI-04 S. 2 / Bl. 154). Ein Nachweis, dass der Ansatz von 100 % der Fahrzeitsüberschüsse zulässig ist, wurde nicht geführt. Das gegebene Argument, dass ja die Regelzuschläge nicht verwendet wurden, ist nicht anwendbar, da Regelzuschläge eben gerade nicht von der Richtlinie für den Verspätungsabbau zugelassen werden und dies auch von der Systematik her (als Teil der Fahrzeit) nicht zulässig ist.
- Betriebsqualität in der Spitzenstunde. Der Schlichterspruch hatte für den Stresstest die Bestimmung der Betriebsqualität in der Spitzenstunde gefordert. Im Stresstest wurde jedoch eine Mittelung der Betriebsqualität über die 4 Stunden der Hauptverkehrszeit von 6 bis 10 Uhr vorgenommen, was die Betriebsqualität deutlich erhöht. Dies war immerhin Anlass, eine Sensitivität zu bestimmen mit Ermittlung der Betriebsqualität in der Spitzenstunde (Audit SI-07 S. 8 / Bl. 182), die prompt eine starke Verschlechterung der Betriebsqualität (des Verspätungsaufbaus) aufzeigte. Sofern die Prämisse, die Betriebsqualität in der Spitzenstunde zu bestimmen, von den Verhandlungsparteien vereinbart und im Anschluss bekräftigt wurde, spielt es keine Rolle, ob SMA über "methodische Richtigkeit" oder "fachlich nicht zu empfehlen" spekuliert. Zurückgenommen werden kann eine solche Prämisse nur im Einvernehmen der Verhandlungspartner und das ist – soweit bekannt – nicht geschehen.
- Unklar: 48 Sek. Haltezeit S-Bahn im Hauptbahnhof. Unklar ist, inwieweit in den finalen Simulationslauf die Elemente des Datenmodells vom 15. Juli 2011 übernommen wurden. Dieses wird zwar als Grundlage für das Datenmodell des finalen Simulationslaufs angegeben, aber ebenso wird das Datenmodell vom 30. Juni 2011 als Grundlage angegeben. Es wird nicht im Einzelnen dokumentiert, welche Parameter der entsprechenden Sensitivität (Audit SI-08 S. 9 / Bl. 194 f) übernommen wurden. Vielmehr wird dargestellt, dass einzelne Korrekturen der S-Bahn-Haltezeit nicht umgesetzt wurden, da die "S-Bahn nicht ausgewertet" wurde (Anpassungen FS SI-09 S. 2). Explizit wird als Vorgabe für den finalen Simulationslauf angegeben: "Die S-Bahn Stuttgart wird innerhalb dieses Simulationslaufs nicht überarbeitet, da sie nicht Bestandteil der Stresstest-Auswertungen ist." (Doku FS S. 3). Es steht also stark in Zweifel, ob die 48 Sek. Haltezeit der Sensitivität "Datenmodell vom 15. Juli" im finalen Simulationslauf berücksichtigt sind. Ebenso ist unklar, ob die Anpassungen für die Abfertigungszeiten übernommen wurden, da auch dies an keiner Stelle dokumentiert ist.
Hinzu kommen die vielen weiteren von der SMA nicht als Sensitivität adressierten Richtlinienverstöße und unrealistischen Parameter-Einstellungen, die die vermeintliche Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 deutlich überhöhen, wie etwa:
- Unrealistische Lastkurve. Während der Effekt der Mittelung über die Hauptverkehrszeit zwar als Sensitivität geprüft wurde, aber auch nicht in den finalen Simulationslauf übernommen wurde (siehe zuvor), ist der zweite Aspekt, dass durch Betrachtung der Ankünfte (und Ausblendung der in Stuttgart eingesetzten Züge) der Verkehr vor und nach der Spitzenstunde zu niedrig abgebildet wurde, auch im finalen Simulationslauf unkorrigiert. Insbesondere die unrealistisch hohe Absenkung in der besonders kritischen Stunde 8, in der selbst bezogen auf Ankünfte 5 Züge fehlen, entlastet den Stresstest und damit auch den finalen Simulationslauf deutlich, da der Abbau der Verspätungen aus der Spitzenstunde erheblich begünstigt wird.
- Gekappte Haltezeitverlängerungen. Die regelwidrige Kappung der Spitzenwerte in den Haltezeitverlängerungen überhöht auch die Betriebsqualität im finalen Simulationslauf.
- Optimistische Verspätungsniveaus. Die im Stresstest unterstellten Verspätungsniveaus sind zu optimistisch im Fernverkehr und bei den S-Bahnen. Für letztere wird gemäß der Verspätungsverteilung (Doku. S. 21, Audit SI-05 S. 2 / Bl. 157, Richtlinie 405.0204A03 S. 1 / Bl. 225) ein Pünktlichkeitsgrad von 94 % bei einer Verspätungsgrenze von 3 Min. unterstellt wo zuletzt lediglich 82,3 % Pünktlichkeitsgrad während der Hauptverkehrszeit veröffentlich worden waren.[20]
- Fehler in den Haltezeiten und Abfertigungszeiten. Die Mindesthaltezeiten sind unrealistisch niedrig angenommen, die Abfertigungszeiten nicht korrekt modelliert. Im Ergebnis wird etwa für den Hauptbahnhof eine Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung unrealistisch|um mehr als einen Faktor 2 überhöhte Haltezeitverkürzung angenommen.'
- RailSys: Haltezeitverlängerungen statt Abfahrtsverspätungen. Die Haltezeitverlängerungen wurden in der Simulationssoftware "RailSys" mit der Funktion "Haltezeitverklängerung" abgebildet, hätten jedoch als sogenannte "Abfahrtsverspätungen" abgebildet werden müssen. So werden entgegen jeder Kausalität die Verspätungen, die auf der folgenden Strecke auftreten sollen, zu einem hohen Anteil schon im Abfahrtsbahnhof mittel "Haltezeitverkürzung" abgebaut und können gar nicht wirksam werden.
Keine Vergleichbarkeit durch verbesserte vorausschauende Disposition
Darüber hinaus wurde im finalen Simulationslauf eine verbesserte "vorausschauende Disposition" abgebildet (Anpassungen FS SI-09 S. 6), als von der DB Netz eingeführte "weitere Anpassungen zur Optimierung des Simulationsmodells" (Anpassungen FS SI-09 S. 1). Es wurden Vorausbelegungen eingeführt und abhängig von der Verspätung der Rang einzelner Züge angepasst. Dies betrifft neben Halten auf der Gäubahn noch den Flughafen-Fernbahnhof an der NBS und Tübingen. Stutgart Hbf ist nicht betroffen. Durch diese geänderte Disposition ist die Vergleichbarkeit zu den bisherigen Stresstest-Simulationsläufen und Sensitivitäten nicht mehr gegeben. Es ist anzunehmen, dass dabei auch die Kausalität verletzt wurde.
- Die geänderte Disposition betrifft neben Halten auf der Gäubahn auch den Flughafen-Fernbahnhof an der NBS und Tübingen, Stuttgart Hbf ist nicht betroffen. Es ist daher naheliegend, dass hier auf die Korrektur der Gleisbelegung in der Flughafen Station Terminal reagiert wurde, sowie auf die Einführung des 3. Zugpaares über die Wendlinger Kurve. SMA hatte zuvor noch zu der Wendlinger Kurve auditiert: "Ein dritter, vom Land Baden-Württemberg geforderter Zug in den Spitzenstunden ist die auslösende Ursache für einen kreuzungsfreien Ausbau" (Audit Einleitung S. 8 / Bl. 14). Es wurde also zuvor vom Auditor als betrieblich problematisch angesehen, einen 3. Zug über die kleine Wendlinger Kurve zu bekommen. Dass dies nun generell möglich ist, wurde von SMA im Audit-Bericht nicht erklärt. Es wurde lediglich dargestellt, dass ein 3. Zugpaar jeweils 5 Min. vor bzw. nach einem Taktzug verkehrt, wovon einer einen Zug aus Ulm über die NBS ersetzt. Die "angebotsplanerische Qualität dieser Konstruktion" konnte SMA nicht bewerten (Audit FS S. 4 / Bl. 6). Inwiefern an der Fahrbarkeit des jeweils 3. Zuges die neue Disposition etwa in Tübingen Anteil hat und ob in zulässiger Weise lässt sich ohne detailliertere Dokumentation nicht entscheiden. Gleiches gilt für die Belegung der Bahnsteige an der Flughafen Station Terminal.
- Mit den RailSys-Simulationen hat sich ein "Industriestandard" herausgebildet. Die Bahn simuliert heute regelmäßig Bauzustände (auch am bestehenden Kopfbahnhof) mit dieser Software, zahlreiche andere Unternehmen sichern mit RailSys-Simulationen Planungen ab. Es davon ausgegangen werden, dass der Stresstest schon im Sommer 2011 nach den üblichen Dispositionsregeln verfuhr. In diesem Fall ist nach den nicht vollständig dokumentierten Optimierungen im finalen Simulationslauf nicht nur die Vergleichbarkeit mit den anderen Stresstest-Simulationen aufgehoben, sondern auch die Vergleichbarkeit mit anderen RailSys-Simulationen nicht mehr gegeben.
- Es muss davon ausgegangen werden, dass durch die verbesserte "vorausschauende Disposition" die Kausalität verletzt wird. Das heißt, dass im Einzelfall die Simulation in Kenntnis einer Verspätung optimiert wurde, die in der Realität noch gar nicht eingetreten bzw. bekannt gewesen wäre. Konkret können die Haltezeitverlängerungen zu einem Teil die Urverspätungen der folgenden Strecke enthalten. Somit würde ab dem Halt des Zuges im Bahnhof und der Festlegung seiner Haltezeitverlängerung bis zum Halt im nächsten Bahnhof mit einem Verspätungsanteil disponiert, der erst in Gänze beim nächsten Halt eingetreten wäre. Dies ähnelt der vorliegenden Kausalitätsverletzung bei der Abbildung der Haltezeitverlängerungen in RailSys und der Signalstellung in RailSys, in der das Ausfahrsignal statt zur geplanten zur verspäteten Abfahrt gestellt wird, als wäre die Verspätung hellsichtig vorhergesehen worden.
- Dadurch, dass keine Dokumentation im Detail vorliegt, ist nicht entscheidbar, ob die Eingriffe so schwer wiegen, dass der "Industriestandard" verlassen wird. Auch kann erst nach Einblick in das Datenmodell oder entsprechende tiefere Dokumentation entschieden werden, ob die anzunehmende Kausalitätsverletzung durch spezifische Regeln der Disposition vermieden werden. Zur Dokumentation reichen einzelne als Beispiel gegebene Dispositionsmaßnahmen nicht aus, insbesondere um möglicherweise grenzwertige Optimierungen auszuschließen.
Keine hinreichende Dokumentation der Ergebnisse
Die Bahn gibt zum finalen Simulationslauf noch deutlich weniger Informationen als zur Grundsimulation. Der 7-seitige Ergebnisbericht (Doku. FS) bietet eigentlich nur eine finale Ergebnisgrafik und die Behauptung, die geforderten Kriterien wären eingearbeitet. Es gibt aber keinerlei Nachweis etwa über einen finalen Fahrplan, der eine Überprüfung ermöglichen würde, es gibt keine Auswertungen der Verspätungsveränderung auf den Strecken. Diese praktisch nicht vorhandene Ergebnisdokumentation ist ein Schlag ins Gesicht der Öffentlichkeit.
