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Chronologie
Ergebnis
In der Leistungsfähigkeit für die Fußgänger ist der bestehende Kopfbahnhof dem Neubau Stuttgart 21 nicht nur durch die mehr als anderthalbfache Bahnsteigfläche und die doppelte Gleiszahl überlegen. Auch die serielle Entleerung der Bahnsteige vermeidet die bei S21 unvermeidlichen Wartezeiten. Im Ergebnis ist der Kopfbahnhof für die Reisenden deutlich komfortabler und aufgrund seiner ebenen und offenen Bauweise auch deutlich sicherer.
Inhalt
Zusammenfassung
Der bestehende Kopfbahnhof ist in seinen Fußgängeranlagen deutlich großzügiger bemessen als der zukünftige Tiefbahnhof Stuttgart 21. Allein die Netto-Bahnsteigfläche ist um 64 % größer, die doppelt so vielen Bahnsteiggleise halbieren die Zugfrequenz und senken die Wahrscheinlichkeit für gleichzeitige Fahrgastwechsel erheblich. Im Ergebnis ist der alte Kopfbahnhof bei den hohen Belastungen des geplanten Verkehrswachstums deutlich komfortabler für die Fußgänger als Stuttgart 21.
Eine Grobabschätzung mittels der makroskopischen Bewertungsformeln, die in den Personenstromanalysen von Durth-Roos und PTV zum Einsatz kamen, verdeutlicht die Unterschiede in den Personenströmen. Bei hoch ausgelasteten Zügen ergeben sich durch die serielle Entleerung der Bahnsteige im Kopfbahnhof viel weniger Wartezeiten, während im Tiefbahnhof nach jeder Ankunft teils mehrminütige Wartezeiten an den Treppenanlagen in Kauf zu nehmen sind. Die Stauungen vor den Treppenanlagen und den Engpässen daneben behindern insbesondere die S-Bahn-Umsteiger, die teils über 8 Minuten Verzögerungen in Kauf nehmen müssen, bis sie den Bahnsteig verlassen können.
Vergleichstabelle
Im Folgenden werden einige für die Dimensionierung der Fußgängeranlagen wichtige Grunddaten für den Kopfbahnhof und Stuttgart 21 in Form einer Pro- und Contra-Liste einander gegenübergestellt (s.a. Engelh. 27.02.13 S. 37 ff). Der einzige Nachteil des Kopfbahnhofs durch seine geringere Bahnsteigbreite von 8,40 Metern gegenüber 10 Metern bei Stuttgart 21 wird durch die doppelte Bahnsteig- und Gleiszahl, die viel geringere Anzahl an Engpässen, den praktisch wartezeitfreien seriellen Entleerungsmodus und die offene und ebene Bauweise weit überkompensiert. Im Blick auf die wesentlichen Kenngrößen ist der Kopfbahnhof deutlich komfortabler im Vergleich zu Stuttgart 21.
Parameter |
Kopfbahnhof |
Stuttgart 21
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16 Bahnsteiggleise (17 mit Gleis 1a) Halbe Zugfrequenz. Selten gleichzeitige Fahrgastwechsel an beiden Bahnsteigkanten.
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8 Bahnsteiggleise Doppelte Zugfrequenz, Doppelbelegungen, mindestens dreimal so viel gleichzeitige Fahrgastwechsel am selben Bahnsteig.
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26.000 m² Brutto-Bahnsteigfläche[1] 24.971 m² Netto-Bahnsteigfläche (nach Einbauten, vor Möblierung). Mehr als anderthalb mal so viel Bahnsteigfläche (+64 %). Erweiterbar auf über 40.000 m².[2]
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16.800 m² Brutto-Bahnsteigfläche[3] 15.212 m² Netto-Bahnsteigfläche (s. unten, Engpässe). Nicht erweiterbar. -40 % weniger Bahnsteigfläche als Basis für ein Wachstum von 50 %?!
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8,40 Meter mittlere Bahnsteigbreite Ausreichend für stark ausgelastete Doppelstockwaggons in Qualitätsstufe D. Verzögerungen nur bei gleichzeitigen Ankünften. Ausbaumöglichkeiten bei Auflassung der Gepäckbahnsteige.
