Stuttgart 21/Personenzugänge/Ergebnisse

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Stuttgart 21 ist nicht nur für die Züge, sondern auch für die Fußgänger deutlich unterdimensioniert. Im folgenden werden die wesentlichen Aspekte entsprechend der folgenden Studie zusammenfassend dargestellt.

27.02.2013 Stellungnahme (1,2 MB, 49 Seiten), Gutachterliche Stellungnahme von C. Engelhardt zu den Personenstromanalysen (Zusammenfassung auf den ersten 5 Seiten)

Auf dieser Seite können daran anschließend später hinzu gekommene Diskussionspunkte oder Korrekturen und neuere Erkenntnisse zum Thema ergänzt werden, um den Faktencheck fortzusetzen. Eine chronologische Übersicht der Kritik an der Unterdimensionierung von Stuttgart 21 für die Fußgänger findet sich hier → Chronologie.

Aktuell

19.02.2014, seit einem Jahr hat die Bahn den Vorwürfen zur Täuschung des Gemeinderats nichts entgegenzusetzen (St.Z. 19.02.14, Kommentar, siehe dazu St.Z. 03.01.2013).

Belastungen gesenkt

Für eine realistische Simulation hätten in den Personenstromanalysen die Belastungen um einen Faktor 1,5 bis 2 höher angesetzt werden müssen:

  1. Es wurden nur die Reisenden aus 32 Zügen berücksichtigt, nicht etwa die aus den 49 Zügen des Stresstests. Die 32 Züge liegen deutlich unter den 38 Zügen, die heute fahren und weit unter dem zugesagten Wachstum von 50 % laut Finanzierungsvertrag. Das von der Bahn angegebene Wachstum an Reisenden von 23 % liegt in Wirklichkeit niedriger und beträgt wohl nur ca. 11 %. Es müssten somit rund 35 % mehr Reisende angenommen werden, um 50 % Wachstum abzubilden.
  2. Nicht nur der Stresstest auch das 32-Züge Programm setzten Doppelbelegungen voraus. Bei Doppelbelegungen sind aber die Bahnsteige mit 100 % mehr Reisenden belastet. Dieser Punkt steht zur Diskussion.
  3. In den Personenstromanalysen wurde mit rund 1.100 Reisenden pro Zug gerechnet. Für Regionalverkehrszüge sind jedoch mit 1.370 Reisenden rund 25 % mehr Reisende pro Zug am Bahnsteig zu erwarten.
  4. In den Simulationen wurde unrealistisch unterstellt, dass 40 % der S-Bahn Umsteiger zum Zugverkehr einen Umweg mit 14 Meter Höhendifferenz über die "kommeziellen Flächen" nehmen, statt den kürzeren direkten Weg über die Abgänge von den Bahnsteigen zur S-Bahn. Ohne diese unrealistische Annahme wären rund 20 % mehr Reisende an den kritischen Engpässen neben den Rolltreppen auf den Bahnsteigen zu erwarten.

Qualitätsansprüche gesenkt

Darüber hinaus waren die Hürden der angestrebten Betriebsqualität um gut einen Faktor 2 gesenkt worden:

  1. Die S21 für die Spitzenzeiten vorgegebene Qualitätsstufe C wurde effektiv auf D abgesenkt, somit werden im Schnitt 40 % höhere Personendichten akzeptiert als zugesagt.
  2. Die Bahnsteigräumzeit wurde entgegen der Vorgabe der Bahnrichtlinie von 2,5 Minuten auf 4 Minuten heraufgesetzt, deutlich über dem Maximalwert von 3 Minuten. Somit werden weitere 60 % mehr Personen akzeptiert als regelkonform möglich.

Entfluchtung geht von viel zu geringer Personenzahl aus

Die Analyse vom 27.02.2013 konzentrierte sich auf die Personenströme im regulären Betrieb, lieferte aber auch den Nachweis, dass gemessen an den geplanten Betriebsprogrammen in den Entfluchtungsszenarien von weniger als der Hälfte der zu entfluchtenden Personen pro Bahnsteig ausgegangen wurde. Laut den Angaben von Projektsprecher Wolfgang Dietrich sollten 2.530 Personen pro Bahnsteig entfluchtet werden können.[1] Zwischenzeitliche Veröffentlichungen stellten klar, dass tatsächlich zuletzt eine höhere Zahl von 4.041 zu evakuierenden Personen pro Bahnsteig (16.164 / 4) berücksichtigt wurden.[2]