Die Umsetzung der von SMA dargestellten Anpassungen im finalen Simulationslauf (Anpassungen FS) ist mangels einer entsprechenden Ergebnisdokumentation nicht überprüfbar. Für viele weitere Parameter geht nicht einmal aus der SMA-Darstellung klar hervor, welche Annahmen gemacht wurden. So etwa für die Haltezeiten der S-Bahn im Hauptbahnhof (siehe oben).
Vermisst werden eine ganze Reihe von Informationen entsprechend den Anforderungen der Richtlinie und den Anforderungen für eine Nachvollziehbarkeit der Simulation, wie etwa:
- Vollständige Dokumentation der Prämissen geeigneterweise durch Veröffentlichung des Lastenhefts bzw. des "Simulationsauftrags" laut der Prozessbeschreibung
- Auch das Anforderungsdokument „Änderungen/Ergänzungen für einen weiteren Simulationslauf“ vom 15.08.2011 (Anpassungen FS SI-09 S. 1, Doku. FS S. 5) müsste öffentlich gemacht werden
- Annahmen zur Verspätungsverteilung (Einbruchbahnhöfe, Haltezeitverlängerungen, ...), Verspätungsabbau, Modellzügen (technische Daten, Zuordnung zu Zugnummern, Zuglängen) (besser: Einblick in das Datenmodell)
- Die gleichen Inhalte wie in der Dokumentation vom 30.06.2011, auf dem Stand des finalen Simulationslaufs, insbesondere auch • Gleisbelegungsplan (für jede Stunde der HVZ), • Verspätungsverläufe (13.a, für sämtliche Linien), • Sperrzeittreppen
- Darstellung der vorgeschriebenen weiteren Kennwerte wie Wartezeiten und Belegungsgrade (insbes. auch für Rohrer und Wendlinger Kurve, Flughafenbahnhof, Zulauf Zuffenhausen)
- Dokumentation der vorausschauenden Disposition (SI-09 S. 6 Punkt 3.11) im Einzelnen (besser: Einblick in das Datenmodell)
- Ankunfts- und Abfahrtstafeln für die wichtigsten Bahnhöfe
- Einblick in das Datenmodell. Nötig aufgrund verschiedener zwischenzeitlicher Behauptungen (Kappung Haltezeitverlängerungen, RailSys Modellunschärfe) und Eingriffe (vorausschauende Disposition) durch die Bahn. RailSys ermöglicht detaillierte Einblicke aufgrund vieler Darstellungs- und Exportfunktionen (RailSys-Handbuch S. 288, 462 ff)
Kein Nachweis, da nicht alle Parameter realistisch und regelkonform
Aufgrund des Problems der Nichtlinearität, da sich die Verschlechterung mehrerer Parameter gegenseitig verstärkt, ist es nicht hinreichend, allein eine erneute Sensitivität für die bisher unberücksichtigten Fehler zu rechnen. Es müssten alle Parameter gleichzeitig auf realistische Werte gesetzt werden. D.h. es müssten nur 75 % der Fahrzeitüberschüsse für den Verspätungsabbau zugelassen werden, es müsste wie im Schlichterspruch gefordert die Spitzenstunde ausgewertet werden und auch die Korrekturen an den Abfertigungszeiten und S-Bahn-Haltezeiten umgesetzt werden. Dass dies nicht geschah und im Wesentlichen allein die finalen Korrekturen umgesetzt wurden, führt dazu, dass der finale Simulationslauf ebenfalls keinen Nachweis zu führen vermag. Durch die "vorausschauende Disposition" wurde darüber hinaus der Industriestandard der RailSys-Simulation verlassen und die Vergleichbarkeit zu früheren Simulationen aufgehoben.
Der finale Simulationslauf liefert genausowenig einen Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 wie die vorausgehenden Sensitivitätsrechnungen. Dass die Simulation aufgrund einiger weniger korrigierter Haltezeiten, Takte und Verknüpfungen sich ein bisschen im Ergebnis verändert ist eine Information ohne echten Erkenntniswert. Für den Nachweis der Leistungsfähigkeit müssen sämtliche Korrekturen berücksichtigt werden. Einerseits die aus früheren Sensitivitätsrechnungen, meist sogar verschärft, da die Annahmen noch zu optimistsch waren, andererseits aber auch die vielen noch gar nicht berücksichtigten Fehler im Stresstest, wie die unrealistische Spitzenstunde, die fehlenden Verspätungsspitzen in den Haltezeitverlängerungen etc. abgebildet werden. Dies würde aber zum sicheren Kollaps des Bahnhofs führen. Darüber hinaus ist der finale Simulationslauf weitgehend undokumentiert und nicht überprüfbar, vermag also auch deshalb keinen Nachweis zu führen.
Simulation nur im Vergleich aussagefähig
Eine Computersimulation hängt entscheidend von den Eingangsparametern ab. Weil es hier so schwierig ist, absolut realistische Methoden und Parameter zu modellieren, werden Simulationen in der Regel im Vergleich von Alternativen durchgeführt. Auf diesem Weg wirken sich die Falschannahmen in beiden Fällen ähnlich aus, so dass der relative Unterschied der Alternativen das belastbarere Ergebnis liefert.
Richtline 405 weist unter dem Punkt "Kenngrößenproblematik" auf folgendes hin:
- "Mit den Methoden und Tools lassen sich eine Vielzahl von Kenngrößen ermitteln (vgl. 405.0104). Den Kenngrößen stehen jedoch nur z.T. anerkannte Qualitätsmaßstäbe als Vergleichsgrößen gegenüber. Zur Bewertung bedarf es zum einen der Erfahrung des Bearbeiters, zum anderen ist vielfach die Untersuchung mehrerer Varianten erforderlich, um über einen Variantenvergleich zu einer Bewertung zu gelangen." (Richtlinie 405.0202 S. 1 / Bl. 151)
Die Richtlinie gibt genau aus diesem Grund die Grenzen des Simulationsverfahrens an:
- "• Ermittlung von Leistungsfähigkeitskenngrößen nur aufwändig über Variantengleich oder Iteration
• Bemessung nur über Variantenvergleich" (Richtlinie 405.0202A01 S. 5 / Bl. 175) - "Für die Eichung der mit Simulationstools ermittelten Kenngrößen ist die Untersuchung des Ist-Zustandes als Vergleichsmaßstab hilfreich und deshalb zu empfehlen, da Qualitätsmaßstäbe noch nicht voll abgesichert sind bzw. sich noch in Entwicklung befinden." (Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 163)
- Die Nennleistung ist in einer Simulation nur ermittelbar über Variantenvergleich. Die Nennleistung ist die Zugzahl im Optimum der Betriebsqualität, genau die Größe, die laut Bahn im Stresstest ermittelt werden soll. (Richtlinie 405.0202A01 S. 3 / Bl. 173)
Bei dem Thema "Auftragsklärung" nimmt die Vorbereitung der Betrachtung des Istzustands bzw. Bezugsfalls, sowie Varianten mit 2 von 3 Abschnitten sogar den breitesten Raum ein:
- Grundsätzlich mit dem Auftraggeber zu klärende Themen
- Erforderliche Infrastrukturunterlagen für Istzustand bzw. Bezugsfall sowie Variante(n) bzw. Planfälle
- Erforderliche Daten und Unterlagen zum Betriebsprogramm für Istzustand bzw. Bezugsfall sowie Variante(n) bzw. Planfälle (Richtlinie 405.0201A01, S. 2 ff. / Bl. 143 f.)
Das heißt, die einzige Methode, den vielen unvermeidlichen systematischen Fehlern des Stresstests (die sicherlich auch nach Korrektur der gröbsten Fehler verbleiben) zu begegnen, ist die Simulation einer echten Alternative. Hierfür kommt vor allem der Kopfbahnhof in Betracht, da die S21-Investition sich ja durch den Vorteil gegenüber diesem rechtfertigen soll.
Allerdings ist abzusehen, dass die Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs unter gleichen Annahmen (z.B. den verkürzten Blockabständen von Zuffenhausen zum Bahnhof, den Pufferzeitverletzungen, den dramatisch reduzierten Verspätungsniveaus, etc.) regelrecht explodieren würde. Und damit erklärt sich auch, dass die Bahn sich so vehement gegen diese Forderung der Kritiker zur Wehr setzt (die jedoch auch vom Regelwerk und dem wissenschaftlichen Prinzip geboten wäre). Dass dieses Grundprinzip der Computersimulationen von der SMA nicht angesprochen wurde (trotz dem Hinweis in der Richtlinie) ist als weiteres schweres Versäumnis zu werten.
An fehlenden Infrastrukturdaten des Kopfbahnhofs würde das Projekt nicht scheitern, da diese sämtlich schon im System vorhanden sind. Dies wurde während der Prämissen-Gespräche deutlich, als am 14.07.2011 beim Ortstermin bei DB-Netz dargestellt wurde, dass die Bauzustände am Kopfbahnhof schon zu Zeiten des Stresstests mit RailSys simuliert wurden[21].
Die Begründungen, die Dr. Kefer in der Stresstest-Präsentation dafür gab, dass der Kopfbahnhof nicht im Vergleich simuliert wurde, sind angesichts der klaren Vorgaben der Richtlinie als unrichtig anzusehen:
- "Die simple Antwort lautet: Wir tun das deswegen nicht, weil zu dem damaligen Zeitpunkt eine Aufgabe definiert wurde, die da lautete, dass nachzuweisen sei, dass der Durchgangsbahnhof eine bestimmte Kapazität hat. Und die ist so definiert worden, wie wir sie heute besprechen. Die Aufgabe lautete damals nicht, einen Vergleich zu machen, welcher der Bahnhöfe denn jetzt eine höhere Kapazität hatte." [22]
- "Ich möchte noch ein Weiteres klarstellen. Wir werden keinen weiteren Stresstest für K 20 machen, weil es nicht unsere Aufgabe ist, einen Nachweis zu führen, was K 20, K 19 oder K 21 kann, sondern die Aufgabe war klipp und klar der Nachweis, was S 21 kann." [23]
Die Kapazität des Durchgangsbahnhofs ist eine Frage seiner Bemessung. Damit irrt Dr. Kefer in seiner Ablehnung des Vergleichs. Die Richtlinie schreibt gerade für die Kapazitätsfrage den Vergleich vor, da sonst die systematischen Fehler das Ergebnis unkontrollierbar verfälschen. Gerade zum Nachweis der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 ist die vergleichende Simulation des Kopfbahnhofs die Voraussetzung, unabhängig von der Formulierung des Auftrags.