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10 Meter Bahnsteigbreite Etwas mehr Reserve, aber auf 1/5 der Länge nur 2,05 m oder 2,86 m Breite vor den Waggons, siehe unten. Im Verhältnis zu z.B. Frankfurt Flughafen Fernbahnhof mit 12,5 m Breite noch nicht unbedingt komfortabel.
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Überwiegend seriell Die Aussteiger laufen nahezu geschlossen zum Bahnsteigende, dadurch praktisch keine Wartezeiten, aber teils längere Wege.
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Parallel über 6 Treppen Die Treppen sind Nadelöhre bei hoher Belastung, bringen aber einen geringen Zeitvorteil bei niedriger Belastung.
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Engpässe: Breite × Länge, je 2-mal auf beiden Seiten des Bahnsteigs
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2,60 m × 27 m (Abgang zu S-Bahn) Nur auf Bahnsteig 2 bis 8. Auf Bahnsteig 1 schon entschärft, was auch auf den anderen Bahnsteigen möglich wäre.
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2,86 m × 10 m (Treppenaufgang Steg A Nord) 2,50 m × 7 m (Treppenabgang zur S-Bahn)[4] 2,86 m × 10 m (Treppenaufgang Steg A Süd) 2,05 m × 10 m (Fluchttreppenhaus 1) 2,05 m × 10 m (Treppenaufgang Steg B Nord) 2,05 m × 10 m (Treppenaufgang Steg B Süd) 2,05 m × 10 m (Fluchttreppenhaus 2) 2,86 m × 10 m (Treppenaufgang Steg C)
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27 Meter Engpass Mit 2,60 m Breite weniger kritisch, kommt nur bei längeren Zügen zum Tragen, lässt sich entschärfen.[5]
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77 Meter Engpässe Zum Großteil nur 2,05 m breit und jeweils rund 10 m lang. Diese Engpässe behindern den Ein- und Ausstieg, aber vor allem die S-Bahn-Umsteiger, die teils 5 der 8 Engpässe passieren müssen. Die Engpässe sind baulich unvermeidlich.
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1 Aufzug pro Bahnsteig Der Aufzug muss nur die mobilitätseingeschränkten Reisenden vom hinteren Teil des Bahnsteigs aufnehmen, die zur S-Bahn umsteigen wollen.
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3 Aufzüge pro Bahnsteig Die Aufzüge müssen sämtliche mobilitätseingeschränkte Reisende aufnehmen (nicht nur die S-Bahn-Umsteiger des hinteren Bahnsteigabschnitts) und sind dafür heillos unterdimensioniert und darüber hinaus teils durch Engpässe schwer zugänglich.[6]
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Bahnsteige sind barrierefrei Vom jedem Bahnsteig aus kann der Bahnhof barrierefrei verlassen werden.
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Barrierefreiheit durch die Aufzüge nur eingeschränkt gegeben Die 3 Aufzüge pro Bahnsteig sind viel zu knapp dimensioniert und im Brandfall nicht nutzbar.
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Entfluchtung und Entrauchung
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Entrauchung unproblematisch, da offene Bauweise. Entfluchtung barrierefrei möglich, mit 2 Fluchtrichtungen: Bahnhofshalle oder Bahnsteigende
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Entfluchtung teils durch verrauchte Ebenen und nicht barrierefrei Bisher wurden außerdem in den Entfluchtungssimulationen viel zu wenig Personen für die Entfluchtung angenommen.
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Bahnsteige eben Keine Gefahren aufgrund der Bahnsteigneigung.
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Bahnsteig bis zu 25 ‰ geneigt 15 ‰ Gleisneigung durch bis 20 ‰ Quergefälle auf rund 25 ‰ Gesamtgefälle erhöht. Gefahr des Wegrollens z.B. von Kinderwägen. Der "rollhemmende" Belag bewirkt außerdem eine hohe Lärmbelastung.
