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Die Anforderungen an den Stresstest zu Stuttgart 21 waren im Schlichterspruch klar formuliert worden. Nach Prüfung erscheint keine der Anforderungen durch den Stresstest erfüllt zu werden.


Dot.pngNoGo.pngDot.png – schwerer Mangel oder Nachteil
NoGo.png – KO-Kriterium
NoGo.png Ex.png – KO-Kriterium im öffentlichen Fokus

Nicht erfüllte Anforderungen
Anforderungen
NoGo.png Kein Kapazitätsgewinn durch S21
NoGo.png Ex.png Keine gute Betriebsqualität
NoGo.png Keine Reserven
NoGo.png Ex.png Unrealistische Spitzenstunde
NoGo.png Nicht geplante Infrastruktur
NoGo.png Nicht genehmigte Infrastruktur
NoGo.png Keine Richtlinie für Doppelbelegung bei Neigung
NoGo.png S-Bahn Linientausch

ExpertsOnly.png

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Baustelle.png
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30 Prozent Leistungsplus

Kapazität des heutigen Kopfbahnhofs noch nicht ausgeschöpft

Fahrplan Stuttgart Hbf, Winter 1969, 7:00 bis 8:00 Uhr. Im Sommer wurde Zug Nr. 3221 zusätzlich abgefertigt = 46 Züge.
In der Stunde von 6:50 bis 7:49 Uhr fertigt der Kopfbahnhof 39,5 Züge ab.
Die Ausgangsbasis, die heutige Fahrplanleistung von K20 mit 37 Zügen, entspricht nicht der Kapazität des heutigen Kopfbahnhofs, diese wäre deutlich höher anzusetzen. Schon im aktuellen Fahrplan werden von 6:50 Uhr bis 7:49 Uhr 39,5 Züge abgefertigt.

1969 fuhren 46 Züge im Stuttgarter Kopfbahnhof in der Spitzenstunde von 7-8 Uhr (siehe Auswertung rechts).[1] Für die aktuelle Infrastruktur hat die NVBW das Gutachten der Vieregg-Rössler GmbH bestätigt (unter der Voraussetzung, dass die DB AG keine detaillierteren Infrastrukturdaten zur Verfügung stellt), dass als Kapazität heute 50 Züge pro Stunde anzunehmen sind.[2][3][4][5] Und mit geringfügigen Ausbauten wären 56 Züge pro Stunde erreichbar (wobei allein neue Blocksignale noch nicht ausreichen). 54 Züge pro Stunde hatte auch schon Egon Hopfenzitz, der ehemalige Vorsteher des Stuttgarter Hauptbahnhofs, in der Stresstest-Präsentation als Kapazität bei geringfügigen Ausbauten abgeschätzt.[6]

NoGo.png Wenn es darum geht, dass die "Kapazität" des heutigen Bahnhofs nicht ausreicht, müsste für Stuttgart 21 die Forderung gestellt werden, die Kapazität des Kopfbahnhofs um eine zukunftssichere Spanne zu übertreffen. Einerseits hat der Kopfbahnhof also noch Reserven von 33 % bis 50 %, so dass aktuell kein Neubau erforderlich ist, und andererseits wäre ein Neubau erst zu rechtfertigen, wenn er die tatsächliche Kapazität des heutigen Bahnhofs deutlich überträfe. Tatsächlich zeigt der Stresstest, in dem die 48,5 Züge nur unter zahlreichen Regelverstößen erreicht werden, dass die realistische Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 deutlich unter der Kapazität des heutigen Bahnhofs liegt, also ein Rückbau der Infrastruktur stattfindet.

Keine Zukunftsreserven

Gegenüberstellung der Angaben zur Leistungsfähigkeit des Hbf Stuttgart. Sämtliche zwischenzeitlich überhöhten Kapazitätsaussagen zu S21 hatten keinen Bestand. Die WikiReal-Kritik entspricht den Plausibilitätsabschätzungen und den ursprünglichen Berechnungen der Projektbetreiber. Während S21 einen Kapazitätsrückbau bedeutet ist allein der Kopfbahnhof den zukünftigen Anforderungen gewachsen.