Abschlussdokumentation nicht nachvollziehbar
Die Abschlussdokumentation des Stresstests entspricht nicht den Anforderungen:
- "Alle Ergebnisse sind so aufzubereiten, dass die sich ergebenden Schlussfolgerungen nachvollziehbar sind." (Richtlinie 405.0205 S. 1 / Bl. 227)
Dies erscheint als die wichtigste verletzte Anforderung der Richtlinie. Aber auch die Detailanforderungen der Richtlinie sind nicht erfüllt:
- "Bei der Darstellung von Ergebnissen sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Übersichtliche und komprimierte Darstellung von Zahlen möglichst in Tabellen oder in grafischer Form (Histogramme, Diagramme)
- Darstellung im Kontext mit den Ausgangsbedingungen bzw. mit den Prämissen für die Gültigkeit
- Hervorheben der für die Ableitung der Schlussfolgerungen aussagekräftigsten Kennwerte
- Beschränkung auf möglichst wenige Kenngrößen
- Abzuleitende Aussagen in verbaler Form direkt neben oder unter der entsprechenden bildlichen oder tabellarischen Darstellung platzieren
- Grenzwerte bzw. Maßstäbe in die Darstellungen möglichst optisch wirksam einarbeiten (z.B. farbige Darstellung, wenn bestimmte Grenzen über- oder unterschritten werden
- Bildliche Darstellungen und Diagramme mit Legenden versehen" (Richtlinie 405.0205 S. 4 / Bl. 230)
Hinsichtlich der "Beschränkung auf möglichst wenige Kenngrößen", darf natürlich nicht der Fehlschluss gezogen werden, dass dies die Unterschlagung von den nach der Richtlinie vorgeschriebenen Kenngrößen legitimieren würde. Wesentliche "abzuleitende Aussagen" werden gerade in den Ergebnisdarstellungen nur durch Zahlenwerte oder Schlagworte, ohne echte Begründung und Einordnung wiedergegeben, auch die aussagefähige Legenden fehlen zumeist. Die Ergebnisdarstellung ist in höchstem Maße unvollständig, unrichtig, unübersichtlich, unerläutert und irreführend:
- Insbesondere die Prämissen sind äußerst unvollständig dargestellt, so dass hier auch nach drei Tagen der in der Folge stattfindenden Prämissengespräche noch keine vollständige Klarheit herrschte. Siehe auch Audit SI-07 S. 3 / Bl. 177:
- "Es fehlt eine vertiefte Auflistung der Prämissen und Randbedingungen bezüglich zugrunde gelegter Infrastruktur und fahrdynamischer Berechnungen sowie Annahmen der Fahrplankonstruktion und Eingangsdaten für die Simulation."
- Verschobene Stufen der Betriebsqualität: Durch eine sinnentstellende Collage aus Versatzstücken der Richtlinie wurde eine neue Definition unrichtig festgelegt.
- Tatsächlich wurden durch diese unzulässige Verschiebung die Qualitätsgrenzen in der Verspätungsveränderung um eine Stufe zu wenig anspruchsvoll festgelegt. Außerdem ist die Anwendung dieser Minutengrenzen auf die Mittelwerte unterschiedlicher Strecken unzulässig.
- Strecken-Auswertungen: In den Auswertungen des Verspätungsaufbaus auf einzelnen Strecken, wurden unzulässig teilweise nur verkürzte Teilstrecken bewertet, um überall ein "optimal"-Prädikat zu erhalten.
- Dies verdeckte, dass tatsächlich ein großer Teil der Strecken ein "risikobehaftet" und (bei korrigierter Skala, siehe zuvor) mehrere Strecken ein "mangelhaft"-Prädikat erhalten.
- Premium-Qualität aus Haltezeitverkürzungen: Die Ermittlung einer "Premium" Qualität unter Abzug der Haltezeitverkürzungen im Hauptbahnhof erfolgte suggestiv und ohne Hinweis, dass dies nach der Richtlinie als verfälschend angesehen wird. Die Richtlinie fordert in diesem Fall eine differenzierte Betrachtung weiterer Kenngrößen, was in der Dokumentation fehlt. (Tatsächlich fallen die Haltezeitverkürzungen im Stresstest Stuttgart 21/Stresstest/Unrealistische Parameter#Haltezeitverkürzung unrealistisch mehr als doppelt so hoch aus, als in der Praxis erzielbar. Sie sind also unplausibel und mutmaßlich verfälschend.)
- Abweichungen von den Vorgaben des Landes: Sind nicht dargestellt.
- So musste der Leser den Eindruck gewinnen, die Vorgaben des Landes (Doku. Teil 1 S. 11) wären eingehalten worden, was jedoch nicht der Fall war.
- Annahmen zum Verspätungsaufbau: Sind ohne Darstellung der erheblichen Kappung der Verspätungs-Maximalwerte falsch dargestellt.
- Die Verspätungen erreichen aufgrund der Kappung nicht die in der Dokumentation dargestellten Mittelwerte, die somit unzutreffend dargestellt sind. Dies erscheint als grobe Täuschung, insbesondere, da auch auf gezielte Nachfrage die Bahn diese Information nicht preisgab.
- Betriebsqualität von 6 bis 10 Uhr gemittelt: Aber die Zugzahlen außerhalb der Spitzenstunde wurden nicht genannt. Es wurde keine Ankunfts- und Abfahrtstafel für den Hauptbahnhof gegeben. Die mit der Abschlussdokumentation mitgelieferte Netzgrafik beinhaltete nur Grundtakt und Spitzenstunde und war unverbindlich, da zahlreiche Abweichungen nicht dokumentiert waren (roter Vermerk oben in der Grafik).
- Genau in den Zugzahlen außerhalb der Spitzenstunde fand eine der quantitativ größten Verfälschungen der Stresstest-Parameter statt. Auch hier war die Bahn der gezielten Frage ausgewichen.
- Zahlreiche Prämissen undokumentiert: Tatsächlich wurden die entscheidenden Eingangsgrößen des Stresstests, die Prämissen, zum größten Teil überhaupt nicht dokumentiert, etwa die Annahmen zum Verspätungsabbau sind überhaupt nicht angegeben (aber auch Abweichungen von Landesforderungen, Falschdarstellung Verspätungsaufbau, etc. ...).
- Es ist eine unverzeihliche Lücke, wenn in der Stresstest-Dokumentation nur der Aufbau von Verspätungen (wenn auch unvollständig und falsch) dargestellt wird, aber die Möglichkeiten im Modell zum Verspätungsabbau überhaupt nicht dargestellt werden. Hier befinden sich mit der vollen Nutzung der Fahrzeitreserven, der fehlenden Haltezeitverlängerung zur Hauptverkehrszeit, dem unzulässigen Verspätungsabbau am Einbruchsbahnhof und dem Abzug der Urverspätungen vom Verspätungsaufbau einige der großen Fehler im Stresstest.
- Fehlende Prüfung der Realitätsnähe: Es hätte geprüft werden müssen, ob für die Verspätungsannahmen die Näherungswerte (Richtlinie 405.0204A03 S. 1 / Bl. 225 f) oder Ist-Verspätungswerte oder Modifizierungen anzunehmen wären (Richtlinie 405.0204 S. 12 / Bl. 210). Eine solche Prüfung ist nicht dargestellt.
- Jede dieser Überprüfungen hätte die unrealistischen Annahmen in der Verspätungsstatistik (unrealistisch niedriges Verspätungsniveau und gekappte Haltezeitverlängerungen) zu Tage gebracht
- Belegungsgrade: Sind entgegen der Vorschrift nicht angegeben (siehe Folgeabsatz, Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 162).
- Die Angabe der Belegungsgrade hätte offengelegt, dass diese von "katastrophal" bis "unfahrbar" reichen.
- Weitere Kenngrößen fehlen: Auch die weiteren nach der Richtlinie für Infrastrukturuntersuchungen und im Fall von deutlichem Verspätungsabbau vorgeschriebenen weiteren Kenngrößen wie "infrastrukturbezogene Behinderungen" bzw. "Wartezeiten" werden aus mutmaßlich ähnlichem Grunde nicht angegeben.
- Berücksichtigung von Urverspätungen: Die Art der Berücksichtigung von Urverspätungen ist nicht angegeben. D.h. es wurde nicht dargestellt, dass die Haltezeitverlängerungen (Doku. Teil 1 S. 21) neben den echten Haltezeitverlängerungen in den Bahnhöfen im wesentlichen auch die auf der Strecke entstehenden Urverspätungen wiedergeben sollen.
- Die Klarstellung, dass die Haltezeitverlängerungen nicht allein die Haltezeitverlängerungen, sondern zu einem größeren Teil die auf der Strecke eintretenden Urverspätungen abbilden, hätte viel eher Zweifel aufkommen lassen an deren ausreichender Höhe und auch dem systematischen Fehler, dass dadurch der Verspätungsabbau geschönt dargestellt wird.
- Keine Angabe der Modellzüge: Seitenweise Zuglisten (Doku. Teil 1 S. 27-39) werden ohne Angabe der technischen Daten zu den Zügen dargestellt und sind somit praktisch ohne Aussage.
- Die Überprüfung der Zuglängen als Voraussetzung für die Doppelbelegungen und für die Beförderung der geplanten Fahrgastzahlen ist so unmöglich. Auch Bremskurven sind so nicht zuordenbar.
- Belegungsgrafiken unvollständig: Die Belegungsgrafiken (Doku. Teil 1 S. 40-48) sind unvollständig, insbesondere sind sie mangels Legende nicht selbsterklärend.
- Ohne eine ausreichend beschreibende Legende ist beispielsweise nicht ersichtlich, dass z.B. die Zuläufe aus Zuffenhausen nur dank der neuen Signaltechnik ETCS die gewünschte Zugzahl verarbeiten können. Aber ETCS wird bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht zur Verfügung stehen.
- Keine Prämissen der Sensitivitätsanalysen: Es wurde in keiner Weise spezifiziert, unter welchen Annahmen die Sensititvitätsanalysen (Doku Teil 2 S. 112, 132 / Bl. 51, 71) durchgeführt wurden, d.h. mit welchem Parametersatz (d.h. Verspätungswerten, war es ein guter oder ein schlechter Tag, wurde er zufällig ausgewählt), mit welcher Anzahl von Simulationsläufen (wie groß ist die Unsicherheit aufgrund mangelnder Statistik anzusetzen) etc.
- Damit sind die sogenannten Sensitivitäten ohne jede Nachvollziehbarkeit und Beweiskraft. Trotz dieses formalen Fehlers und dieser unprofessionellen Darstellung, sind die Sensitivitäten ohnehin ohne jede Beweiskraft, da ihnen die nötige statistische Signifikanz und die gleichzeitige Berücksichtigung realistischer Werte in sämtlichen Parametern fehlt.
- Datenmodell vom 15. Juli undokumentiert: Gleiches gilt für die Sensitivitätsrechnung zur Korrektur eines Teils der von SMA angemahnten Fehler, das Datenmodell vom 15. Juli (Audit SI-08 / Bl. 186 ff) für das es keinerlei Ergebnisdokumentation der Deutschen Bahn gibt.
- Finaler Simulationslauf undokumentiert: Die vorhandenen 7 Folien gehen nicht über die Behauptung eines Ergebnisses hinaus. Nicht einmal ein Fahrplan, geschweige denn Verspätungsverläufe oder alle weiteren Informationen, die zum Nachvollziehen der Ergebnisse nötig wären, liegen vor.
- Auf diese Weise hat die Ergebnisdarstellung zum finalen Simulationslauf nur die Qualität einer unbelegten Behauptung. Darüber kann der finale Simulationslauf keinen Nachweis der Leistungsfähigkeit führen, da er ebenfalls eine unvollständige Sensitivität darstellt und über die "vorausschauende Disposition" den Industriestandard der RailSys-Simulation verlässt.