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Der Kopfbahnhof hat durch seine etwa doppelte Größe sowie seine ebene und offene Anlage unerreichbare Vorteile für den Komfort und die Sicherheit der Reisenden.
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Der Tiefbahnhof von Stuttgart 21 bewirkt durch seine Enge und die Engpässe auf und neben den Treppenanlagen hohe Komfort- und Sicherheitseinbußen für die Reisenden. Die Unterdimensionierung des Bahnhofs für die Fußgänger ist noch ausgeprägter als die Unterdimensionierung für die Züge.
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WikiReal Modellbetrachtung Kopfbahnhof und Tiefbahnhof
Um die Herausforderungen für die Personenströme und die tatsächlichen Unterschiede in den Belastungen und der Leistungsfähigkeit herauszuarbeiten wurde unter Verwendung der von Durth-Roos und PTV angewandten makroskopischen Berechnungsformeln ein grober Vergleich vorgenommen. Dabei zeigt sich bei hoher Belastung mit Reisenden, dass durch die serielle Bahnsteigentleerung und die niedrigere Zugfrequenz im Kopfbahnhof nur selten und nur geringe Wartezeiten entstehen – nur in den Fällen, wenn an einem Bahnsteig gleichzeitig zwei Züge eintreffen. Dagegen müssen zu den Stoßzeiten bei Stuttgart 21 praktisch alle Reisenden teils mehrere Minuten an den Treppen anstehen, bevor sie den Bahnsteig verlassen können. Die Hauptergebnisse der unten dargestellten Modellbetrachtung sind:
- Die Reisenden aus hochbelasteten Regionalverkehrszügen können den Bahnsteig im Kopfbahnhof und bei S21 etwa gleichschnell verlassen. In der Modellbetrachtung der stark ausgelasteten Regionalzüge mit 5 Doppelstockwaggons kommen bei Stuttgart 21 die Zuginsassen im günstigen Fall mit rund 1,63 Minuten etwas schneller vom Bahnsteig als im Kopfbahnhof mit 2 Minuten. Ungünstigenfalls, wenn der Zug zwischen Steg B und C hält, brauchen sie bei S21 jedoch rund 2,9 Minuten. Im Mittel verschwindet der Vorteil von S21 fast.
- Im Tiefbahnhof betragen die Wartezeiten der Reisenden ein Vielfaches verglichen mit dem Kopfbahnhof. Bei Stuttgart 21 ist praktisch jede Ankunft mit teils mehreren Minuten Wartezeit verbunden, bevor der Bahnsteig verlassen werden kann. Es ergeben sich bei 49 Zügen mindestens 7,9 Minuten Wartezeit in der Stunde im Tiefbahnhof, was rund einen Faktor 13 über den im Kopfbahnhof zu erwartenden etwa 0,6 Minuten liegt.
- Bei S21 kann es auch über 8 Minuten dauern, bis man vom Bahnsteig herunterkommt. Bei Stuttgart 21 bewirken die hohe Zugfrequenz und die Doppelbelegungen Stauerscheinungen, die einzelne Reisende 8 Minuten und mehr auf dem Bahnsteig festhalten können. Das ist doppelt so lange wie der Maximalwert im Kopfbahnhof im Modellfahrplan.
- Im Ergebnis ist der Bewegungskomfort im Kopfbahnhof deutlich besser bei gleicher Verkehrsbelastung entsprechend dem Modellprogramm aus 49 Zügen pro Stunde.
Vereinfachte Modellbetrachtung
Die nachfolgende Modellbetrachtung kann eine sehr viel realistischere mikroskopische Simulation mit Individuen nicht ersetzen, verdeutlicht aber die grundlegenden Unterschiede in den Personenströmen. Es zeigt sich dabei, wie dringend nötig eine mikroskopische Simulation unter Annahme realistischer Betriebsprogramme wäre.