Der Zielwert, das Plus von 30% ggü. heutigem Fahrplan, die 49 Züge sind bei weitem nicht zukunftssicher. Wichtige Prognosen (z.B. EU-Weißbuch) sehen für die kommenden Jahrzehnte weit höhere Steigerungen des Personenverkehrs voraus.[7] So rechnet bspw. die EU-Kommission mit 35 % bis 100 % Verkehrszuwachs auf der Schiene schon bis 2050.[8] Die Bahn selbst geht allein bis 2025 von einem Plus im Personenverkehr von 25,6 % aus.[9] Würde Deutschland im Marktanteil des Bahnverkehrs an der Personenbeförderung auf Schweizer Niveau aufschließen, dann würde dies eine Steigerung von 86 % bedeuten.[10]

NoGo.png Frühere Leistungsversprechen der Projektbetreiber sahen eine Verdoppelung der Bahnhofsleistung durch Stuttgart 21 vor, d.h. ein Leistungsplus von +100 %, dabei sollte der Bahnhof für die Zukunft ausbaubar sein.[11][12] Jetzt werden auf dem Papier nur noch magere 30 % vermeintlich mit dem Stresstest knapp erreicht, Reserven für die Zukunft bestehen keine mehr. Es ist also abzusehen, dass der Bahnhof Stuttgart 21, selbst wenn er die 49 Züge leisten könnte, schon in absehbarer Zeit nicht mehr im Stande wäre, die geforderte Verkehrsleistung zu erbringen. Aufgrund seiner Bauweise ist er aber dann nicht mehr erweiterbar, es sei denn unter horrenden Kosten.

Es stellt sich die Frage, welchen Nutzen bringt Stuttgart 21? Tatsächlich sind die 48,5 Züge des Stresstests eine absolut unerreichbare Obergrenze für die Kapazitätsabschätzung aufgrund der Unzahl von leistungserhöhenden Verstößen gegen Richtlinien, gegen beschlossene Anforderungen und gegen realitätsnahe Parameter in dieser Simulation. Der Stresstest liefert derart den Beweis, dass nach den vielen notwendigen Korrekturen nur eine deutlich niedrigere Zugzahl unter Praxisbedingungen erreichbar ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man am Ende nahe den 32 Zügen pro Stunde landet, die ein Praxisvergleich als plausiblen Wert ermittelte, nahe den 31 Zügen, die eine Abschätzung aus dem Belegungsgrad ergibt.

Heute gehört der Stuttgarter Kopfbahnhof regelmäßig zu den pünktlichsten Großbahnhöfen Deutschlands.[13][14][15]. Die von der Bahn im Stresstest angestrebte "wirtschaftlich optimale" Betriebsqualität lässt einen Verspätungsaufbau von bis zu einer Minute pro Zug zu, der in den Simulationen schon knapp zur Hälfte erreicht wurde, wenn allein in den Sensitivitäten einzelne Parameter realistisch eingestellt worden waren. Aus den Zu- und Abläufen gemeinsam ergäbe sich der doppelte Verspätungsaufbau im Bahnknoten. Der vermeintliche hohe Verspätungsabbau während der Halte im Durchgangsbahnhof verfälscht hingegen laut Richtlinie das Ergebnis und ist außerdem durch fehlerhafte Ansätze in den Mindesthaltezeiten bzw. Abfertigungszeiten derart verfälscht, dass er um mehr als einen Faktor 2 größer ausfällt, als in der Praxis erreichbar. Hinsichtlich der Betriebsqualität bestehen somit große Zweifel.

Wo ist also der bahnverkehrliche Nutzen dieses milliardenteuren Rückbaus von Bahninfrastruktur? Das Alternativkonzept "Kopfbahnhof für Stuttgart" sieht bei einem Bruchteil der Kosten von Stuttgart 21 einen Ausbau der Kopfbahnhof-Kapazität auf 72 Züge pro Stunde vor.[16] Damit wäre der Bahnhof fit für einen echten und auch erwarteten Zuwachs des Schienenpersonenverkehrs. Ist es vernünftig, sich den Rückbau der Bahnhofskapazität von 50-56 Zügen auf 32-35 Züge pro Stunde ohne Erweiterungsmöglichkeit 4,5 bis 7 Milliarden kosten zu lassen?