- Infrastrukturoptionen ungeprüft: In der Stresstest-Dokumentation wurde lediglich dargestellt, welche Infrastrukturoptionen nicht aktiviert wurden (Doku. Teil 1 S. 54-61). Es wurde aber nicht untersucht (bzw. zumindest nicht dargestellt), welche Verbesserung diese Optionen gebracht hätten, wie es der Vorgabe im Schlichterspruch und der gültigen Prozessbeschreibung entsprochen hätte.
- Auf diese Weise bleibt verborgen, wie gravierend sich die bestehenden Engpässe tatsächlich auswirken. Dies würde deutlich, wenn der deutliche Leistungs- und Qualitätsschub ermittelt würde, der bei Ausbau zur großen Wendlinger Kurve oder der P-Option bringen würde.
Selbst die SMA attestiert:
- "Der Bericht 'Stresstest Stuttgart 21 – Fahrplanrobustheitsprüfung' der DB Netz AG vom 30. Juni ist nicht selbsterklärend, weist teilweise inhaltliche Mängel auf und bietet keine vollständige Dokumentation der durchgeführten Arbeiten." (Audit SI-07 S. 10 / Bl. 184)
Es ist nicht nachvollziehbar, wie die SMA nach einer solchen Aussage und auf der Basis einer solchen Ausgangsdatenlage überhaupt in der Lage war zu testieren. Es ist außerdem einem Audit nicht angemessen, dass die SMA einen solchen schweren Vorwurf nicht im Einzelnen mit den konkreten Mängeln belegt, dadurch verdeckt sie mehr als sie kritisiert.
Wenn die SMA ausführt, dass weitergehende Informationen von der DB bilateral erhalten wurden (.... Quelle), so sind diese Informationen nicht hinreichend dokumentiert ....
Ein solch umfassender Verstoß gegen die Richtlinie und gegen die Nachvollziehbarkeit durch die Öffentlichkeit ist als KO-Kriterium für den Stresstest zu sehen. Kein Wirtschaftsprüfer dürfte eine solch lückenhafte Bilanz akzeptieren.
Belegungsgrade wurden nicht dargestellt
Die Richtlinie schreibt für die Dokumentation der eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Simulation verbindlich vor:
- "Generell werden ausgewiesen:
• Verspätungszuwachs bzw. Verspätungsveränderung zwischen zwei definierten Querschnitten, dieser Wert dient als Kenngröße und wird dem zugehörigen Bewertungsmaßstab verglichen.
• Verspätungsverlauf über den Fahrweg des Zuges (der Zugfamilie).
• Einzelbelegungsgrade von Belegungselementen bzw. Kanten (Kenngröße)." (Richtlinie 405.0202 S. 13 / Bl. 162)
Dies fand an keiner Stelle der Stresstest-Dokumentation statt. Dieser Verstoß wurde von der SMA trotz ihrer großen einschlägigen Expertise übersehen bzw. nicht angesprochen. Die Belegungsgrade gehören zu den wichtigsten Kenngrößen in der Simulation einer Bahn-Infrastruktur mit stabilen Erfahrungswerten für fahrbare Auslegungen. So ergibt beispielsweise die Aktualisierung einer früheren Berechnung des Belegungsgrads von Stuttgart 21 mit den Daten des Stresstests einen Belegungsgrad in der Spitzenstunde von 95 %, das ist unfahrbar. Dies ist möglicherweise der Hintergrund für diesen Richtlinienverstoß.
Es ist zu vermuten, dass auch die Belegungsgrade für andere Stellen der Infrastruktur bspw. die Zufahrt von Zuffenhausen, die Filderstrecke, Wendlinger Kurve ähnliche Warnsignale für die Überlastung der Stuttgart 21-Infrastruktur ergeben.
Der Belegungsgrad ist eine der wichtigsten Kenngrößen in der Kapazitätsplanung, wird auch von der Richtlinie als erster Wert zur Infrastrukturbewertung aufgeführt (Richtlinie 405.0104 S. 27 / Bl. 115), er ist Bestandteil der Standard-Ergebnisdarstellung (Richtlinie 405.0205A01 S. 2 / Bl. 232). Die Bahn hat die Belegungsgrade für die Stuttgart 21-Infrastruktur vorliegen. Schon in der Faktenschlichtung am 29.10.2010 wurden die Belegungsgrade für die Zufahrten der Flughafen-Bahnhöfe gezeigt, auch einen Bahnsteiggleis-Belegungsgrad.[24] Das im Stresstest verwendete Programm RailSys gibt die Werte für Belegungsgrade standardmäßig aus.[25][26]
Test des Fahrplans oder der Infrastruktur?
- Die Bahn verfuhr nach dem Prozess zur Fahrplanrobustheitsprüfung ....
- Die Vorschriften der RiLi 405 für Infrastrukturprüfungen sind nicht erfüllt ....
- Auch die SMA spricht nur von der Untersuchung der "Robustheit des Fahrplans" nicht von der Robustheit der Infrastruktur bei hoher Belastung. (Audit SI-02 S. 4 / Bl. 144)
....
Keine modellzugspezifische Verspätungsveränderung
Die Richtlinie schreibt eine etwas detailliertere Analyse der Simulationsergebnisse vor, als sie in der Stresstest-Dokumentation erfolgte:
- "In Simulationsmethoden werden bei allen Tools Verspätungszuwächse (nicht immer völlig identisch mit der Summe der Wartezeiten, je nachdem, ob Urverspätungen oder Verspätungsabbau mit enthalten ist) modellzugspezifisch ermittelt." (Richtlinie 405.0202 S. 12 / Bl. 162)
Die Abschlussdokumentation liefert keine klare Zuordnung der Modellzüge zu den Linien.
Stresstest-Simulation auf Basis ungültiger Prozessbeschreibung
Der Stresstest wurde nach einer noch nicht gültigen Prozessbeschreibung durchgeführt und dies wurde dennoch von der SMA testiert.Die Bahn gab in ihrer Abschlussdokumentation vom 30.06.2011 an, beim Stresstest "gemäß Prozess »Fahrplanrobustheitsprüfung (FRP) durchführen« (LN34-07-01-03)" verfahren zu haben (Doku Teil 1 S. 2). Diese Prozessbeschreibung ist gültig seit 10.07.2011, d.h. sie konnte für die Durchführung des Stresstests keine Anwendung finden. Diesen Mangel übersieht die SMA und testiert einen Prozess, der auf einer nicht gültigen Verfahrensanweisung basiert. Dies ist überraschend, weil es zum Kern der Auditierung gehören müsste. Es ist die Frage, ob bzw. in welcher Form die noch nicht gültige Prozessbeschreibung der SMA überhaupt vorlag.
Für die Durchführung des Stresstests war eine frühere Fassung relevant, die Prozessbeschreibung LN34-05-07, gültig ab 16.02.2009. Es gibt womöglich mehrere Unterschiede zwischen beiden Verfahrensanweisungen. Ein entscheidender Unterschied liegt in dem Folgenden: In der älteren Prozessbeschreibung war die Berücksichtigung unterschiedlicher Infrastrukturvarianten an den Untersuchungsauftrag gebunden. In unserem Fall ist das der Schlichterspruch zum Stresstest, der ausdrücklich den Zusammenhang zwischen Simulation und Varianten darstellte:- "Welche der von mir vorgeschlagenen Baumaßnahmen, wie ich das eben getan habe, zur Verbesserung der Strecken bis zur Inbetriebnahme von S 21 realisiert werden, hängt von den Ergebnissen der Simulation ab." [27]
D.h. es hätte bspw. auch zwingend zumindest der Verkehr bei Bau der großen Wendlinger Kurve simuliert werden müssen (da hier die Leistungsvorgabe klar nicht erfüllt wird). Aber angesichts der extremen Parameter im Tiefbahnhof mit vielen Pufferzeitverletzungen und Doppelbelegungen hätten auch 9. und 10. Gleis und P-Option geprüft werden müssen.
Die neue Richtlinie, die möglicherweise eigens für den Stuttgart 21-Stresstest geändert wurde, galt aber nicht während seiner Durchführung. Allein sie würde es erlauben, von dem Untersuchungsauftrag durch einen gegebenenfalls enger gefassten Simulationsauftrag abzuweichen.
D.h. gemäß der geltenden Prozessbeschreibung und dem Auftrag aus dem Schlichterspruch hätten im Stresstest die Varianten mit den Ausbauten Große Wendlinger Kurve, P-Option, etc. geprüft werden müssen, was nicht geschah, so dass der Stresstest die betreffende Vorschrift verletzt. Allein wegen dieses Regelverstoßes müsste der Stresstest noch einmal regelkonform wiederholt werden. Inzwischen – aber eben erst jetzt – wäre dann eine Abweichung vom Untersuchungsauftrag möglich. Allerdings müsste die Bahn dann bei der Veröffentlichung fairerweise auch den Simulationsauftrag offenlegen und Abweichungen vom Untersuchungsauftrag begründen. Dieses Vorgehen müsste dann auch vollständig vom Auditor geprüft und als sachgerecht eingestuft werden.
RICHTLINIENVERSTÖSSE, PARAMETER
Kein Stress im Test
Es existiert offenbar bei der Bahn keine eigene Richtlinie für die Durchführung eines echten "Stresstests". Die hier immer wieder zitierte Richtlinie 405 macht Vorgaben für die Durchführung einer eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Simulation, die zu den verschiedensten Zwecken durchgeführt werden könnte. Klar ist aber der Untersuchungsauftrag im Schlichterspruch mit dem Begriff "Stresstest" formuliert worden.
Aufgabe eines Stresstests ist die Prüfung einer erhöhten Belastungssituation, wie sie gerade im Falle von Stör- und Notfällen auftreten, insofern ist besondere Aufmerksamkeit auf die korrekte Abbildung dieser Betriebssituationen zu legen. Es existiert eine Prozessbeschreibung "Fahrplanrobustheitsprüfung durchführen" (bei der auch nicht die gültige Fassung vom Stresstest eingehalten wurde, siehe voriger Absatz), diese beschreibt aber lediglich den Ablauf, nicht die Parameter.
Richtlinie 405 geht jedoch darauf ein, dass eine Simulation und die darin verwendeten Parameter der Aufgabe angepasst werden müssen:
- Zu den Eingangsgrößen: "Direkt aus dem Istzustand ermittelte Kenngrößen spiegeln zwar die Realität gut wieder, entsprechen aber, sofern sie nicht speziell für die aktuelle Aufgabe ermittelt wurden, nicht immer genau der geforderten Aussage." (Richtlinie 405.0205 S. 1 / Bl. 227)
- "Zur Abbildung der im Betriebsablauf zu erwartenden Folgeverspätungen bzw. außerplanmäßigen Wartezeiten werden die Züge mit • Einbruchsverspätungen (ggf. bei Güterzügen auch Einbruchsverfrühungen) und • Urverspätungen (aufgaben- und toolspezifisch) belegt. Zu Quellen und Aufbereitung dieser Parameter siehe 405.0204 [Betriebsprogramm] und 405.0206 [Verspätungsanalyse]. Liegen Auswertungen nicht vor oder erscheint ihre Anwendung nicht sinnvoll (z.B. bei perspektivischen Untersuchungen), sind entsprechende Annahmen (siehe 405.0103A03) zu treffen." (Richtlinie 405.0201 S. 6 / Bl. 138)
D.h. im Falle, dass die Simulation einen Stresstest darstellen soll, ist die Verwendung von Jahres- und Tages-Durchschnittswerten aus dem Alltagsbetrieb nicht zielführend. Es müssten Werte der untersuchten Belastungsspitze (im Stresstest die Spitzenstunde), für Tage besonderer Belastung (Winter, Suizid, etc.) eingesetzt werden. Statt Durchschnittswerten müssten also bspw. eigentlich die zur Stoßzeit spezifisch verlängerten Haltezeiten verwendet werden. Außerdem müssten typische Störungsszenarien, wie die rund zweistündige Sperrung von ein bis zwei Gleisen, oder die nicht so seltene zumindest halbstündige Blockade eines Zuges im Bahnhof durch eine technische Störung am Zug simuliert werden. Beide typische Stresssituationen kommen in der Simulation nicht vor.