Im Folgenden werden 49 Züge pro Stunde wie im Stresstest angenommen, zur Vereinfachung aber durchgehend nur als Regionalzüge mit 5 Doppelstockwaggons angenommen. Es wird die Bahnsteigentleerung nur der ankommenden Reisenden betrachtet und der Platzbedarf der Einsteiger vernachlässigt. Die makroskopische Berechnungsformel (PTV 2013 S. 14) wird dabei wie folgt verwendet:
- q = (B × k × v) / fq, mit
- q = Verkehrsstärke, also Stärke des Personenstroms in Personen/Sekunde
- B = Breite des Durchgangs/der Treppe
- k = Verkehrsdichte, Stufe C = 0,4 Personen/m², Stufe D = 0,7 Personen/m²
- fq = Angleichungsfaktor für Gegenverkehr, wie bei Durth-Roos 2009 und PTV 2013 = 1,05
Kaum Wartezeiten im Kopfbahnhof
Für Stuttgart 21 war die Qualitätsstufe C auch für die Spitzenstunde vorgegeben worden aufgrund des zugesagten "hohen Komforts" mit "internationaler Vorbildfunktion" (Engelh. 27.02.13 S. 6 ff). Üblicherweise wird Stufe D bei Spitzenbelastung noch akzeptiert. Dies ist der Wert, der auch für den hundert Jahre alten Kopfbahnhof gilt. Historisch war der Kopfbahnhof an den Bahnsteigenden ohne Einbauten, die derzeitige Möblierung lässt sich auch wieder entfernen, daher stehen den Personenströmen prinzipiell 8,40 m Breite zur Verfügung. Bei Qualitätsstufe D sind 0,7 Personen pro m² zugelassen. Bei einer Gehgeschwindigkeit von 1,34 m/s und einem Angleichungsfaktor von 1,05 (PTV 2013 S. 13) können somit 7,5 Personen pro Sekunde den Bahnsteig verlassen.
Ein Doppelstockwagen liefert 139 Sitz- und 115 Stehplätze [7] und bei einer regelmäßigen Belastung zu Hauptverkehrszeiten von 100 % der Sitz- und 25 % der Stehplätze[8] und 90 % Aussteigern (Durth-Roos 09.09.09 S. 1) einen Personenstrom von rund 150 Personen auf einer Länge von 26,8 m. Bei einer Gehgeschwindigkeit von 1,34 m/s (Durth-Roos/PTV) laufen diese Personen in 20 Sekunden die Länge eines Doppelstockwagens. Das gibt eine Belastung von 7,5 Personen pro Sekunde. Dieser Wert kann gerade vom Bahnsteigende in Stufe D verarbeitet werden (siehe zuvor). Die Aussteiger eines hochbelegten Regionalzugs (an nur einer Bahnsteigkante) mit Doppelstockwaggons können somit im Kopfbahnhof den Bahnsteig verlassen, ohne warten zu müssen.
Nur wenn an beiden Gleisen eines Bahnsteigs gleichzeitig aus einem Zug ausgestiegen wird, ergeben sich Wartezeiten für die Fahrgäste. Die Aussteiger aus einem Regionalzug mit 5 Doppelstockwaggons haben, wenn man für Lok und Prellbock noch eine Waggonlänge hinzurechnet, in dieser vereinfachten Modellrechnung nach rund 120 Sekunden = 2 Minuten den Bahnsteig verlassen. Bei 49 Zügen pro Stunde und 16 Bahnsteiggleisen ergibt sich eine Zugfrequenz pro Gleis von 3,06 Zügen pro Stunde und für die gewählten Modellzüge pro Bahnsteiggleis 6,12 Minuten Bahnsteigentleerungsvorgänge. Im Mittel ergeben sich für die überlappenden Bahnsteigentleerungen mit dem Nachbargleis am selben Bahnsteig (6,12 / 60)² × 60 Minuten = 0,6 Minuten überlappende Entleerungsvorgänge (wenn nur Regionalzüge angenommen werden, mit den IC-Zügen ist der Ausstieg ohnehin durch die lange Zuglänge und geringere Kapazität sehr viel entspannter). Somit sind im Kopfbahnhof pro Stunde maximal während 0,6 Minuten Stauungserscheinungen zu erwarten. Nur selten und nur für relativ kurze Zeit haben Fahrgäste mit Wartezeiten zu rechnen.