Aber auch diese Belastung ist zu gering angesetzt. In Doppelbelegungen können 4 Züge pro Bahnsteig halten, mit bspw. jeweils 5 Doppelstockwaggons, was insgesamt rund 5.700 zu entfluchtende Personen ergibt. Für die 4.041 zu entfluchtenden Personen war von nur 2 Zügen pro Bahnsteig mit 7 Doppelstockwaggons ausgegangen worden. Daraus ergibt sich eine um rund 40 % höhere Anzahl an zu entfluchtenden Personen als bisher unterstellt wurde. Wird berücksichtigt, dass Stuttgart Hauptbahnhof einer der Bahnhöfe mit dem höchsten Fahrgastwechsel in Deutschland ist, dann sollte auch mehr als der durchschnittlich angesetzten 15 % wartenden Reisenden angesetzt werden. Im ersten Entfluchtungsgutachten zu Stuttgart 21 waren von dem Mit-Entwickler der entsprechenden Formel im EBA-Leitfaden[3] noch 30 % wartende Personen angenommen worden[4]. Mit diesem Wert ergeben sich rund 6.500 zu entfluchtende Reisende. Diese Kritik wurde zusammengefasst in der folgenden Stellungnahme für die Fraktion SÖS/Linke im Stuttgarter Gemeinderat:

03.12.2013 Eingabe (273 kB, 8 Seiten), Eingabe beim Gemeinderat zu Leistungsrückbau und der zu geringen Personenzahl in der Entfluchtung für die Fraktion SÖS/Linke von C. Engelhardt

Für die Entfluchtungsszenarien müssten also für Stuttgart 21 rund 40 % bis 60 % mehr zu evakuierende Personen angenommen werden als geschehen. In Folge dieser vom Gemeinderat aufgegriffenen Kritik ergaben sich weitere Gespräche und Veröffentlichungen auch zur Kritik an der Unterdimensionierung für die Personenströme, siehe → Chronologie.

Neue Kritikpunkte zur Fußgänger-Dimensionierung

Hier sollen Kritikpunkte gesammelt werden, die noch nicht in der Stellungnahme vom 27.02.2013 Erwähnung fanden:

  1. . . .

Glaubwürdigkeit

Es werden eine Reihe von Unsauberkeiten in der Planung der Personenströme durch die Deutsche Bahn AG und in ihrer Kommunikation der Ergebnisse beobachtet. Ohne weitere Erläuterung durch die Deutsche Bahn AG könnte der Eindruck entstehen, die wahren zu erwartenden Verhältnisse für die Fußgänger im Tiefbahnhof Stuttgart 21 sollten verdeckt werden.

Die festgestellten Punkte, die die Glaubwürdigkeit der Deutschen Bahn in Sachen Personenströme belasten werden grob nach ihrer Schwere klassifiziert:

●●●, gravierende Unaufrichtigkeit, Falschdarstellung oder Manipulation, oft auch justiziabel,
●●, mittelschwere Verfehlung,
, weniger schwer wiegende Unsauberkeit, an der Grenze zur fahrlässigen Fehlleistung, in der Regel nicht justiziabel.

Erwähnenswert erscheinen in jedem Fall die folgenden Punkte:

  1. ●●● [Verfahrensfehler]. 1997, Auslegung des Bahnhofs auf nur 32 Züge für Bahnverkehr und Reisende entspricht nicht den Wachstumszusagen von +50 % im Fern- und +80 % im Regionalverkehr. Die Planfeststellung müsste wegen Widersprüchlichkeit/Unerfüllbarkeit zurückgenommen werden.
  2. ●● [Verfahrensfehler]. Nach 1997, die Planung von Mindestbreiten bei den Durchgängen ist nicht regelkonform, der notwendige Flächenbedarf für die Personenströme blieb unberücksichtigt. Diese Planung war somit nicht genehmigungsfähig.
  3. ●●● [Verfahrensfehler]. 2005/2006, in der Planfeststellung und vor dem VGH konnten durch unzutreffende und unvollständige Darstellungen weder Zug- noch Personenleistung zutreffend bewertet werden.
  4. ● [Falschaussage]. 2008, berechtigte Kritik an den Engpässen wird öffentlich vom nicht für Fußgängerströme zuständigen Gutachter der Bahn mit unrichtigen Behauptungen "abgebürstet". Mindestbreiten sind nicht anwendbar, die Breite muss dem Verkehrsaufkommen angepasst werden.
  5. ● [Informationsvorenthaltung]. 2009, intern wird infolge der Kritik nachsimuliert, aber mit gegenüber den Komfort- und Wachstumszusagen stark gesenkten Hürden und Belastungen. Dennoch zeigen sich viele Engpässe, das Ergebnis wird nicht veröffentlicht.
  6. ● [Inkonsequenz]. 2010, als Ergebnis werden die kritisierten Stellen umgeplant, aber nicht erneut analysiert.
  7. ●● [Falschaussage, Informationsvorenthaltung]. 11.2010, in der Faktenschlichtung wird der falsche Eindruck vermittelt, es gäbe keine Probleme, ohne dass für die Umplanung eine Analyse vorliegt. Die Personenstromanalysen werden nicht offengelegt.
  8. ● [Informationsvorenthaltung]. 01.2012, Simulation der Umplanung der Engpässe. Aus 8 × Stufe E wird 16 × Stufe D. Das Ergebnis wird nicht veröffentlicht, später vor dem Gemeinderat werden kritischen Engpässe, um die es ging, nicht ausgewiesen.
  9. ●●● [Falschaussage]. 24.07.2012, ggü. dem Gemeinderat werden zu wesentlichen Parametern der Personenstromanalyse unrichtige Angaben gemacht, verbliebene Engpässe werden ausgeblendet (siehe Folgeabschnitt).
  10. ● [Auslassung]. 2012, Fluchttreppenhäuser als gewählte Brandschutzlösung, damit ergeben sich 2 zusätzliche, d.h. insgesamt 8 Engpässe pro Bahnsteig. Die Personenstromanalyse muss aktualisiert werden. Bliebe dies aus, wären Brandschutzkonzept und Personenströme nicht konsistent.

Unrichtige Darstellungen vor dem Stuttgarter Gemeinderat 24.07.2012

Die Beantwortung der 2012 aufgekommenen Fragen zu den Personenstromanalysen durch die Deutsche Bahn AG im Stuttgarter Gemeinderat am 24.07.2012, war unzutreffend und irreführend. Mit Auslassungen, unrichtigen Aussagen sowie der Ausblendung von Ergebnissen zu weiterhin bestehenden Engpässen war die tatsächliche Unterdimensionierung des neuen Bahnhofs Stuttgart 21 auch für die Reisenden nicht transparent dargestellt worden.

  1. ●●● [Falschaussage]. Unrichtig wurde angegeben, Stufe D würde angestrebt.
  2. ●●● [Falschaussage]. Unrichtig wurde angegeben, eine Bahnsteigräumzeit von 2-4 Minuten wäre vorgegeben.
  3. ●●● [Falschaussage]. Unrichtig wurde angegeben, die Zahl der Züge, ob 32 oder mehr, wäre irrelevant.
  4. ●●● [Falschaussage]. Unrichtig wurde angegeben, 400 m lange Züge seien Volllast, sie sind nur halbe Last.
  5. ●●● [Auslassung, Falschaussage]. Freihändige und im Ergebnis falsche Tabelle zum Vorteil von S21 ggü. dem Kopfbahnhof bei Bewegungskomfort der Reisenden.
  6. ● [Suggestion]. Suggestiv wurde ein Animationsfilm ohne jede Dokumentation der Parameter gezeigt.
  7. ●●● [Auslassung]. Unklar blieb die planerische Lösung zu den kritischen Engpässen und deren Qualität.
  8. ●●● [Auslassung]. Ausgeblendet wurden viele fortbestehende Engpässe, 52 × Stufe D, 9 × Stufe E (die selbst trotz der vielfach entlasteten Simulation in der Analyse ermittelt worden waren).
  9. ●●● [Falschaussage]. Obwohl der Tiefbahnhof für Fachleute ersichtlich nur einen "desaströsen" Bewegungskomfort liefert, wurde er für "hohe Servicequalität" und seine Vorbildfunktion gelobt.
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Einzelnachweise

  1. 26.07.2012, direktzu.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de, Wolfgang Dietrich, Antwort auf "Brandschutz: Kapazitäten für Evakuierung von Fahrgästen"
  2. 09.10.2013, stuttgarter-nachrichten.de, "Der brennende Zug fährt zum Bahnhof"
  3. 01.03.2011, eba.bund.de, Leitfaden für den Brandschutz in Personenverkehrsanlagen der Eisenbahnen des Bundes, S. 11
  4. 24.01.2003, BPK, Brandschutz Planung Klingsch GmbH, "Ganzheitliches Brandschutzkonzept für PS 21, Flughafenanbindung, Station NBS", S. 27