Dem Argument, dass die in der Simulation eingesetzte Verteilung auch einzelne Extremwerte liefert, muss entgegnet werden, dass diese gerade im Stresstest für Stuttgart 21 durch die spezifischen Einstellungen im Modell beschnitten wurden:
- Die Störungswerte insbesondere des Fernverkehrs und der S-Bahn wurden extrem unterdurchschnittlich angesetzt.
- Die Streuung im Modell fällt nur rund halb so groß aus wie in der Realität beobachtet. D.h. die eigentlich kritischen Extremwerte fallen nur halb so gravierend aus.
- Im Modell wurden aber darüber hinaus gerade die Maximalwerte beschnitten, so dass genau der Anteil der Verspätungsstatistik, der Stör- und Notfälle abbilden sollte, aus der Simulation herausgenommen wurde. Dieser Eingriff ist einer der gravierendsten Fehler im Stresstest.
D.h. statt auf die korrekte Abbildung gerade der hohen Belastungsspitzen zu achten, wurde eine Simulation durchgeführt, die gegenüber durchschnittlichen Bedingungen noch deutlich weichgespült wurde, also definitiv eine Schönstwettersimulation statt einem Stresstest. Dabei gibt die Richtlinie explizit vor, dass die Simulation von Stör- und Notfällen durch das Gegenteil, nämlich die Erhöhung der Parameter simuliert werden soll:
- "Die Modellierung der Ausfälle oder Teilverfügbarkeiten von Infrastrukturelementen muss bisher ersatzweise durch Erhöhung der zugbezogenen Parameter für Urverspätungen erfolgen." (Richtlinie 405.0206 S. 11 / Bl. 251)
Eine solche spezifische Modellierung einer besonderen Verspätungssituation kann offenbar problemlos in das System integriert werden, wie am Beispiel der "Gesonderten Ur- und Einbruchsverspätungen" in Marbach und Bondorf geschehen (Audit SI-08 S. 9 / Bl. 194). In gleicher Weise könnten auch die für den achtgleisigen Tiefbahnhof so kritischen Szenarien "Suizid" und "Technische Störung am Zug" bspw. durch testweise auf 120 bzw. 30 Min. heraufgesetzte Haltezeitverlängerungen im Hauptbahnhof simuliert werden.
Der Auditor des Stresstests, die Schweizer Firma SMA distanzierte sich außerdem ausdrücklich davon, die "betriebswissenschaftliche Simulation" als "Stresstest" zu bezeichnen[28]. Insofern stellt der Auditor klar, dass er lediglich eine Simulation und keinen Stresstest bewertet hat.
Die Ausblendung von Stress im Stresstest sowohl durch eine vom Ansatz her schon wenig anspruchsvolle Verspätungsstatistik als auch durch die unverantwortliche und im Verborgenen durchgeführte Kappung der Haltezeitverlängerungen ist ein eklatanter Verstoß gegen die Anforderungen der Richtlinie, den Untersuchungsauftrag in der Simulation korrekt abzubilden. Die Bahn hat die Anforderung nach einem Stresstest nicht erfüllt und ja auch nie behauptet, einen Stresstest durchgeführt zu haben. Auch der Auditor stellt klar, dass er keinen Stresstest auditierte. Diese grundlegendste Anforderung ist also definitiv nicht erfüllt.
Mangelhafte Berücksichtigung von Urverspätungen
Richtlinie 405 macht eine Reihe von Vorgaben für die Berücksichtigung von Urverspätungen als notwendigen Störungsparameter für eine eisenbahnbetriebswissenschaftliche Untersuchung. Urverspätungen setzen sich zusammen aus Unterwegsverspätungen aufgrund von Störungen auf der Strecke (Gleis, Oberleitung, Signale, Personen oder Zug) sowie Haltezeitverlängerungen durch ähnliche Störungen in den Bahnhöfen. Im vorigen Absatz war schon ein Zitat der Richtlinie zur möglichst aufgabenspezifischen und realitätsnahen Berücksichtigun gegeben worden (Richtlinie 405.0201 S. 6 / Bl. 138), außerdem wird dies auch hier angemahnt:
- "Bei Simulationen ist zu berücksichtigen, dass bei großem Betrachtungsraum und ohne Einspielen zusätzlicher Urverspätungen durch Verspätungsabbau im Betriebsablauf u.U. ein unrealistisch niedriges Verspätungsniveau bei der Einfahrt in den Auswerteraum entstehen kann. In diesen Fällen ist der Betrachtungsraum zu reduzieren oder es sind Urverspätungen einzuspielen." (Richtlinie 405.0203 S. 5 / Bl. 195)
Insbesondere für den Fernverkehr sind die Urverspätungen besonders relevant:
- "Liegen vor einem Knoten lange Streckenabschnitte, so führt der Abbau ggf. zu einem zu günstigen Verspätungsniveau beim Einbruch in den Knoten. Um diesen Nachteil zu vermeiden, muss von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Urverspätungen einzugeben." (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161)
Die Richtlinie erwartet in der Regel die spezifische Modellierung der Urverspätungen in der Simulation (.... Quelle), umfangreiche Daten hierfür sind bspw. aus den LEIDIS-Daten verfügbar (.... Quelle), die Richtlinie regelt die Auswertung der Ist-Daten für den Zweck (.... Quelle). Die Simulationssoftware RailSys erlaubt die umfassende Modellierung der streckenbezogenen Urverspätungen in der Simulation in Form von sogenannten "Fahrzeitverlängerungen".[29] Dabei achtet das Tool darauf, dass die Verfälschungen im ausgewerteten Verspätungsaufbau nicht auftreten, die im Stresstest im Hauptbahnhof und in den Einbruchsbahnhöfen zu beklagen sind. Dennoch weicht die Bahn in der Stresstest-Simulation auf die Behelfswerte aus.
Es ist nicht zu erkennen, warum die Bahn nicht die vorgeschriebene Simulation der streckenbezogenen Urverspätungen vornimmt. Die Daten sind vorhanden und das Tool bietet alle Möglichkeiten hierzu. Dass ohne erkennbare Not auf die (veralteten) Behelfswerte aus der Richtlinie zurückgegriffen wird (und diese auch noch um die anspruchsvollen Spitzenwerte gekappt werden, siehe unten) könnte den Verdacht aufkommen lassen, dass dies evtl. vorteilhaft für die Erzielung eines 'besseren' Simulationsergebnisses ist. Auf diesem Weg fallen die Stresstest-Ergebnisse durch den den fehlerhaft bestimmten Verspätungsaufbau im Hauptbahnhof und in den Einbruchsbahnhöfen noch günstiger aus, aber auch unzutreffend.
In der Stresstest-Dokumentation werden allein "Haltezeitverlängerungen" dargestellt (Doku. Teil 1 S. 21). Diese unkommentierte Größe musste von der Öffentlichkeit als tatsächliche Verlängerungen der Haltezeit im Bahnhof aufgrund von kleineren Störungen im Bahnhof oder hohem Fahrgastwechsel angesehen werden und erschien so relativ anspruchsvoll gewählt. Erst der Auditor stellt klar, dass die Haltezeitverlängerungen auch (zum größeren Teil) die Urverspätungen auf der Strecke enthalten (Audit SI-05 S. 1 ff / Bl. 156). Die Bahn ist also zunächst der Verpflichtung gemäß der Richtinie nicht nachgekommen, in der Abschlussdokumentation die Abbildung der Prämissen zu den Urverpätungen nachvollziehbar darzustellen.
Darüber hinaus wurden jedoch diese Haltezeitverlängerungen, die die Urverspätungen enthalten sollen, unzulässig gekappt und es wurde der Verspätungsaufbau ohne den Beitrag der Urverspätungen sowohl in den Einbruchsbahnhöfen wie auch im Hauptbahnhof ermittelt. Diese schwerwiegenden Fehler in der Abbildung der Urverspätungen in der Simulation werden in den entsprechenden Abschnitten besprochen.
Inwieweit sich bei der im Audit erwähnten Lenkungskreissitzung Stresstest in Karlsruhe am 05.05.2011 sich evtl. kaum eingearbeitete Vertreter der neuen Landesregierung sich bei dieser Festlegung evtl. über den Tisch haben ziehen lassen, lässt sich nicht sagen. Im Ergebnis werden die Urverspätungen jedoch gegen die Vorgaben der Richtlinie unzureichend bis gar nicht berücksichtigt.
Gekappte Haltezeitverlängerungen
Verdeckung der Kappung
Eine der quantitativ größten Fehlannahmen im Stresstest mit der Wirkung der Erleichterung des Bestehens ist auch eine der zuletzt identifizierten: Die vollkommen unbegründete Kappung der Haltezeitverlängerungen auf vollkommen unzulässig niedrige Maximalwerte. Diese Maximalwerte wurden von der Bahn in der Stresstest-Dokumentation und den Prämissengesprächen unterschlagen.
Die Bahn hatte in ihrer Abschlussdokumentation zum Stresstest die Annahmen für die unterstellten Verspätungsverteilungen dargestellt (Doku. S. 21), aber nicht angegeben um welche Verteilungsfunktion es sich handelte. Insbesondere wurde durch die Angabe von Mittelwerten und Wahrscheinlichkeiten suggeriert, dass eine unbeschnittene Verteilung angewandt wurde. Es gab keinerlei Hinweis auf die Beschneidung der maximalen Verspätungswerte.
Und selbst der Auditor SMA hatte offenbar für die längste Zeit keine vollständige Kenntnis davon. Zumindest hatte er zum Zeitpunkt der Prämissengespräche am 07.07.2011 offenbar noch keine Kenntnis von der schwerwiegendsten der Kappungen, der im Güterverkehr. Dies belegt die Folie der SMA aus den Prämissengesprächen, die für den Güterverkehr keine Kappung ausweist und bei deren Präsentation auch nicht die Bedeutung und vor allem die Auswirkung der Kappungsgrößen bei Fern- und Nahverkehr sowie S-Bahn erläutert wurden.
In den Prämissengesprächen hatte das Aktionsbündnis detailliert zu der Ausgestaltung der Verspätungsverteilung nachgefragt: Nach der Funktion, nach den im Test für die einzelnen Züge verwendeten konkreten Verspätungswerten, dem Vergleich mit realen Verspätungsdaten und sogar schon nach der Höhe der "Ausreißer" in der Verteilung. Diese Fragen wurden schriftlich mit der mageren Information "negative Exponentialverteilung" beantwortet. In der mündlichen Nachfrage wurde keiner der weiteren Punkte beantwortet, aber es wurde immerhin zu den Einbruchsverspätungen die Information gegeben, dass die "DB Spielräume hat, welche Verteilung an welchem [Einbruch-]Punkt angenommen wird." (Prämissengespräch 19.07.2011) Aber auch hier wurde kein Hinweis auf die Kappung der Haltezeitverlängerungen gegeben.