Hierbei haben wir Sinne einer für Stuttgart 21 günstigen Abschätzung den Abgang der Unterführung zur S-Bahn im Kopfbahnhof vernachlässigt. Über diesen können auf 3 m Breite bei einer Laufgeschwindigkeit auf der Treppe von 0,6 m/s bei Stufe D weitere 1,26 Personen pro Sekunde den Bahnsteig verlassen. Es ergeben sich in Summe 9,14 Personen/s Entleerungsleistung pro Bahnsteig bei Stufe D für den Kopfbahnhof.
Unvermeidliche Stauungen bei Stuttgart 21
Bei Stuttgart 21 stehen pro Treppenauf- oder -abgang jeweils 2,40 m Treppenbreite mit einer Gehgeschwindigkeit von 0,6 m/s zur Verfügung. Das ergibt bei dem Angleichungsfaktor von 1,05 eine Leistung von 0,96 Personen pro Sekunde bei Stufe D. Hinzu kommt 1 Rolltreppe mit 0,94 Personen/s (PTV 2013 S. 13). Zu diesem Treppenaufgang strömt der Ausstoß der Doppelstockwaggons (siehe zuvor 7,5 Personen/s) aus zwei Richtungen, von vor und hinter dem Treppenaufgang. Einem Anstrom von 15 Personen pro Sekunde steht eine Abflussleistung von 1,9 Personen pro Sekunde pro Treppe gegenüber. An jeder Treppe treffen rund 8-mal mehr Personen ein, als diese Treppe benutzen können. Die Ankommenden stehen also an, bis sie den Bahnsteig verlassen können.
Hält bei S21 nur ein Regionalzug am Bahnsteig, nehmen wir zugunsten von S21 an, die Aussteiger verteilen sich gleichmäßig auf die Treppenaufgänge von Steg A und B sowie den Abgang zur S-Bahn. Zugunsten von S21 nehmen wir auch an, dass auch bei den beiden Treppen von Steg A, die nur eine Rolltreppe besitzen, immer auch diese Rolltreppe für die Aussteiger zur Verfügung steht. Diese 5 Treppenanlagen aus Fest- und Rolltreppen haben zusammen eine Leistung von 9,5 Personen/s. Für die 750 Aussteiger aus 5 Waggons liefert das 1,3 Minuten Belastung der Treppen. Das bedeutet, dass die Reisenden jeden Zuges an den Treppen im Schnitt 0,65 Min. warten müssen (kürzestens 0 Min., längstens 1,3 Min.). Hinzu kommt im Schnitt eine Waggonlänge Laufzeit, zusammen im Optimalfall 1,63 Minuten Bahnsteigentleerungszeit. Bei S21 kommen in der Stunde mit 49 Zügen pro Gleis 6,1 Züge oder 12,2 Züge pro Bahnsteig an. Somit ergeben sich noch ohne Berücksichtigung von überlappenden Fahrgastwechseln pro Bahnsteig und Stunde 7,9 Minuten mit Wartezeiten bzw. Stauungen für Stuttgart 21. In diesem für Stuttgart 21 extrem optimistischen Szenario sind auch nicht die Querverkehre und langen Laufwege der S-Bahn-Umsteiger berücksichtigt.
Bei Stuttgart 21 hält jeder zweite Zug der Stresstest-Spitzenstunde in einer Doppelbelegung. D.h. jeder vierte Zug hält im Abschnitt zwischen Steg B und C. Hier werden von den Fahrgästen effektiv nur rund 3 Treppen genutzt (Steg B Süd und C und ein Äquivalent von etwa einer Treppe verteilt sich auf die nördlicheren Treppen und den S-Bahn-Abgang[9]). Es ergeben sich als Abflussleistung 5,7 Personen/s und eine Abflusszeit von 2,2 Minuten mit einer längeren mittleren Laufzeit der Fahrgäste von ca. 2 Waggonlängen = 0,67 Min. ergeben sich für die Bahnsteigentleerung rund ≈ 2,9 Minuten.