Gute Betriebsqualität

Gute Betriebsqualität heißt Verspätungsabbau

Verspätungsverhalten
der Infrastruktur
Betriebsqualität
nach Richtlinie 405
bis 12.2007
Betriebsqualität
nach Richtlinie 405
ab 01.2008
Betriebsqualität
im Stresstest
(falsche Minutengrenzen)
Verspätungsabbauend gut Premiumqualität Premiumqualität
Verspätungserhaltend befriedigend wirtschaftlich optimal
Verspätungssteigernd risikobehaftet wirtschaftlich optimal
Stark verspätungssteigernd mangelhaft mangelhaft risikobehaftet
Bis 2007 wurde noch gute Betriebsqualität angestrebt, danach wirtschaftlich optimal.

Der Schlichterspruch forderte klar "gute Betriebsqualität" während der Spitzenstunde. Die Bahn lieferte in der Stresstest-Dokumentation eine neue Definition der Betriebsqualität in Anlehnung an die aktuell gültige Richtlinie mit den Stufen "wirtschaftlich optimal" und "Premium". Angestrebt wird jetzt die "wirtschaftlich optimale" Qualität. Sowohl die Bahn als auch die SMA unterschlugen, dass bis 2008 sehr wohl die "gute Betriebsqualität" in der entsprechenden Richtlinie definiert war und genau der heutigen sogenannten "Premium"-Qualität entspricht. Was heute "wirtschaftlich optimal" heißt, war zuvor nur "befriedigend" und entspricht einer verspätungserhaltenden Qualität.

Einzelnachweise

  1. Auswertung Andreas Heide. Der gleisgenaue Aushangfahrplan für Winter 1969 (Bild 1, Bild 2, Bild 3) wurde ergänzt um den im Sommerfahrplan laut Kursbuch zusätzlich verkehrenden Zug 3221. In einer früheren Auswertung (07.2011, bahn-fuer-alle.de, "Fahrplan in Stuttgart Hbf. im Jahr 1969, 7-8 Uhr".) waren vom selben Bahnsteig mit neuer Zugnummer zurückfahrende Züge zweimal gezählt worden, hier werden sie entsprechend der auf WikiReal angewandten Systematik einmal als "durchgebunden" gezählt.
  2. 27.10.2011, stern.de. "Das Alte schlägt die Moderne"
  3. 27.10.2011, vr-transport.de, "Studie zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs in seiner heutigen Gleiskonfiguration" (Text, Abbildungen)
  4. 21.11.2011, "Prüfung der Untersuchung 'Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs in seiner heutigen Gleiskonfiguration' der Vieregg-Rössler GmbH" (mvi.baden-wuerttemberg.de)
  5. 22.11.2011, Verkehrsministerium Baden-Württemberg, "Kopfbahnhof könnte heute schon mehr Züge abwickeln als S 21" (mvi.baden-wuerttemberg.de)
  6. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 11:20 Uhr, Egon Hopfenzitz. "Präsentation Egon Hopfenzitz", Bl. 1-3
  7. 29.07.2011, Stresstest-Präsentation, 17:39 Uhr, Karl-Peter Naumann. Foliensatz Naumann in Datei "Präsentation Egon Hopfenzitz", Bl. 4-10
  8. 28.03.2011, Weißbuch Verkehr der Europäischen Kommission, (PDF ec.europa.eu), S. 57
  9. 11.02.2009, Vortrag Dr. Volker Kefer, DB Netze, vor Unterausschuss des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin.
  10. 2010, EU energy and transport in figures, Statistical pocketbook 2010, EU-Kommission, S. 119 (PDF ec.europa.eu)
  11. 10.2007, bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, "Fragen und Antworten zum neuen Verkehrskonzept für Stuttgart und die Region", S. 3, ähnlich auch S. 4.
  12. 05.2007, bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, "Neubauprojekt Stuttgart-Ulm", S. 3.
  13. 09.2011, test.de, Stiftung Warentest, "Pünktlichkeit der Bahn: Die Bilanz eines Jahres"
  14. 02.2011, test.de, "Unpünktlichkeit bei der Bahn: Fast 70 Prozent zu spät"
  15. Referenzfehler: Es ist ein ungültiger <ref>-Tag vorhanden: Für die Referenz namens 2008-02_Warentest wurde kein Text angegeben.
  16. 24.08.2011, vr-transport.de, "Kopfbahnhof für Stuttgart"