Am 19.07.2011 wurden noch einmal schriftlich die Daten der konkret auf die Züge einwirkenden Verspätungswerte nachgefragt und in der Folge mehrfach, aber ohne Erfolg angemahnt. Kurz vor der Stresstest-Präsentation hieß es dann, man habe die Frage nicht verstanden (.... Quelle).
Erst im Audit legte die SMA die Kappungen der Haltezeitverlängerungen offen, ohne allerdings auch nur mit einer Silbe auf diese Größen einzugehen. Selbst als die SMA in ihrer Tabelle den Grenzwert für den Güterverkehr eintrug, der das Maximum unterhalb des Mittelwerts festlegte, wurde sie nicht stutzig. Dafür reicht mutmaßlich nicht aus, nur auf einem Auge blind zu sein.
Wirkung der Kappung
Es bestand wohl die Hoffnung, dass niemand verstehen würde, was diese Randnotiz in der Tabelle zu bedeuten hätte. Ohne jede Erläuterung ist das auch kaum möglich. Man muss in das Handbuch der verwendeten Simulationssoftware schauen, um diese Größen einordnen zu können:
Parameter | Fern- verkehr |
Nah- verkehr |
S-Bahn | Güter- verkehr |
---|---|---|---|---|
Wahrscheinlichkeit | 10 % | 10 % | 10 % | 10 % |
Mittelwert der Verspätungen (nominal) | 2,0 Min. | 1,0 Min. | 0,5 Min. | 5,0 Min. |
Maximum der Verspätungen | 5,0 Min. | 3,0 Min. | 1,0 Min. | 3,0 Min. |
Anteil der gekappten Verspät. | 8 % | 5 % | 14% | 55 % |
Mittelwert der Verspätungen (real) | 1,84 Min. | 0,95 Min. | 0,43 Min. | 2,26 Min. |
Reduktion des Mittelwertes | 8 % | 5 % | 14 % | 55 % |
- "Die negative Exponentialverteilung wird häufig zur Beschreibung einer Abfahrtszeitverlängerung genutzt. Die Wahrscheinlichkeit wp, dass eine Verspätung der Zufallszahl v auftritt ist definiert als:
Sei v € [0;1] und wenn v < we / 100 (d.h. wenn die Zufallszahl v kleiner ist als der Anteil der verspäteten Züge, dann wird der Zug mit der folgenden Verteilung gestört.)
vsp = – pm × ln(1 – 100 v / we)
Die Parameter haben dabei folgende Bedeutung
vsp = Verspätung in Minuten
pm = mittlere Verspätung der verspäteten Züge in Min.
we = Anteil der verspäteten Züge (in %)
pmax = die maximale Verspätung der verspäteten Züge in Min.: Wenn die zufällig gezogene Verspätung diesen Wert übersteigt, wird der entsprechende Wert auf pmax reduziert."
(Handbuch RailSys, S. 415, "Parameter der negativen Exponentialverteilung")
Erst mit der Kenntnis dieses Algorithmus wird die Bedeutung der Größen klar. Der Maximalwert kappt die Verspätungsspitzen auf diesen Wert. Die Simulation dieser Verteilung der Verspätungswerte liefert die in der nebenstehenden Tabelle und der Grafik dargestellten Werte.
Grundsätzlich ist die Anwendung solcher Maximalwerte in dem Algorithmus von RailSys keine unsinnige willkürliche Maßnahme. Die Formel kann in seltenen Fällen extrem hohe Verspätungswerte liefern, auch viele Stunden oder gar Tage, und es ist sinnvoll, diese zu begrenzen. Im Fall der Einbruchsverspätungen wird dies auch gemacht und hat keine merkbare grob verfälschende Wirkung. Im Falle der Haltezeitverlängerungen ist die Wirkung erheblich.
Es wird der Großteil der Ereignisse, die alleine noch Stress in das System eintragen, nämlich die Verspätungsspitzen, auf harmlose Werte im Bereich der üblichen Pufferzeiten zurückgekürzt (zu den eigentlichen Pufferzeiten kommen die in Stuttgart Hbf teilweise besonders langen Haltezeiten). Es werden im Fern- und Nahverkehr, bei S-Bahnen und Güterverkehr 5 %, 8 %, 14 % und sogar 55 % der Werte gekappt. Die Kappung verfälscht dabei die Mittelwerte erheblich. Es ist eine Eigentümlichkeit der Exponentialverteilung, dass diese um den gleichen Prozentsatz sinken und das, obwohl die Werte ja nicht auf Null zurückgesetzt werden, sondern auf den Maximalwert. Dies zeigt das hohe Gewicht der Verspätungsspitzen. Aufgrund der hohen Nichtlinearität des Problems der Bahnhofsleistungsfähigkeit ist die Wirkung der Spitzen erheblich höher, als dem Prozentbetrag entspricht, um den der Mittelwert sinkt. Es waren genau diese gekappten Verspätungsspitzen, die eigentlich den Stress abbildeten, und die jetzt herausgenommen wurden.
Im Falle des Güterverkehrs ist der Eingriff schwindelerregend, wenn die Bahn das Maximum fast bei der Hälfte des Mittelwerts ansetzt. Es kann nicht entschieden werden, ob diese Größe überhaupt und ob sie genau aus diesem Grund dem Auditor vorenthalten wurde. Möglicherweise ist der Auditor aus eigenem Antrieb zurückgescheut, diese Größe schon in den Prämissengesprächen zu offenbaren. In jedem Fall hätte die Darstellung eines Maximalwerts, der unter unter dem Mittelwert der Verpätungsverteilung liegt, erhebliche Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt.
Die umfassende Informationszurückhaltung, die definitive Falschdarstellung in der Abschlussdokumentation der Bahn und die unvollständige Darstellung durch den Auditor in den Prämissengesprächen, die Nicht-Beantwortung entsprechender Fragen, lassen den Verdacht einer absichtsvollen Täuschung der Öffentlichkeit in dieser Frage aufkommen. Es entsteht der Eindruck, als wurden (fast) alle Maßnahmen getroffen, um diesen Eingriff zu verdecken.
Für die extreme Kappung der für die Simulation so enorm wichtigen Urverspätungen in Form der Haltezeitverlängerungen gibt es keine Rechtfertigung. Eine solche wurde auch an keiner Stelle von der Bahn oder der SMA gegeben. Die Richtlinie gibt an keiner Stelle Raum für einen solch umfassenden Eingriff in die Verspätungsstatistik. Wenn die wesentlichen Stressparameter teilweise um mehr als einen Faktor 2 falsch dargestellt werden in einer Unterlage, die eine Milliardeninvestition rechtfertigen soll, erscheint das als schwerwiegender Vorfall. Es ehrt die SMA, dass sie diesen Eingriff (wenn auch nur versteckt, quasi in einer Randnote) öffentlich machte. Es wirft aber ein sehr zweifelhaftes Licht auf den Auditor, wenn dieser dabei die Abweichung von dem Bahn-Regelwerk und diesen erheblichen Manipulationseingriff nicht erkannte, ja die Auswirkung dieser eigens für die Stresstest-Simulation eingeführten Parameter gar nicht prüfte. Die gekappten Verspätungen zählen zu den quantitativ größten Fehlern in der Simulation. Die Verdeckung dieser Parameter durch die Bahn – evtl. auch vor dem Auditor – könnte das Misstrauen in die Bahn verstärken.
Verspätungsspitzen für Störungen
Es erscheint als ein ausgesprochener Zynismus, wenn die Bahn ausgerechnet die Verspätungsspitzen aus der Simulation herausnimmt, die gerade die Störungen abbilden sollten laut der ausdrücklichen vielfachen Beteuerung der Bahn und des Auditors in der Stresstest-Präsentation (in den Prämissengesprächen ähnlich):
- "Die Kennzahlen der Betriebssimulation sind: [...] 140.000 eingebrachte Störfälle durch Verspätungen in einer großen Bandbreite, um zu statistisch gesicherten Ergebnissen zu gelangen." (Dr. Kefer, 29.07.2011, .... Uhr)[30]
- Die Bandbreite wurde durch das Herausnehmen der Spitzen genau dort verengt, wo Störungen abgebildet worden wären.
- "In dieser Computersimulation da werden ja unendlich viele Störeinflüsse per Zufallsgenerator in das Modell hineingeschossen und dann so weitergerechnet." (Werner Stohler, 29.07.2011, 13:54 Uhr)[31]
- Richtiger wäre: ... Störeinflüsse per Zufallsgenerator in das Modell hineingeschossen und danach auf ein harmloses Maß gestutzt.
- "Ich habe am Anfang meiner Präsentation gezeigt, dass Störungen durchaus in der Größenordnung von 15 Minuten sein können – eine Türstörung, eine Lokomotive muss dreimal hochgefahren werden, weil es dort Computersysteme gibt, die manchmal am "Boden liegen". Derartige größere Störungen sind also proportional, wie sie draußen im Verkehr vorkommen, enthalten." (Werner Stohler, 29.07.2011, ca. 16:00 Uhr)[32]
- Die Aussage ist nicht zutreffend: "Derartige größere Störungen" "in der Größenordnung von 15 Minuten" als "Türstörung" oder technische Störung am Zug, also als Verspätung im Bahnhof sind definitiv nicht in der Simulation enthalten. Solche Störungen können von der durch die Richtlinie geforderten Verteilung erzeugt werden, werden aber im Fernverkehr auf 5 Min. und im Regionalverkehr auf 3 Min. gekappt. Die derart erzeugten, bei einem Festbetrag gekappten Verspätungswerte anstatt der höheren Verspätungen sind eben nicht "proportional, wie sie draußen im Verkehr vorkommen". Die Verteilung hat statt der Spitze einen unnatürlichen Sockel erhalten.
- "Die Verspätungen, die in dem System wiedergespiegelt werden, werden per Zufallsgenerator erzeugt. Das war genau die Aussage, die wir getan haben und Herr Stohler hat sie bestätigt. Und diese Ursachen beinhalten auch abweichend von dem, was Herr Palmer vorhin gesagt hat, natürlich jegliche Ursache, die da vorstellbar ist. Also Signalstörungen, Weichenstörung und sonst irgendwas. Das wird dort alles wiedergespiegelt." (Dr. Kefer, 29.07.2011, 17:47 Uhr)[33]
- Wenn 55 % der Verspätungsannahmen im Güterverkehr denselben (verharmlosten) Wert annehmen oder 8 % im Fernverkehr, kann man nicht mehr von Zufallsgenerator sprechen.
Mehrfach wurde von der Bahn und der SMA betont, es seien anspruchsvolle Parameter gewählt worden. Dabei wurde verschwiegen, dass die eigentlich anspruchsvollen Verspätungswerte auf ein harmloses Niveau gekappt wurden:
- "Für die Betriebssimulation des Stresstests wurden durchgehend anspruchsvolle Parameter gewählt." (Doku. Teil 1 S. 21)
- Diese Aussage steht direkt neben den Verspätungsparametern, die die Kappung der Haltezeitverlängerungen auf wenig anspruchsvolle Werte unterschlagen. Diese Unaufrichtigkeit tut besonders weh und mag noch für Charakterstudien dienlich sein.