Im Mittel liegt damit diese optimale Entleerungszeit (ohne Berücksichtigung der zahlreichen weiteren Engpässe und der Querströme der S-Bahn-Umsteiger sowie nur beschränkt auf die Abflussleistung der Treppen) bei (3 × 1,63 + 2,9) / 4 = 1,95 Minuten. Bei Stuttgart 21 ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Zugentleerungen überlappen, sehr viel höher als im Kopfbahnhof. Bei geringfügigen Verspätungen stehen bei den Doppelbelegungen auch 4 Züge gleichzeitig an einem Bahnsteig. Rein rechnerisch ergeben sich für S21 (6,1 × 1,95 / 60)² × 60 Minuten = 1,65 Minuten pro Stunde mittlere Überlappung der Fahrgastwechsel, knapp dreimal so viel wie im Kopfbahnhof.
Aber schon laut Stresstest-Fahrplan ist diese Überlappung noch größer. So kommen die Regionalzüge 80005-2 und 50003 in nur 5 Sek. Abstand auf Gleis 3a und 4a an. [10] Bei geringer Verspätung können die vorderen Züge einer Doppelbelegung praktisch gleichzeitig zwischen Steg B und C halten. Es ergibt sich für die 2 × 750 ankommenden Reisenden eine Räumzeit von 2,2 × 2 + 0,67 ≈ 5,1 Minuten für dieses vordere Zugpaar. Währenddessen kann das hintere Zugpaar mit einer guten Wahrscheinlichkeit innerhalb einer Zugfolgezeit von 2,5 Minuten eintreffen. Während dieser Zeit haben (bei Stufe D) 5,7 × 150 = 855 Reisende den Bahnsteig verlassen, 645 stehen noch an. Mit den weiteren 2 × 750 stehen nun 2.145 Angekommene auf dem Bahnsteig. Es werden nun sämtliche 6 Treppenauf- und -abgänge voll genutzt. Es ergibt sich eine Entleerungsleistung von 11,4 Personen pro Sekunde bei Stufe D. Damit dauert im optimalen Fall unter Vernachlässigung aller weiteren Engpässe diese zweite Phase der Bahnsteigentleerung 2.145 / 11,4 = 188 Sekunden = 3,1 Minuten. Insgesamt dauert die Bahnsteigentleerung bei dieser Doppelbelegung mindestens 5,6 Minuten.
Ein unglücklicher S-Bahn-Umsteiger aus dem ersten Zugpaar wird durch diese Stauungen daran gehindert, den Abgang zur S-Bahn am anderen Bahnsteigende zu erreichen. Er hat noch ab dem Stau bei Steg B Süd rund 200 m also rund 2,5 Minuten zu laufen. Er braucht dann insgesamt (ohne die vielen weiteren Engpässe neben den Fluchttreppenhäusern und Treppenaufgängen) mindestens 8,1 Minuten, bis er den Bahnsteig verlassen kann. Im Kopfbahnhof braucht es in diesem Beispiel maximal 2 × 1,67 + 0,33 = 3,67 Minuten, bis ein Reisender vom Zugende des zweiten gleichzeitig am Bahnsteig eingefahrenen Zuges das Bahnsteigende verlässt.
Nicht berücksichtigt wurde in dieser Modellbetrachtung, dass Stuttgart 21 für einen "hohen Komfort" mit "internationaler Vorbildfunktion" eigentlich Qualitätsstufe C als Ziel vorgegeben worden war (Durth-Roos 1998 S. 13, Durth-Roos 2009 S. 14, PTV 2013 S. 13/14) und insofern das Komfortziel für den Tiefbahnhof weit verfehlt wird. Denn in dieser Grobabschätzung für Stuttgart 21 wurde mit Stufe D eine um 75 % höhere Reisendendichte zugelassen, als eigentlich angestrebt.