- "Es werden in der Simulation die Werte für eine hohe Belastung des Haltebahnhofs unterstellt. Damit werden auch weitere Urverspätungen, die nicht explizit in das System eingebracht werden, abgedeckt." (Audit SI-05 S. 2 / Bl. 157)
- Auch dies ist der direkte Zusatz der SMA zur Darstellung der gekappten Haltezeitverlängerungen. Sie musste mutmaßlich auf mehr als einem Auge blind sein, um die Kappung zu übersehen. Aber dass hier auch noch geschlossen wird, dass sogar "weitere Urverspätungen" abgedeckt seien, geht besonders weit. Diese weiteren Urverspätungen müssen sich auf die größeren Störfälle beziehen, die die SMA an anderer Stelle im Audit anspricht. D.h. es wird dargestellt, wie die Verspätungsspitzen gekappt werden und geschlossen, dass nun genau die Störungen berücksichtigt werden, die nur von den ungekappten Verspätungsspitzen abgebildet werden könnten!?
Es bleibt als Fazit nur festzustellen, dass auch noch genau der Teil der ohnehin unrealistisch optimistischen Verspätungsverteilung aus der Simulation herausgenommen wurde, der als letzter noch ein bisschen Stress hätte erzeugen können. D.h. der Stresstest ist nicht nur eine Schönwettersimulation, sondern eine Schönstwettersimulation!
Rolle des Güterverkehrs
Man kann nachvollziehen, dass die Berücksichtigung des Güterverkehrs unter realistischen Bedingungen enorme Schwierigkeiten in der Simulation verursachen würde. Dies könnte auch eine Erklärung liefern für die so vollkommen unsinnige Sensitivitätsbetrachtung ohne Güterverkehr, zu der die SMA schreibt:
- "DB Netz AG hat eine Sensitivitätsbetrachtung ohne SGV durchgeführt. Ein Betriebsprogramm ohne Güterverkehr ist nicht realistisch. Da dieser Zustand einen fiktiven Fall darstellt, wird er hier nicht detailliert kommentiert. Die Sensitivitätsprüfung zeigt einen deutlichen Effekt des Güterverkehrs in der Simulation. Zwischen Einbruchbetriebsstelle und Ausbruchbetriebsstelle können gut 40 Sekunden mehr Verspätung als in der Grundvariante abgebaut werden." (Audit SI-07 S. 7 / Bl. 181)
Da die Berechnung einer Sensitivität ohne Güterverkehr so fern der Wirklichkeit ist (es gibt keine Pläne für die Abschaffung des Güterverkehrs in der Region Stuttgart), stellt sich die Frage, wozu diese Untersuchung gemacht wurde. Es kann nur spekuliert werden, ob man nach der extremen Kappung der Haltezeitverlängerung und damit der Reduktion der Urverspätungen im Güterverkehr um mehr als die Hälfte nicht mehr sicher war, ob sich der Güterverkehr überhaupt noch signifikant in der Simulation bemerkbar macht. In diesem Fall hätte das Ergebnis eines immer noch "deutlichen Effekts" des Güterverkehrs für die Verantwortlichen des Eingriffs eine Beruhigung sein können.
Angesichts der besonders großen Verfälschung beim Güterverkehr durch die Kappung der Verspätungen hat das folgende Fazit der SMA zum Güterverkehr einen besonders bitteren Klang und erscheint als einer der kapitalsten Fehler im Audit:
- "Beim Güterverkehr sind keine Anpassungen erforderlich." (Audit FP-09 S. 3 / Bl. 115)
Fahrzeitüberschüsse voll im Verspätungsabbau
Richtlinie: 50 % Fahrzeitüberschuss nutzbar
Laut Richtlinie 405 dürfen insbesondere bei der Bewertung der Betriebsqualität (wenn es um "wirtschaftlich optimal" oder "Premium" geht) "entsprechend den Bedingungen in der Praxis" Bauzuschläge und planmäßige Wartezeiten nur zum Teil, in der Regel nur zu 50 %, genutzt werden. Fahrzeitzuschläge sollten ggf. ganz unberücksichtigt bleiben:
- "Simulationsmethoden erlauben die Abbildung von Verspätungsabbau, wobei i.d.R. der Abbau der Hälfte des Bauzuschlags und der im zu Grunde liegenden Fahrplan enthaltenen planmäßigen Wartezeiten im Betrachtungsraum zugelassen wird. Die Nutzung von Fahrzeitzuschlägen zum Abbau von Verspätungen kann toolgebunden unterbunden werden." (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161)
In der Definition der Betriebsqualität wird vielfach auf folgende Fußnote verwiesen, die jedoch sowohl von der Bahn in der Stresstest-Dokumentation (Doku. Teil 1 S. 23) als auch von der SMA im Audit (Audit SI-02 S. 2 / Bl. 176) unterschlagen wird:
- "Hierbei wird angenommen, dass entsprechend den Bedingungen in der Praxis ein Teil der in der Regel erforderlichen planmäßigen Wartezeiten und der bei der Fahrplanerstellung üblicherweise eingearbeiteten Zeitzuschläge zum Verspätungsabbau genutzt werden kann." (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94)
Die erste Formulierung ist nicht ganz eindeutig, der Satz am Anfang könnte so gelesen werden, dass nur die Hälfte des Bauzuschlags und die Wartezeiten voll zum Verspätungsaufbau genutzt werden könnten (wenn der Genitiv der Wartezeiten sich auf "Abbau" und nicht auf "Hälfte" beziehen würde). Wäre dies so gemeint, hätte die Richtlinie das präziserweise mit einer zusätzlichen Formulierung wie 'der Abbau der vollen [...] enthaltenen planmäßigen Wartezeiten' klarstellen müssen. Dass sich die Hälfte sowohl auf Bauzuschlag wie auch auf die planmäßigen Wartezeiten bezieht, wird durch die zweite genannte Passage der Richtlinie klar. Aber insbesondere ist es die einzig logische Interpretation. Denn es ist nicht zu erkennen, warum im Verspätungsfall andere Störungen aufgrund von Bautätigkeiten, Ausfällen der Technik oder Problemen mit Personen ausgeschaltet sein sollten.
Simulation: 100 % Fahrzeitüberschuss genutzt
Die für den Stresstest wesentlichen Annahmen zum Verspätungsabbau sind nicht in der Stresstest-Dokumentation dargestellt. Weder die Nutzung von Fahrzeitüberschüssen, noch die Mindesthaltezeiten oder andere Annahmen zum Verspätungsabbau.Erst in den Prämissengesprächen wurden die Bedingungen des Verspätungsabbaus offenbart. Allerdings ohne den Hinweis darauf, dass die Richtlinie nur die Nutzung von 50 % der Reserven zum Verspätungsabbau zulässt. Das in der Antwort der DB Netz auf die entsprechende Fragen dargestellte Bild aus dem Simulationstool suggeriert dabei doch noch eine Nutzung des Bauzuschlags zu nur 50 %. Dieser ist jedoch zu diesem Zeitpunkt schon ganz dem Fahrzeitüberschuss zugeschlagen (zweiter Aufzählungspunkt, Audit SI-04 S. 1 / Bl. 153 f, siehe Folgeabsatz).
Nach den im vorausgehenden Absatz zitierten Aussagen der Richtlinien darf der Bauzuschlag nur zu 50 % zum Verspätungsabbau verwendet werden. Fahrzeitüberschüsse sollen nach der Richtlinie sogar gegebenenfalls ganz unberücksichtigt bleiben. Offenbar wurde dieser Fehler lediglich in der "Sensitivität" mit 75 % Fahrzeitüberschuss teilweise korrigiert:
SMA: 75 % Fahrzeitüberschuss genutzt
Die SMA schreibt zu den Fahrzeitreserven:
- "Die Richtlinie sieht vor, dass in der Regel bei Simulationen die Hälfte des Bauzuschlags sowie der gesamte Fahrzeitüberschuss zum Verspätungsabbau genutzt werden können. Der Regelzuschlag wird nicht explizit genannt.
- Bauzuschläge sind hier im FzÜ enthalten. Zur Kompensation der vollständigen Nutzung des FzÜ und somit des impliziten Bauzuschlags wird der Regelzuschlag nicht zum Verspätungsabbau genutzt. Da Bau- und Regelzuschlag im Allgemeinen ähnlich große Werte annehmen, ist dieses Vorgehen eine sinnvolle Annäherung.
- Aufgrund der Unsicherheiten des weit in der Zukunft liegenden Zeithorizonts in der Fahrplankonstruktion (Bauzuschlag, Fahrzeuge etc.) ist das Verhältnis zwischen Regel-, Bauzuschlag und Fahrzeitüberschuss nicht genau einzuschätzen. Eine Sensitivitätsanalyse erlaubt es, diese Unsicherheit einzugrenzen. Es wird eine Analyse empfohlen, bei der nur 75 % des FzÜ für den Verspätungsabbau genutzt werden." (Audit SI-04 S. 1 / Bl. 153 f)
Diese Darstellung der SMA unterliegt einer Reihe von Fehleinschätzungen:
- Die SMA begeht hier den Fehlschluss, dass der Regelzuschlag, weil er "nicht explizit genannt" wird, zum Verspätungsabbau genutzt werden könnte, und seine Nichtverwendung hier die fälschliche Nutzung des Bauzuschlags kompensieren kann.
- Wenn die Richtlinie den Regelzuschlag nicht beim Verspätungsabbau erwähnt, dann heißt es, dass er nicht zum Verspätungsabbau zugelassen wird. D.h. er steht dann auch nicht zur Kompensation zur Verfügung.
- Der Regelzuschlag, "dient dem Ausgleich der sich täglich ändernden äußeren Einflüsse auf die Fahrzeit (Witterung, unterschiedliche Tfz-Leistung, Reaktion des Tfz-Führers)." (Richtlinie 405.0103 S. 7 / Bl. 41) und ist im Fahrplan enthalten. Er beruht auf Erfahrungswerten und ist Bestandteil der realistischen Fahrzeit, kann also gar nicht zum Verspätungsabbau genutzt werden.
- SMA argumentiert inkonsequent, wenn zunächst das Vorgehen der Bahn als "sinnvolle Annäherung" bewertet wird, und dann doch eine Sensitivität gefordert wird.
- Die Argumentation bezüglich der Unsicherheit im Verhältnis der Zuschläge und dem "weit in der Zukunft liegenden Zeithorizont" ist unzutreffend, da 9 Jahre wenig bedeuten vor dem Zeitraum, in dem die Erfahrungswerte der Richtlinie gesammelt wurden und regelmäßig zur Anwendung kamen. Es ist nicht anzunehmen, dass sich in den kommenden 9 Jahren das Bahnwesen vollkommen verändert, dann wäre gar keine Richtlinie nötig.
- Es ist überhaupt nicht zu erkennen, wie eine für den Stresstest durchgeführte Sensitivität mit 75 % Fahrzeitüberschuss diese vermeintliche Unsicherheit der Zuschläge in der Zukunft "einzugrenzen" vermag. Sie hat damit nichts zu tun.
- In Summe erscheint die Darstellung nebulös und wenig quantitativ. Woher kommen die 75 %?
Die SMA führt hier eine nicht nachvollziehbare Argumentation. Es lässt sich nicht entscheiden, ob die Richtlinie nicht aufmerksam gelesen wurde oder ob der SMA evtl. eine bestimmte Interpretation nahegelegt wurde, so dass sie dem Missverständnis unterlag, dass die Regelzuschlag als Kompensation genutzt werden könnte. Die Begründung für die Sensitivität ist nicht logisch nachvollziehbar, der Wert von 75 % Fahrzeitüberschuss erscheint nicht hinreichend begründet.
Qualität der Bahn-Richtlinien
Aus der Analyse des Stresstests ergibt sich auch eine Bewertung der Qualität der Richtlinie 405 der Bahn.
Die Richtlinie fordert eine realitätsnahe Simulation
Die hohe Qualität der Richtlinie zeigt sich darin, dass sie nahezu alle Abweichungen von einer realitätsnahen Simulation im Stresstest zu Stuttgart 21 untersagt:
- Sämtliche Parameter müssen aufgabengemäß gewählt werden und einzeln auf die Realitätsnähe geprüft werden.
- Für eine Simulation müssen alle Parameter gleichzeitig auf diese Werte gesetzt werden. Sensitivitäten sind nicht zugelassen, um Resultate zu ermitteln.
- Die Verspätungsstatistik darf nicht um die Spitzen, die gerade die Störungen im praktischen Betrieb abbilden, bereinigt werden.
- ....
Die Richtlinie ist an mehreren Stellen unnötig unklar
Es fällt aber auf, dass die Richtlinie an einzelnen entscheidenden Stellen merkwürdig unklare Formulierungen gebraucht, wo eine einfache absolut eindeutige Darstellung geboten wäre:
- Problematisch für den Stresstest zu Stuttgart 21 war die unnötig komplizierte Formulierung zu den Minutengrenzen des Verspätungsaufbaus (405.0104 S. 21 / Bl. 109): Eine einfache Tabelle, in der Art: Bis 0,0 Minuten Verspätungsaufbau "wirtschaftlich optimal", bis 1,0 Minuten "risikobehaftet", darüber "mangelhaft" würde die Einstufung klarer wiedergeben.
- Tatsächlich doppeldeutig ist die Formulierung zum Abbau der Fahrzeitüberschüsse (Richtlinie 405.0202 S. 11 / Bl. 161), deren zutreffende Interpretation sich erst mithilfe einer weit entfernten Textstelle der Richtlinie aufklären lässt (Richtlinie 405.0104 S. 6 / Bl. 94).
Die Richtlinie weist einen systematischen Fehler auf
Ein einziger systematischer Fehler in der Richtlinie wurde bisher identifiziert:
- Die Richtlinie lässt zu, dass Urverspätungen in Form von Haltezeitverlängerungen berücksichtigt werden. Sie macht aber keine Vorschrift, dass die Ermittlung des Verspätungsaufbaus dann um den Beitrag der Urverspätungen zu korrigieren wäre. Damit erscheint der Verspätungsaufbau systematisch um mehrere Sekunden geschönt.
Einzelnachweise
In Klammern gesetzte (Quellenangaben) ohne Fußnote beziehen sich zumeist auf wesentliche Unterlagen zum Stresstest, die im Artikel "Dokumente" beschrieben werden.
- ↑ 21.06.2011, stuttgarter-zeitung.de, "Bahn hält die Vorgaben für »irreal«"
- ↑ 19.07.2011, 3. Prämissengespräch, Thorsten Schaer, DB Netz AG. In der Diskussion im Anschluss an Frage 48 (wirtschaftlich optimale Qualität) erläuterte beim Vergleich der Sensitivität zur Qualität in der Spitzenstunde von 7 bis 8 Uhr mit der Grundsimulation, dass die wirtschaftlich optimale Betriebsqualität "nach oben bis zu 1 Minute Verspätungsaufbau" reiche (Protokoll).
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 14:58 Uhr, Boris Palmer
- ↑ 19.07.2011, 3. Prämissengespräch, Thorsten Schaer, DB Netz. Herr Schaer sagte laut dem Protokoll, dass laut Regelwerk ab 1 Sek. Verspätungsabbau Premiumqualität vorliegt, die DB aber erst ab 5 Sekunden Premium vergibt. Dabei ist unklar, wie die 1 Sek. laut Regelwerk dem dort geforderten "deutlichen" Verspätungsabbau entsprechen soll.
- ↑ a b 12.2004, uic.org, "Capacity Management (Capman Phase 3), Summary Report": "If time supplements are available for reducing delays, the value of punctuality will be acceptable, which means the difference between entrance and exit delay of the line section is equal to zero."
26.10.2005, uic.org, Gerard Dalton, Director, UIC Infrastructure Department, "UIC Capacity Management Project": "Acceptable punctuality (delta delay near 0)." - ↑ 17.11.2011, Sachliche Stellungnahme der Bahn (stuttgarter-zeitung.de)
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 17:02 Uhr, Werner Stohler: "Warum haben wir "wirtschaftlich optimal" vergeben? [...] Es ist so, dass sich in den Zuläufen, von wo auch immer, und in den Abläufen Verspätungen sich aufbauen. Also es gibt eine Anzahl Fahrgäste, die eben z. B. im Zulauf in der Morgenspitzenstunde tendenziell mit einer gewissen verspäteten Ankunft rechnen müssen. Für Leute, die durch den Bahnhof hindurchfahren, baut sich diese Verspätung dank der längeren Standzeiten ab." Siehe auch:
29.07.2011, Stresstest-Präsentation, Stenografisches Protokoll S. 136, Winfried Hermann - ↑ Finaler Simulationslauf: 0,8 × 9,5 Sek. (vorsichtig geschätzt nur 80 % ein/aus/umsteigende Fahrgäste sowie mittlerer Verspätungsaufbau in den Zu- bzw. Ablaufstrecken in der optimistischsten Grundvariante) 0,2 × -33 Sek. (volle Haltezeitverkürzung angesetzt, realistisch würden hier nur 19-20 Sek., also -1 Sek. Verspätungsabbau verbleiben) = 1 Sekunde Verspätungsaufbau. In der Grundvariante mit lauter unrealistisch optimistisch gewählten Parametern: 0,8 × 8,5 Sek. + 0,2 × -29 Sek. = 0,2 Sekunden Verspätungsaufbau.
Dieselbe Rechnung allein für die Sensitivität zum Auswertezeitraum 7-8 Uhr und mit der Berücksichtigung von realistisch nur 20 Sek. zu erwartendem Verspätungsabbau im Hauptbahnhof ergibt 0,8 × (42/2) Sek. + 0,2 * (42-20) Sek. = 21 Sekunden Verspätungsaufbau. Und dies ist immer noch optimistisch, weil die anderen Korrekturen (andere Sensitivitäten und Fehler im Stresstest) noch nicht berücksichtigt sind. - ↑ Es wird die Summe gebildet aus der Verspätung der Grundversion und den Beiträgen, um die der Verspätungsaufbau in den Zuläufen bei den Sensitivitäten über diesem Wert liegt: 8 ("Grundvariante") plus 17-8 = 9 (Zusatzversp. bei "75 % Fahrzeitüberschüssen") plus 22-8 = 14 (Zusatzversp. bei "Auswertezeitraum 7-8 Uhr") plus 11-8 = 3 ("Datenmodell 15. Juli") plus 13-8 = 5 ("Finaler Simulationslauf") ergibt 39 Sekunden.
- ↑ a b Gert Heister, Thorsten Schaer u.a., "Eisenbahnbetriebstechnologie", DB-Fachbuch (2006) (GBS)
- ↑ 19.07.2011, 3. Prämissengespräch im Stuttgarter Rathaus, Protokoll. Thorsten Schaer, DB Netz, sinngemäß zu Chart 67 der Abschlussdokumentation: Die Haltezeitverkürzung von 2,77 auf 2,0 Minuten kann kein Entscheidungskriterium für den Verspätungsabbau sein.
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation 14:28 Uhr, Hr. Stohler: "Die Kollegen von der Simulation haben dann nochmals einen Simulationsdurchlauf gemacht aufgrund unserer Wünsche nach Korrekturen, und daraus ergab sich eben dieser sogenannte Sensitivitätstest."
29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 16:41 Uhr, Dr. Geißler: "Und zur Bestätigung des Gesamtresultats einen weiteren Simulationsdurchlauf."
29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 16:40 Uhr, Dr. Kefer: "Der Simulationslauf als solches ist kein Thema. Das Modell liegt vor. Ich weise explizit darauf hin, dass das kein weiterer Stresstest ist, [...]" - ↑ 30.09.2011, SMA und Partner AG, "Überprüfung des finalen Simulationslaufes", S. 7: "Mit den drei ausgewerteten Gesamtläufen ergibt sich ein stabiles Bild für die Verspätungsentwicklung." Gemeint sind die Gesamtläufe vom 06.2011, 07.2011, 09.2011.
- ↑ U. Martin et al., "Vergleich der Leistungsfähigkeiten und des Leistungsverhaltens des neuen Durchgangsbahnhofes (S21) und einer Variante umgestalteter Kopfbahnhof (K21)". In: Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.): Stuttgart 21 – Diskurs, Stuttgart 2007, S. 2287–2369 (das-neue-herz-europas.de, PDF).
- ↑ 06.04.2006, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 5. Senat, Aktenzeichen 5 S 848/05 (landesrecht-bw.de)
- ↑ 29.10.2010, 2. Tag der Faktenschlichtung, ab 15:18 Uhr, Ingulf Leuschel
- ↑ 12.03.2011, stuttgarter-zeitung.de, "Bundesamt hält Fildertrasse für grenzwertig"
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 16:40 Uhr, Dr. Volker Kefer
- ↑ 10.10.2011, bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, Pressemitteilung vom zum finalen Simulationslauf (mit Links zu den Dokumenten)
- ↑ 2009, region-stuttgart.org, Qualitätsflyer Verband Region Stuttgart
- ↑ 14.07.2011, Ortstermin bei DB Netz in Stuttgart, knapp 3 Stunden ab 15 Uhr, Teilnehmer: Klaus Arnoldi und 4 weitere Experten des Aktionsbündnisses, Christian Becker und 4 Fachleute der DB Netz AG. Zustandekommen und Informationsfluss dieses Termins gestalteten sich schwierig.
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, .... Uhr (vormittags), Dr. Volker Kefer
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, .... Uhr (vormittags), Dr. Volker Kefer
- ↑ 29.10.2011, Faktenschlichtung, Foliensatz Ingulf Leuschel (pdf), S. 3, 4, 5
- ↑ Handbuch RailSys, S. 327 / Bl. 349 u.v.m.
- ↑ rmcon.de, "Kapazitätsuntersuchungen", abgefragt am 25.09.2011
- ↑ 30.11.2010, Schlichterspruch Heiner Geißlers, 17:22 Uhr
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 13:51 Uhr (s.a. 14:04 Uhr), Werner Stohler, CEO von SMA
- ↑ Handbuch RailSys S. 414 / Bl. 436
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, .... Uhr, Dr. Volker Kefer
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 13:54 Uhr, Werner Stohler
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, Stenografisches Protokoll S. 110, Werner Stohler
- ↑ 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 17:47 Uhr, Dr. Volker Kefer