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Dokumente
Durth‑Roos 09.09.09
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Durth Roos Consulting GmbH, "Stellungnahme zur Untersuchung der DB International vom 27.03.2008", 09.09.2009
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Durth‑Roos 2009
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Durth Roos Consulting GmbH, "Stuttgart 21 – Hauptbahnhof, Personenstromanalyse (Endzustand)", 09.2009 (pdf cams21.de)
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Durth‑Roos 2012
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Durth Roos Consulting GmbH, "Stuttgart 21 – Hauptbahnhof, Personenstromanalyse (Endzustand); Detailbetrachtungen", 08.02.2012
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Engelh. 27.02.13
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Christoph Engelhardt, "Stuttgart 21: Kritische Würdigung der Darstellungen der Deutschen Bahn AG zu den Personenstromanalysen", 27.02.2013, (pdf wikireal.org)
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PTV 12.2013
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PTV Planung Transport und Verkehr AG, "Stuttgart 21 Hauptbahnhof S21 Per-sonenstromanalyse", Schlussbericht, 17.12.2013 (pdf mvi.baden-wuerttemberg.de)
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Einzelnachweise
- ↑ Bahnsteigmaße im Kopfbahnhof vor den Umbauten für S21. Mittlere Bahnsteigbreite: 8,40 m. Bahnsteiglängen: 392 m (Bahnsteig 1 Gleis 2). 368 m (Bahnsteig 2 Gleis 4), 395 m (Bahnsteig 3 Gleis 5), 456 m (Bahnsteig 4 Gleis 8), 435 m (Bahnsteig 5 Gleis 9 u. 10), 360 m (Bahnsteig 6 Gleis 11), 285 m (Bahnsteig 7 Gleis 13), 405 m (Bahnsteig 8 Gleis 15)
- ↑ 29.10.2010, 2. Tag der Faktenschlichtung, 16:39 Uhr, Peter Conradi
- ↑ Stuttgart 21: 8 Bahnsteige á 420 m Länge und 10 m Breite.
- ↑ Werte geschätzt.
- ↑ Eine Verschmälerung des Treppenabgangs und entsprechende Verbreiterung der Durchgänge, wie bei Bahnsteig 1 vorgenommen, entschärft den Engpass vollkommen (PTV 2013 S. 27)
- ↑ Der mutmaßlich am stärksten frequentierte Aufzug unter Steg B ist nur nach Passage von zwei 10 Meter langen Engpässen mit 2,05 Metern Breite erreichbar (Fluchttreppenhaus und Treppenaufgang zu Steg B). Begegnen sich hier zwei Rollstuhlfahrer (Breite 90 cm nach DIN 18040-1) auf dem Weg zum Fahrstuhl bzw. von dort kommend, so müssen sie warten, bis ein Zug neben ihnen zu stehen kommt, bevor sie offiziell aneinander vorbeifahren dürfen, wozu sie in den Sicherheitsstreifen einfahren müssen. Auch darf in Rollstuhlfahrer in diesen Bereichen nur dann offziell wenden oder sich mit Blick zum Gleis aufstellen, wenn ein Zug neben ihm steht.
- ↑ 12.2003, Deutsche Bahn AG, "Unsere Schienenfahrzeuge im Regional- und Stadtverkehr", S. 12 (pdf de.scribd.com)
- ↑ Erfahrungswert für die Spitzenbelastung, vgl. z.B. den in etwa gleich großen Empfehlungswert einer Auslastung von 120 % der Sitzplätze im Regionalverkehr in Sachsen-Anhalt (Antwort der Landesregierung Sachsen-Anhalt auf eine Kleine Anfrage, "Nahverkehrsverträge des Landes Sachsen-Anhalt II – Freihändige Vergabe von Elektronetz Nord", Anlage 3 "Qualität", S. 13 / pdf Bl. 127, pdf landtag.sachsen-anhalt.de)
- ↑ Es wird dabei davon ausgegangen, dass durch die "Trauben" der Wartenden vor den Treppen von Steg B Süd die 2,05 m breiten Durchgänge rechts und links nicht voll nutzbar sind.
- ↑ 15.09.2011, DB Netz AG, "Stresstest Stuttgart 21 Finaler Abschlussbericht zur Fahrplanrobustheitsprüfung", S. 14 (bahnprojekt-stuttgart-ulm.de)